| Titel: | Mittheilungen über die neuen Justirungs-Waagen der Aichämter und Aufsichtsbehörden; von Prof. Dr. Hartig. | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XLVII., S. 175 | 
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                        XLVII.
                        Mittheilungen über die neuen
                           								Justirungs-Waagen der Aichämter und Aufsichtsbehörden; von Prof. Dr. Hartig.Aus dem Sitzungsberichte der naturwissenschaftlichen Gesellschaft
                                 											„Isis“ zu Dresden, durch die deutsche Industriezeitung,
                                 										1872, Nr. 4.
                           							
                        Hartig, über die neuen Justirungswaagen der Aichämter und
                           								Aufsichtsbehörden.
                        
                     
                        
                           Gleich wie ein großer Theil der Normalmaaßstäbe, mit denen nach der neuen
                              									Maaß- und Gewichtsordnung die Aichämter des deutschen Reiches auszurüsten
                              									gewesen sind, einer Dresdner Werkstatt entstammt, so ist auch die Herstellung der
                              									meisten den Aichämtern vorgeschriebenen Waagen durch einen Dresdner Mechaniker, Hrn.
                              									Hugo Schickert, erfolgt. Dieser Umstand hat es dem Verf.
                              									ermöglicht, sich über die Beschaffenheit, die Dimensionen, die Empfindlichkeit und
                              									Schwingungsdauer dieser Waagen genau zu unterrichten und es hält derselbe eine
                              									specielle Mittheilung hierüber aus dem Grunde für gerechtfertigt, weil diese Waagen
                              									gesetzliche Anerkennung genießen und weil sie für die Beurtheilung der gewöhnlichen
                              									Waagen für den Handelsverkehr einerseits und der wissenschaftlichen Waagen
                              									andererseits brauchbares Vergleichsmaterial bieten.
                           Die Waagen der Aichämter sollen zur Prüfung der Handels- und
                              									Präcisionsgewichte dienen; es wird daher vorerst anzugeben seyn, in welchem Grad
                              									genau die Handelsgewichte zu justiren sind, d.h. mit welcher zulässigen Abweichung
                              									von der Sollgröße sie von den Aichämtern gestempelt werden dürfen:
                           
                              
                                 Bezeichnung desGewichtsstückes
                                 Größte zulässigeabsolut
                                 Abweichungrelativ
                                 
                              
                                   50  k
                                 5    g
                                   1/10000
                                 
                              
                                   20  „
                                 4     „
                                 1/5000
                                 
                              
                                   10  „
                                 2,5  „
                                 1/4000
                                 
                              
                                     5  „
                                 1,25 „
                                 1/4000
                                 
                              
                                     2  „
                                  600 mg
                                 1/3333
                                 
                              
                                     1  „
                                 400   „
                                 1/2500
                                 
                              
                                 500  g
                                 250   „
                                 1/2000
                                 
                              
                                 200  „
                                 100   „
                                 1/2000
                                 
                              
                                 100  „
                                   60   „
                                 1/1667
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 Bezeichnung desGewichtsstückes
                                 Größte zulässigeabsolut
                                 Abweichungrelativ
                                 
                              
                                   50  g
                                     50 mg
                                 1/1000
                                 
                              
                                   20  „
                                   30  „
                                 1/667  
                                 
                              
                                   10  „
                                   20  „
                                 1/500  
                                 
                              
                                 Die Summe der Stücke
                                 
                                 
                                 
                              
                                 5g + 2g + 2g + 1g
                                   50  „
                                 1/200  
                                 
                              
                           Die im Handel bereits benutzten Gewichtsstücke dürfen in dem Falle nicht länger
                              									geduldet werden, wenn ihre Abweichung von der Sollschwere das Doppelte der hier
                              									angegebenen Abweichungen überschreitet. Die sogen. Präcisionsgewichte (d.h.
                              									diejenigen, welche beim Abwägen von Gold, Silber, Juwelen und Perlen, sowie in den
                              									Apotheken gebraucht werden) sollen mit doppelter Genauigkeit geaicht werden, also
                              									nur halb so große Abweichungen zeigen; die zum Aichen selbst zu benutzenden
                              									Gewichtsstücke (Gebrauchs-Normalen) dürfen höchstens Fehler im Betrag von
                              									2/5, die zur Prüfung der Gebrauchs-Normalen bestimmten
                              									Control-Normalen höchstens Fehler im Betrag von 1/20 jener Abweichungen
                              									besitzen.
                           Die Waagen selbst anlangend, interessirt am meisten die Kenntniß der Empfindlichkeit,
                              									d.h. desjenigen Gewichtsstückes welches bei einer gewissen beiderseitigen Belastung
                              									der Waage einen noch deutlich sichtbaren Ausschlag hervorbringt, wenn es als
                              									einseitige Zulage benutzt wird. Die Aichämter besitzen ein Sortiment von 5 Waagen
                              									verschiedener Größe, nämlich
                           
