| Titel: | Ueber die Fabrication der Anilinfarben; von Girard und de Laire. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LXXI., S. 268 | 
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                        LXXI.
                        Ueber die Fabrication der Anilinfarben; von Girard und de Laire.
                        Aus den Comptes rendus,
                              									t. LXXV p. 1556; Juni 1872.
                        Girard und de Laire, über
                           								Anilinfarben-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Die Verfahrungsarten mittelst welcher das Rosanilin in Farbstoffe von verschiedenen
                              									Farben umgewandelt wird, sind in Bezug auf die allgemeine Gesundheit ganz
                              									unschädlich. Andererseits darf man die Darstellung des Benzols, seine Umwandlung in
                              									Nitrobenzol und die Reduction des letzteren zu Anilin bereits seit einigen Jahren
                              									als leicht ausführbare technische Operationen betrachten, welche mit keiner
                              									wirklichen Gefahr für die Gesundheit verknüpft sind. Demnach würde kein
                              									Industriezweig weniger zu den gesundheitsschädlichen gerechnet zu werden verdienen,
                              									als der uns beschäftigende, und wir würden uns zu dessen Weiterentwickelung, als
                              									einer Quelle unseres Nationalreichthums, nur Glück zu wünschen haben, wenn das
                              									merkwürdige Ganze der diesen Industriezweig bildenden Fabricationsprocesse nicht
                              									durch die Darstellungsweise des Rosanilins verdorben würde, insofern dieselbe eine bleibende Ursache
                              									von Vergiftung für die Oertlichkeiten bildet, wo man sie ausführt.
                           Das Verfahren zur Fabrication des Rosanilins besteht nämlich in der Behandlung des
                              									Anilinöles mit Arsensäure, von welcher zur Gewinnung von
                              									100 Kilogrm. eines zur Umwandlung in Blau oder Violett geeigneten Rosanilins 400
                              									Kilogrm. erforderlich sind. Manche Fabriken verbrauchen täglich über 600 Kilogrm.
                              									Arsensäure, Quantitäten welche erschreckend sind, wenn man die Giftigkeit dieser
                              									Substanz und die Art bedenkt, in welcher sich die Fabriken derselben entledigen,
                              									indem sie dieselbe entweder in Form von arsensaurem und arsenigsaurem Natron in
                              									fliehende Wässer leiten oder in Form von Kalk- oder organischen Verbindungen
                              									in den Erdboden eingraben.
                           Es ist leicht zu begreifen, daß in Folge dieser Verfahrungsweise zahlreiche
                              									Vergiftungen stattfinden mußten. Fast alle Fabriken, in denen Anilinroth in großem
                              									Maaßstabe erzeugt wird, sind zum Schauplatze solcher Unfälle geworden, welche von so
                              									ernstem Charakter waren, daß z.B. in Lyon, in Basel und Zürich die Sanitätsbehörden
                              									sich genöthigt sahen einzuschreiten und sich mit den geeigneten Maaßregeln zu
                              									beschäftigen um die Wiederkehr derartiger Vorfälle zu verhüten.Die englischen Anilinfarbenfabriken sind vor ähnlichen Unfällen bewahrt
                                    											worden, weil sie an Wasserläufen in solcher Nähe der See liegen, daß
                                    											dieselben dem Einfluß der Ebbe und Fluth unterworfen sind.
