| Titel: | Ueber das Luftschiff des Ingenieurs Dupuy de Lôme und die am 2. Februar 1872 mit demselben unternommene Probefahrt. | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CX., S. 439 | 
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                        CX.
                        Ueber das Luftschiff des Ingenieurs Dupuy de Lôme und die am 2. Februar 1872 mit demselben
                           								unternommene Probefahrt.
                        Nach den Comptes rendus,
                              									t. LXXIV p. 337; Februar 1872.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VIII.
                        Ueber die Probefahrt mit dem Luftschiff des Ingenieurs Dupuy de
                           								Lôme.
                        
                     
                        
                           Am 29. October 1870, während der Belagerung von Paris durch die deutschen Truppen,
                              									war der Ingenieur Dupuy de Lôme mit der Ausführung
                              									eines lenkbaren Aerostaten nach den in den Sitzungen der Akademie der Wissenschaften
                              									vom 10. und 17. October vorgelegten Plänen beauftragt worden. Ohne sich die
                              									Schwierigkeiten zu verhehlen, welche sich dem Bau des Luftschiffes in dem belagerten
                              									Paris mit seiner darniederliegenden Industrie entgegenstellten, übernahm er diese
                              									Mission. Allein es gelang ihm nicht, die Arbeit noch während der Belagerung zu
                              									vollenden. Unübersteigliche Hindernisse, wie der Aufstand vom 18. März, die zweite
                              									Belagerung und andere Zwischenfälle verzögerten die Vollendung des Apparates
                              									dergestalt, daß die Versuche erst im December vorigen Jahres in einem durch den
                              									Kriegsminister zur Verfügung gestellten Local des Fort-Neuf zu Vincennes
                              									vorbereitet werden konnten.
                           Anknüpfend an die im polytechn. Journal Bd. CCII S. 321 (zweites Novemberheft 1871)
                              									mitgetheilte Abhandlung des Herrn Springmann:
                              										„die Luftschifffahrt auf ihrem heutigen Standpunkte,“ worin
                              									der Leser das fragliche System als Project bereits näher besprochen findet, haben
                              									wir zuvörderst zu berichten, daß bei der Ausführung desselben Dupuy de Lôme sich bewogen fand, unter Beibehaltung des seitherigen
                              									Principes, einige wichtige Veränderungen vorzunehmen.
                           Fig. 1 gibt
                              									eine schematische Ansicht des Aerostaten nach seiner Ausführung. Die horizontale
                              									Holztraverse zwischen dem Ballon und der Gondel wurde weggelassen und statt der
                              									Vierflügeligen Propellerschraube eine zweiflügelige mit
                              									einem Durchmesser von 8 statt 9 Metern und einem Steigungsverhältniß von 1/10 am
                              									Mittelpunkte der Wirkung adoptirt. Ferner wurde die Schraube an dem hinteren Theile
                              									der Gondel so
                              									angeordnet, daß sie, ohne Transmission mittelst Ketten oder Riemen, direct in
                              									Thätigkeit gesetzt werden konnte. Diese Anordnung führte den Erfinder auf ein neues,
                              									hinsichtlich der Stabilität des in horizontaler Richtung oblongen Ballons sehr
                              									wichtiges Aufhängungssystem der Gondel, auf welches wir zurückkommen werden. Der im
                              									Inneren des Ballons unten angebrachte kleine Ballon oder
                              										Luftsack (ballonet) steht
                              									durch einen Schlauch mit einem in der Gondel aufgestellten Ventilator in Verbindung
                              									und ist mit einem nach Außen sich öffnenden, durch eine Feder regulirbaren
                              									Sicherheitsventil versehen. Mit Hülfe dieses Ventilators ist ein an einer Kurbel
                              									arbeitender Mann im Stande, den kleinen Ballon in 15 Minuten mit Luft zu füllen. Bei
                              									der normalen Zahl von 20 Kurbeldrehungen per Minute
                              									machen die Ventilatorflügel 500 Umdrehungen in der Minute. Um den Luftwiderstand in
                              									der Richtung der horizontalen Achse des Ballons möglichst zu vermindern, gab der
                              									Erfinder, nach dem Beispiele mehrerer seiner Vorgänger, dem Ballon die Gestalt
                              									desjenigen Rotationskörpers, welcher durch die Umdrehung eines Kreisbogens um seine
                              									Sehne entsteht, wobei die Länge der letzteren ungefähr das 5fache der Pfeilhöhe des
                              									Bogens ist.
                           Die Hauptdimensionen des Aerostaten, welche in der Ausführung von dem ursprünglichen,
                              									a. a. O. im polytechnischen Journal mitgetheilten Projecte mehrfach abweichen, sind
                              									folgende:
                           
                              
                                 Länge von einer Spitze zur anderen
                                 36,12
                                 Met.
                                 
