| Titel: | Ueber den basischen kohlensauren Kalk in hydraulischen Cementen; von A. R. Schulatschenko. | 
| Autor: | A. R. Schulatschenko | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LXXXVIII., S. 335 | 
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                        LXXXVIII.
                        Ueber den basischen kohlensauren Kalk in
                           								hydraulischen Cementen; von A. R. Schulatschenko.
                        Schulatschenko, über den basischen kohlensauren Kalk in hydraul.
                           								Cementen.
                        
                     
                        
                           Im Erhärtungsproceß sowohl der hydraulischen, als der Luft-Mörtel spielt
                              									bekanntlich die Kohlensäure eine sehr wichtige Rolle.
                           So vermehrt in den Luft-Mörteln, deren Erhärtungsproceß hauptsächlich im
                              									Verdunsten des Kalkhydrates besteht, die Wirkung der Kohlensäure die Festigkeit und
                              									Dauerhaftigkeit derselben, indem sie die Bildung eines festen und in Wasser
                              									unlöslichen kohlensauren Kalkes hervorruft.
                           Wenn auf der Oberfläche des hart gewordenen Kalk-Mörtels keine unlösliche
                              									Schicht von kohlensaurem Kalk wäre, so würde er leicht unter dem Einflusse der
                              									atmosphärischen Feuchtigkeit und des Regens aufweichen und sehr bald in einen völlig
                              									untauglichen Zustand gerathen. Auf diese Weise bildet die Betheiligung der
                              									Kohlensäure beim Erhärtungsproceß des Luft-Mörtels eine wesentliche Bedingung
                              									seiner Dauerhaftigkeit.
                           Eine noch wichtigere Rolle spielt die Kohlensäure beim Erhärtungsproceß hydraulischer
                              									Mörtel. Die im Wasser schwer löslichen Kalk- und Thonerdesilicate und deren
                              									Hydrate, deren Erzeugung eben den Erhärtungsproceß dieser Mörtel ausmacht, bilden
                              									sich in der Mehrzahl der Fälle langsam und sind im Wasser, besonders im Meerwasser,
                              									nicht völlig unlöslich.
                           Das Meerwasser enthält Salze in Lösung, von denen einige, wie z.B. das
                              									Chlormagnesium, in chemische Wechselwirkung mit Kalk- und Thonerdesilicaten
                              									treten, hierdurch eben die Bildung der letzteren im hydraulischen Mörtel behindern
                              									und folglich dessen Erhärtungsproceß stören können. Aber nicht allein hierauf
                              									beschränkt sich der schädliche Einfluß des Seewassers; sogar bereits erhärtete
                              									Mörtel können durch Einwirkung von Meersalzen an ihrer Dauerhaftigkeit einbüßen.
                           Neben der Wirkung der Salze kann auch das Wasser selbst, – welches in geringen
                              									Quantitäten als eine nothwendige Bedingung der Erhärtung des hydraulischen Mörtels
                              									erscheint, indem es Hydrate der Silicate von Kalk und Thonerde bildet, – in
                              									großen Quantitäten, als Ursache der Zerstörung erscheinen, da die Silicate des
                              									Kalkes und der Thonerde in Wasser zwar schwer löslich, aber nicht völlig unlöslich
                              									sind, wie solches Feichtinger und Michaelis
                              									Michaelis, über die hydraulischen Kalke,
                                    											insbesondere den Portlandcement, im Journal für praktische Chemie, 1867, Bd.
                                    											C S. 257–303. Im Auszug im polytechn. Journal Bd. CXCI S. 287. angeben.
                           
                           Diese schädliche Einwirkung der Seesalze und großer Mengen Wassers, wird durch die
                              									Kohlensäure paralysirt.
                           Die Kohlensäure, welche wenn auch in unbedeutenden Mengen immer im Wasser aufgelöst
                              									vorhanden ist, verbindet sich wegen ihrer Verwandtschaft zum Kalk theilweise mit
                              									freiem, im hydraulischen Mörtel stets vorhandenen Kalkhydrat, – zum Theil mit
                              									dem an Kieselerde gebundenen Kalk. In beiden Fällen bildet sich kohlensaurer Kalk,
                              									im letzteren jedoch mit Ausscheidung von Kieselerde. Diese Bildung eines völlig
                              									unlöslichen kohlensauren Kalkes auf der Oberfläche der Mörtel begünstigt in hohem
                              									Grade den Erhärtungsproceß.
                           Indem der kohlensaure Kalk zusammen mit der ausscheidenden Kieselerde und den
                              									ungelösten Silicaten eine unlösliche feste, vom Wasser schwer zu durchdringende
                              									Schicht bildet, welche den Zutritt großer Mengen von Wasser in's Innere der Massen
                              									erschwert, stellt derselbe, nach dem treffenden Ausdruck Rivot's, so zu sagen eine Blendung her, unter deren Schutz die Bildung von
                              									Silicat-Hydraten des Kalkes und der Thonerde, welche so wesentlich für den
                              									Erhärtungsproceß hydraulischer Mörtel sind, ungehindert vor sich gehen kann.
                           Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß die ganze Bedeutung der Kohlensäure für die
                              									hydraulischen Mörtel nur in der Bildung von unlöslichem kohlensaurem Kalk auf der
                              									Oberfläche der Massen besteht, welcher zusammen mit Bindestoffen, wie solche die
                              									ausscheidende Kieselerde und die Silicate von Kalk und Thonerde sind, nach und nach
                              									eine feste und vom Wasser schwer zu durchdringende Kruste bildet.
                           Auch ist es klar, daß zu solchem Zweck die Kohlensäure nicht in den Cementen selbst,
                              									aus denen die hydraulischen Mörtel bereitet werden, sondern außerhalb derselben, in
                              									dem die Mörtel umgebenden Mittel – in der Luft oder im Wasser – sich
                              									befinden muß.
                           Nichtsdestoweniger begegnet man Behauptungen, daß die Anwesenheit von Kohlensäure in
                              									den Cementen deren Werth erhöhe.
                           Eine solche Meinung kann man leicht widerlegen, indem man bloß auf die, in den besten
                              									hydraulischen Mörteln, wie z.B. in den Portlandcementen enthaltene Menge von
                              									Kohlensäure hinweist. So enthält z.B. nach der Analyse:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Kohlensäure
                                 
                              
                                 Hopfgartner's,
                                 bester
                                 englischer
                                 Portlandcement   
                                   2,15 Proc.
                                 