                              								
                           Leider hat sich von allen Vorschriften zu diesem Zweck bisher keine als wirksam und
                              									praktisch erwiesen. Man könnte eine solche Abhülfe auf zwei verschiedenen Wegen zu
                              									erreichen suchen, einmal nämlich dadurch, daß man zur Umwandlung des Anilinöles in
                              									Rosanilin statt der Arsensäure einen anderen Körper verwendet, der nicht giftig ist
                              									oder keine giftigen Rückstände liefert, und andererseits dadurch, daß man das
                              									verwendete Arsenik unter irgend einer Form vollständig wiedergewinnt und wieder zur
                              									Darstellung von Arsensäure benutzt. In keiner von diesen beiden Richtungen ist man
                              									aber trotz vielfacher Versuche und trotz des dringenden Bedürfnisses zu einem
                              									befriedigenden Resultat gelangt. Die Ersetzung der Arsensäure durch salpetersaures
                              									Quecksilberoxyd, Antimonsäure, Nitrobenzol mit metallischem Eisen, ist stets auf das
                              									Laboratorium beschränkt geblieben. Wir selbst, mit dieser Frage ernstlich
                              									beschäftigt, glaubten vor bereits sieben Jahren die Lösung derselben zu finden,
                              									einerseits im Abdampfen der abfallenden arsenhaltigen Flüssigkeiten, andererseits im
                              									Verbrennen der von der Reinigung des Rosanilins herrührenden Rückstände, mittelst
                              									besonderer Oefen. Diese an sich einfachen und nicht kostspieligen Behandlungen
                              									verursachen jedoch dem französischen Fabrikanten einen Mehraufwand, welchen er
                              									bei dem jetzigen Preise der Anilinfarben und bei der durch niedrigere Salz-
                              									und Alkoholpreise so begünstigten deutschen Concurrenz nicht ertragen kann.
                           Wir versuchten daher die Aufgabe auf indirectem Wege wenigstens theilweise zu
                              									lösen.
                           Diese Lösung beruht auf der Thatsache, daß der größte Theil, vielleicht neun Zehntel,
                              									des gesammten producirten Rosanilins zur Darstellung von anderen Farbstoffen,
                              									blauen, grünen, violetten und braunen, verwendet wird, daher der Verbrauch von
                              									Arsensäure in der Anilinfarbenindustrie sich bedeutend, um etwa zwei Fünftel, durch
                              									ein Verfahren vermindern ließe, welches gestattet das Triphenylrosanilin
                              									(Anilinblau) ohne Anilinroth und ohne eine giftige Substanz darzustellen.
                           Dieses Verfahren ergab sich aus unseren Untersuchungen über die Darstellung der
                              									secundären Phenyl- und Toluyl-Monamine und über die Umwandlung
                              									derselben in Phenyl- und Toluyl-Rosanilin und Phenyl- und
                              									Toluyl-Mauvanilin.
                           Eine kurze Beschreibung dieser neuen Fabricationsmethode wird den Beweis liefern, daß
                              									wir, indem wir einen Uebelstand zu vermeiden suchten, keineswegs, wie es so häufig
                              									vorkommt, in einen größeren verfallen sind, sondern daß unser Verfahren wirklich
                              									ganz unschädlich und überdieß vollkommen praktisch ist.
                           Verfahren zur Darstellung des Diphenylamins, des Ditoluylamins
                                 										und sämmtlicher secundären und tertiären Monamine der aromatischen Reihe.
                              									– Das von uns zur Darstellung des (mit seinen Homologen gemischten)
                              									Diphenylamins angewendete Verfahren ist äußerst einfach. Es besteht wesentlich
                              									darin, käufliches Anilin in einem geschlossenen Apparate unter einem Drucke von fünf
                              									bis sechs Atmosphären und bei einer Temperatur von 250 bis 260° C. auf sein
                              									Chlorhydrat einwirken zu lassen. Der etwa zwei Hektoliter fassende Apparat besteht
                              									aus einem gußeisernen, innen emaillirten Cylinder, dessen aufgeschraubter Deckel mit
                              									einem Sicherheitsventile, einem Manometer und einem zur Aufnahme eines Thermometers
                              									dienenden Rohre versehen ist. Dieser Cylinder liegt derartig in einem gemauerten
                              									Ofen, daß er nur durch die heißen Gase erwärmt wird.