                              
                                 Durchmesser im stärksten Querschnitt
                                 14,84
                                   „
                                 
                              
                                 Totalhöhe des Aerostaten vom höchsten Punkte bis zum Kiel der
                                    											Gondel
                                 29,12
                                   „
                                 
                              
                                 Länge des aus Korbgeflecht bestehenden Theiles der
                                    											Gondel.
                                 6,5
                                   „
                                 
                              
                                 totale Länge derselben.
                                 12,6
                                   „
                                 
                              
                                 Breite derselben
                                 3,26
                                   „
                                 
                              
                                 Abstand der Schraubenwelle von der horizontalen Hauptachse
                                    											des Ballons
                                 20,45
                                   „
                                 
                              
                                 Kubikinhalt des Ballons
                                 3454,00
                                 Kubikmet.
                                 
                              
                                         „          
                                    											„   Luftlackes
                                 345,4
                                       „
                                 
                              
                           Bei entleertem Luftsack beträgt die Steigkraft des Ballons 3799 Kilogrm., bei
                              									aufgeblasenem 3419 Kilogrm.
                           Der Erfinder bedient sich zweier concentrischer Stricknetze, welche beide von einem
                              									nach den nämlichen Schablonen wie der Ballon construirten Mantel M, S, M herabhängen, der, vom horizontalen Meridian M, M gerechnet, die Stelle des die obere Hälfte des
                              									Ballons umgebenden gewöhnlichen Netzwerkes vertritt. Das äußere Netz d, d, d...., welches die Gondel trägt, ist längs dieses
                              									Meridians mit dem Saum des Mantels auf eine Weise verbunden, welche den Zug
                              									sämmtlicher Stricke gleichmäßig über den Stoff vertheilt. Das innere Netz, welches der
                              									Erfinder das Toppenantnetz (filet
                                 										de balancine)Toppenants (balancines) heißen in der
                                    											Seemannssprache die Taue an welchen die Raaen hängen, und durch welche diese
                                    											ihre horizontale oder geneigte Stellung erhalten. nennt, ist auf gleiche Weise an den Mantel befestigt. Dasselbe hebt sich
                              									jedoch vom Ballon, ungefähr in 3/4 seiner Höhe, in tangentialer Richtung ab, und
                              									bildet unterhalb desselben einen Kegel ABC, dessen
                              									Spitze C sich zwischen Ballon und Gondel in der die
                              									beiden Mittelpunkte verbindenden Verticalachse befindet. Die Spitze dieses Kegels
                              									ist es, von welcher die Stricke oder Toppenants t, t,
                                 									t... nach der Gondel hinabgehen.
                           Das Steuerruder r besteht aus einem unterhalb des Ballons
                              									an seinem hinteren Ende angebrachten dreieckigen, 5 Meter hohen Segel von 5
                              									Quadratmeter Oberfläche, dessen Basis eine 6 Meter lange horizontale Stange bildet,
                              									welche an ihrem einen Ende um einen Zapfen drehbar ist. Zur Handhabung des
                              									Steuerruders gehen von demselben zwei Leinen nach dem Vordertheil der Gondel in den
                              									Bereich des Steuermannes hinab, der einen an die Gondel befestigten Compaß vor sich
                              									hat.
                           Der mittlere Theil der Gondel besteht aus Korbgeflecht und ist 6,5 Meter lang, also
                              									lang genug, um bequem 14 Personen und die verschiedenen Apparate aufzunehmen, d.h.
                              									die Kurbelwelle mit 8 Mann, den Ventilator und den Mann welcher ihn in Bewegung
                              									setzt, ferner den Steuermann, die Person welche den Ballast und diejenige welche die
                              									Ventile, das Schleppseil und den Anker besorgt, endlich die beiden Personen von
                              									denen die eine mit der Leitung der Fahrt und den Beobachtungen betraut ist, während
                              									die andere den Curs auf der Karte notirt. Unterbäume aus Bambus bilden vorn und
                              									hinten die Verlängerung der Gondel.
                           Die Propellerschraube wird direct von der Gondel getragen, und um sie vor der Abfahrt
                              									und beim Landen aus dem Bereich des Erdbodens zu bringen, so läßt sich ihre Achse,
                              									wie die punktirten Linien zeigen, mittelst einer Winkelbewegung um einen Zapfen in
                              									die Höhe richten. Die Kurbeln der eisernen gekröpften Welle sind so angeordnet, daß
                              									der Schwerpunkt jener 4 oder 8 Mann während der Drehung ziemlich unveränderlich
                              									bleibt.
                           Der Firniß, womit der aus weißem Seidentaffet auf das Sorgfältigste angefertigte
                              									Ballon auf der Innenseite überzogen ist, wird nach Vorschrift des Hrn. Troost, Professor der Chemie an der École normale auf folgende Weise präparirt. Man
                              									bereitet zunächst eine Auflösung A von:
                           