                              
                                 Feichtinger's
                                 „
                                 „
                                 „
                                   2,80    „
                                 
                              
                                 
                                    Knaus's
                                    
                                 „
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                                 „
                                   2,6      „
                                 
                              
                                 
                                    Winkler's
                                    
                                 „
                                 „
                                 „
                                   3,2      „
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Kohlensäure
                                 
                              
                                 Schulatschenko's,
                                 Portlandcement
                                 der
                                 Fabrik
                                 von
                                 
                                    Robin
                                    
                                   0,84 Proc.
                                 
                              
                                 „
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                                 „
                                 
                                    Johnson
                                    
                                   0,40    „
                                 
                              
                                 „
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                                 „
                                 „
                                 
                                    Kron
                                    
                                   0,95    „
                                 
                              
                                 „
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                                    Booth
                                    
                                   1,48    „
                                 
                              
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                                 „
                                 „
                                 
                                    Harnrood
                                    
                                   0,95    „
                                 
                              
                                 „
                                 deutscher Portlandcement aus Stettin
                                   1,9      „
                                 
                              
                           Dieser geringe Gehalt an Kohlensäure in den besten hydraulischen Cementen weist schon
                              									direct darauf hin, daß der Werth derselben durchaus in keinem Zusammenhange mit dem
                              									größeren oder geringeren Gehalt derselben an Kohlensäure steht, und ich würde mich
                              									mit diesem Gegenstande auch nicht weiter befaßt haben, wenn sich nicht an denselben
                              									die Annahme einer besonderen Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, des sogenannten
                              									basischen kohlensauren Kalkes CaCO³ + CaO knüpfen würde.
                           Man nimmt das Vorhandenseyn einer solchen Verbindung in einigen hydraulischen
                              									Cementen an, welche mehr oder weniger bedeutende Quantitäten Kohlensäure
                              									enthalten.
                           Es ist begreiflich, daß, wenn in irgend einem Cemente Kohlensäure enthalten ist,
                              									dieselbe darin nur in Verbindung mit Kalk vorkommen kann (mit Kieselerde und
                              									Thonerde verbindet sich die Kohlensäure nicht, und die Menge von Eisenoxydul und
                              									Alkalien ist sehr unbedeutend) Da aber die gewöhnliche Verbindung von Kohlensäure
                              									mit Kalk, d.h. neutraler kohlensaurer Kalk (CaCO³) sich durch keinerlei
                              									hydraulische Eigenschaften auszeichnet, so wurde angenommen daß die Kohlensäure noch
                              									eine Verbindung mit Kalk CaCO³ + CaO, d.h. basischen kohlensauren Kalk bilde,
                              									welcher in das unlösliche Hydrat CaCO³ + CaO, H²O übergehend,
                              									hydraulische Eigenschaften zeige. Da zur Erhaltung eines hydraulischen Productes wie
                              									CaCO³ + CaO nur ein gewöhnlicher, fetter Kalkstein (CaCO³)
                              									erforderlich ist, zur Zeit der Entstehung der Frage betreffs des basischen
                              									kohlensauren Kalkes (zwischen 1818 und 20) aber noch sehr verworrene Vorstellungen
                              									über Cemente und die Ursachen ihrer hydraulischen Eigenschaften existirten, so ist
                              									es nicht zu verwundern daß häufig Vorschläge auftauchten, bei der Fabrication von
                              									hydraulischen Producten die hydraulischen Eigenschaften des basischen kohlensauren
                              									Kalkes als Grundlage anzunehmen.
                           Diejenigen, denen die Geschichte der hydraulischen Cemente bekannt ist, werden sehr
                              									gut wissen daß die Frage wegen des basischen kohlensauren Kalkes und dessen
                              									hydraulischen Eigenschaften noch vor sehr kurzer Zeit eine nicht unbedeutende Rolle
                              									gespielt hat; ja es bestehen noch gegenwärtig Cementfabriken (Villeneuve in Frankreich, Roché in
                              									Rußland), in welchen bei
                              									Bereitung von Cementen die Hauptaufmerksamkeit auf die Bildung des basischen
                              									kohlensauren Kalkes gerichtet wird.
                           Nichtsdestoweniger ist die Frage betreffs der hydraulischen Eigenschaften des
                              									basischen kohlensauren Kalkes und selbst der Existenz desselben, in der Wissenschaft
                              									noch keineswegs mit genügender Genauigkeit erörtert, wie sich aus folgendem kurzem
                              									historischem Ueberblick der hinsichtlich des basischen kohlensauren Kalkes
                              									angestellten Forschungen ergibt.
                           Um das Jahr 1813 bemerkte Vicat beim Brennen von
                              									Kalksteinen, welche einen fetten Kalk liefern, daß einige Stücke des gebrannten
                              									Kalksteines bei ihrer Begießung mit Wasser nicht gleich dem fetten Kalke gelöscht
                              									wurden und daß sie, mechanisch zu einem Pulver zerrieben, mit Wasser angemacht,
                              									einen im Wasser erhärtenden Mörtel liefern, ähnlich den Mörteln aus hydraulischem
                              									Kalk.
                           Indem Vicat diese Erscheinung näher untersuchte, fand er,
                              									daß eine derartige Eigenschaft die bei geringerem Luftzutritt und unter Anwesenheit
                              									von zu viel Kohlen schwach gebrannten Kalksteinstücke besaßen. Zehn Jahre darauf
                              									veröffentlichte er in den Annales de Chimie et de
                                 										Physique, September 1823, S. 464 neue Beobachtungen, welche er zufällig
                              									beim Brennen von Kreide auf einem rothglühenden Eisenblech gemacht hatte. Es ergab
                              									sich, daß schwach gebrannte Kreide, aus welcher noch nicht alle Kohlensäure
                              									ausgeschieden war, bei Bereitung eines Mörtels aus derselben, im Wasser hart wurde.
                              									Da solche schwach gebrannte Kreide eine Mischung von Aetzkalk und kohlensaurem Kalk
                              									vorstellte, so glaubte Vicat, daß ein einfaches Zumengen
                              									von Kreide oder reinem kohlensaurem Kalk zu ungelöschtem Aetzkalk, einen Stoff
                              									bilden könne, der zu einem Mörtel angerichtet, hydraulische Eigenschaften haben
                              									werde. Er mengte daher der Kreide Aetzkalk in den verschiedensten Verhältnissen bei,
                              									erreichte jedoch keinen Erfolg. Diese Mischung zeigte keinerlei hydraulische
                              									Eigenschaften.
                           In demselben Jahre, einige Monate später, wurden in den Annales de Chimie et de Physique, t. XXIV p.
                              									104, die Resultate publicirt, welche der französische Ingenieur Minard erhalten hatte, als er in verschiedener Weise
                              									Kalksteine brannte. Minard gab an, daß alle Kalksteine,
                              									nicht bloß die thonhaltigen, sondern auch die reinen, zur Darstellung von
                              									hydraulischen Cementen tauglich seyen, welche an Güte dem englischen Roman-Cement nicht nachstehen, falls nur
                              									dieselben nicht vollständig gebrannt würden.
                           Minard nahm an, daß bei unvollständigem Brande sich
                              									basischkohlensaurer Kalk CaCO³ + CaO bilde, welcher die Fähigkeit besitze,
                              									bei seiner Verwandlung in Hydrat CaCO³ + CaO, H²O, im Wasser zu erhärten. Hiernach
                              									sollte man meinen, daß die Frage bezüglich der Bereitung hydraulischer Cemente sich
                              									sehr einfach lösen lasse: man nehme irgend einen Kalkstein, brenne ihn unvollständig
                              									und der Cement ist fertig. Aber schon im nächsten Jahre schreibt Vicat, welcher nach derselben Richtung hin Untersuchungen
                              									anstellte, in Erwiderung auf die Behauptung Minard's:
                              										„Meine Forschungen haben durchaus nicht die von Minard veröffentlichten Resultate bestätigt. Ich fürchte glauben zu
                                 										müssen, daß aus reinen, nur mäßig gebrannten Kalksteinen niemals, ich sage nicht
                                 										ein guter, sondern nicht einmal ein mittelmäßiger Cement erhalten werden
                                 										kann.“
                              									Annales de Chimie et de Physique, t. XXV p. 63.
                              								
