| Titel: | Die Anwendung von Natronwasserglas in der Seifenfabrication; von Guide Schnitzer. | 
| Autor: | Guido Schnitzer | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XXXIV., S. 129 | 
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                        XXXIV.
                        Die Anwendung von Natronwasserglas in der
                           								Seifenfabrication; von Guide Schnitzer.
                        Schnitzer, über die Anwendung von Wasserglas zur
                           								Seifenfabrication.
                        
                     
                        
                           Von älteren Versuchen, das Wasserglas für Talg- und
                              										Olivenölseifen zu verwenden, ist die
                              									Seifenfabrication bald wieder abgekommen, da sich zeigte daß die genannten
                              									Fettseifen an sich schon wegen ihrer größeren Härte zur Vermischung mit Wasserglas
                              									wenig geeignet sind und überdieß bei stärkerem Zusatz von Wasserglas gern die
                              									Erscheinung des Aussalzens auftritt.
                           Dagegen haben speciell die Palmöl- und Cocosnußölseifen bei Vermischung mit Wasserglas günstige
                              									Resultate ergeben, indem dieser Zusatz denselben außer der Erhöhung der Alkalität
                              									besonders eine größere Härte und Dauerhaftigkeit verleiht. Es ist deßhalb
                              									vorzugsweise die Toiletteseifenfabrication, welche den
                              									ausgedehntesten Gebrauch von Wasserglaszusatz hauptsächlich für die billigen und
                              									beliebten weißen, gefärbten und marmorirten Parfümerieseifen macht.
                           Die Untersuchung von zwei im Handel vorkommenden Sorten – Wiener Fabricat
                              									– ergab die nachstehenden Resultate.
                           I. Toiletteseife, roth marmorirt, enthält in 100 Theilen:
                           13 Natron,
                           10 Kieselerde,
                           30 Wasser,
                           48 Fettsäure.
                           II. Parfümirte rothe Seife enthält in 100 Theilen:
                           12,5 Natron,
                             8,5 Kieselerde,
                           33,0 Wasser,
                           46,0 Fettsäure.
                           Diese Seifen sind auf dem Weg der sogenannten kalten Verseifung dargestellt.
                           
                           Das Palmfett wird bis zur Schmelztemperatur (33–35° R.) erhitzt, sodann
                              									Natronlauge von 38° Baumé eingerührt, bis das Ganze einen
                              									gleichartigen Teig bildet, und endlich die Wasserglaslösung in einer Concentration
                              									von 36° Baumé zugemischt. Soll die Seife gefärbt werden, so werden vor
                              									dem Ausfüllen in Formen noch einige Tropfen Farblösung, meistens Anilinfarben in
                              									Glycerin gelöst, mit dem Seifenbrei gründlich vermengt. Bei Anwendung von Fuchsin
                              									oder Rosein ist zu berücksichtigen, daß die Temperatur der Seifenmasse keine zu hohe
                              									sey, da bei einer höheren als der Schmelztemperatur des Fettes die Farbennüance
                              									schon etwas alterirt wird. Gewöhnlich geht bei dem Eintragen der Natronlauge, welche
                              									nicht besonders erwärmt werden darf, in das geschmolzene Fett, die Temperatur von
                              									35° R. auf etwa 24° R. zurück und erniedrigt sich durch Hinzufügung
                              									des Wasserglases noch mehr. Die Anilinfarben zeigen bei dieser Verwendung die
                              									Eigenthümlichkeit, daß wenn z.B. in die Seifenmasse einige Tropfen Fuchsinlösung bis
                              									zu schwach rosenrother Färbung unter Umrühren eingeträufelt sind, beim Erkalten der
                              									Masse die Farbe abbleicht, ja die Färbung fast ganz verschwindet und erst nach
                              									einigen Tagen oder nach längerem Lagern wieder lebhaft hervortritt.
                           Der Versuch kann im Kleinen leicht unter Anwendung folgender Verhältnisse gemacht
                              									werden. Man erwärmt 180 Gramme Palmfett in einer Porzellanschale auf 33° R,
                              									erhält auf dieser Temperatur, bis alles Fett geschmolzen ist und rührt nun 100
                              									Gramme Natronlauge von 38° Baumé dazu, bis die Mischung als homogener
                              									Teig erscheint. Dann gibt man unter fortwährendem Umrühren 140 Gramme
                              									Natronwasserglas von 36° B. und wenn auch dieses Gemisch gleichartig
                              									geworden, die paar Tropfen Farbflüssigkeit, je nach der Nüance die man bekommen
                              									will, hinzu. Bei Anwendung von Fuchsin erscheint dann nach dem Erstarren die Masse
                              									fast weiß, färbt sich aber nach mehrtägigem Stehen an der Luft wieder intensiv
                              									roth.
                           Ueber eine ähnliche Art der Verwendung von Wasserglas für die Seifenfabrication wurde
                              									früher von Fr. Storer (im polytechn. Journal, 1863, Bd.
                              									CLXVIII S. 463) als Folge der Harzpreissteigerung im amerikanischen Krieg berichtet,
                              									wo das Wasserglas als Surrogat für das Harz bei Darstellung geringerer Seifensorten
                              									in Verbrauch kam. Ebendaselbst wurde auch darauf hingewiesen, daß es für den
                              									Fabrikanten von großer Wichtigkeit ist, eine zur Vereinigung mit der Seife sich
                              									eignende Qualität Wasserglas zur Verfügung zu haben. Es zeigt sich nämlich, daß die
                              									Vermischung eine um so innigere und dauerhaftere bleibt, je kieselsäurereicher das
                              									angewandte Wasserglas ist. Um nun festzustellen, wie bei 
                              									der Fabrication von Natronwasserglas ein möglichst
                                 										kieselsäurereiches Product zu erzielen sey, ohne zugleich die Löslichkeit des
                                 										Wasserglases in kochendem Wasser zu vermindern, habe ich eine Reihe von
                              									Schmelzversuchen gemacht, deren Resultate ich hier kurz zusammenstelle.
                           Das Natronwasserglas kann entweder direct (s. Versuch Nr. 1) aus Glaubersalz
                              									dargestellt werden, oder kürzer und einfacher mittelst Soda (s. Versuch Nr. 2
                              									– 6). Bei Darstellung aus Glaubersalz bleiben die Schmelzen oft ziemlich
                              									Schwefelnatrium-haltig, weßhalb, um reineres Wasserglas zu erhalten, die
                              									Verwendung möglichst hochgradiger Soda als das Vortheilhafteste erscheint. Die
                              									nachstehend aufgeführten Versuche wurden mit der gleichen Sorte möglichst
                              									eisenfreien und ganz kalkfreien Sandes und verschiedengrädiger Soda angestellt.
                           
