| Titel: | Ueber Darstellung von reinem Silber; von Dr. Gräger. | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XXX., S. 111 | 
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                        XXX.
                        Ueber Darstellung von reinem Silber; von Dr. Gräger.
                        Aus Böttger's
                           								polytechnischem Notizblatt, 1872, Nr. 1.
                        Gräger, über Darstellung von reinem Silber.
                        
                     
                        
                           Die Zahl der Methoden zur Gewinnung von reinem Silber, resp. reinem salpetersaurem
                              									Silberoxyd ist Legion, so daß man es kaum wagen mag, über diesen Gegenstand noch
                              									fernerweite Vorschläge zu machen. Ein Verfahren indeß, welches wie ich glaube zu den
                              									besseren gerechnet werden muß, scheint mir immer noch der Veröffentlichung werth zu
                              									seyn. Das Silber ist immer ein theures Metall, und je mehr sich die Operationen
                              									häufen, um es aus seinen Verbindungen abzuscheiden, um so größer wird auch die
                              									Gefahr oder Wahrscheinlichkeit, etwas davon während der Arbeit zu verlieren. Eine
                              									einfache Methode, auch wenn sie vielleicht im Uebrigen nicht alle Ansprüche
                              									befriedigte, würde immerhin den complicirteren noch vorgezogen werden müssen.
                           In bei weitem den meisten Fällen handelt es sich bei der Reindarstellung von Silber
                              									um seine Abscheidung aus Legirungen mit Kupfer, wobei fast stets die Auflösung der
                              									Legirung in Salpetersäure geschieht. Es sind nun hauptsächlich zwei Wege, auf
                              									welchen die Trennung der beiden Metalle vorgenommen wird; entweder man fällt alles
                              									Silber im Zustande von Chlorsilber, oder man scheidet das Kupfer als Kupferoxyd aus,
                              									indem man die möglichst neutrale Lösung mit einem gegen das vorhandene Kupferoxyd
                              									berechneten kleinen Ueberschuß von Silberoxyd digerirt, bis die Flüssigkeit farblos
                              									geworden ist und auf Zusatz von Ammoniak zu einer kleinen Probe keinen bläulichen
                              									Schein annimmt. Wenn nur wenig Kupfer vorhanden ist, dampft man die Lösung der
                              									beiden Metalle auch wohl zur Trockne ein und schmelzt den Rückstand bei gelinder
                              									Wärme, wobei das salpetersaure Kupferoxyd zerlegt und beim nachherigen Auflösen der
                              									geschmolzenen Masse Kupferoxyd abgeschieden wird.
                           Wenn man von dem Verbrauch der doppelt so großen Menge reiner Salpetersäure absieht,
                              									so würde sich zunächst gegen die Abscheidung des Silbers als Chlorsilber nichts
                              									einwenden lassen. Allein nun kommt das Auswaschen des Niederschlages, welches sehr
                              									gründlich ausgeführt werden muß, wenn nicht die ganze Arbeit zu einer vergeblichen
                              									werden soll, und dann schließlich noch die Reduction des getrockneten Chlorsilbers.
                              									Bei dieser Operation geht es fast niemals ohne allen Verlust ab, und außerdem ist
                              									sie niemals auch ganz vollständig, denn es bleiben beim späteren Auflösen des Silbers in
                              									Salpetersäure stets kleinere oder größere Mengen von Chlorsilber zurück, mag man die
                              									Reduction des Chlorsilbers mit kohlensaurem Kali und Natron, durch Traubenzucker in
                              									alkalischer Lösung, oder auch, wie ich es früher vorgeschlagen habe, aus der
                              									Auflösung des Chlorsilbers in Ammoniak durch reines metallisches Zink vorgenommen
                              									haben.
                           Die Digestion der salpetersauren Lösung der beiden Metalle mit Silberoxyd liefert
                              									keine besseren Resultate; es muß ein Ueberschuß von Silberoxyd angewendet werden,
                              									der sich von vornherein durchaus nicht bemessen läßt; es bleibt nothwendig viel
                              									Silber mit dem Kupfer gemengt; um dasselbe zu gewinnen, muß die ganze Procedur noch
                              									einmal durchgemacht werden.
                           Die Entfernung des Kupferoxydes durch Schmelzen der beiden salpetersauren Salze hat
                              									erst recht ihr Mißliches; nicht nur, daß sich Partikelchen der Nitrate der
                              									Zersetzung durch die Hitze entziehen, geht dabei auch manche Porzellanschale zu
                              									Grunde.
                           Zu diesen mancherlei Unzuträglichkeiten gesellt sich noch ein anderer Umstand,
                              									welcher, wenn man ihm auch kein allzugroßes Gewicht beilegen will, dennoch in
                              									Betracht gezogen zu werden verdient, nämlich die lange Zeit welche darüber vergeht,
                              									ehe man reines Silber bekommt. Das von mir eingeschlagene und sofort zu
                              									beschreibende Verfahren ist von den meisten, vielleicht von allen gerügten
                              									Uebelständen frei und führt in der kürzesten Zeit zum Ziele.