                           Berthier bestritt gleichfalls die hydraulischen
                              									Eigenschaften des basischen kohlensauren Kalkes, indem er behauptete, daß wenn bei
                              									unvollständigem Brennen des Kalksteines auch wirklich eine dem basischen
                              									kohlensauren Kalk ähnliche Verbindung sich bilden könne, dieselbe bei dem Anrichten
                              									mit Wasser in Kalkhydrat und kohlensauren Kalk zerfallen müsse.
                           J. N. v. Fuchs, der durch seine Untersuchungen über die
                              									Mörtel so verdienstvolle Forscher, brannte Kreide zwischen glühenden Kohlen und
                              									fand, daß der Kalkstein hierbei eine gewisse Quantität Kohlensäure zurückbehält,
                              									welche annähernd derjenigen Menge derselben entspricht, bei welcher sich basischer
                              									kohlensaurer Kalk bildet. Indem Fuchs bereits vollständig
                              									gebrannten Kalk zwischen glühende Kohlen that, bemerkte er, daß derselbe eine eben
                              									solche Quantität Kohlensäure aufnimmt, wie im ersteren Falle bei unvollständigem
                              									Brande des Kalksteines ausgeschieden wurde; so daß bei unvollständigem Brande des
                              									Kalksteines oder bei Sättigung vollständig gebrannten mit Kohlensäure, derselbe das
                              									Bestreben zeigt, eine solche Quantität Kohlensäure auszuscheiden oder aufzunehmen,
                              									daß als Resultat basischer kohlensaurer Kalk erhalten wird. In beiden Fällen wird
                              									der Kalkstein, sowohl der unvollständig gebrannte, welcher noch bedeutende Mengen
                              									Kohlensäure in sich enthält, als auch derjenige welcher später Kohlensäure in sich
                              									aufgenommen hat, bei seiner Sättigung mit Wasser nicht gelöscht und gibt zu einem
                              									Pulver zerrieben und mit Wasser angerichtet, einen Mörtel, welcher in höherem oder
                              									geringerem Grade die Fähigkeit im Wasser zu erhärten, besitzt.Fuchs, über Kalk und Mörtel, in Erdmann's Journal für technische und ökonomische
                                    											Chemie, Bd. VI S. 1 und 132. – Derselbe,
                                    											über die Eigenschaften, Bestandtheile und chemische Verbindung der
                                    											hydraulischen Mörtel, im polytechn. Journal, 1833, Bd. XLIX S. 271.
                              								