                              
                                 NummerdesVersuches
                                 Mischung für den Schmelzosen
                                 Procentgehaltder Sodaan NaO,
                                    											CO²
                                 Verhältniß vonNaO: SiO²in der aus
                                    											derSchmelzeerhaltenen Lösung
                                 
                              
                                 
                                 170 Theile Sand
                                 
                                 
                                 
                              
                                 1
                                 120    „    
                                    											calcinirtes Glaubersalz
                                 
                                 1 : 3,2
                                 
                              
                                 
                                   20    „    
                                    											Kohks
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 160    „    
                                    											Sand
                                 
                                 
                                 
                              
                                 2
                                 120    „    
                                    											Soda
                                 83,6
                                  1 : 2,64
                                 
                              
                                 
                                 180    „    
                                    											Sand
                                 
                                 
                                 
                              
                                 3
                                 100    „    
                                    											Soda
                                 91,0
                                 1 : 2,9
                                 
                              
                                 
                                 180    „    
                                    											Sand
                                 
                                 
                                 
                              
                                 4
                                 110    „    
                                    											Soda
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 160    „    
                                    											Sand
                                 95,0
                                 1 : 2,6
                                 
                              
                                 5
                                 120    „    
                                    											Soda
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 172    „    
                                    											Sand
                                 80,4
                                 1 : 2,7
                                 
                              
                                 6
                                 120    „    
                                    											Soda
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 160    „    
                                    											Sand
                                 90,0
                                 1 : 28
                                 
                              
                           Das Product von Versuch Nr. 1 war ziemlich schwer löslich, während Nr. 2–6 mit
                              									gleichen Quantitäten Wasser gekocht nach gleicher Zeitdauer Laugen von sehr
                              									ähnlicher Concentration gaben. Das günstigste Verhältniß zeigte die Probe Nr. 3. Es
                              									dürfte sich daher die angegebene Mischung für Darstellung von Natronwasserglas im
                              									Großen besonders empfehlen. Selten wird eine Qualität erzielt, welche vollkommen in
                              										Wasser löslich wäre.
                              									Es bleibt meist nach längerem Kochen mit Wasser noch ein pulveriger, zum Theil
                              									schlammiger Rückstand. Wird dieser für sich mit verdünnter Natronlauge längere Zeit
                              									gekocht, so kann ebenfalls eine concentrirte Wasserglaslösung erhalten werden.
                              									Dieselbe ist aber von eigenthümlicher Zusammensetzung, was anhangsweise hier noch
                              									erwähnt sey. Es wurden nämlich solche theils aus Kieselerde, theils aus unlöslichem
                              									kieselsaurem Natron – höheren Kieselsäureverbindungen, zum Theil 36fachem
                              									Silicat – bestehende Wasserglasrückstände mit Natronlauge von 6°
                              									Baumé gekocht und die Lösung auf 40° B. concentrirt: die Analyse ergab
                              									ein Verhältniß von NaO zu SiO² wie 1:1 und nach dem Erkalten krystallisirte
                              									einfaches Silicat in weißen sehr wasserhaltigen Blättern heraus von der Formel NaO,
                              									SiO² + 8HO und der Zusammensetzung:
                           23 Natron,
                           23 Kieselerde,
                           53 Wasser,
                             1 schwefelsaures Natron.
                           Eine kalt gesättigte Lösung dieser Krystalle zeigte 27° Baumé, ebenso die
                              									erkaltete Mutterlauge von vorerwähnter heißgesättigter 40grädiger Lösung.
                           Der Unterschied in der Löslichkeit der Wasserglasschmelzen veranlaßt sehr
                              									verschiedene Resultate der Laugenausbeute. So gab eine Probe schwerlöslichen
                              									Wasserglases auf 100 Gewichtstheile verwendete Soda 277 Theile Schmelze, und da 100
                              									Theile dieser Schmelze wieder 166 Gewichtstheile Lösung von 36° B. gaben, so
                              									resultirten aus 100 Soda 459 Theile Wasserglas von 36° B.; während eine
                              									leichtlösliche Probe auf 100 Soda zwar nur 200 Schmelze, letztere aber aus 100
                              									Theilen 260 Theile Lösung von 36° B. gab, folglich aus 100 Soda 520
                              									Gewichtstheile Wasserglas von 36° B.
                           Auf alle diese Verhältnisse wird der Seifenfabrikant, welcher Wasserglas in größerem
                              									Maaßstab verwendet, seine Aufmerksamkeit zu richten haben, ob er nun das Wasserglas
                              									selbst darstellt oder von Anderen bezieht.