| Titel: | Prof. Palmieri's Seismograph zur Beobachtung der Erdstöße, welche den Eruptionen des Vesuvs vorangehen und dieselben begleiten. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XXXVIII., S. 99 | 
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                        XXXVIII.
                        Prof. Palmieri's
                           								Seismograph zur Beobachtung der Erdstöße, welche den Eruptionen des Vesuvs vorangehen
                           								und dieselben begleiten.
                        Nach dem Engineer,
                              								Juni 1872, S. 407.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IV.
                        Palmieri's Seismograph zur Beobachtung der Erdstöße.
                        
                     
                        
                           Im Jahr 1844 ließ die Regierung von Neapel auf dem Vesuv ein Observatorium zur
                              									Beobachtung der mit den Ausbrüchen dieses Vulcans zusammenhängenden Erscheinungen
                              									errichten. Das Gebäude liegt in der Nähe der Eremitage, 2080 Fuß über dem Meer, auf
                              									dem Rücken eines Hügels, welcher bereits manche Lavaströme abgelenkt hat, ohne von
                              									ihnen bedeckt worden zu seyn. Den Unterbau bilden starke Gewölbe, über denen sich
                              									eine geräumige Halle für die angelegten Sammlungen von Lava und vulcanischem Gestein
                              									befindet. Von dieser Halle führen Stufen nach dem eigentlichen Observatorium. Das
                              									Ganze ist dem Physiker Palmieri, Professor an der königl.
                              									Universität zu Neapel, zur Verfügung gestellt, dessen Scharfsinn und Eifer es
                              									gelungen ist, die Instrumente zu hoher Vollkommenheit zu bringen.Die letzte so gewaltige und verhängnißvolle Eruption wurde von ihm
                                    											vorhergesagt. Mit bewunderungswürdigem Muthe behauptete er während der
                                    											Periode, wo die Gefahr der Zerstörung des Gebäudes so sehr nahe lag, seinen
                                    											Posten, um seine Instrumente mit gewissenhafter Genauigkeit zu beobachten
                                    											und ihre Angaben zu registriren. In Anerkennung dieser Dienstleistungen
                                    											wurde er zum Senator des Königreichs Italien ernannt.
                              								
                           
                           Die wichtigste Abtheilung der Apparate bilden die in einem besonderen Zimmer
                              									aufgestellten seismographischen, d.h. die zur Registrirung der Erschütterungen
                              									dienenden Instrumente. Außerdem enthält das Observatorium noch Instrumente zur
                              									Beobachtung der täglichen Variationen der Magnetnadel. Die seismographischen
                              									Instrumente dienen zur Registrirung der horizontalen und verticalen Oscillationen,
                              									des Zeitpunktes ihres Auftretens, ihrer Dauer und Richtung. Dieses geschieht in
                              									folgender Weise.
                           E, Fig. 1, ist eine Spirale
                              									aus (ungefähr 1 Millimeter dickem) Messingdraht von 14 oder 15 Windungen, deren
                              									Durchmesser 20 bis 25 Millimeter beträgt. Sie hängt von einer feinen Metallfeder
                              									herab und kann mittelst einer Schraube gehoben oder niedergelassen werden. An dem
                              									unteren Ende der Spirale hängt ein kupferner Kegel mit einer Platinspitze. Die
                              									letztere reicht bis dicht an die Oberfläche des in dem eisernen Becken f befindlichen Quecksilbers. Das Becken steht auf einer
                              									isolirenden Säule G von Holz oder Marmor. Der Abstand
                              									der Platinspitze von der Quecksilberoberfläche bleibt constant, da die Metallsäule
                              										T so lang ist, daß ihre Ausdehnung oder
                              									Zusammenziehung in Folge der Temperaturveränderungen diejenige der Spirale
                              									ausgleicht. Die letztere steht (durch die Säule T) mit
                              									dem einen Pol, das Becken f mit dem anderen Pol einer
                              										Daniell'schen Batterie von zwei Elementen in
                              									Verbindung. Jede wenn auch noch so geringe Verticalbewegung macht die Platinspitze
                              									in das Quecksilber tauchen, und schließt dadurch die Kette. In diese Kette sind zwei