                           In den Cylinder werden etwa gleiche Aequivalente Anilin und vollständig trockenes
                              									Anilinchlorhydrat gebracht. Die Temperatur wird allmählich, ohne daß der Druck im
                              									Inneren über 5 bis 6 Atmosphären steigt, auf 260° C. erhöht und 10 bis 11
                              									Stunden lang auf dieser Höhe erhalten, worauf man erkalten läßt. Das Anilin und
                              									Anilinchlorhydrat werden hierbei zum großen Theil in Diphenylamin umgewandelt.
                           
                           Zur Reinigung desselben behandelt man die Masse warm mit starker Salzsäure und
                              									verdünnt die unvollständige Lösung mit viel Wasser, etwa dem 20- bis 30fachen
                              									von der angewendeten Säuremenge. Das Diphenylamin, dessen Chlorhydrat durch Wasser
                              									zersetzt wird, fällt hierbei nieder, wird ausgewaschen, getrocknet und schließlich
                              									über directem Feuer oder mittelst übergeleiteten Dampfes destillirt. – Ganz
                              									ähnlich lassen sich auch andere secundäre Monamine darstellen.
                           Umwandlung des Diphenylamins in blauen Farbstoff.
                              									– Hierzu können fast alle Oxydationsmittel benutzt werden, welche Anilin in
                              									Rosanilin umwandeln. Am vortheilhaftesten in Bezug auf Ergiebigkeit, Schnelligkeit
                              									der Operation und leichte Reinigung des erhaltenen Productes, hat sich aber das
                              									Kohlenstoffsesquichlorür erwiesen. Die Operation wird in gußeisernen emaillirten
                              									Retorten ausgeführt, die mit Rührapparat versehen sind und im Oelbad erhitzt werden;
                              									dieselben fassen etwa 40 bis 50 Liter. In ihnen werden 12 Kil.
                              									Kohlenstoffsesquichlorür mit 10 Kil. Diphenylamin allmählich auf 180° C.
                              									erhitzt; die Reaction beginnt bei circa 160° C.
                              									Zwischen diesen Grenzen erhält man die Temperatur 3–4 Stunden lang. Es
                              									entwickelt sich dabei reichlich Salzsäure und destillirt Kohlenstoffprotochlorür
                              									über. Letzteres wird in einem graduirten Rohr aufgesammelt, an welchem man im Voraus
                              									das Volumen markirt hat, welches das Kohlenchlorür, entsprechend der angewendeten
                              									Menge Kohlensesquichlorür, einnehmen muß. Ist dieses Volumen erreicht, so ist die
                              									Operation beendet. Man gießt dann die Farbmasse auf ein Blech aus, wobei sie durch
                              									die Abkühlung spröde wird.
                           Reinigung des Rohblaus. – Behufs der Anwendung in
                              									der Färberei muß die Farbmasse noch gereinigt werden, was auf verschiedene Weise
                              									geschehen kann, z.B. nach der folgenden. 1 Theil Rohblau wird in 2 Theilen lauwarmem
                              									Anilin gelöst, die Lösung allmählich und unter fortwährendem Umrühren in ihr
                              									10faches Gewicht Benzin eingegossen und zwar in der Kälte in einem geschlossenen
                              									Gefäß, um die Verdampfung zu vermeiden. Diese Operation kann mehrmals wiederholt
                              									werden. Dann wird das Blau in einem geschlossenen Gefäß mit seinem fünffachen
                              									Gewicht Benzin gewaschen. In diesem Zustand ist der Stoff bereits zur Färberei
                              									geeignet; man kann ihn aber noch weiter reinigen, indem man ihn in einer verdünnten
                              									Lösung von Kali in Alkohol kocht und die filtrirte Lösung mit Säure z.B. Salzsäure,
                              									fällt.
                           Die Erzeugung von Grün mittelst secundärer oder tertiärer
                              									Monamine dürfte nach unseren vielfachen Versuchen in nicht allzu langer Zeit
                              									ermöglicht werden.