                              
                                 Nr.
                                 1
                                 für Belastungen von
                                 50 k
                                 bis
                                     5 k
                                 
                              
                                 „
                                 2
                                 „          
                                    											„          
                                    											„
                                 5 k
                                 „
                                 500 g
                                 
                              
                                 „
                                 3
                                 „          
                                    											„          
                                    											„
                                 500 g
                                 „
                                   50 g
                                 
                              
                                 „
                                 4
                                 „          
                                    											„          
                                    											„
                                 50 g
                                 „
                                     5 g
                                 
                              
                                 „
                                 5
                                 „          
                                    											„          
                                    											„
                                 5 g
                                 und
                                 weniger
                                 
                              
                           Die Maaß- und Gewichtsordnung schreibt für diese fünf Aichamtswaagen die
                              									folgenden Empfindlichkeiten vor:
                           
                              
                                 Belastung
                                 Empfindlichkeit
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 absolut
                                 relativ
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                 
                                    
                                    
                                 50 k10 k
                                      1  g   500  mg
                                 1/500001/20000
                                 
                              
                                  „   2
                                 
                                    
                                    
                                 5 k1 k
                                 500  „  80  „
                                 1/200001/12500
                                 
                              
                                  „   3
                                 
                                    
                                    
                                 500 g100 g
                                   50  „  12  „
                                 1/100001/8333
                                 
                              
                                  „   4
                                 
                                    
                                    
                                 50 g10 g
                                   10  „    4  „
                                 1/50001/2500
                                 
                              
                                  „   5
                                 
                                    
                                    
                                 5 g1 g
                                  2,4  „
                                    											 0,8  „
                                 1/20831/250
                                 
                              
                           
                           Die Aufsichtsbehörden (Ober-Aichämter)Das deutsche Reich hat 22 Ober-Aichämter und 878 Aichämter, von
                                    											welchen letzteren 374 nur Fässer aichen. haben ein gleiches Sortiment von Waagen zu benutzen, deren Empfindlichkeit
                              									jedoch fünfmal so groß seyn soll wie vorstehend angegeben.
                           Da diese gesetzlichen Vorschriften so zu verstehen sind, daß die Empfindlichkeit der
                              									Waagen jedenfalls nicht geringer seyn soll, als den angegebenen Grenzwerthen
                              									entspricht, so wird man bei der Justirung noch eine etwas größere Empfindlichkeit
                              									herbeiführen; die nothwendige Rücksicht auf die Schwingungsdauer, welche mit der
                              									Empfindlichkeit wächst, verbietet jedoch, in dieser Richtung zu weit zu gehen. An
                              									einem von Hrn. Schickert ausgeführten SortimentVon den Aichämtern des deutschen Reiches haben 159 dieses Sortiment aus der
                                    											Werkstatt des Hrn. Schickert erhalten. der für die Aichämter bestimmten Waagen zeigten sich für die bestehenden
                              									Maximalbelastungen die folgenden Werthe der Empfindlichkeit und Schwingungsdauer;
                              									die erstere ist hierbei durch diejenige Gewichtsgröße angegeben, welche, als
                              									einseitige Zulage benutzt, an der Scala einen Ausschlag von 1 Millimeter
                              									hervorbringt.
                           
