| Titel: | Ein Beitrag zur Kenntniß der Natur des Anilinschwarz; von H. Rheineck. | 
| Autor: | H. Rheineck | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CXXII., S. 485 | 
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                        CXXII.
                        Ein Beitrag zur Kenntniß der Natur des
                           								Anilinschwarz; von H. Rheineck.
                        Rheineck, über die Natur des Anilinschwarz.
                        
                     
                        
                           Das Anilinschwarz, wiewohl in der Farbentechnik, besonders im Baumwolldruck eine
                              									hervorragende Rolle spielend, hat bis jetzt das Interesse der wissenschaftlichen
                              									Chemiker noch nicht sehr in Anspruch genommen. Aus diesem Grunde wird dasselbe noch
                              									allgemein als ein indifferenter Körper angesehen.
                           
                           Wie bekannt, entsteht das Anilinschwarz durch Oxydation des Anilins und der
                              									Anilinöle. In seiner Bildungsweise ist es also analog derjenigen der übrigen
                              									Anilinfarbstoffe. Durch diese Oxydation ist immer eine Molecularcondensation durch
                              									mehrfaches Zusammentreten des Anilin-, Toluidin- etc. Molecüls
                              									bedingt. Dasselbe findet unzweifelhaft auch bei der Bildung des Anilinschwarz statt,
                              									wie aus Nachstehendem ersichtlich ist. Ferner sind diese Oxydationsproducte des
                              									Anilins und seiner Homologen, die Anilinfarbstoffe, immer noch basischer Natur. Auch
                              									das Anilinschwarz ist, wie ich gefunden habe, eine ausgesprochene Base. Was den
                              									Stickstoff betrifft, so verbleibt er entweder, wie bei dem Anilinroth, in dem
                              									neugebildeten Atomcomplex oder er tritt theilweise als Ammoniak aus. Letzteres
                              									scheint auch bei der Bildung des Anilinschwarz der Fall zu seyn.
                           Man könnte diese Base Nigranilin nennen, in ähnlicher Weise, wie man der Base des
                              									Anilinroths den Namen Rosanilin gegeben hat.
                           Armand Müller
                              									Chemisches Centralblatt, 1871, Nr. 18; polytechn. Journal Bd. CCI S. 363. hat das Anilinschwarz dargestellt durch Erwärmen eines Gemisches von 20 Grm.
                              									chlorsaurem Kali, 40 Grm. Kupfervitriol, 16 Grm. Salmiak, 40 Grm. salzsaurem Anilin
                              									und 500 Kubikcentimeter Wasser auf 60° C., wobei die Bildung eines Schwarz
                              									rasch erfolgte. Diesem so erhaltenen Körper gibt er die Formel
                              									C²⁴H¹⁴N²O²², wornach dessen Molecül
                              									aus zwei Atomen eines oxydirten Anilins bestehen würde. Es ist aber möglich, daß
                              									diese Formel einer salzsäurehaltigen Substanz ihren Ursprung verdankt und in Folge
                              									dessen unrichtig ist. Der Geruch nach Trichlornitroform tritt auch bei meiner
                              									Bereitungsweise des Anilinschwarz auf, und dürfte sich aus der Abspaltung von Methyl
                              									aus dem Toluidin erklären.
                           Ich hatte ein besonderes Interesse, die Bildung des Anilinschwarz unter den
                              									Verhältnissen zu studiren, wie es sich auf dem Gewebe bildet. Hiernach brachte ich
                              									die Ingredientien der Druckfarbe, salzsaures Anilin, chlorsaures Kali und eine Spur
                              									Chlorkupfer mit einer beliebigen Menge Wasser bei gewöhnlicher Temperatur
                              									zusammen.
                           Die Recepte für diese Farbe enthalten alle Salmiak unter ihren Ingredientien, Meine
                              									Versuche haben aber ergeben, daß mit, wie ohne Salmiak ein gleich schönes Schwarz
                              									erzielt wird, also der Salmiak ein unwesentlicher Bestandtheil in der Farbe ist und
                              									ohne Zweifel ganz entbehrt werden kann.
                           In dem zu beschreibenden Versuche blieb also der Salmiak aus dem Gemische der
                              									Reagentien.
                           