                           Im Jahre 1828 wurden beim Bau des Bourgogner Canales von dem Ingenieur Lacordère Mörtel angewandt, welche aus
                              									thonhaltigen, schwach gebrannten Kalksteinen bereitet wurden. Er brannte dieselben 3
                              									Tage, anstatt 8, wobei er hauptsächlich im Auge hatte, an Kosten für Brennmaterial
                              									zu sparen. Die in dieser Weise erhaltenen Mörtel erhärteten sehr gut im Wasser, wenn
                              									auch keinerlei Auskünfte vorliegen, in welchem Grade sie besser als aus völlig
                              									gebrannten Kalksteinen bereitete Mörtel gewesen sind, und ob man sich nicht bloß mit
                              									den Eigenschaften des Mörtels begnügte, um nur an Ausgaben für Brennmaterial zu
                              										sparen.Petot, études sur la chaufournerie.
                              								
                           Mit Ausnahme des hier angeführten Falles erhielten die durch Minard veröffentlichten Resultate während längerer Zeit keinerlei
                              									praktische Anwendung, bis endlich Villeneuve um das Jahr
                              									1850 sich an die Bereitung hydraulischer Mörtel aus unvollständig gebrannten
                              									Kalksteinen in großem Maaßstabe machte.
                           Er brannte sieben bis zehn Procent Thon enthaltende Kalksteine nicht vollständig,
                              									löschte sie, indem er sie mit Wasser besprengte, und suchte nach Verlauf von 2 bis 3
                              									Tagen, während welcher sie sich in freier Luft befanden, diejenigen Stücke heraus,
                              									welche nicht gelöscht waren, vermahlte sie und benutzte sie als Cement. Die
                              									hydraulischen Eigenschaften dieses Cementes schrieb Villeneuve der Anwesenheit von Kohlensäure in den unvollständig gebrannten
                              									Stücken zu. Gleichwie Minard und Vicat, so nahm auch er an, daß sich hierbei basischer kohlensaurer Kalk
                              										bilde.Comptes rendus, 1850 p. 35. – Matériaux de
                                       												construction de l'exposition universelle de 1855, par A.
                                    											Delesse. p.
                                    											250.
                              								
                           Um dieselbe Zeit nahm man bedeutende Beschädigungen an den Wasserbauten in Cette und
                              									Marseille wahr, deren Ursachen in der schlechten Beschaffenheit des hydraulischen
                              									Mörtels aus thonhaltigen Kalksteinen lagen.
                           Aus diesem Anlaß schlug Minard von Neuem vor
                              									Untersuchungen über unvollständig gebrannte Kalksteine anzustellen, indem er annahm,
                              									daß Cemente welche aus solchen Kalksteinen bereitet sind, ausgezeichnet der Wirkung
                              									des Meerwassers Widerstand leisten müßten.Annales de Chimie et de Physique, 1853 p. 198.
                              								
                           Rivot und Chatoney jedoch,
                              									welche sich mit umfassenden Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit der Mörtel
                              									gegen den Einfluß von Seewasser beschäftigten und die Resultate derselben in der
                              									schätzbaren Schrift „Les materiaux employés
                                    											dans les constructions à la mer“ i. J. 1856
                              									veröffentlichten, bestritten sogar die Existenz des basischen kohlensauren Kalkes:
                              										„Es ist in letzter Zeit viel von den hydraulischen Eigenschaften des
                                 										basischen kohlensauren Kalkes die Rede gewesen. Man hat auf viele Bauten
                                 										hingewiesen, welche im Meere, unter Anwendung eines Mörtels aus unvollständig
                                 										gebranntem, noch viel Kohlensäure enthaltendem Kalk hergestellt waren und im
                                 										Laufe vieler Jahre sich wohl erhalten hatten. Man schrieb den Erhärtungsproceß
                                 										der Hydratation des basischen kohlensauren Kalkes zu, – einer Verbindung
                                 										deren Existenz die Chemie nicht kennt. Es ist uns keine einzige, einigermaßen
                                 										gut untersuchte Thatsache bekannt, welche uns nöthigen könnte, die Existenz
                                 										einer solchen Verbindung vorauszusetzen, und wir glauben, daß die Erhärtung der
                                 										Mörtel in diesem Falle genügend erklärt werde durch folgende Erwägungen: Die
                                 										benutzten Kalksteine konnten in geringem Verhältniß Thon und Kieselerde in Form
                                 										von feinem Quarzsand enthalten. Bei unvollständigem Brande verliert der Kalk nur
                                 										einen Theil seiner Kohlensäure und verbindet sich mit Kieselerde und Thonerde,
                                 										wobei er ein Kalk-Silicat und Aluminat bildet. Der in solcher Weise
                                 										gebrannte Kalkstein enthält folglich Kalk-Silicat und Aluminat, eine
                                 										unbedeutende Quantität Aetzkalk und kohlensauren Kalk. Der unvollständige Brand
                                 										war daher die Hauptbedingung der Hydraulicität des Kalksteines, denn er beließ
                                 										den größeren Theil des Kalkes in Verbindung mit Kohlensäure und stellte das
                                 										erforderliche Verhältniß zwischen dem geringen Quantum an Thon und dem in
                                 										geringer Menge sich bildenden Aetzkalk her; ein solcher Kalkstein stellt nach
                                 										dem unvollständigen Brennen somit ein Gemisch von freiem kieselsaurem Kalk und
                                 										hydraulischem Kalke dar; ein derartiges Gemisch kann aber unter günstigen
                                 										Bedingungen im Wasser erhärten.“
                              								
