| Titel: | Mechanische Vorrichtungen zum Reduciren. | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XLVIII., S. 180 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XLVIII.
                        Mechanische Vorrichtungen zum Reduciren.Aus dem „häuslichen Fortschritt,“ Beilage zur badischen
                                 										Gewerbezeitung, 1872, Nr. 1.
                           							
                        Ueber mechanische Vorrichtungen zum Reduciren.
                        
                     
                        
                           „Die Noth macht erfinderisch.“ Dieser Erfahrungssatz ließ mit
                              									Bestimmtheit annehmen, daß die, gewiß als „Noth“ zu
                              									bezeichnende Verwirrung, welche die Beseitigung aller gewohnten Maaße, Gewichte und
                              									Münzen herbeiführen muß, mancherlei Erscheinungen zu Tage fördern werde, welche dem
                              									Publicum den Uebergang vom alten zum neuen System möglichst erleichtern sollen.
                           Reductions- und Hülfstabellen, sogenannte Faullenzer, brauchten freilich nicht
                              									erst erfunden zu werden, wohl aber ein Ersatz dafür. Denn wenn auch die erreichbare
                              									Wohlfeilheit derselben neben ihrer Genauigkeit – von immerhin möglichen
                              									Druckfehlern abgesehen – nicht zu unterschätzen ist, so zeigen dieselben doch
                              									Mängel, welche zur Aufsuchung des Besseren anregen mußten.
                           Der Kaufmann, der Handwerker, der Wirth, der Schalterkassier u.s.w. waren auch bisher
                              									öfters genöthigt, in einer Tabelle nachzuschlagen, und diese hat sich in solchen
                              									vereinzelten Fällen ganz gut bewährt. Ein Faullenzer, sauber auf Pappe gezogen und
                              									neben das Pult gehängt, ist im Bureau sehr bequem und dauerhaft. Wem aber in und
                              									außer dem Hause, in der Wertstätte, auf dem Bauplatz etc. das neue Maaß oder
                              									Gewicht, und vollends das neue Geld bei jedem Schritte in den Weg tritt, der braucht
                              									etwas Handlicheres.
                           Als Heft oder Buch in der Tasche nachgetragen, ist die Tabelle bald zerknittert und
                              									schmutzig, es entstehen die bekannten Ohren, und regnet es ein wenig darauf, so
                              									kleben die Blätter zusammen und zerreißen oder der Wind jagt sie herum. Ist es ein
                              									Buch, so wird man es manchmal vermissen, weil es der Unbequemlichkeit halber und in
                              									der Annahme, es nicht zu brauchen, vielleicht zu Hause hingelegt wurde, und ist es
                              									ein kleines Heftchen, so hat es sich gewiß, wenn man's am nöthigsten braucht, hinter
                              									Taschentuch, Cigarrenetuis, Portemonnaie oder irgend einen anderen Taschenbewohner
                              									versteckt. Alle diese schlimmen Möglichkeiten dürfen freilich nicht beachtet werden,
                              									wo es sich um diejenige Genauigkeit handelt welche nur eine ausführliche Tabelle
                              									bietet. Kein Instrument wird z.B. alle Dimensionen von 1 Linie bis 1060 Fuß auf 5
                              									Decimalstellen genau in Meter, oder alle Werthe von 1 Pfennig bis 1000 Gulden
                              									süddeutsch eben so genau in Reichswährung umwandeln. Unter hundert Fällen ist aber
                              									in neun und neunzig der Zweck mit etwas mehr abgerundeten Zahlen erreicht und genügt
                              									es vollständig, wenn beispielsweise 5 Kubikmeter 38 Hundertstel als Inhalt eines
                              									Baumstammes in 199 1/4 badische Kubikfuß umgewandelt werden, während die Tabelle
                              									199,2752 angibt, oder wenn sich 3 Gulden 20 Kreuzer süddeutsch als 5 Mark 71 1/2
                              									Pfennig darstellen, gegen 5 Mark 71,4286 Pfennig im Faullenzer.
                           Der Verzicht auf so weitgehende Genauigkeit muß jedoch durch andere Vorzüge des
                              									Ersatzmittels gerechtfertigt seyn. Dieses muß ohne alle Belästigung stets mitgeführt
                              									werden können, seine Anwendbarkeit und ebenso seine äußere Beschaffenheit dürfen
                              									weder durch vielfachen Gebrauch, noch durch Witterungsverhältnisse beeinträchtigt
                              									werden und das gesuchte Resultat muß sich mittelst einer einfachen Hundbewegung
                              									ebenso schnell finden lassen, wie durch Nachschlagen. Diese Aufgaben mußte sich
                              									Derjenige stellen, welcher ein, die Reductionstabellen für den gewöhnlichen Gebrauch
                              									an Zweckmäßigkeit überbietendes Instrument construiren wollte, und je vollkommener ihm dieß
                              									gelang, desto leichter rechtfertigt sich der höhere Preis.
