| Titel: | Ueber die Wirkung der Knochenkohle bei der Zuckerfabrication; von E. Wernekinck in Tula (Rußland). | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XV., S. 60 | 
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                        XV.
                        Ueber die Wirkung der Knochenkohle bei der
                           								Zuckerfabrication; von E. Wernekinck in Tula
                           								(Rußland).
                        Wernekinck, über die Wirkung der Knochenkohle bei der
                           								Zuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           Für die Zuckerfabrication war es von der größten Bedeutung, als die wunderbaren
                              									Eigenschaften der schwarzgebrannten Knochen erkannt und letztere wegen derselben in
                              									den Fabrikbetrieb zum Reinigen der Zuckersäfte eingeführt wurden, und nicht ganz mit
                              									Unrecht nennt man häufig die Knochenkohle „die Seele der
                                 										Zuckerfabrication“. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß die
                              									Verwendung des Spodiums manche Schwierigkeiten und Nachtheile mit sich bringt, die
                              									sich um so mehr und häufiger geltend machen, als über das Wesen der Wirkung eine
                              									klare und richtige Vorstellung eigentlich doch bisher nicht existirte. Ohne Zweifel
                              									würde es jetzt eine große Umwälzung in der Zuckerfabrication, eine bedeutende
                              									Vereinfachung des Betriebes herbeiführen, wenn die Knochenkohle entbehrlich zu
                              									machen wäre und deren Wirkungen anderweitig erreicht würden. – Um aber ein
                              									solches Ziel nur anstreben zu können, muß zunächst klar gelegt und festgestellt
                              									werden, worin das Wesen
                              									der Knochenkohle besteht, und worauf die bekannten Eigenschaften derselben gegründet
                              									sind.
                           Es ist erstaunlich, auf wie viele, sich oft widersprechende Erklärungen, auf welche
                              									oft sonderbar erscheinenden Ansichten die Techniker in dieser Hinsicht gekommen
                              									sind, und unwillkürlich erinnert man sich an Goethe's
                              									Ausspruch: „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hörte, es
                                 										müsse sich auch Etwas dabei denken lassen.“
                              								
                           Eine, die bei Verwendung der Knochenkohle vorkommenden Erscheinungen umfassende und
                              									in der That erklärende Theorie ist bis jetzt nicht in der Technik aufgestellt oder
                              									wenigstens nicht bekannt geworden. Bei dem Mangel einer solchen Theorie folgte man
                              									bei Aufbereitung und Wiederbelebung der Knochenkohle mehr oder weniger empirisch
                              									gewonnenen Auffassungen, wobei nicht in Abrede gestellt werden soll, daß bei den
                              									Operationen chemische Agentien an und für sich richtig angewendet wurden. –
                              									Von mehreren Seiten dazu aufgefordert, übergebe ich im Folgenden der öffentlichen
                              									Beurtheilung eine von mir aufgestellte Theorie, welche ich dem Verfahren bei
                              									Verwendung und Wiederbelebung der Knochenkohle in der Zuckerfabrication seit langen
                              									Jahren mit Erfolg zu Grunde gelegt habe.
                           Gewöhnlich sagt man, die Knochenkohle wirke durch Flächenanziehung, was auch durchaus
                              									nicht bestritten werden kann. Die Vorstellung welche an diese allgemeine Erklärung
                              									geknüpft wird, als würde die Reinigung z.B. von Zuckersäften dadurch bewirkt, daß
                              									dieselben in den Poren der Kohle mit einer großen Fläche in Berührung kommen, ist,
                              									wenn man der Sache nur einige Aufmerksamkeit schenkt, ganz unklar, und führt uns dem
                              									Verständniß der Vorgänge um keinen Schritt näher. Die Flächenanziehung, die
                              									Attraction der Körper untereinander, sind allgemein bekannte Erscheinungen, welche
                              									physikalischen Gesetzen folgen; eine der interessantesten und wichtigsten
                              									Naturkräfte ist aber die Molecular-Attraction gasförmiger Körper an festen,
                              									und diese ist es, welche wir zunächst in Betracht zu ziehen haben. Aus dem Gesetze
                              									der Molecularbewegungen gasförmiger Körper folgt, daß Gase an den Flächen fester
                              									Körper sich verdichten, und da eine Naturkraft nicht aufgehoben werden kann, so ist
                              									ein fester Körper nicht denkbar, ohne eine an seinen Flächen verdichtete Gasschicht;
                              									ebenso wenig ist denkbar, daß an den Flächen der Poren eines porösen Körpers nicht
                              									eine gleiche Verdichtung statt haben sollte. In der That ist es ja auch allbekannt,
                              									daß die Knochenkohle (ein solcher poröser Körper) das 50fache und noch mehr ihres
                              									Volumens an gasförmigen Körpern aufsaugt, und um so mehr je leichter das aufgenommene Gas durch Druck
                              									in flüssigen oder festen Zustand übergeführt werden kann.