                              									Elektromagnete C und D
                              									eingeschaltet, welche während der Dauer des Stromes ihre mit Hebeln verbundenen
                              									Armaturen anziehen. Der Hebel des Elektromagnetes C
                              									bewirkt sofort den Stillstand der Uhr A, welche auf
                              									diese Weise den Zeitpunkt des Erdstoßes bis auf eine halbe Secunde genau anzeigt,
                              									während in demselben Momente ein Alarmglöckchen ertönt, welches den Beobachter auf
                              									den Vorgang aufmerksam macht. Der mit der Armatur des Elektromagnetes D verbundene Hebel löst zu gleicher Zeit das außerhalb
                              									seiner verticalen Lage festgehaltene Pendel der Uhr B
                              									aus, welche ein Papierband K, K, K mit einer
                              									Geschwindigkeit von 3 Metern per Stunde in Bewegung
                              									setzt. Die Armatur D aber drückt, während sie angezogen
                              									wird, eine Bleistiftspitze gegen das über die Rolle m
                              									laufende Papierband und markirt auf diesem, so lange die Erderschütterung dauert,
                              									eine Reihe von Punkten, welche eine dieser Dauer entsprechende Strecke des
                              									Papierstreifens einnehmen und so den Vorgang registriren. Das von der Trommel i fortwährend sich abwickelnde Papierband nimmt seinen
                              									Weg um die Uhr und wickelt sich auf die Trommel l.
                              									Ereignet sich nun eine neue Erderschütterung, so wird sie, wie die vorhergehende, durch den Bleistift
                              									auf dem Papier verzeichnet. Die Länge der zwischen beiden Punktgruppen befindlichen
                              									Strecke weißen Papieres ist das Maaß der zwischen beiden Erschütterungen
                              									verflossenen Zeit.
                           Von einer Säule hängen mehrere Spiralen h, h, h und von
                              									den Enden dieser Spiralen kleine permanente Magnete herab. Dicht unter den letzteren
                              									sind kleine Behältnisse mit Eisenfeilspänen angebracht, in welche die Spitzen der
                              									Magnete tauchen, wenn die Spiralen in verticalem Sinne oscilliren. An diesen
                              									Magneten bleibt nun etwas Feilstaub hängen, und hierin liegt eine weitere Controlle
                              									der Erdstöße. Einer der Magnete aber ist, wie Fig. 2 zeigt, mit einer
                              									Schulter versehen, welche einen Zeiger über einen in Grade getheilten Bogen bewegt,
                              									und den Beobachter somit auch von der Größe der verticalen Bewegung in Kenntniß
                              									setzt.
                           Folgende Anordnungen dienen speciell zur Controlle der horizontalen Bewegungen. Auf dem Träger rechts von der Uhr A sind vier U-förmig
                              									gebogene, an ihren Enden offene Glasröhren angeordnet, deren einer Schenkel einen
                              									wenigstens doppelt so großen Durchmesser haben muß, als der andere. Denkt man sich
                              									durch die beiden Schenkel jeder dieser Röhren eine Verticalebene gelegt, so geht die
                              									Richtung der einen Ebene von Nord nach Süd, der zweiten von Ost nach West, der
                              									dritten von Nordost nach Südwest, der vierten von Nordwest nach Südost. Von der
                              									Säule P aus laufen oberhalb der längeren Schenkel und
                              									ebenso von der Säule R aus oberhalb der kürzeren
                              									Schenkel Metallschienen. Die Säulen selbst sind mit den Polen einer Daniell'schen Batterie verbunden, und in diese Verbindung
                              									die Elektromagnete C und D
                              									eingeschaltet. Was wir jetzt bezüglich der Röhre n
                              									beschreiben, gilt auch für die übrigen Röhren. Sie wird nämlich bis zu einer
                              									gewissen Höhe mit Quecksilber gefüllt. Ein Platindraht o, welcher von der über den kürzeren Schenkel sich
                              									hinziehenden Metallschiene herabhängt, taucht in das Quecksilber, während das Ende
                              									eines anderen Platindrahtes, welcher von der über die Mündung des längeren Schenkels sich erstreckenden Metallschiene
                              									ausgeht, ganz nahe bis an die Quecksilberoberfläche dieses Schenkels hinabreicht.