                           Dieses Gemisch wurde nun in einer Porzellanschale bei gewöhnlicher Temperatur an der
                              									Luft verdunsten gelassen und wiederholt befeuchtet, bis als Zeichen des vollendeten
                              									Processes ein trockenes, schwierig Wasser annehmendes, sammtschwarzes Pulver
                              									entstanden war. Anilinöl, Salzsäure und chlorsaures Kali waren zu gleichen
                              									Gewichtstheilen angewendet und am Schlusse der Verwandlung fand sich in der
                              									schwarzen Masse noch eine Menge unveränderter Krystalle von chlorsaurem Kali. Anilin
                              									dagegen war in der sauren wässerigen Lösung nicht mehr nachzuweisen, aber Ammoniak. Mit heißem Wasser ausgewaschen, war das
                              									schwarze Pulver ohne Rückstand verbrennbar, wobei anfangs der Geruch von
                              									Naphtylamin, dann der von Cyan auftrat. Das verwendete Anilinöl enthielt Toluidin
                              									und lieferte 120,5 Proc. des ausgewaschenen sammtschwarzen körnigen Pulvers.
                           Die große Ausbeute sowohl, wie der Umstand daß die auf dem Gewebe entwickelte Farbe
                              									dunkelgrün erscheint und erst nach dem Behandeln mit Alkalien dunkelviolett, führte
                              									mich auf den Gedanken, das Anilinschwarz könnte eine Base
                              									seyn und bei grünem Aussehen Salzsäure enthalten. Dieses hat sich bestätigt. Der
                              									dunkelgrüne Körper ist das salz saure Salz des Anilinschwarz, der dunkelviolette die
                              										freie Base.
                           Mit Soda oder Ammoniak konnten 8,9 Proc. Salzsäure ausgezogen werden, wornach dem
                              									salzsauren Salz etwa das Aequivalent (100 × 36,5)/8,9 = 410 zukommt, und der
                              									freien Base 373,5. Obige Formel von A. Müller hat
                              									362.
                           Diese Base hat die Eigenschaft, den Salzen des Anilins die Säure wegzunehmen. Ein
                              									Stückchen Baumwollgewebe, auf welchem eine sehr dünne Lage der dunkelvioletten Farbe
                              									hervorgebracht ist, färbt sich mit salzsaurem Anilin, selbst bei Gegenwart
                              									überschüssigen Anilins, sofort grün. Ein mit Anilinschwarz schwach gefärbtes
                              									Baumwollläppchen ist ein gutes Reagens auf Säuren und Alkalien, und kann abwechselnd
                              									dazu benutzt werden, ohne von seiner Farbe einzubüßen. Ist es durch eine Säure grün
                              									gefärbt und mit destillirtem Wasser gut abgewaschen, so wird es von einer so wenig
                              									alkalischen Flüssigkeit, wie das Brunnenwasser, ziemlich rasch wieder violett.
                           Wird der schwarzgrüne Körper, also das nicht mit Alkalien behandelte Anilinschwarz,
                              									in concentrirte Schwefelsäure gebracht, so stößt er, wie jedes andere salzsaure
                              									Salz, Dämpfe von Salzsäure aus. Dabei löst er sich zu einer violetten Flüssigkeit,
                              									welche beim Verdünnen wieder einen schwarzgrünen Niederschlag, ohne Zweifel des
                              									schwefelsauren Salzes, gibt.
                           