                              
                                 Nr.
                                 Belastung
                                 Empfindlichkeit
                                 Dauer einer einfachen Schwingung
                                 
                              
                                 
                                 
                                 absolut
                                 relativ
                                 in Secunden
                                 
                              
                                 1.
                                  50 k
                                  150 mg
                                 1/333333
                                 30
                                 
                              
                                 2.
                                    5 k
                                    25    „
                                 1/200000
                                 20
                                 
                              
                                 3.
                                 500 g
                                    14,3 „
                                 1/35000
                                 10
                                 
                              
                                 4.
                                  50 g
                                      2,0 „
                                 1/25000
                                      8,4
                                 
                              
                                 5.
                                    5 g
                                      0,7 „
                                 1/7143
                                      3,7
                                 
                              
                           Die Waagen dieses Sortimentes sind daher beziehentlich 6,57 Mal, 10 Mal, 3,5 Mal, 5
                              									Mal, 3,84 Mal, also im Durchschnitt 5,8 Mal so empfindlich wie das Gesetz
                              									fordert.
                           Bezeichnet man mit
                           ε die einseitige Zulage in Milligrm., welche bei
                              									der Maximalbelastung an der Scala einen Ausschlag von 1 Millimeter hervorbringt,
                              									mit
                           t die Dauer einer einfachen Schwingung des Waagebalkens
                              									bei derselben Maximalbelastung, endlich mit
                           G das Gewicht des leeren Balkens,
                           P die Belastung jeder der beiden Endachsen
                              									(einschließlich des Schalengewichtes),
                           G/g . r² das Trägheitsmoment des leeren Balkens in Beziehung zur
                              									Mittelachse,
                           
                           a die Höhe der Mittelachse über der Ebene der
                              									Endachsen,
                           s die Tiefe des Schwerpunktes des leeren Balkens unter
                              									dieser Ebene,
                           l die Armlange,
                           z die Länge der Zunge,
                           so ergibt die bekannte Theorie der Waage (unter
                              									Vernachlässigung der Balkenbiegung) die beiden Gleichungen
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           aus denen weiter folgt
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           Setzt man nun die von den Dimensionen der Waage und von der Größe der Belastung
                              									abhängige Constante
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           so kann auch geschrieben werden:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           oder
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           woraus auch folgt
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 177
                              
                           Aendert man durch das bekannte Mittel der Schwerpunktsverrückung die Empfindlichkeit,
                              									so kann man, wenn C bekannt ist, mittelst Gleichung (6)
                              									die zugehörige Schwingungsdauer berechnen, und kennt man für eine ausgeführte Waage
                              									und eine gewisse Belastung derselben die zusammengehörigen Werthe von ε und t, so ist nach
                              									(7) die Constante C zu berechnen, welche offenbar
                              									ausdrückt, was durch Form und Dimensionen der Waage, durch Anordnung der Schneiden,
                              									also durch die gesammte constructive Ausführung geschehen ist, um die
                              									Empfindlichkeit groß und die Schwingungsdauer klein zu machen. Je größer der Werth
                              									von C, um so empfindlicher ist die Waage nach Gleichung
                              									(5) für eine gewisse angenommene Schwingungsdauer t,
                              									oder um so schneller schwingt sie für eine vorausgesetzte Empfindlichkeit; man wird
                              									daher wohl die Vortrefflichkeit der Construction nach der Grüße dieser Constante,
                              									welche man die Präcisions-Constante der Waage nennen könnte, beurtheilen dürfen. Bei den
                              									vorerwähnten 5 Schickert'schen Waagen ergeben sich für
                              									dieselbe folgende Werthe:
                           
                              
                                 Nr. 1.
                                 2.
                                 3.
                                 4.
                                 5.
                                 
                              
                                 C = 1/135000
                                 1/10000
                                 1/1430
                                 1/141
                                 1/9,6
                                 
                              
                           Mit Hülfe dieser Zahlen läßt sich nachrechnen, zu welchen Werthen der
                              									Schwingungsdauer man gelangen würde, wenn man dieselben Waagen durch bloße
                              									Schwerpunktsverrückung so justirte, daß sie gerade nur die gesetzlich
                              									vorgeschriebene Empfindlichkeit besäßen. Hierzu ist die Gleichung (6) zu benutzen,
                              									welche ergibt, daß alsdann für Waage
                           
                              
                                 Nr.
                                 1.
                                 2.
                                 3.
                                 4.
                                 5.
                                 
                                 
                              
                                 die Dauer einer einfachen Schwingungbetragen
                                    											würde
                                 11,6
                                 6,3
                                 5,3
                                 3,8
                                 2,0
                                 Secndn.
                                 