                           
                              
                                 reiner Gelatine   
                                 100
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 Glycerin
                                 100
                                 „
                                 
                              
                                 Holzessig
                                 600
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 800
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                           indem man in der Wärme im Wasserbad die Gelatine im Holzessig
                              									auf löst und das Glycerin ebenfalls unter Erwärmung zusetzt. Hierauf bereitet man
                              									eine andere Lösung B aus:
                           
                              
                                 Gerbstoff (Tannin)
                                 100
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 Holzessig
                                 600
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 700
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                           Man gießt unter sanftem Umrühren mit einem Holzspatel die warme Flüssigkeit A in B. Das Ganze kocht man
                              									dann im Wasserbad wenigstens eine Stunde lang, wobei man allmählich so viel
                              									Holzessig zusetzt, daß das Volumen der Masse unverändert bleibt. Dieser Firniß wird
                              									mittelst eines Pinsels warm aufgetragen. Eine Lage desselben trocknet leicht
                              									innerhalb 24 Stunden. Mit drei Lagen erhält man einen für das Wasserstoffgas
                              									undurchdringlichen Stoff.
                           Das Totalgewicht des an der Oberfläche der Erde mit der Steigkraft im Gleichgewicht
                              									angenommenen Aerostaten beträgt 3799 Kilogrm. inclusive
                              									Gondel, Stricknetz, Maschinerie und Instrumente, 14 Personen Bemannung, Gepäck,
                              									Lebensmittel und 600 Kilogrm. Ballast.
                           Statt des zur Füllung gebräuchlichen Leuchtgases bedient sich Dupuy de Lôme des durch die Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure
                              									auf Eisenfeilspäne erzeugten Wasserstoffgases, welches er durch einen Wasch-
                              									und einen Trockenapparat leitet. Behufs der zu unternehmenden Probefahrt hatte er
                              									zwei „Batterien,“ jede zu 40 Fässern, aufgestellt, welche,
                              									abwechselnd in Betrieb gesetzt, bei jeder Operation 500 Kubikmeter Wasserstoffgas
                              									liefern sollten. Es waren demnach zur Erzeugung der zur Füllung des Aerostaten
                              									nothwendigen 3450 Kubikmeter sieben Operationen erforderlich.
                           Die vom Minister des öffentlichen Unterrichts ernannte Kommission hatte sich am 8.
                              									Januar zur Besichtigung und Untersuchung des Aerostaten nach Vincennes begeben, wo
                              									derselbe in der Reitbahn des Fort-Neuf
                              									untergebracht war. Wegen des während des ganzen Januar herrschenden schlechten
                              									Wetters konnte mit der Füllung des Ballons erst am 30. Januar der Anfang gemacht
                              									werden. Diese Operation ging mit bestem Erfolg von statten. Die mit einem kleinen
                              									Probeballon gemessene Steigkraft des Gases wurde zu 1120 Grammen per Kubikmeter gefunden. Da es nicht gerathen war, bei
                              									Nacht zu arbeiten, so dauerte die vollständige Füllung drei Tage, d.h. bis zum Abend des 1. Februar. Die
                              									ganze Nacht vom 1. auf den 2. Februar wurde der Ballon aufgebläht erhalten. Am
                              									Morgen des 2. Februar ließ man ihn bis zu einer gewissen Höhe sich erheben, um die
                              									Gondel mit dem Stricknetz, Steuerruder, Ventilatorschlauch u.s.w. an ihren Ort
                              									bringen zu können.
                           Um 9 Uhr wurde die Verbindungsröhre zwischen dem Ballon und dem Gaserzeugungsapparat
                              									abgenommen. Inzwischen hatte sich ein ziemlich starker Wind in südlicher Richtung
                              									erhoben; die Bulletins des meteorologischen Bureau's des Observatoriums lauteten
                              									nichts weniger als günstig. Tags zuvor hatten sie ein Fallen des Barometers in Paris, aus dem ganzen Norden von Frankreich Südwind, in
                              									der Manche Südwestwind angezeigt. Am 2. Februar war der
                              									Himmel bedeckt, Regen bevorstehend; in Paris und in der
                              										Manche blies ein ziemlich starker Südwind, in Holland
                              									war das Barometer gefallen.
                           Ungeachtet der Schwierigkeiten welche der stoßweise blasende Wind der Aufstellung der
                              									Gondel und ihres Zugehöres entgegensetzte, und im vollen Vertrauen zu den
                              									Anordnungen welche die Landung mit diesem Aerostaten erleichterten, entschloß sich
                              										Dupuy de Lôme zur Auffahrt. Unter dem
                              									Einflusse eines starken Windstoßes, welcher dem Ballon eine Drehung ertheilte, und
                              									in dem Momente wo die noch nicht vollständig eingehängte Gondel bereits mit
                              									beträchtlichem Ballaste beladen war, ereignete es sich, daß die vorn an die
                              									Tragbäume befestigten Hängeseile auf die letzteren einen seitlichen Zug ausübten,
                              									wobei die Gondel nicht so nachgeben konnte, wie es bei vollständiger Aufhängung der
                              									Fall gewesen wäre. Dadurch wurde eine der hinteren Bambusstangen des Untergestelles
                              									verbogen und eine der vorderen Tragstangen zerbrochen. Zwar wurde diese Havarie
                              									rasch reparirt, aber der hintere Träger der Schraube blieb ein wenig verbogen, so
                              									daß die Drehung der Schraubenwelle einen anomalen Widerstand fand. Indessen war
                              									dieser Uebelstand nicht von der Art, daß die Probefahrt deßwegen hätte vertagt