                           Auch mit reinem Anilin habe ich den Versuch gemacht. 25
                              									Grm. Anilin lieferten 28,7 Grm., also 114,8 Proc. Anilinschwarz. Da die Ausbeute
                              									hier viel geringer ist, als bei dem Toluidin enthaltenden Anilinöl, so möchte man
                              									annehmen daß das Toluidin mit seinem ganzen Kohlenstoffgehalt in das Molecül des
                              									Anilinschwarz eintreten kann.
                           Bei beiden Versuchen hatte sich eine so geringe Menge einer mißfarbigen organischen
                              									Substanz gebildet, daß der Proceß der Anilinschwarzbildung als ein glatter angesehen
                              									werden kann. Da ich es unterließ, Salmiak zuzusetzen, so konnte ich dessen Bildung
                              									beobachten und messen. Ich fand in einem Falle 1/9 bis 1/8, in einem anderen ein
                              									kleineres Verhältniß des als Ammoniak ausgetretenen Stickstoffes zu dem des
                              									Anilinöles.
                           Ich muß aus Mangel an Gelegenheit und Einrichtung die nähere wissenschaftliche
                              									Ausführung dieses interessanten Gegenstandes unterlassen und mache andere Chemiker
                              									darauf aufmerksam, welchen ein wohl eingerichtetes Laboratorium zu Gebot steht.
                           Ich will nun schließlich noch einer selbst von wissenschaftlichen Chemikern in ihren
                              									Schriften als geheimnißvoller Gegenstand erwähnten Handelswaare gedenken. Es ist das
                              									als „schwarze Flüssigkeit“
                              									beschriebene, „schon entwickelte“
                              									Anilinschwarz, welches nach seinem Erfinder Lucas-Schwarz
                              									Man s. Max Bogel's Mittheilung über dasselbe im
                                    											polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXX S. 245. genannt wird. Da es aber seiner schlechten Eigenschaften wegen heutzutage
                              									nicht mehr von großem technischen Interesse seyn kann, so habe ich es bei einer
                              									qualitativen Analyse bewenden lassen, als mir dieses im Handel befindliche Schwarz
                              									in die Hände kam. Diese Analyse läßt keinen Zweifel über die Zusammensetzung
                              									desselben. Es stellte einen schwarzen Brei dar, welcher ursprünglich offenbar eine
                              									vollständige Flüssigkeit war. Abfiltrirt und ausgewaschen, erhielt ich einen
                              									pulverigen schwarzen Rückstand, welcher alle Eigenschaften des Anilinschwarz, d.h.
                              									des salzsauren Körpers, hatte. In Lösung fand sich etwas Ammoniak, viel
                              									Eisen- und Kupferoxyd, und Kalk, Anilin im Verhältniß zum gebildeten Schwarz
                              									nur noch wenig. Die Flüssigkeit war sehr sauer und dunkel gefärbt, weil
                              									Eisenoxydsalze die Anilinsalze dunkelgrün färben. Als
                              									Säure wurde nur Salzsäure vorgefunden und bloß eine Spur Schwefelsäure. Essigsäure,
                              									Weinsteinsäure und Chlorsäure waren nicht zugegen, auch kein Kali und Natron.
                              									Hiernach bildet das Lucas-Schwarz ein Gemisch von
                              									salzsaurem Anilin, Chlorkupfer, Chloreisen und Chlorcalcium, in welchem sich mit der
                              									Zeit das Schwarz immer mehr entwickelt. Es ist leicht begreiflich, daß dieses
                              									Präparat bei den Coloristen keinen Anklang finden kann, nicht nur wegen der schon zu
                              									weit vorangeschrittenen Entwickelung des Schwarz und dadurch bedingten Verlustes an
                              									Färbekraft, sondern auch weil das Gewebe davon sehr mürbe wird.
                           Eisenchlorid und salzsaures Anilin geben, wie ich durch Versuche gefunden habe,
                              									allein schon ein Schwarz, aber es ist nicht dunkel genug auf dem Gewebe. Besser wird
                              									es auf Zusatz von etwas Kupfersalz.
                           Häufig wird zur Bereitung des käuflichen salzsauren Anilins eisenhaltende Salzsäure
                              									verwendet. Dieser Eisengehalt verursacht das Grauwerden dieses Salzes an der Luft
                              									und wenn es gepulvert der Luft dargeboten ist, verwandelt es sich oft großentheils
                              									in Schwarz. Eine Mischung von salzsaurem Anilin und Eisenchlorid, in Wasser gelöst,
                              									ist dunkelgrün gefärbt, und geht bald in Schwarz über, schon bei gewöhnlicher
                              									Temperatur, rasch beim Erwärmen.
                           Elberfeld, den 6. Februar 1872.