                           Den Ausgang bildet auch hier die Auflösung der Silberkupferlegirung in reiner
                              									Salpetersäure; je weniger freie Säure dieselbe enthält, um so besser, doch ist auch
                              									selbst der größte Ueberschuß an solcher in keiner Weise nachtheilig, außer dem
                              									unnöthigen Verlust an dieser Säure. Je nach der in Arbeit genommenen Menge
                              									Materiales bringt man die Lösung in eine große Porzellanschale oder eine kleinere
                              									Kochflasche, erwärmt gelinde und beginnt dann die Flüssigkeit durch chlorfreien
                              									kohlensauren Kalk (Schlämmkreide) zu neutralisiren. Ist dieß bewirkt, dann bringt
                              									man die Flüssigkeit zum Kochen und setzt, während man das Kochen unterhält, so lange
                              									kohlensauren Kalk hinzu, bis die Flüssigkeit farblos geworden ist. Um diesen Punkt
                              									genauer zu treffen, gießt man von Zeit zu Zeit einen Tropfen der Flüssigkeit auf
                              									weißes Fließpapier neben einen Tropfen Kaliumeisencyanür (Ferrocyankalium), so daß
                              									beide Tropfen mit ihren Rändern sich vereinigen; so lange hierbei noch die bekannte
                              									röthliche Färbung eintritt, fährt man fort zu kochen und Kreide zuzusetzen. Ist der
                              									Punkt endlich erreicht, dann läßt man ein wellig absetzen, filtrirt und wäscht den
                              									entstandenen Niederschlag von kohlensaurem Kupferoxyd, welches beiläufig bemerkt eine ganz hübsche
                              									grüne Farbe besitzt und zu Anstrichen benutzt werden kann, vollständig aus.
                           Man hat nun eine Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd und salpetersaurem Kalk.
                              									Bringt man sie wiederum zum Sieden und setzt von Neuem kohlensauren Kalk hinzu, so
                              									wird nach und nach alles Silber als kohlensaures Silberoxyd niedergeschlagen. Es
                              									bedarf jedoch langen Kochens ehe alles Silber ausgefällt ist, und ich ziehe es daher
                              									vor, die Lösung der gemischten Salze sofort durch kohlensaures
                                 										Natron zu zersetzen. Man erhält so einen hellgelben Niederschlag, der sich
                              									schnell absetzt und auf einem Filter gesammelt und ausgewaschen wird, was, wegen der
                              									körnigen Beschaffenheit des Niederschlages, eines Gemenges von kohlensaurem
                              									Silberoxyd und kohlensaurem Kalk, sehr rasch von statten geht. Der ausgewaschene
                              									Niederschlag wird nun getrocknet und geglüht. Hierbei nimmt er zuerst eine
                              									dunkelbraune Farbe an, indem das Silberoxyd seine Kohlensäure abgibt; bei weiterem
                              									gelinden Glühen wird er aber grauweiß von metallischem mit kohlensaurem Kalk
                              									gemengten Silber. Zur Entfernung des Kalkes digerirt man die geglühte erkaltete und
                              									zerriebene Masse mit einer genügenden Menge verdünnter Salzsäure. Nach dem Abwaschen
                              									des pulverförmigen Silbers kann man dieses mit Borax und etwas Salpeter zu einem
                              									Regulus zusammenschmelzen, oder man löst es nun direct in Salpetersäure auf zur
                              									Darstellung von salpetersaurem Silberoxyd.
                           Diese Trennung des Kupfers vom Silber ist so exact, daß man sie analytisch benutzen
                              									könnte, wenn wir hierfür nicht noch eine bessere Methode im Chlor hätten. Es dauert,
                              									selbst bei einem Ueberschuß von Kalk, ziemlich lange, bevor, nachdem schon alles
                              									Kupfer ausgeschieden, auch das Silber anfängt abgeschieden zu werden; bei einiger
                              									Vorsicht im Zusetzen von kohlensaurem Kalk fällt indeß auch nicht eine Spur von
                              									Silber nieder, obgleich alles Kupfer ausgefällt wird.
                           Die Vortheile dieses neuen Verfahrens bestehen zunächst in einer bedeutenden
                              									Abkürzung der Zeit binnen welcher man reines Silber erhält, denn alle Operationen
                              									zusammen nehmen nicht so viel Zeit in Anspruch, als das Auflösen der Legirung
                              									allein, sodann in der leichten und vollständigen Entfernung des Kupfers, wobei das
                              									Silber in Lösung bleibt und aus dem körnigen
                              									Niederschlage (kohlensaurem Kupferoxyd) sehr leicht und vollständig ausgewaschen
                              									werden kann; daß ferner die zuerst aufgewendete Salpetersäure nicht gänzlich
                              									verloren ist, indem man sie als sehr reines salpetersaures Natron wiedergewinnt, und
                              									daß auch das gefällte und mit kohlensaurem Kalk gemengte kohlensaure Silberoxyd sich
                              									sehr leicht auswaschen läßt, und daß das Gemenge der beiden Carbonate zur Reduction des Silbers einer
                              									nur mäßigen, kaum zum Glühen gehenden Temperatur bedarf, also von einem Verlust
                              									hierbei nicht wohl die Rede seyn kann, so wie endlich darin, daß das als
                              									Nebenproduct abfallende kohlensaure Kupferoxyd recht wohl als grüne Malerfarbe
                              									verwendbar ist. Es findet also eine vollkommene Ausnutzung der in Arbeit genommenen
                              									Materialien statt; nur der kohlensaure Kalk geht wirklich verloren, und dieser
                              									Verlust läßt sich verschmerzen.