                           In der Knochenkohle befinden sich also ohne Zweifel gasförmige Körper in 50-
                              									und mehrfach verdichtetem Zustande, oder mit anderen Worten: die in die Poren der
                              									Knochenkohle als Gase aufgesogenen Körper befinden sich darin in einem Zustande,
                              									welchen dieselben unter einem Drucke von 50 und mehr Atmosphären annehmen
                              									würden.
                           Betrachten wir nun zunächst, was für Gase sich in den Poren der Knochenkohle
                              									vorfinden. Angenommen, daß während des Glühens der Knochenkohle alle Gase
                              									ausgetrieben wurden, was jedoch nicht ganz der Fall seyn dürfte, so nimmt die
                              									Aufsaugung derselben doch sofort ihren Anfang, sobald eine Erkältung der Kohle
                              									eintritt, und es bedarf einer längeren Zeit auch nach vollständiger Erkaltung bis
                              									das Aufsaugen von Gasen unmerklich wird. Während des Glühens der Knochenkohle
                              									enthält die dieselbe umgebende Luftschicht natürlich die gasförmigen
                              									Verbrennungsproducte des Kohlenstoffes, also Kohlensäure resp. Kohlenoxyd, und diese
                              									Gase sind es, welche zunächst in den Poren verdichtet werden. Bei weiterer Erkaltung
                              									wird dann atmosphärische Luft (Stickstoff und Sauerstoff) aufgesogen; es ist
                              									einleuchtend, daß dabei, analog bekannten Erscheinungen (z.B. bei dem Platinschwamm
                              									in der Wasserstoff-Zündmaschine), eine chemische Verbindung eingeleitet und
                              									das etwa vorhandene Kohlenoxydgas in Kohlensäure übergeführt wird. Eine weitere
                              									Menge atmosphärischer Luft wird in unveränderter Zusammensetzung in den Poren der
                              									Kohle verdichtet. Bei längerem Liegen geglühter Knochenkohle an der Luft findet in
                              									deren Poren, gleichwie an den Flächen fester Körper überhaupt, ein Austausch der
                              									Gase statt, und beispielsweise ist die hygroskopische Eigenschaft des Spodiums
                              									bekannt, welche darin besteht, daß die Feuchtigkeit der Luft als (condensirtes)
                              									Wassergas in den Poren aufgenommen wird, und daß dadurch nicht condensirbare Gase
                              									(z.B. Stickstoff), vielleicht auch ein Theil Kohlensäure ausgetrieben werden. Eine
                              									frische, gut geglühte Knochenkohle, an und für sich ein äußerst poröser Körper und
                              									bestehend aus basisch-phosphorsaurem Kalk, kohlensaurem Kalk und Kohle,
                              									enthält also in den Poren eingeschlossen: Kohlensäure, Sauerstoff und Stickstoff in
                              									verdichtetem Zustande, und ohne Zweifel müssen die Wirkungen und Eigenschaften der
                              									Knochenkohle dem Vorhandenseyn dieser Gase in diesem Zustande zugeschrieben werden.
                              									Eine an der Luft längere Zeit lagernde Knochenkohle verliert in vieler Beziehung an
                              									Wirksamkeit.
                           Von den Erscheinungen, welche bei Anwendung der Knochenkohle auftreten, sind es
                              									vornehmlich zwei, um derentwillen wir dieselbe in der Zuckerfabrication so hoch
                              									schätzen, nämlich die Abscheidung von Kalk aus den Zuckersäften und die Entfärbung
                              									der letzteren.