                           
                              „Diese Erklärung, fährt Rivot fort, könnte nur
                                 										durch genaue Analysen unvollständig gebrannter Kalksteine widerlegt werden,
                                 										falls durch dieselben die vollständige Abwesenheit von Kieselerde dargethan
                                 										würde, und selbst in diesem Falle wird man dem basischen kohlensauren Kalk keine
                                 										hydraulischen Eigenschaften zuschreiben können, so lange nicht durch Analysen
                                 										bewiesen worden, daß auch im Mörtel kein Thon oder Silicate enthalten gewesen,
                                 										auf welche der Aetzkalk puzzolanartig hätte einwirken können.“
                              
                                 
                                 RivotetChatoney, Considérations
                                       												générales sur les matériaux employés dans
                                       												les constructions à la mer, p. 80.
                                 
                              
                           Vicat, welcher die umfassendsten Untersuchungen über
                              									unvollständig gebrannte Kalksteine angestellt hat,Vicat, über die verschiedenen Eigenschaften
                                    											welche die Cementsteine und hydraulischen Kalksteine durch unvollkommenes
                                    											Brennen erhalten können, in den Annales de Chimie et
                                       												de Physique, August 1841, S. 426; daraus im polytechn. Journal Bd.
                                       											LXXXII S. 377 und 353. sagt in seiner i. J. 1856 erschienenen Schrift: Traité pratique et
                                 										théorétique de la composition des mortiers, ciments etc., p.
                              									45, daß bei den von ihm im Jahre 1840 erneuerten Untersuchungen über Herstellung
                              									hydraulischer Producte aus unvollständig gebrannten Kalksteinen er die
                              									verschiedensten Resultate, sogar bei einem und demselben Kalksteine erzielt habe.
                              									Einige zeigten alle Eigenschaften guter Cemente, sowohl in der Luft als im Wasser;
                              									andere, welche anfangs erhärteten, zerfielen in der Folge; wieder andere erhärteten
                              									gar nicht. „Die Theorie, bemerkt Vicat, kann
                                 										diese Sonderbarkeiten noch nicht
                                 										erklären.“
                              								
                           Die Resultate seiner Proben sind in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.Zu den Untersuchungen wurden thonhaltige Kalksteine angewandt. Von einer
                                    											Cementgewinnung aus reinen Kalksteinen konnte gar nicht die Rede sein.
                              								
                           
                              
                                 Bezeichnung
                                 Aetzkalk
                                 Thon
                                 KohlensaurerKalk
                                 DauerderErhärtung.
                                 
                              
                                 
                                 Theile
                                 Theile
                                 Theile
                                 
                                 
                              
                                 Kalkstein A, völlig gebrannt
                                 100
                                 30
                                 –
                                 6 Tage
                                 
                              
                                       
                                    											„      
                                    											„   mit 20 Proc. Kohlensäure
                                 100
                                 48
                                 133
                                 30 Tage
                                 
                              
                                       
                                    											„      
                                    											„    „  
                                    											30    „              „
                                 100
                                 97
                                 448
                                 15 Minuten
                                 
                              
                                 Kalkstein C, völlig gebrannt
                                 100
                                 37
                                 –
                                 8 Tage
                                 
                              
                                       
                                    											„      
                                    											„   mit 12 Proc. Kohlensäure
                                 100
                                 52
                                   68
                                 22 Tage
                                 
                              
                                       
                                    											„      
                                    											„    „  
                                    											19    „              „
                                 100
                                 64
                                 126
                                 10 Minuten
                                 
                              
                                 Kalkstein B, völlig gebrannt
                                 100
                                 22
                                 –
                                 6 Tage
                                 
                              
                                       
                                    											„      
                                    											„   mit 19 Proc. Kohlensäure
                                 100
                                 37
                                 127
                                 gar keine Festigkeitnach 3 Monaten
                                 
                              
                                 Kalkstein E, völlig gebrannt
                                 100
                                 13
                                 –
                                 12 Tage
                                 
                              
                                       
                                    											„      
                                    											„   mit 19 Proc. Kohlensäure
                                 100
                                 22
                                 240
                                 gar keine Festigkeitnach 3 Monaten
                                 
                              
                           Aus dieser Tabelle ist ersichtlich:
                           1) Daß nur bei einem gewissen Gehalt an Kohlensäure gute hydraulische Eigenschaften
                              									zu Tage treten.
                           2) Daß die Quantität der Kohlensäure bei den verschiedenen thonhaltigen Kalksteinen,
                              									je nach dem Procentgehalt an Thon, eine verschiedene ist.
                           So besitzt der Kalkstein A, welcher auf hundert Theile
                              									Aetzkalk 30 Theile Thon enthält, die besten hydraulischen Eigenschaften bei 30
                              									Procent Kohlensäure; der Kalkstein C aber, welcher 37
                              									Theile Thon enthält, bei 19 Procent Kohlensäure.
                           3) Daß eine unbedeutende Differenz in der Menge der Kohlensäure eine große Verschiedenheit in
                              									den Eigenschaften eines und desselben Steines nach sich zieht. So erhärtet der
                              									Mörtel vom Kalkstein A bei 20 Proc. Kohlensäure nach
                              									einem Monat, bei 30 Proc. aber nach Verlauf von 15 Minuten (Vicat in seinem citirten Traité, p.
                              									45.)
                           Im Jahre 1851 wurde bei St. Petersburg von dem gegenwärtig verstorbenen
                              									Militär-Ingenieur P. E. Roché die erste
                              									Cementfabrik in Rußland gegründet. In dieser Fabrik wurde der Cement anfänglich aus
                              									Tosna'schen Kalksteinen, in der Folge aber aus Wolchowo'schen thonhaltigen
                              									Kalksteinen bereitet. Sowohl im ersten, als im zweiten Falle hatte man beim Brande
                              									der Kalksteine die Bildung von basischem kohlensaurem Kalk im Auge, und die ganze
                              									Fabrication beruht auf der Herstellung dieser Verbindung. Hierdurch wird denn auch
                              									die Anwesenheit der bedeutenden Menge von 18 bis 19 Proc. Kohlensäure im Roché'schen Cement erklärt. Dieser Cement ist von
                              									guter Qualität und hat einen bedeutenden Absatz in St. Petersburg, steht aber an
                              									Güte den Portland-Cementen nach, wie solches zahlreiche Proben in Kronstadt
                              									erwiesen haben.
                           In dem vom General-Major Roché der
                              									Haupt-Ingenieur-Verwaltung eingereichten Rechenschaftsberichte sind
                              									folgende Bemerkungen bezüglich des basischen kohlensauren Kalkes enthalten:
                           