                           Bis jetzt sind uns zwei dahin abzielende Constructionen bekannt geworden: eine aus
                              									Nord- und eine aus Süddeutschland. Beide wurden eigenthümlicher Weise von
                              									ihren Erfindern, von welchen unzweifelhaft keiner um die Idee des anderen wußte,
                              										„Uhren“ genannt, und zwar die erstere
                              										„Maaß- und Gewichtsuhr,“ die letztere
                              										„Zähl- und Reductionsuhr.“ Jene macht sich durch die
                              									Annahme des erwähnten Titels einer gewissen Selbstüberhebung schuldig, denn mit
                              									einer wirklichen Uhr hat sie Nichts gemein als die Drehbarkeit der Zeiger. Das ganze
                              									Instrument besteht nur aus einem in der Mitte durchbohrten Messingscheibchen von 1
                              									Zoll im Durchmesser und zwei doppelarmigen Zeigern, wovon der eine auf der
                              									Vorder-, der andere auf der Rückseite des Scheibchens angebracht und beide in
                              									dessen Mitte durch eine als Achse dienende Niete festgehalten sind. Jede Kreisfläche
                              									ist mittelst einer, wie alle übrigen, erhaben geprägten Linie in zwei Hälften
                              									getheilt, wovon je die obere mit den Worten „Neues Maaß,“ resp.
                              										„Neues Gewicht,“ die untere mit „Altes
                                 										Maaß“ und „Altes Gewicht“ bezeichnet sind. Diese
                              									auf jeder Seite einen Kranz bildenden Worte sind von je zwei concentrischen
                              									Gradbogen umschlossen mit nachstehender Eintheilung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 203, S. 181
                              Vorderseite; obere Hälfte des
                                 										äußeren Bogens 12 Theilstriche für ganze Meter; untere; preuß. Ellen; obere;
                                 										inneren; Liter; untere; preuß. Quart; Rückseite; Neuloth; alte Loth; Kilogramme;
                                 										Pfunde
                              
                           Auf Centimeter, Fuße, Zolle und Linien ist also gar keine Rücksicht genommen, und
                              									wenn ein Gewicht von z.B. 3 Pfd. 26 Loth reducirt werden soll, so sind hiezu vier
                              									Manipulationen nöthig: Zuerst wird der Zeiger auf 3 Pfd. gerichtet, wobei dessen
                              									anderes Ende beiläufig in die Mitte zwischen den Theilstrichen für 2 und 3 Kilogrm.
                              									zu stehen kommt, und dieß bedeutet 1 1/2 Kilogrm. oder 1 Kilogrm. 50 Neuloth; hierzu
                              									tritt das Aequivalent für 15 alte Loth (weiter reicht die Scala nicht) mit 25
                              									Neuloth, und dann wird der Zeiger zur Ermittelung des Restbetrages auf 11 Loth
                              									gerichtet, wofür seine andere Spitze etwas über 18 Neuloth angibt. Endlich sind
                              									diese 3 Resultate (1 Kilogrm. 50, 25 und 18 Neuloth) zu addiren, um zum Endresultate
                              									zu gelangen. Dabei muß noch erwähnt werden, daß durch die Gleichfarbigkeit der
                              									Linien mit der
                              									Metallfläche, sowie durch die Breite der Zeiger ein genaues Einstellen und noch mehr
                              									ein richtiges Ablesen sehr erschwert sind.
                           Der Gegenstand ist kaum als mehr denn nette Spielerei zu bezeichnen. Wer übrigens mit
                              									dem Erfinder darauf Werth legt, daß derselbe mit dem Uhrgehänge vereinigt, als
                              									Schmuck dienen kann, wie Bieruhren, Kaiendarien, Medaillons etc., ist vielleicht
                              									doch davon befriedigt. Directe Bestellungen sind zu richten an E. Lewy, Ritterstraße 22 in Berlin, und kostet das Stück 12
                              									Sgr. oder 42 kr.