                           Die Eigenschaft der Kohlensäure, sich mit Kalk zu der unlöslichen Verbindung von
                              									kohlensaurem Kalk zu vereinigen, ist zu bekannt, als daß sie angezweifelt werden
                              									könnte. Die Gegenwart von Kohlensäure in den Poren von Knochenkohle kann aber nicht
                              									bestritten werden, und es würde die Ausscheidung von Kalk auf die einfachste Weise
                              									dadurch erklärt seyn. – Gegen den Einwand, es könne sich löslicher
                              									doppelt-kohlensaurer Kalk bilden, spricht in Betracht der Constitution des
                              									Körpers der Knochenkohle, die Gegenwart des basisch-kohlensauren Kalkes.
                           Es ist kaum begreiflich, wie bei der so einfachen Lage der Sache und da doch die
                              									Eigenschaften der Kohlensäure hinlänglich genug bekannt sind, jemals andere
                              									Hypothesen der Kalkabscheidung aufgestellt werden konnten, denn wo immer
                              									Kalklösungen oder leicht zersetzbare Kalkverbindungen (Kalksaccharate) mit
                              									Kohlensäure in Berührung kommen, da muß eine Verbindung zu kohlensaurem Kalke und
                              									andererseits eine Zersetzung des Kalksaccharates stattfinden. Ohne Frage muß
                              									derselbe Vorgang bei der Filtration von kalkhaltigen Zuckersäften durch Knochenkohle
                              									eintreten, ja es kann derselbe nicht einmal verhindert werden, wo wir es mit
                              									jedenfalls sehr dichter, wahrscheinlich fester Kohlensäure in den Poren des Spodiums
                              									zu thun haben.
                           Was nun die Entfärbung von Zucker- und anderen Pflanzensäften betrifft, so ist
                              									dieselbe einfach als ein Bleichproceß zu betrachten, bei welchem die
                              									Pflanzenfarbstoffe durch den in den Poren der Knochenkohle verdichteten Sauerstoff
                              									oxydirt, zerstört resp. abgeschieden werden, und man darf annehmen, daß das Bleichen
                              									von Gespinnstfasern und das von Pflanzensäften ganz analog vor sich geht. Setzen wir
                              									Gespinnstfasern der Einwirkung der atmosphärischen Luft oder sauerstoffentbindender
                              									chemischer Agentien aus, so werden zunächst die Pflanzenfarbstoffe zerstört, also
                              									die Fasern gebleicht; bei weiterer Einwirkung des Sauerstoffes wird indeß die Faser
                              									selbst angegriffen und zerstört. Ganz dasselbe findet bei der Filtration der
                              									Zuckersäfte über Knochenkohle statt. Jedem Zuckersieder ist die Thatsache bekannt,
                              									daß leider zu häufig bei der Filtration und meistens bei unrichtigem Verfahren oder
                              									bei Betriebsstörungen Zucker zersetzt wird, und es ist nicht schwer zu beobachten,
                              									daß überhaupt immer und unter allen Umständen bei der Filtration Oxydationsproducte
                              									des Zuckers gebildet werden, also Zucker zerstört wird. Das Vorkommen von Milchsäure
                              									(milchsauren Salzen) in den Zuckerfiltraten ist in vielen Fabriken eine tägliche
                              									Erscheinung, und man kann sogar, bei hoher Temperatur, allen Zucker in den Filtern in Ameisensäure
                              									verwandeln.
                           Die Bildung von Milchsäure, von Ameisensäure aus Zucker kann aber ohne die Annahme
                              									des Hinzutretens von Sauerstoff zu den Elementen des Zuckers nicht leicht erklärt
                              									werden; es liegt indeß auch kein Grund vor, sich nach einer anderen Erklärung
                              									umzusehen, als daß eben der im verdichteten Zustande in der Knochenkohle vorhandene
                              									Sauerstoff im entsprechend erhöhten Maaße geneigt ist, sich chemisch mit organischen
                              									Körpern zu verbinden, oder daß er wenigstens seine bekannten Eigenschaften verloren
                              									hat, weil er in einem dichteren Zustande vorhanden ist, als in der atmosphärischen
                              									Luft. Wenn aber das Vorhandenseyn des Sauerstoffes in der porösen Kohle nicht in
                              									Frage kommen kann, und wenn wir seine Einwirkung auf die Zuckersubstanz selbst stets
                              									vor Augen haben, so dürfen wir um so weniger daran zweifeln, daß die Einwirkung
                              									desselben sich zunächst auf die bekanntlich sehr leicht zerstörbaren
                              									Pflanzenfarbstoffe erstreckt, und es ist dann die Entfärbung von Zuckersäften nichts
                              									Anderes als ein Bleichproceß, an welchem allerdings die vorhandene Kohlensäure nicht
                              									unwesentlichen Antheil nimmt.