                              									werden sollen. Die Gondel wurde daher vollständig eingehängt, und die
                              									Propellerschraube an das Ende ihrer Welle befestigt, ebenso wurden die Toppenants an
                              									Ort und Stelle gebracht. Jedes Mitglied der 14 Köpfe starken Bemannung begab sich an
                              									seinen Posten. Nachdem der aus Sandsäcken von 15 und 10 Kilogrm. Gewicht bestehende
                              									und 650 Kilogrm. wiegende Ballast in der Gondel gehörig vertheilt war, befand sich
                              									der Ballon mit der Steigkraft im Gleichgewicht. Jetzt wurden 10 Säcke von 15
                              									Kilogrm. aus der Gondel entfernt, wodurch auf Seiten der Steigkraft ein Ueberschuß
                              									von 150 Kilogrm. über das Gewicht des Aerostaten entstand.
                           Auf ein gegebenes Zeichen wurden die Stricke, welche den Ballon noch hielten, losgelassen,
                              									worauf sich der Aerostat rasch erhob. Es war gerade 1 Uhr im Momente der Abfahrt,
                              									der Barometer stand auf 755 Millimeter und der Wind blies stark aus Süden bei einer
                              									Temperatur von 8° C. Nach Verfluß einiger Minuten wurde die Achse der
                              									Propellerschraube auf ihr Lager herabgelassen und durch die acht Mann anfangs
                              									langsam, dann schneller in Bewegung gesetzt. Das Steuerruder wurde erst nach der
                              									rechten, dann nach der linken Seite gedreht und hierauf in der diametralen Ebene
                              									gehalten, um zu sehen in wie weit der Aerostat ihm gehorchte. Und in der That,
                              									sobald die Rotation der Schraube erfolgte, machte sich der Einfluß des Steuerruders
                              									augenblicklich in dem gewünschten Sinne bemerkbar, zum Beweis daß der Aerostat
                              									rücksichtlich der umgebenden Luft eine eigene Geschwindigkeit hatte. Am Vordertheil
                              									der Gondel war ein mit vier leichten Flügeln ausgestattetes Anemometer angebracht.
                              									Dieses stand still, sobald die Propellerschraube außer Gang gesetzt wurde, und
                              									drehte sich, sobald man die letztere arbeiten ließ, zum Beweis daß der Aerostat
                              									unter dem Einflusse seines Motors eine eigene Geschwindigkeit hatte.
                           Die Richtung des Schiffsschnabels wurde wie bei jedem anderen Fahrzeug mittelst einer
                              									an die Gondel befestigten Bussole bestimmt, deren Strich parallel zur großen Achse
                              									des Ballons lief.
                           Um den Lauf des Aerostaten rücksichtlich des Erdbodens zu bestimmen, bedient sich Dupuy de Lôme des Compasses einer Ruderbarke, an
                              									dessen einer Seitenfläche er ein Bretchen parallel zu der durch den Compaßstrich
                              									gehenden Verticalebene befestigt. Die schmale Kante dieses Bretchens ist schwarz und
                              									die verticale Fläche weiß angestrichen. Auf diese Weise kann man sich leicht
                              									vergewissern, ob die Visirlinie in der erwähnten Verticalebene liegt. Was die
                              									Verticalität dieser Ebene anbelangt, so resultirt sie natürlich von der Aufhängung
                              									der Bussole, welche man frei in der Hand hält. Indem der Beobachter irgend ein unter
                              									ihm dahinziehendes Object der Erdoberfläche fixirt, dann das Bretchen in die
                              									Richtung dieses Objectes dreht, wenn es sich aus der Verticalebene entfernt, liest
                              									er direct auf der Bussole die Richtung der Route mit Bezug auf die Erde ab. Bei
                              									Gelegenheit derselben Beobachtung läßt sich auch die Geschwindigkeit des Aerostaten
                              									als Function seiner Höhe über der Erde auf folgende Weise ermitteln.
                           An die Verticalfläche des Bretchens sind drei Nadeln befestigt, welche die Spitzen
                              									eines Dreieckes bilden, dessen Höhe doppelt so groß ist, als seine horizontale
                              									Basis. Mit Hülfe einer Secundenuhr merkt man sich den Moment in welchem das erwähnte
                              									Object in der Richtung derjenigen Dreieckseite, welche dem Höhenperpendikel am
                              									nächsten liegt, sich befindet, und nachher den Moment wo das nämliche Object die durch
                              									die andere Dreiecksseite gehende Visirlinie passirt. Die zwischen dem Durchgang des
                              									Objectes durch beide Visirlinien verflossene Secundenzahl gibt die Zeit an, in
                              									welcher der Aerostat rücksichtlich des Erdbodens eine Strecke gleich der Hälfte
                              									seiner Höhe über der Erde zurückgelegt hat.Diese Methode beruht auf folgendem einfachen geometrischen Princip: ABC, Fig. 2, sey das
                                    											Nadeldreieck, dessen Höhe BD das Doppelte
                                    											der horizontalen Basis AC ist; G ein Object der Erdoberfläche MN, welches mit der als horizontal
                                    											vorausgesetzten Bewegungsrichtung BB' der Gondel
                                    											in einer Verticalebene liegt, und eben in die durch beide Nadeln A und B gehende
                                    											Visirlinie getreten ist. Dieser Zeitpunkt wird mittelst der Secundenuhr
                                    											notirt, ebenso der Moment wo das Dreieck in die Lage A'B'C' gelangt und das Object G in die Visirlinie der anderen Dreiecksseite
                                    												B'C' tritt. Innerhalb der zwischen
                                    											beiden Beobachtungen verflossenen Zeit hat alsdann der Aerostat einen Weg
                                    												BB' zurückgelegt, welcher halb so groß
                                    											ist, als die Höhe GK des Ballons über der
                                    											Erde, weil sich wegen Aehnlichkeit der Dreiecke BB'G und ABC offenbar
                                    											verhältBB' : GK = AC
                                    											: BD = 1 : 2.
                              								