                           Die „Zähl- und Reductionsuhr“ zeigt schon durch ihre Erscheinung, daß sie
                              									zu umfassenderen und genaueren Angaben geeigenschaftet ist, als das vorbeschriebene
                              									Instrument, denn sie hat ganz das Aeußere einer Taschenuhr mit Remontoir und
                              									unterscheidet sich von dieser nur durch das Vorhandenseyn eines zweiten
                              									Zifferblattes auf der Rückseite mit einem zweiten Zeigerpaar. Wie bei der
                              									gewöhnlichen Uhr gibt auch hier der kürzere Zeiger an, wie oft sich der längere ganz
                              									herumgedreht hat, wenn beide vorher auf Null standen, und wie dort jede der zwölf
                              									Stunden durch den längeren Zeiger in Minuten zerlegt wird, so hier jeder Meter in
                              									Centimeter oder jedes Pfund in Loth und Quint, je nach dem Zwecke wofür das Werk
                              									eingerichtet ist.
                           Dieses vorausgeschickt, bedarf es keiner langen Erläuterung, wie das vorhin als
                              									Beispiel benutzte Gewicht von 3 Pfd. 26 Loth, oder die Länge von 8 Fuß 7 1/2 Zoll
                              									mittelst der Zeigerstellung auszudrücken sey: Es wird eben am Rädchen des Remontoirs
                              									gedreht, bis die Zeiger gleichsam auf 3 Uhr 26 Min., resp. 8 Uhr 7 1/2 Min. weisen,
                              									und wie schnell dieß geschehen seyn kann, ist Jedem, der schon eine Uhr mit
                              									Remontoir in der Hand hatte, bekannt.
                           Mit der Einstellung des einen Zeigerpaares auf die gegebene
                                 										Größe ist auch die Reduction schon vollendet, denn zu gleicher Zeit hat der
                              									Uhrmechanismus das andere Zeigerpaar auf der Rückseite in diejenige Stellung
                              									gebracht, welche den gesuchten Ausdruck im anderen System angibt; für obige
                              									Beispiele also 1 Kilogramm 93 Neuloth, bezw. 2,748 Meter.
                           Allerdings kann eingewendet werden, daß diese Angaben trotz der feinen Theilung doch
                              									unrichtig seyn könnten, weil sich die Zeiger möglicherweise an der Achse verdrehen.
                              									Diese Möglichkeit ist, obschon sehr fernliegend, dennoch vorhanden, und ohne ein
                              									Mittel, sich von der Richtigkeit der Zeigerstellung jeden Augenblick auf's
                              									Gründlichste überzeugen zu können, wäre freilich die ganze Construction nichts
                              									werth. Allein die Prüfung ist äußerst einfach: Man hat nur das eine Zeigerpaar genau
                              									auf Null zu richten, und wenn das andere auch genau auf Null steht, so ist Alles in Ordnung, denn
                              									die Zifferblätter verändern sich nicht und eben so wenig die Entfernung der Achsen
                              									oder die Anzahl der Zähne an den Rädern.
                           Das Maximum, bis zu welchem jede beliebige Größe ohne Zwischenrechnung mit Sicherheit
                              									reducirt werden kann, beträgt im Allgemeinen das Zwölf- bis
                              									Fünfzehnhundertfache des kleinsten Theiles. Zeigt der äußere Gradbogen des einen
                              									Zifferblattes z.B. noch halbe Centimeter (die zwischenliegenden Millimeter sind
                              									schätzungsweise zu bestimmen), so können alle Längen bis zu 6 Meter unmittelbar in
                              									Fuße, Zolle und Linien umgewandelt werden und umgekehrt.
                           Damit ist aber die Leistung der Uhr noch lange nicht abgeschlossen, denn innerhalb
                              									der beiden Gradbogen jedes Zifferblattes sind größere Mengen der Einheit, z.B. 10,
                              									20, 30,... 100, 200, bis 1000 Meter und auf der anderen Seite die entsprechenden
                              									Zahlen in Fußen etc., radial um die Achse gruppirt, und man braucht nur den kürzeren
                              									Zeiger auf irgend eine gegebene Zahl zu richten (der längere darf hierbei nicht
                              									berücksichtigt werden) – und der ihm entsprechende gibt sofort die reducirte
                              									Menge auf dem anderen Zifferblatte an.