                           Bei der Anwendung der Knochenkohle in der Zuckerfabrication wird dieselbe in den
                              									Filtern, bevor man Zuckersäfte auf dieselben fließen läßt, meistens durch
                              									Wasserdämpfe vorgewärmt, wobei sich ein starker Ammoniakgeruch zeigt.
                           In der Annahme, daß das Ammoniak beim Glühen der Kohle durch das Verbrennen
                              									stickstoffhaltiger organischer Substanzen entstanden, und nun also in dem zum
                              									Gebrauch kommenden Spodium fertig gebildet vorhanden sey, hört man häufig empfehlen,
                              									das Dämpfen so lange fortzusetzen als sich noch Ammoniakgeruch bemerkbar macht. Es
                              									wird aber wohl Niemand behaupten können, daß es ihm in der Praxis gelungen sey, die
                              									Ammoniakquelle gänzlich durch das Dämpfen erschöpft zu haben. Andererseits liegen
                              									Analysen nicht vor, durch welche die Menge Ammoniaks beim Ausdämpfen der Filter
                              									quantitativ nachgewiesen wäre. Die Menge Ammoniaks (welches sich übrigens als
                              									kohlensaures Ammoniak nachweisen läßt) ist augenscheinlich viel zu groß, als daß
                              									obige Annahme, wornach das Ammoniak von der Verbrennung stickstoffhaltiger
                              									Substanzen herrühren soll, auch nur annähernd zutreffen könnte, was besonders
                              									einleuchtet, wenn man in Betracht zieht daß ja bei der Wiederbelebung der
                              									Knochenkohle angestrebt wird, diese Substanzen vor dem Glühen durch Kochen mit
                              									Aetzlauge, Gähren, Waschen etc. zu entfernen. Im Widerspruch hiermit schließt man
                              									häufig und nicht mit Unrecht, von einem stärkeren und reicheren Ammoniakgeruch beim
                              									Dämpfen auf die größere Wirksamkeit der Knochenkohle.
                           Daß nur in seltenen Fällen Ammoniak in geringer Menge durch Auswaschen mit Wasser aus
                              									der Knochenkohle extrahirt werden kann, hat man durch die Eigenschaft dieser Kohle,
                              									Salze an sich zu ziehen, zu erklären versucht. Diese Hypothese führt aber auf
                              									Widersprüche, deren Erörterung bis auf Weiteres vorbehalten bleiben mag. Viel
                              									einfacher ist die Vorstellung über das Entstehen des Ammoniaks, wenn wir uns
                              									erinnern, daß wir durch Aufnahme atmosphärischer Luft in den Poren der Knochenkohle
                              									freien Stickstoff haben. Dieser verbindet sich in so inniger Berührung mit den
                              									Elementen des Wassers (Wasserdampfes) zu Ammoniak, welches sich in der Kohle
                              									wenigstens theilweise mit Kohlensäure sättigt, und von dem abgehenden Dampfe
                              									entführt wird.
                           Fassen wir außer diesen Erscheinungen noch andere in's Auge, welche die Knochenkohle
                              									hervorzurufen im Stande ist, z.B. die Zersetzung des Zweifach-Jodkaliums, des
                              									schwefelsauren Indigo's etc., so findet man wohl keine, welche sich nicht durch die
                              									hier entwickelte Theorie leicht erklären ließe, daß nämlich die Wirkungen der
                              									Knochenkohle und die dabei auftretenden Erscheinungen (abgesehen von der
                              									mechanischen Reinigung) ihren Grund hauptsächlich in dem Vorhandenseyn von
                              									Kohlensäure, Sauerstoff und Stickstoff in den Poren haben, wobei die Zusammensetzung
                              									des Spodiumkörpers selbst und seine größere oder geringere Porosität in gewisser
                              									Beziehung nicht ohne Bedeutung seyn mögen.