                              
                                 statt
                                  30
                                  20
                                  10
                                 8,4
                                 3,7
                                 „
                                 
                              
                           Man würde also durchschnittlich 60 Proc. an Zeit ersparen, wenn man sich mit den
                              									gesetzlich vorgeschriebenen Empfindlichkeiten begnügte.
                           Zur vollständigen Kenntniß dieser Waagen ist noch die Anführung der Hauptdimensionen,
                              									sowie des Gewichtes des leeren Balkens und der Schalen erforderlich. Die Balken der
                              									Waagen Nr. 1 bis 3 sind aus Gußeisen durchbrochen hergestellt, ohne
                              									Arretirungsvorrichtungen, ohne Gehäuse; Waage Nr. 4 hat einen durchbrochenen
                              									Messingbalken, Schalenarretirung und Gehäuse; Nr. 5 hat fischförmigen Balken von
                              									Messing und ebenfalls Schalenarretirung und Gehäuse; die folgende Tabelle enthält
                              									außer den schon erwähnten Dimensionen und Gewichten noch die nach bekannten Formeln
                              									unter Benutzung der Empfindlichkeit der unbelasteten Waage berechneten Werthe von
                              										a = Abstand der Mittelachse über der Ebene der
                              									Endachsen und von s = Tiefe des Schwerpunktes unter
                              									derselben Ebene.
                           
                              
                                 Waage Nr.
                                   1
                                   2
                                   3
                                   4
                                   5
                                 
                                 
                              
                                 Armlänge l
                                 515
                                 328
                                 212
                                 138
                                   79
                                 Millimet.
                                 
                              
                                 Zungenlänge z
                                 480
                                 347
                                 210
                                 160
                                 143
                                 „
                                 
                              
                                 Länge eines Scalentheiles δ
                                     3
                                     2
                                     1
                                     1
                                     1
                                 „
                                 
                              
                                 Länge der Mittelachse λ₁
                                   77
                                   60
                                   40
                                   27
                                     4
                                 „
                                 
                              
                                 Länge der Seitenachsen λ₂
                                   60
                                   42,5
                                   22
                                   7,5
                                     0,3
                                 „
                                 
                              
                                 Gewicht des Balkens G
                                     6,56 k
                                     2,22 k
                                 436,5 g
                                   86,5 g
                                   16,24
                                 
                                    g
                                    
                                 
                              
                                 Gewicht einer Schale P₀
                                     2,45 k
                                 345,5 g
                                   97,75 g
                                   27 g
                                     2,76
                                 
                                    g
                                    
                                 
                              
                                 Abstand a
                                     0,206
                                     0,242
                                     0,414
                                     0,155
                                     0,833
                                 Millimet.
                                 
                              
                                 Abstand s
                                 +  2,36
                                 +  0,102
                                 +  0,325
                                 +  0,235
                                 –  0,054
                                 „
                                 
                              
                           Bei Waage Nr. 5 liegt der Schwerpunkt des leeren Balkens, wie durch das negative
                              									Vorzeichen angedeutet ist, über der Ebene der Endachsen,
                              										wozu der Verfertiger
                              									durch den Umstand genöthigt gewesen ist, daß der Abstand a zu groß ausgefallen war.
                           Im Durchschnitt hat bei diesen Waagen der Abstand der Mittelachse über der Ebene der
                              									Endachsen den Werth a = 0,370 Millimeter und die Tiefe
                              									des Schwerpunktes unter derselben Ebene den Werth s =
                              									0,594 Millimeter, daher der durchschnittliche Abstand des Schwerpunktes von der
                              									Mittelschneide a + s = 0,964
                              									Millimeter.
                           Einiges Interesse kann es gewähren, das Gesammtgewicht jeder Waage (G + 2Po) mit der gesammten
                              									Maximalbelastung (2P) zu vergleichen; es ergibt
                              									sich:
                           
                              
                                 bei Waage Nr.
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 
                              
                                 Gewicht des Balkens und   der
                                    											Schalen
                                 11,46 k
                                 2,911 k
                                 632 g
                                 140,5 g
                                 21,76 g
                                 
                              
                                 Gewicht der
                                    											gesammten   Maximalbelastung
                                 100 k
                                 10 k
                                 1000 g
                                 100 g
                                 10 g
                                 
                              
                                 Das Gewicht der Waage   beträgt von
                                    											dem Gewicht   der Maximalbelastung
                                 11,45 Proc.
                                 29,11 Proc.
                                 63,2 Proc.
                                 140,5 Proc.
                                 217,6 Proc.
                                 
                              
                           Die Materialersparniß gelingt hiernach bei den großen Waagen beträchtlich besser als
                              									bei den kleinen.
                           
                              
                                 (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)