                              									Jede Erschütterung nun, welche nicht senkrecht zu der Verticalebene des
                              									Schenkelpaares ist, bringt das Quecksilber der Röhre in's Schwanken, wobei die
                              									Schwankungen in der dünneren Röhre stärker ausfallen. Erhebt sich nun die
                              									Quecksilbersäule der letzteren so weit, daß sie die Platinspitze berührt, so ist die
                              									Verbindung zwischen P und R
                              									hergestellt und die Kette geschlossen; die Elektromagnete C und D kommen also in Thätigkeit, um die
                              									Erschütterungen auf die oben beschriebene Weise zu registriren. Da die U-förmigen Röhren, wie oben erwähnt, in verschiedenen Richtungen
                              									aufgestellt sind, so darf man sicher seyn, daß die horizontalen Bewegungen auf eines
                              									oder mehrere Paare in obigem Sinne sich bemerkbar machen; und indem man Acht gibt,
                              									in welchem Röhrenpaar die Oscillation stattfindet, vergewissert man sich bezüglich
                              									der Richtung, in welcher der horizontale Erdstoß erfolgt. Außerdem ist oberhalb
                              									jedes der längeren Glasschenkel ein Elfenbeinröllchen q
                              									angeordnet, über welches ein Coconfaden läuft, an dessen einem Ende ein kleiner auf
                              									der Quecksilberoberfläche ruhender eiserner Schwimmer befestigt ist, während das
                              									andere Ende ein Gegengewicht trägt. An die Elfenbeinrolle ist ein feiner Zeiger
                              									befestigt, der sich über einem graduirten Bogen bewegt. Bei eintretendem Erdstoß
                              									hebt das in dem längeren Schenkel steigende Quecksilber den auf seiner Kuppe
                              									ruhenden Schwimmer, so daß nun der Seidenfaden das Röllchen mit seinem Zeiger in
                              									Umdrehung setzt. Der letztere bleibt in der Lage, bis zu welcher er sich bewegt hat,
                              									stehen, weil das Gegengewicht das Herabsinken des Schwimmers mit dem
                              									Quecksilberniveau verhindert. Der vom Zeiger durchlaufene Bogen ist alsdann ein Maaß
                              									für die Größe des Stoßes. Es ist einleuchtend, daß in allen diesen Instrumenten
                              									durch Justirung des Abstandes zwischen den Platinspitzen und dem Quecksilber
                              									Erdstöße, so klein sie auch seyn mögen, mit Sicherheit registrirt werden können.
                           Die Einrichtung der bei dem Seismographen in Anwendung gebrachten Daniell'schen Batterie ist aus Fig. 4 zu ersehen. Der
                              									bequemeren Reinigung wegen besteht das Kupferelement aus einer flachen Drahtspirale,
                              									deren Windungen sich nicht berühren. Auf den Boden der äußeren Zelle in welche man
                              									Wasser gießt, werden Kupfervitriolkrystalle gelegt; die innere Zelle, welche die
                              									Zinkplatte aufnimmt, ist mit Quarzsand gefüllt.
                           Neben obigen Instrumenten sind noch einige Apparate minder feiner Construction in
                              									Gebrauch. So befindet sich am Fuß der Säule G ein
                              									hölzerner Trog mit acht am inneren Umfange angebrachten Löchern (wovon in dem
                              									Durchschnitte Fig.