                           Hält man an der Richtigkeit der dargelegten Theorie fest, so ergeben sich für den
                              									praktischen Zuckerfabrikanten zunächst daraus Fingerzeige von oft nicht geringem
                              									Werthe. Um nur ein Beispiel anzuführen, ist es beim Raffineriebetriebe in vielen
                              									Fällen nicht gut, die Kohle vor dem Glühen behufs der Wiederbelebung einer Gährung
                              									zu unterwerfen, wogegen es sehr zweckmäßig ist, die geglühte Kohle so rasch wie
                              									möglich durch Ausbreiten in dünnen Schichten auf kalten Flächen erkalten zu lassen.
                              									– An der Hand dieser Theorie ist es ferner nicht schwer, den Grund von
                              									Betriebsstörungen welche bei der Filtration leider häufig vorkommen, zu erkennen und
                              									zu beseitigen. Auch hierfür ein Beispiel: Wenn eine ammoniakhaltige
                              									Zuckerflüssigkeit im kupfernen Vacuum-Apparat verkocht wird, so können unter
                              									besonderen Bedingungen daraus graue schmutzige Färbungen resultiren, indem sich
                              									salpetrigsaures Kupferammoniak bildet, welches mit etwa im Zucker vorhandenen
                              									Extractivstoffen eine Kupfertinte von intensiver Färbung gibt. Solche Färbungen kann
                              									man vermeiden, wenn man die Bildung von Ammoniak dadurch verhindert, daß die Kohle vor
                              									der Filtration nicht gedämpft wird, und nur mäßig warme, nicht heiße Klärsel
                              									filtrirt werden.
                           Die Anführung von weiteren Beispielen und die Erklärung von anderen einschlägigen
                              									Erscheinungen würde hier zu weit führen, und es soll nun in Betracht gezogen werden,
                              									durch welche Verfahrungsweise die Knochenkohle zunächst in der Zuckerfabrication
                              									ersetzt werden könnte. Eine solche Verfahrungsweise bezüglich des
                              									Raffineriebetriebes zu finden, scheint nicht fern zu liegen. Für die Abscheidung von
                              									Kalk ist schon seit Jahren Kohlensäure in gasförmiger Gestalt eingeführt, und es
                              									sind verschiedene andere Säuren, welche mit Kalk unlösliche Verbindungen eingehen,
                              									dafür in Vorschlag gebracht worden, als Phosphorsäure, Fettsäure, Oxalsäure,
                              									Flußsäure etc. Es scheint keine Schwierigkeit für die Annahme vorzuliegen, daß es
                              									bald gelingen möchte, durch diese oder ähnliche Mittel eine vollständige Abscheidung
                              									des Kalkes zu bewirken.
                           Es bliebe demnach nur noch übrig, außer einer mechanischen Reinigung die Entfärbung
                              									der Zuckersäfte zu bewirken. Chemische Agentien, welche wir zum Bleichen von
                              									Faserstoffen verwenden, z.B. Chlor, übermangansaures Kali, Chromsäure, sind ihrer
                              									Natur nach schon von der Benutzung zum Bleichen der Zuckersäfte ausgeschlossen; um
                              									so mehr muß man alle Aufmerksamkeit auf Einführung von modificirtem Sauerstoff
                              									(Ozon) resp. ozonisirter atmosphärischer Luft richten. Die Schwierigkeiten welche
                              									sich hierbei darbieten, sind nicht zu verkennen, indeß erscheint die Erreichung
                              									eines solchen Zieles für die Zuckerfabrication von sehr großer Wichtigkeit und sehr
                              									wohl möglich, wenn sich tüchtige Kräfte der Ausführung widmen. Es muß noch bemerkt
                              									werden, daß (wie vor Kurzem aus England berichtet wurde) Zuckerflüssigkeit durch
                              									Anwendung der Contactelektricität entfärbt worden ist; eine Mittheilung welche der
                              									weiteren Verfolgung sehr werth erscheint.
                           Zum Schluß sey noch beiläufig darauf hingewiesen, daß mittelst Hindurchleiten von
                              									Dampf durch geglühte Knochenkohle sehr billig Ammoniak und dessen Salze gewonnen
                              									werden können, die ja heutzutage für die Düngerfabrikanten von großer Wichtigkeit
                              									sind.