| Titel: | Ueber Pyrophotographie; von Dr. Oidtmann, Docent an der königl. polytechnischen Schule in Aachen. | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. CXXIII., S. 489 | 
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                        CXXIII.
                        Ueber Pyrophotographie; von Dr. Oidtmann, Docent an der königl. polytechnischen Schule in
                           									Aachen.Aus den photographischen Mittheilungen, 1872 S. 286. – In der Sitzung des
                                 										Vereines zur Förderung der Photographie in Berlin vom 19. Januar d. J. legte Hr.
                                 											Prümm zahlreiche gelungene Proben der von Dr. Oidtmann eifrig betriebenen Pyrophotographie aus
                                 										dessen Werkstatt in Aachen vor, darunter einfache Muster sowohl als auch
                                 										Pyrophotographien nach Zeichnungen, farbige Muster etc., welche mit lebhaftem
                                 										Interesse betrachtet wurden.
                           							
                        Oidtmann, über Pyrophotographie.
                        
                     
                        
                           Unter Pyrophotographie verstehe ich im weiteren Sinne die photographische Herstellung
                              									und Wiedergabe von Bildern (graphischen Gegenständen) auf schmelzbarer Grundfläche
                              									mit schmelzbaren Farben. – Speciell für Glasfarben und für Tafelglas sind es
                              										transparente enkaustische Emaillebilder (wobei der
                              									Begriff „Emaille“ nicht vom Effect für's Auge, sondern vom Stoff, von der Verkieselungseigenschaft des angewandten
                              									Materiales abzunehmen ist). – Das Verfahren läßt nichts zu wünschen übrig.
                              									Eine Vervollkommnung in der Technik hat nicht stattgefunden, wohl aber eine
                              									Vervollkommnung in der Marktfähigkeit der Erzeugnisse.
                              									Ich habe die Pyrophotographie eingeführt für die großflächige, monumentale, musivische Glasmalerei, für die Teppichglasmalerei der
                              									Kirchen und Schlösser, der Treppenfenster, Corridore u.s.w.
                           
                           Es ist hiernach ein Leichtes, in acht Tagen einige Tausend Quadratfuß Fensterfläche,
                              									also eine ganze Kirchenverglasung fix und fertig zu photographiren, einzubrennen und
                              									zu verbleien.
                           Einen großen Theil der monumentalen Fensterteppiche, welche ich in meinem
                              									Etablissement bisher durch Steindruck darstellte, mache ich jetzt durch
                              									Photographie.
                           Die Verwendbarkeit der Pyrophotographie in der monumentalen Glasmalerei, also im großen Style, ist nur dadurch möglich,
                              									daß die Pyrophotographie mit Diapositivs arbeitet, d.h.
                              									der Architekt oder der Maler malt das Ornament direct auf Pauspapier in Naturgröße
                              									und schickt es in mein Atelier. Von diesem Original wird das Dessin dann durch die
                              									Lichtwirkung vervielfältigt. Das Product ist in jeder Beziehung dasselbe wie eine
                              									ächte Glasmalerei, welche mit dem Pinsel dargestellt ist. Wenn man z.B. die
                              									Probescheiben einem Kunstkenner oder Glasmaler vorlegt, so findet er gar kein
                              									Merkmal, woran die Lichtarbeit von der Pinselarbeit zu unterscheiden wäre. Will man
                              									Lichter aussparen (Radirungen im doucirten Glaston), so wird ein Blatt Pauspapier,
                              									in welchem die Lichtstellen ausgeschnitten sind, zwischen Diapositiv (Oelzeichnung)
                              									und Glastafel geschoben.
                           Da die monumentale Glasmalerei seit Jahrhunderten immer nur in Schwarz arbeiten darf
                              									und die Farbeneffecte durch Einbleiung erzeugt, so leistet die Pyrophotographie,
                              									welche mit Schwarz auf farbiges Glas sowohl wie auf
                              									weißes Glas arbeitet, für die musivische Glasmalerei Alles.
                           In meinem Atelier kommt Vieles zur Ausführung, was sich nicht oft genug wiederholt,
                              									um für den Glasteppich-Steindruck geeignet und
                              									rentabel zu seyn, und sich doch zu viel wiederholt, als daß nicht ein mechanischer
                              									Ersatz des Pinsels wünschenswerth wäre. Solche Gegenstände werden alle
                              									pyrophotographisch gemacht.
                           Eine andere Verwendung ist die für Miniaturglasmalerei. Jeder graphische Gegenstand
                              									wird ohne Apparat direct vom Bild (nachdem es transparent gemacht) im Copirrahmen
                              									abgedruckt. Ein solches schwarzes eingebranntes Bild eignet sich zur enkaustischen
                              									Colorirung mit Schmelzfarben, und zwar auf transparentem Glas viel mehr als auf
                              									Porzellan. Denn die Transparenz, das durchfallende Licht,
                              									läßt im Gegensatz zum auffallenden Licht die schwarze Zeichnung unter oder über
                              									differenten Farbetönen nicht als schwarze Farbe kaltgrau
                              									aus den Farben herausschauen, sondern wirkt nur als Schattirung der bezüglichen Farbe, von welcher die schwarze Zeichnung
                              									gedeckt ist, besonders bei der weichen Kreidemanier. Während daher der
                              									Porzellanmaler die Pyrophotographie nur als eine Art schwachen
                              									Unterdruckes, als Pause der Zeichnung benutzen darf, ist dem Glasmaler gestattet,
                              									das Bild in seiner ganzen Kraft, in allen seinen Details stark zu entwickeln. Jede
                              									Farbe seiner Palette amalgamirt sich vollkommen mit der photographischen Unterlage,
                              									so daß ein geschickter Glasmaler selbst den härtesten Kupferstich durch seine
                              									Palettefarben nahezu verschmelzen kann, ohne dabei auch nur eine Linie von der
                              									durchschlagenden Wirkung des Stiches aufzugeben und einzubüßen.
                           Aber auch für die farbige Cabinets-Glasmalerei steht eine weitere Entwickelung
                              									in Aussicht, eine Art Glasfarbendruck in Manier des Oelfarbdruckes. – Nach
                              									Hervorrufung des schwarzen Bildes werden nach der Reihe die einzelnen Tonplatten eines Oelfarbendruckes, nachdem das Papier derselben
                              									vorher geölt worden, auf dem Schwarzabdruck exponirt, und werden diese
                              									Lichttonbilder mit den entsprechenden blauen, gelben, rothen u.s.w. Schmelzfarben
                              									auf einer und derselben Glastafel schichtweise gerade so entwickelt, wie der
                              									Schwarzdruck. – Bei einem solchen Photographischen Glasfarbdruck würden weniger Papierplatten erforderlich seyn, als beim
                              									Oelfarbdruck, indem der Lichtdruck die Farbschattirungen
                              									der einzelnen Töne wiedergibt, während der Oelfarbdruck nur flachtönig arbeitet, und
                              									daher Abtonung jeder Farbe, wie Hell-, Mittel- und Dunkelblau, nur
                              									durch mehrere Platten erzielt. – Ich würde, wenn ich Schwarz abdrücke der verschiedenen Tonplatten eines Bildes aus einer
                              									Oelfarbendruckerei bekommen könnte, Versuche in dieser Richtung anstellen. –
                              									Bei den Platten eines und desselben Farbetones würde ich die transparent gemachten
                              									Tonblätter aufeinanderlegen und in einer einzigen Exposition alle Abschattirungen
                              									der betreffenden Farbe erzeugen.