                           Die Höhen, in welchen der Aerostat über der Erde schwebte, wurden mit einer im
                              									Hinblick auf die Natur des Versuches hinreichenden Genauigkeit auf dem Zifferblatt
                              									eines Aneroidbarometers direct abgelesen. Zur Beobachtung bediente man sich eines
                              									gewöhnlichen Thermometers von mittlerer, aber für den vorliegenden Zweck genügenden
                              									Empfindlichkeit. Der größeren Einfachheit wegen wurden sämmtliche Richtungen der
                              									Fahrt, sowie diejenigen des Vordertheiles der Gondel auf den magnetischen Meridian
                              									bezogen und notirt.
                           Die Abfahrt war, wie erwähnt, um 1 Uhr erfolgt. Die verschiedenen in der ersten
                              									Viertelstunde gemachten Evolutionen dienten nur zur vorläufigen Prüfung der
                              									Leistungsfähigkeit der Apparate. Um 1 Uhr 15 Minuten begannen die eigentlichen
                              									Beobachtungen, welche in gewissen Intervallen bis 2 Uhr 35 Min. mit und ohne
                              									Bewegung der Schraube fortgesetzt wurden, wobei stets die Höhe des Aerostaten über
                              									der Abfahrtstelle, die Temperatur, die Richtung der Fahrt, die eigene
                              									Geschwindigkeit des Aerostaten, die Zahl der Schraubenumdrehungen per Minute und die Geschwindigkeit bezüglich der Erde
                              									notirt wurden.
                           Um 2 Uhr 35 Min. schickte die Gesellschaft sich an, den Aerostaten auf die Erde
                              									herabzulassen, und präcis 3 Uhr landete sie in der Nähe von Mondécourt. Was die näheren Umstände dieser Landung und die
                              									wichtigsten Resultate der Expedition überhaupt anbelangt, so sind diese in folgendem
                              									Berichte des Hrn. Dupuy de Lôme enthalten, den wir
                              									von hier an wörtlich mittheilen:
                           