                              „Auf künstlichem Wege kann man eine Verbindung von Kalk mit Kohlensäure in
                                 										einem anderen Verhältnisse erhalten, als wir es in der Natur in der
                                 										Zusammensetzung der Kalksteine finden, eine Verbindung welche basischer
                                 										kohlensaurer Kalk benannt worden. In den Atomen des letzteren, wenn er fein
                                 										pulverisirt worden, äußert sich das Bestreben für Cohäsion nur während des
                                 										Ueberganges in den Hydratzustand, aber in einem bedeutend höheren Grade, als bei
                                 										den kieselsauren Verbindungen; das basische kohlensaure Kalkhydrat erhärtet
                                 										dabei ganz so, wie schwefelsaures Kalkhydrat. Wenn aber dem Zustandekommen
                                 										dieses Cohäsionsprocesses irgend ein äußerer Umstand hindernd entgegentritt, so
                                 										zeigt sich nach dem Uebergange des basischen kohlensauren Kalkes in das Hydrat,
                                 										in dessen Atomen die Eigenschaft der Cohäsion nicht zum zweitenmale, wodurch er
                                 										sich von dem kieselsauren Kalkhydrat unterscheidet, und außerdem erreicht er
                                 										nicht eine so bedeutende Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen das
                                 										Eindringen von Wasser.“
                              
                                 
                                 Ingenieur Journal von St. Petersburg, 1869, Nr. 5, S. 249.
                                 
                              
                           Mit Rücksicht darauf, daß die Frage bezüglich des basischen kohlensauren Kalkes
                              									selbst in gegenwärtiger Zeit einer gewissen praktischen Bedeutung nicht entbehrt,
                              									schien es mir nicht überflüssig, die Herstellung eines vollkommen reinen basischen
                              									kohlensauren Kalkes selbst zu versuchen und dessen Eigenschaften genau zu prüfen. Nur wenn eine
                              									Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, welche dem basischen kohlensauren Kalk
                              									entspräche, in reiner Form dargestellt, und erwiesen würde daß diese Verbindung sich
                              									durch hydraulische Eigenschaften auszeichne, könnte man in kategorischer Weise
                              									diejenigen Zweifel lösen, welche sich beim Lesen der widersprechenden und oft
                              									unbewiesenen Behauptungen aufdrängen, die ich in obiger historischer Uebersicht
                              									zusammengestellt habe.
                           Wie aus der Zusammensetzung des basischen kohlensauren Kalkes CaO, CO² + CaO
                              									ersichtlich ist, kann derselbe entweder auf synthetischem Wege dargestellt werden,
                              									indem zum Calciumoxyd (CaO) eine bestimmte Quantität Kohlensäure hinzugefügt wird
                              									oder auf analytischem Wege, indem der neutrale kohlensaure Kalk (CaO, CO²)
                              									zersetzt, d.h. demselben die erforderliche Quantität Kohlensäure entzogen wird.Bei Annahme des Atomgewichtes für Ca = 40, O = 16, C = 12 beträgt:1) das Gewicht eines Molecüls neutralen kohlensauren
                                       												Kalkes CaO, CO² = 100;2) das Gewicht eines Molecüls mittelkohlensauren Kalkes
                                       												CaO, CO² + CaO = 156.Die Gewichtsmenge der Kohlensäure ist in der ersten
                                    											Verbindung = 44 Proc. und in der zweiten 28 Proc.
                              								
                           Um basischen kohlensauren Kalk auf dem ersteren Wege zu erhalten, legte ich völlig
                              									reines trockenes Calciumoxyd (erhalten durch Ausglühen von isländischem Spath und
                              									Marmor) in eine Glasröhre und sättigte dasselbe mit Kohlensäure bei verschiedenen
                              									Temperaturen. Die Kohlensäure wurde aus Marmor mittelst Salzsäure entwickelt. Vor
                              									ihrer Anwendung zur Sättigung des Calciumoxydes wurde die Kohlensäure entweder durch
                              									Schwefelsäure getrocknet, oder sie wurde direct aus dem Entwickelungsapparat, also
                              									in feuchtem Zustande, in die das Calciumoxyd enthaltende Röhre geleitet.
                           Die Zeit der Sättigung und die Temperatur nahmen unter sonst gleichen Bedingungen
                              									beständig zu.
                           Nach jeder Sättigung wurde die Menge der vom Calciumoxyd aufgenommenen Kohlensäure
                              									bestimmt, und die erhaltene Verbindung bezüglich ihrer chemischen und hydraulischen
                              									Eigenschaften untersucht. Zu diesem Zwecke wurde das mit Kohlensäure behandelte
                              									Calciumoxyd pulverisirt und zu einem Teig angerührt. Aus dem Teige wurde eine Kugel
                              									geformt und entweder sofort, oder nach einem, länger oder kürzere Zeit dauernden
                              									Trocknen in der Luft, in Wasser gesenkt. Das der Untersuchung unterzogene Quantum
                              									Calciumoxyd betrug 50 Grm.
                           Die Resultate der Versuche sind in der folgenden Tabelle enthalten.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 205, S. 345
                              50 Grm. CaO; Temperatur zur Zeit
                                 										der Sättigung; Zeit der Sättigung; Menge der aufgenommenen Kohlensäure;
                                 										Bemerkungen; Versuch Nr.; Bei den Versuchen Nr. 1 bis 5 incl. wurde trockene
                                 										Kohlensäure, bei Nr. 6 bis 14 wasserhaltige Kohlensäure zur Sättigung
                                 										angewendet; Stunden; Die während 30 Min. in der Luft getrockneten Kugeln
                                 										zerfielen alle in kurzer Zeit nach ihrer Versenkung in Wasser. Einige derselben
                                 										platzten und zerfielen sogar schon in der Luft
                              
