| Titel: | Popovics' Glorine zur Ermöglichung von Massen-Transporten. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LXXV., S. 297 | 
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                        LXXV.
                        Popovics' Glorine zur
                           								Ermöglichung von Massen-Transporten.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
                        Popovics' Glorine für Massen-Transporte.
                        
                     
                        
                           In der Versammlung des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines vom
                              									20. April d. J. sprach der Oberingenieur C. Maader über
                              									die von dem Eisenbahn-Ingenieur Lazar Popovics
                              									erfundene Glorine zur Ermöglichung von Massen-Transporten, insbesondere für
                              									Truppen und Kriegsmaterial. Der Vortragende sagte:
                           
                              „Die Glorine ist ein sinnreiches, einfach
                                 										construirtes, sich in jede topographische Räumlichkeit gleichsam elastisch
                                 										schmiegendes Tracen-System und löst die Aufgabe, in kürzester Zeit,
                                 										sowohl im Frieden als auch im Kriege, eine große Menge von Truppen aller
                                 										Waffengattungen und Kriegsmaterial von jedem beliebigen, nahe der Bahn gelegenen
                                 										Punkte nach beliebigen Bahnrichtungen befördern zu können, wie dieß bisher nicht
                                 										möglich gewesen ist. Mit Hülfe der Glorine ist man nämlich im Stande, binnen 24
                                 										Stunden 72,000 Mann oder 72 Batterien, oder 72 Escadronen Cavallerie nach einer
                                 										oder nach verschiedenen, von der Bahn gegebenen Richtungen zu expediren.
                              
                           
                              Der Grundriß der Glorine besteht in einem Kreise oder einer oblongen Figur,
                                 										gleichsam als Kern des Systemes, längs welchem das Schienengeleise zu liegen
                                 										kommt, Figur
                                    											19. Dieses Rondeau beträgt eine Schienenlänge von beiläufig 1250
                                 										Klaftern. Von diesem Rondeau gehen zwei Verbindungsstränge nach rechts und links
                                 										nach der currenten Bahn aus und zweigen sich zwei Sturzgeleise nach links und
                                 										rechts in der Länge von 200 Klaftern ab. Die Dimensionen und Krümmungen der
                                 										beschriebenen Figur richten sich nach der jeweiligen Beschaffenheit der
                                 										Oertlichkeit, wo die Glorine angelegt werden soll. Der Ort der Anlage selbst
                                 										kann nach Zweck und Absicht entweder nächst eines größeren Bahnhofes, eines
                                 										Stationsplatzes oder auch auf jedem beliebigen Punkte längs der laufenden
                                 										Verkehrsbahn gewählt werden. Hieraus erhellt, daß die Concentrirung aller Waffen
                                 										und des Kriegsmateriales behufs Weiterbeförderung nicht, wie bisher, an die
                                 										größeren Bahnhöfe gebunden ist, sondern daß es dem militärischen Disponenten der
                                 										Truppenbewegungen im Großen frei steht, die Concentrirung nach jedem Bahnpunkte,
                                 										der ihm zweckmäßig dünkt, anzuordnen, daselbst die Glorine anlegen zu lassen und
                                 										die Einparkirung und Expedition sofort einzuleiten.
                              
                           
                              Das vorerwähnte Rondeau wird, wie bereits gesagt, mittelst Schienensträngen und
                                 										eingelegten Bögen mit der currenten Verkehrsbahn dergestalt in Verbindung
                                 										gebracht, daß der großartige Fahrbetriebspark innerhalb der Glorine gesammelt,
                                 										daselbst rangirt und die Züge nach erfolgter Einparkirung in jeder Richtung
                                 										ausfahren können.
                              
                           
                              Die Geleisanlage der Glorine sammt den nach rechts und links auszumündenden zwei
                                 										Sturzgeleisen gestatten vermöge der sinnreichen Anordnung die gleichzeitige
                                 										Rangirung, Einparkirung und Ladung von sechs Zügen, ohne daß eine Störung oder
                                 										Beeinträchtigung derselben untereinander möglich ist. Das System der Glorine
                                 										macht die Drehscheiben zur verhältnißmäßig zeitraubenden Umwendung der Maschinen
                                 										und die Verschiebungen der Wagen innerhalb der Bahnhöfe überflüssig, indem es
                                 										nur wenige Minuten bedarf, um in das Rondeau der Glorine einzufahren, den Kreis
                                 										zu durchlaufen, und die auf diese Weise umgekehrten Maschinen oder den ganzen
                                 										Zug wieder in die currente Bahn nach links oder rechts einzuführen.
                              