                              „Es scheint mir interessant, hier einer Thatsache zu erwähnen, ohne daß
                                 										ich derselben eine besondere Wichtigkeit beilegen will, die jedoch immerhin
                                 										geeignet ist, mein Vertrauen zu rechtfertigen, das ich in die oben bezeichnete Methode, die
                                 										Richtungen der Fahrt und die Geschwindigkeiten zu messen, setze. Um 1 Uhr 15
                                 										Min. hatten wir nämlich nach bestem Wissen unseren Punkt auf der
                                 										Generalstabskarte notirt; leider war es mir in diesem Momente nicht gelungen,
                                 										auf der Erde den bereits zu weit entfernten Hof des Fort-Neuf von
                                 										Vincennes wieder zu finden. Wie dem auch sey, Hr. Zédé verzeichnete von dem neuen Punkte aus die
                                 										Richtungen und Geschwindigkeiten, welche ich ihm dictirte, und als wir, im
                                 										Begriffe zu landen, uns fragten, wie wohl das Dorf, über dem wir eben
                                 										hinwegsegelten, heißen möge, antwortete Hr. Zédé im Vertrauen auf seine in die Karte eingetragene
                                 										Route, es müsse Mondécourt an der Grenze der
                                 										Departements der Oise und der Aisne seyn. Dieses bestätigten gleich darauf die
                                 										Dorfbewohner, als wir sie, über ihren Köpfen hinwegfahrend, nach dem Namen der
                                 										Ortschaft fragten, indem sie uns den Namen Mondécourt
                                 										zuriefen.“
                              
                           
                              „Die Landung ging trotz des starken Windes, ohne den geringsten Stoß, mit
                                 										vollständigem Erfolg vor sich, in Folge der Gestalt des Ballons, welcher, sobald
                                 										das Schleppseil einige Zeit auf dem Boden geschleift hatte, sich gegen den Wind
                                 										stellte, und in Folge der Wahl des Befestigungspunktes dieses Seiles sowie des
                                 										Ankerseiles in der Nähe der Spitze des Ballons. Wir sahen uns bald von
                                 										Landleuten umringt, welche uns behülflich waren, die Gondel zu halten, während
                                 										wir den Ballon durch das geöffnete Ventil entleerten. Um 3 Uhr 15 Min. wurde die
                                 										Schraube, das empfindlichste Organ der ganzen Construction, ohne beschädigt zu
                                 										werden, aus ihren Lagern gehoben und aus der Gondel geschafft. Um 6 Uhr war der
                                 										Ballon sammt Mantel und Stricknetz zusammengelegt und einstweilen unter einer
                                 										Plane geborgen, bis das Ganze auf zwei inzwischen bestellten zweiräderigen
                                 										Baumwagen nach der nächsten Eisenbahnstation geschafft werden konnte, um dann
                                 										weiter nach Paris dirigirt zu werden.“
                              