                           Diese Art von Reductions-Instrumenten dürfte ihren Werth hauptsächlich dann
                              									zeigen, wenn einmal neben dem süddeutschen Gelde die neuen
                              									Reichs-Silber- und Kupfermünzen cursiren, und dieß scheint nicht lange
                              									anzustehen, wenn die Ausprägung der letzteren dem betr. Reichsgesetze ebenso rasch
                              									auf dem Fuße folgt, wie die der Goldmünzen. Wie lange wird es aber dauern, bis alle
                              									Waarenpreise, alle öffentlichen Abgaben, Eisenbahntarife, Gehalte, Löhne etc. nach
                              									Mark und Pfennigen nicht nur berechnet, sondern auch abgerundet seyn werden, und wie
                              									lange erst bis der neue Werthbegriff unsere gewohnten Vorstellungen so weit
                              									verdrängt hat, daß man bei Nennung eines Preises in Reichswährung nicht erst zu
                              									ermitteln braucht, wie viel dieß in Gulden und Kreuzern mache, um sagen zu können,
                              									die Waare sey billig oder theuer?
                           Ebenso, wenn auch nicht in derselben Ausdehnung, wird es mit den verschiedenen Maaßen
                              									und Gewichten seyn. Den älteren Gliedern unserer jetzigen Generation in ihrer
                              									Mehrzahl wird das neue System überhaupt nicht mehr in Fleisch und Blut übergehen,
                              									und somit steht Hülfstabellen und mechanischen Reducirmitteln noch für lange Zeit
                              									eine ausgedehnte Anwendung bevor. Ihrer Billigkeit halber werden wohl die ersteren
                              									die bei weitem größere Verbreitung finden; um ihrer Zweckmäßigkeit willen dürften
                              									aber auch die letzteren, und so lange nicht noch Besseres geboten ist, vorzugsweise
                              									die „Zähl- und Reductionsuhren“ sich allenthalben
                              									einbürgern.
                           
                           Eine wie vielseitige Anwendung das Princip des zuletzt beschriebenen Mechanismus
                              									gestattet, wird leicht zu ermessen seyn, wenn man sich vergegenwärtigt daß alle in
                              									der nachfolgenden, noch keineswegs erschöpfenden Reihe aufgezählten und fast in
                              									jedem Staat anders beschaffenen Maaße, Gewichte und Geldwerthe zu reduciren
                              									sind:
                           Längenmaaße nach Fuß und Elle,
                           Flächenmaaße nach Quadratfuß, -Klafter, -Ruthe, Morgen und Tagwerk,
                           Kubikmaaße nach Kubikfuß, -Klafter, -Ruthe, ferner Markt- und
                              									Waldklafter,
                           Hohlmaaße nach Quart, Kanne, Maaß, Eimer, Ohm, Fuder etc.,
                           Getreidemaaße nach Mäßle, Simri, Metzen, Scheffel etc.,
                           Handels- und Medicinalgewichte nach ihren verschiedenen Namen, und endlich
                           Münzen nach süddeutscher und Frankenwährung.
                           Alle diese Aufgaben können durch solche Instrumente gelöst werden. Ueberdieß sollen,
                              									wie uns versichert wurde, nicht etwa nur für die Reduction bayerischer Pfunde oder
                              									württembergischer Fuße etc. Uhren nach gleicher Schablone hergestellt, sondern es
                              									soll auch dem Bedürfniß einzelner Kategorien möglichst Rechnung getragen werden. Es
                              									wird z.B. der Zimmermann nur selten Werth auf Angaben nach Linien und Millimetern
                              									legen, während der Modellschreiner mit Ruthen wenig zu thun hat. Jeder wird also
                              									eine andere Sorte des nämlichen Systemes brauchen, und beiden Anforderungen soll
                              									entsprochen werden, wenn es sich auch nur um eine geringe Stückzahl handelt.
                           Erfinder dieser Zähl- und Reductionsuhr ist Hr. Bahnhofverwalter Bauer in Maximiliansau (Pfalz).
                           Mit der Ausführung derselben ist eine der bedeutendsten Uhrenfabriken des
                              									Schwarzwaldes, Gebrüder Bühler in Triberg betraut und
                              									darauf eingerichtet, Werke verschiedener Systeme in rascher Folge liefern zu können.
                              									Der Verkaufspreis wird sich je nach der Anzahl der von einer Sorte bestellten
                              									Exemplare und je nach deren Ausstattung (ob mit silbernem Gehäuse, emaillirten
                              									Zifferblättern, geschliffenen Gläsern oder minder elegant) zwischen 2 und 4 Thalern
                              									bewegen. Die Uhr ist in verschiedenen deutschen Staaten patentirt, unter anderen
                              									auch in Bayern.