                           Aus dieser Tabelle ist ersichtlich:
                           1) Daß trockenes Calciumoxyd durchaus keine trockene Kohlensäure aufnimmt; daß in den
                              									zwei Fällen Nr. 2 und 3, eine unbedeutende Quantität Kohlensäure aufgenommen wurde,
                              									kam aller Wahrscheinlichkeit nach daher, daß die Kohlensäure Spuren von Wasser
                              									enthielt.
                           2) Daß alle, zu einem Brei angerichteten und einer Prüfung auf Erhärtung im Wasser
                              									unterzogenen Proben nicht einmal Spuren von hydraulischen Eigenschaften zeigten,
                              									wenngleich einige derselben, wie z.B. Probe Nr. 9, sogar einen Kohlensäuregehalt
                              									besaßen, welcher vollkommen der Verbindung des basischen kohlensauren Kalkes
                              									entspricht.
                           Ueberhaupt erwärmten sich alle Kugeln bei ihrer Zurichtung zu Teig mehr oder weniger
                              									stark, was auf die Anwesenheit von freiem Aetzkalk in denselben hinwies. Einige
                              									Proben wurden mit Wasser behandelt, wobei aller Kalk aufgelöst wurde, mit Ausnahme
                              									derjenigen Quantität welche an Kohlensäure gebunden war (es wurden die Nummern 9, 15
                              									und 16 untersucht).
                           Es wurden also bei Sättigung des Kalkes mit Kohlensäure Producte erhalten, welche
                              									sich in Nichts von dem gewöhnlichen Gemisch aus kohlensaurem Kalk und Calciumoxyd
                              									unterschieden. Bei höheren Temperaturen wird, wie Debray
                              									zeigte, die Menge der Kohlensäure welche vom Kalk absorbirt wird, nur durch den
                              									Druck und die Temperatur bedingt.
                           Daraus folgt, daß die Bildung einer besonderen Verbindung zwischen Kalk und Kohlensäure (basischer
                              									kohlensaurer Kalk) in höheren Temperaturen wenig wahrscheinlich ist.
                           Da jedoch ein großer Theil der Forscher (Vicat, Minard,
                                 										Villeneuve) von der Bildung eines basischen kohlensauren Kalkes bei
                              									schwachem oder unvollständigem Brande der Kalksteine spricht, so blieb mir noch die
                              									Wirkung des unvollständigen Brennens auf den kohlensauren Kalk zu untersuchen
                              									übrig.
                           Zu den Versuchen wurde Kreide gewählt und deren Zusammensetzung vorher durch die
                              									Analyse bestimmt. Dieselbe bestand aus:
                           
                              
                                 CaO          
                                 55,3 Proc.
                                 
                              
                                 CO²
                                 43,5   „
                                 
                              
                                 Sand
                                   0,9   „
                                 
                              
                           100 Grm. zu einem groben Pulver gestoßener Kreide wurden in einer eisernen Schale
                              									mäßig geglüht. Die Dauer der Erhitzung einer jeden neuen Probe wurde um eine Stunde
                              									verlängert. Hierbei wurde Kohlensäure ausgeschieden, deren Menge jedesmal durch den
                              									Gewichtsverlust der geglühten Probe bestimmt wurde. Die Menge der sich
                              									ausscheidenden Kohlensäure wuchs mit der längeren Dauer der Erhitzung. Die einer
                              									10stündigen Erhitzung unterzogene Probe enthielt keine Kohlensäure mehr. Nach dem
                              									Brande jeder Probe (im Ganzen 10), wurde das gebrannte Product mit Wasser zum Teig
                              									angemacht und aus demselben Kugeln geformt, welche vor ihrer Versenkung in Wasser
                              									während 1/2 bis 1 Stunde in der Luft getrocknet wurden.
                           Im Wasser zeigte keine der Proben auch nur Spuren von hydraulischen Eigenschaften,
                              									obgleich in dem Bestande einer derselben eine Quantität Kohlensäure enthalten war,
                              									welche beinahe dem basischen kohlensauren Kalke entsprach.
                           Von den 10 Proben, welche verschiedene Mengen Kohlensäure enthielten (38 Proc. in der
                              									ersten Probe, welche während einer Stunde geglüht und 0 Proc. in der Probe welche 10
                              									Stunden geglüht wurde), unterschied sich demnach keine einzige von einem
                              									gewöhnlichen mechanischen Gemisch aus Kalk (CaO) und kohlensaurem Kalk.
                           Da beim Durchglühen der ziemlich bedeutenden Menge (100 Grm.) Kreide möglicherweise
                              									eine nicht völlig gleichmäßige Temperatur in der ganzen durchglühten Mischung
                              									eingehalten werden konnte, so wurden 35 Grm. Kreide in gleicher Weise wie bei den
                              									vorhergehenden Versuchen geglüht, jedoch während einer kürzeren Zeit. Proben, die
                              									während 2 Stunden geglüht wurden, schieden sämmtliche Kohlensäure aus, und als Rest
                              									wurde nur Kalk (CaO) erhalten.
                           