                           
                              „Um auf einige wichtige Thatsachen bei dieser Versuchsfahrt
                                 										zurückzukommen, muß ich vor Allem bemerken, daß die Stabilität der Gondel in
                                 										Folge der neuen Aufhängungsmethode eine vollkommene war; es zeigte sich während
                                 										der Thätigkeit von acht an der Schraubenwelle arbeitenden Männern nicht die
                                 										geringste Schwankung, und es konnten mehrere Personen auf einmal sich leicht
                                 										nach der linken oder rechten Seite der Gondel nach vorn oder hinten begeben,
                                 										ohne daß man eine größere Schwankung, als auf dem Parquet eines Salons
                                 										wahrgenommen hätte.“
                              
                           
                              „Wenn der Schwerpunkt augenscheinlich seine Lage änderte, so hatte dieses
                                 										eine Aenderung von einem Bruchtheile eines Grades in der Verticalebene des
                                 										ganzen Systemes zur Folge, ohne daß es jedoch möglich gewesen wäre eine Bewegung
                                 										der Gondel rücksichtlich des Ballons oder etwas Aehnliches wie die Schwankungen
                                 										einer Barke wahrzunehmen, deren Bemannung ihren Ort wechselt.“
                              
                           
                              „Was die Erhaltung der Horizontalität der Längenachse des oblongen Ballons
                                 										anbelangt, so lieferte die Erfahrung auch hier den schlagendsten Beweis. Bei dem
                                 										mit leichtem Gas gefüllten Ballon ist an sich kaum ein Grund vorhanden, warum
                                 										diese Horizontalität Gefahr laufen sollte, eben so wenig, wenn der kleine Ballon
                                 										mit atmosphärischer Luft gefüllt ist und also das an Volumen abnehmende
                                 										Wasserstoffgas ersetzt. Der für die Stabilität kritische Umstand, welcher
                                 										unvermeidlich eine unstatthafte Abweichung der großen Achse eines oblongen
                                 										Ballons aus der horizontalen Lage herbeiführen würde, wenn dieser nicht mit
                                 										einem System, analog demjenigen meines Toppenantnetzes ausgestattet wäre, dieser
                                 										Umstand ist ein partielles Schlaffwerden des Ballons.“
                              
                           
                              „Da ich das vollständigste Vertrauen in mein Aufhängungssystem setzte,
                                 										zögerte ich nicht, einen Versuch anzustellen. Während wir uns aus der zuletzt
                                 										erreichten Höhe von 1020 Meter herabließen, bekam der Ballon bald an seiner
                                 										unteren Seite Falten. Jetzt wäre also der Zeitpunkt gewesen, den Ventilator in
                                 										Thätigkeit zu setzen, um den Luftsack im Inneren des Ballons aufzublähen. Ich
                                 										wartete jedoch mit dieser Operation, bis wir auf 600 Meter Höhe herabgesunken
                                 										waren. Die Verminderung des Volumens und die Falten am Ballon traten jetzt sehr
                                 										deutlich hervor und es war interessant zu beobachten, wie die Toppenants jedes
                                 										Ende des Ballons in horizontaler Lage hielten, sobald dasselbe die Neigung
                                 										zeigte aus dieser Lage sich zu erheben.“
                              
                           
                              „Nun erst ließ ich den Ventilator arbeiten, um nicht mit allzuschlaffem
                                 										Ballon zur Erde zu gelangen. Da aber das Volumen des Luftsackes die Reduction
                                 										des Gasvolumens nur für ein Sinken um 866 Meter ausgleichen konnte, so
                                 										erreichten wir den Boden mit ziemlich starken Längsfalten an der unteren Seite
                                 										des Ballons. Dieser Umstand hatte jedoch Nichts auf sich, da jetzt vom
                                 										Steuerruder weiter kein Gebrauch gemacht wurde, indem wir die Schraube in Gang
                                 										setzten und uns auf die Wirkung des Schleppseiles verließen, um uns gegen den
                                 										Wind zu stellen.“
                              