                                 										5 zwei sichtbar sind). In diesen Trog wird Quecksilber bis nahe an den
                              									Rand der Löcher gegossen. Wenn nun ein Erdstoß erfolgt, so fließt Quecksilber in
                              									eines oder mehrere dieser Löcher, und zwar eine um so größere Quantität, je stärker
                              									die Schwankung ist. Zum Ablassen des übergeflossenen Quecksilbers behufs der Messung
                              									seiner Quantität dienen die außen angebrachten Schrauben, welche die Löcher
                              									verschließen. Aus den mit Quecksilber gefüllten Löchern läßt sich alsdann auf die
                              									Richtung des Erdstoßes schließen. Eine andere Methode ist folgende. Von dem Arm der
                              									Säule S hängt an einem feinen Metalldrahte g eine Metallkugel herab, welche in Folge ihrer
                              									Schwingung eine oder mehrere leichte, in einem Gestell (wie Fig. 3 zeigt) in radialer
                              									Richtung horizontal angeordnete Glasröhrchen nach Außen schiebt. Die beiden Ringe
                              									sind von Holz und die Glasröhren treten durch Löcher von der in der Skizze Fig. 4b
                                 									 dargestellten Form. An der äußeren Seite des äußeren Holzringes sind kleine
                              									Lederringe angebracht. Der Betrag der Verschiebung eines solchen Glasröhrchens gibt
                              									einen Maaßstab für die Größe des Erdstoßes.
                           Aus den vorstehenden Mittheilungen geht hervor, daß durch die beschriebenen Apparate
                              									sowohl die astronomische Zeit des ersten Stoßes, als auch das Intervall zwischen den
                              									Stößen und die Dauer jedes der letzteren, ihre Beschaffenheit, ob vertical oder
                              									horizontal, endlich auch das Maximum ihrer Intensität und bei horizontalen Erdstößen
                              									ihre Richtung registrirt wird. Prof. Palmieri sieht die
                              									Instrumente täglich dreimal nach, und ein Assistent ist stets bei der Hand, um beim
                              									Schall der Glocke die Apparate für neue Beobachtungen in ihre normale Stellung
                              									zurückzuführen. – Der Seismograph meldet erfahrungsgemäß alle im
                              									mittelländischen Becken vorkommenden Erdstöße. So war Prof. Palmieri bei Gelegenheit der letzten Eruption im griechischen
                              									Archipelagus, lange bevor die Nachricht derselben Italien erreichte, im Stande den
                              									Neapolitanern anzukündigen, daß eine große Störung stattgefunden habe. Die mit dem
                              										Aetna im Zusammenhang stehenden Erschütterungen sind
                              									gleichfalls leicht zu beobachten.
                           In Gegenden, wo Erdbeben häufig vorkommen, sollte das Observatorium auf einem soliden
                              									gemauerten Fundamente aufgeführt seyn, und aus einem hölzernen Gebäude bestehen,
                              									welches der Gefahr des Einsturzes nicht ausgesetzt ist. – Folgendes sind
                              									sichere Anzeichen einer herannahenden Eruption: 1) wenn sich der Krater anfüllt und
                              									die Quantität des daraus aufsteigenden Dampfes sich vermindert; 2) wenn der
                              									Kraterdampf viel Eisen- oder Natronverbindungen ablagert; 3) wenn das Wasser
                              									in den benachbarten Quellen sinkt.
                           Die einer Eruption unmittelbar vorangehenden Phänomene sind Erderschütterungen,
                              									welche einige Tage vor der Eruption an Intensität und Häufigkeit zunehmen, ferner
                              									die Unregelmäßigkeit der täglichen Variationen der Magnetnadel. Eine bemerkenswerthe
                              									Erscheinung während der Eruption ist das häufige Vorkommen von Blitzstrahlen, welche
                              									die Condensation des dem Krater entströmenden Wasserdampfes begleiten, gerade so wie
                              									bei einem gewöhnlichen Gewitter gleichzeitig mit der Condensation der Wasserdünste
                              									Blitze auftreten, was der darauf folgende Regen beweist.
                           
                           Neben diesen Naturerscheinungen documentirt sich die vulcanische Thätigkeit der
                              									Umgegend durch ein allmähliches, bereits mehrere Fuß betragendes Steigen eines
                              									Theiles der Bai in der Nähe von Torre dell' Annunciata, wogegen auf der anderen
                              									Seite von Neapel bei Vozzuoli das Pflaster am Rande des Hafens unter das
                              									Meeresniveau sinkt, und das Pflaster des Tempels des Jupiter Serapis vom Jahr 1858
                              									bis zum Frühjahr 1869 ungefähr um 16 Zoll sich gesenkt hat.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