                           
                              Unter Erwägung der hier angeführten Vortheile ist es begreiflich, daß binnen 24
                                 										Stunden 72 Züge (Einparkirungs- und Ladungszeit pro Zug mit zwei Stunden berechnet) expedirt werden können.
                              
                           
                              Bekanntlich gibt es bei Militär-Expeditionen zweierlei Arten von
                                 										Transporten: den Turnus-Verkehr, welcher darin besteht, daß diese Züge
                                 										dem gewöhnlichen Zugsverkehr und der festgestellten Fahrplanbewegung eingefügt
                                 										werden, mit der vorausberechneten Anordnung, daß das abgefahrene
                                 										Transportmaterial binnen einer bestimmten Zeit wieder nach seinem Ausgangspunkte
                                 										zurückkehre, um abermals mit neuer Last abzugehen, daß mithin eine
                                 										ununterbrochene sich bewegende Kette von einem Ende der Transportlinie zum
                                 										anderen gebildet werde. Die zweite Art von Militärbeförderungen, der
                                 										Echelon-Transport, bezweckt die augenblickliche Absendung der möglich
                                 										größten Truppenmassen in kürzester Zeit mittelst schnell einander folgender Züge
                                 										bei Einstellung des gewöhnlichen Bahnverkehres ohne Rücksicht auf die Wiederkehr
                                 										des leergewordenen Transportmateriales.
                              
                           
                              Turnus-Verkehr mit Eisenbahntransport haben rücksichtlich der Schnelligkeit oder
                                 										andauernden Thätigkeit eine ihre Leistungsfähigkeit beengende Grenze, welche
                                 										theils durch die räumliche Einschränkung selbst der größten Bahnhöfe, theils
                                 										durch die Unmöglichkeit vorgezeichnet ist, einen massenhaften Verkehrspark zu
                                 										rangiren und zu expediren.
                              
                           
                              Da die Anlage einer mobilen Glorine keines Unterbaues benöthigt und auf
                                 										gewachsenem Boden geschehen kann, was durch Anwendung des zur Garnitur gehörigen
                                 										eisernen Oberbaues (System Köstlin und Battig) ermöglicht ist, so kommt es nur darauf an, zu
                                 										beachten daß die zu einander gehörigen und passenden Bestandtheile
                                 										zusammengefügt und befestigt werden. Wird nun die einer solchen Garnitur
                                 										zugewiesene Mannschaft schon in Friedenszeit in dem Auf- und Abladen,
                                 										Zusammenfügen und Abreißen der Garniturtheile gehörig eingeübt, so kann wohl
                                 										eine Glorine von beiläufig 2000 Klafter Geleislänge in 24 Stunden hergestellt
                                 										werden, um sofort dienstfähig zu seyn.
                              
                           
                              Es ist kaum nöthig zu erwähnen, daß die Legung des Geleises ohne den üblichen
                                 										Unterbau, sowie die schärfsten Curven, endlich der Mangel an regelrechten
                                 										Wechselvorrichtungen, welchem durch Einschiebgeleise abgeholfen ist, auf die
                                 										Betriebssicherheit innerhalb der Glorine durchaus keinen beängstigenden Einfluß
                                 										nehmen, indem ein schnelles Fahren daselbst ganz unnöthig ist und man sich nur
                                 										mit dem langsamsten Tempo hin und her zu bewegen braucht, ohne dadurch die
                                 										Raschheit des Transportes in seinem großen Ganzen nur um eine Minute zu
                                 										beeinträchtigen.
                              
                           Wenn auch das besprochene Princip des Erfinders, welches durch ein detaillirtes
                                 										Modell in größerem Maaßstabe versinnlicht ist, in der praktischen Ausführung
                                 										begreiflicherweise Verbesserungen und Vervollkommnungen erfahren mag, so ist
                                 										doch anzunehmen, daß die schön durchdachte Idee, welche den Erfinder zur
                                 										Ausführung leitete, eine Zukunft, vielleicht eine belangreiche Zukunft für
                                 										militärische Zwecke sowohl, als auch im Gebiete des technischen Verkehrswesens
                                 										der Bahnen haben werde.“ (Zeitschrift des österreichischen
                              									Ingenieur- und Architektenvereines, 1872 S. 272.)
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