                           
                              „Zur Vervollständigung des Berichtes über diese Probefahrt erübrigt nur
                                 										noch zu erwähnen, daß, nachdem wir mit vollständig aufgeblähtem Ballon und
                                 										zusammengeklapptem Luftsack mit einer Steigkraft von 150 Kilogrm. aufgestiegen
                                 										waren, 300 Kilogrm. Ballast ausgeworfen werden mußten, um uns auf eine Höhe von
                                 										1020 Meter zu erheben. Ein Gasverlust durch die Poren des Stoffes während der
                                 										Versuchsdauer von zwei Stunden war kaum bemerkbar, und wir hätten uns, wenn es in unserer
                                 										Absicht gelegen wäre, noch sehr lange in der Luft aufhalten können.“
                              
                           
                              „Die durch die Versuchsfahrt vom 2. Februar erlangten Resultate lassen
                                 										sich in Folgendem zusammenfassen:
                              
                           
                              1) gesicherte Stabilität, ungeachtet der oblongen Form, in Folge des
                                 										Toppenant-Netzsystemes;
                              
                           
                              2) Erhaltung der Form mit Hülfe des Luftsackes:
                              
                           
                              3) Fähigkeit, den Vordertheil der Gondel, wenn die Schraube arbeitet, in einer
                                 										beliebigen Richtung zu halten, ungeachtet einigen Gierens (embardées), welches größtentheils der
                                 										Unerfahrenheit des Steuermannes zuzuschreiben ist;
                              
                           
                              4) eine nicht zu unterschätzende Geschwindigkeit bezüglich der umgebenden Luft
                                 										vermittelst der durch acht Mann getriebenen Schraube, eine Geschwindigkeit
                                 										welche sich bei 27 1/2 Umdrehungen per Minute auf
                                 										2,82 Meter per Secunde oder auf 10 1/4 Kilometer (1
                                 										1/3 Meilen) per Stunde belief;
                              
                           
                              5) das Verhältniß der eigenen Geschwindigkeit des Aerostaten zum Producte aus der
                                 										Steigung der Schraube und der Zahl ihrer Umdrehungen ist 76: 100. In meinem
                                 										früheren Exposé hatte ich dieses Verhältniß zu 74:100 angegeben. Der
                                 										Totalwiderstand des Aerostaten, verglichen mit dem der Schraube, ist demnach
                                 										etwas geringer, als ich ihn geschätzt hatte;
                              
                           
                              6) die 8 Mann, welche erforderlich waren, um 27 1/2 Umdrehungen per Minute zu erzielen, entwickelten im Mittel eine
                                 										Arbeit, von der ich zwar nicht das genaue Maaß habe, die ich jedoch nicht höher
                                 										als zu 60 Kilogrammmeter schätze, namentlich in Anbetracht der oben erwähnten
                                 										anomalen Reibung der Schraubenwelle in ihren Lagern.“
                              
                           
                              „Könnte man die Gefahr beseitigen, welche eine Dampfmaschine darbietet,
                                 										die von einem mit Wasserstoffgas gefüllten Ballon getragen wird, so würde man
                                 										eine solche von 8 Pferdekräften anwenden. Diese würde dann das Gewicht der 7
                                 										Mann repräsentiren, um welche man die Schiffsmannschaft vermindern könnte, indem
                                 										man statt jener zur Umdrehung der Schraube verwendeten 8 Mann nur einen
                                 										Maschinisten brauchte. Die Arbeit der bewegenden Kraft wäre alsdann 600
                                 										Kilogrammmeter, also 10mal größer, und die am 2. Februar erlangte
                                 										Geschwindigkeit von 10 1/4 Kilometer per Stunde
                                 										würde mit dem nämlichen Aerostaten sich auf 22 Kilometer (circa 3 Meilen) per Stunde steigern. Man
                                 										erhielte somit einen
                                 										Apparat, mit welchem man im Stande wäre, nicht nur bei gewöhnlichen Winden um
                                 										einen beträchtlichen Winkel vom Windstrich abzuweichen, sondern auch bezüglich
                                 										der Erde oft nach beliebigen Richtungen zu steuern.“
                              
                           
                              A. P.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