                           Dergleichen Glühversuche wurden viele angestellt, zu welchen gleichfalls 35 Grm.
                              									Kreide genommen wurden.
                           Die Dauer der Erhitzung jeder Probe wurde nur um 5 Minuten verlängert, so lange bis
                              									sämmtliche Kohlensäure ausgeschieden war. Die erhaltenen Producte verhielten sich
                              									wie bloße Gemenge aus Kalk (CaO) und kohlensaurem Kalk (CaO, CO²).
                           Auf Grund der angeführten Versuche, welche zu dem speciellen Zweck der Gewinnung
                              									basischen kohlensauren Kalkes angestellt wurden und negative Resultate gegeben hatten, sowie mit Rücksicht darauf:
                           1) daß die Angaben von Vicat, Minard und Roché bezüglich der Bildung von basischem
                              									kohlensaurem Kalk sich nicht durch diejenige Genauigkeit und Ausführlichkeit
                              									auszeichnen, welche allein zur Anerkennung der Existenz der einen oder anderen
                              									Verbindung in der Chemie berechtigen,
                           2) daß die Bildung eines basischen kohlensauren Salzes nicht völlig mit dem
                              									chemischen Charakter des Kalkes (CaO), welcher überhaupt mit zweibasischen Säuren
                              									keine basischen Salze bildet, übereinstimmt,
                           3) daß viele Chemiker (Rivot, Berthier und andere) die
                              									Existenz eines basischen kohlensauren Kalkes positiv leugnen und in den neuesten
                              									chemischen Abhandlungen und Handbüchern der Chemie der Existenz einer solchen
                              									Verbindung der Kohlensäure mit Kalk überhaupt nicht einmal Erwähnung geschieht,
                           glaube ich mit ziemlicher Gewißheit behaupten zu können, daß
                                 										kein basischer kohlensaurer Kalk als chemische Verbindung, bei unvollständigem
                                 										Brande von Kalksteinen sich bildet.
                           Wie kann man es sich aber erklären, daß eine dem Anschein nach nicht existirende
                              									Verbindung nichtsdestoweniger in der Praxis ausgenutzt wird, z.B. in den Fabriken
                              									von Villeneuve und Roché, wo die Herstellung der Cemente auf die Bildung von basischem
                              									kohlensaurem Kalk bei unvollständigem Brande der Kalksteine gegründet ist?
                           Diese Thatsache wäre allerdings schwierig zu erklären, wenn in den genannten Fabriken
                              									der hydraulische Cement aus reinem kohlensaurem Kalk oder aus reinen Kalksteinen
                              									bereitet würde; aber in Wirklichkeit geschieht dieß nicht. In den Fabriken von Villeneuve und Roché
                              									wird der Cement aus thonhaltigen Kalksteinen hergestellt;
                              									ja es ist in der Praxis kein einziger Fall bekannt, wo hydraulischer Cement aus
                              									reinen Kalksteinen bereitet würde.
                           In den Fabriken von Villeneuve wird der Cement, wie aus
                              									dessen, der Pariser Akademie der Wissenschaften eingereichten Abhandlung ersichtlich, aus nicht
                              									vollständig gebrannten Kalksteinen, welche 7 bis 10 Proc. Thon enthalten,
                              									hergestellt.
                           In der Roché'schen Fabrik wird der Cement aus
                              									thonhaltigem, einem unvollständigen Brande unterworfenen Kalkstein gebrannt, welcher
                              									am Flusse Wolchowo gewonnen wird und 10 bis 25 Proc. thonhaltiger Bestandtheile
                              									enthält.
                           Die Zusammensetzung einer Probe des Wolchowo-Kalksteines, welche 25 Proc.
                              									thonhaltige Bestandtheile enthielt, ist in meinem Aufsatze über die Versuche Fremy's (polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIV S. 355)
                              									angegeben. Die Analyse einer anderen Probe des Wolchowo'schen Mergels führe ich hier
                              									an:
                           
                              
                                 Thonhaltige, inSalzsäure
                                    											nichtlöslicheBestandtheile
                                 
                                    
                                    
                                 KieselerdeThonerde      
                                    											„KalkAlkalien
                                 12,83  2,79  0,54  1,04  1,02
                                 
                              
                                 In
                                    											SalzsäurelöslicheBestandtheile
                                 
                                    
                                    
                                 Eisenoxydkohlensaurer Kalkkohlensaure
                                    											Magnesiaschwefelsaurer Kalk
                                   8,5960,3310,64  1,30
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 99,08Die Zusammensetzung des Wolchowo'schen Mergels ist ziemlich
                                          													verschieden. Die oben angeführte Analyse bezieht sich auf die Probe,
                                          													welche Hr. Roché selbst mir
                                          													zugeschickt hat.
                                 
                              
                           Demnach wird sowohl in der einen wie in der anderen Fabrik der Cement aus Steinen
                              									bereitet, unter deren Bestandtheilen sich thonhaltige Gemenge befinden, deren
                              									Anwesenheit allein schon die hydraulischen Eigenschaften des gebrannten Gesteines
                              									bedingen kann.
                           Man kann aber einwenden, daß thonhaltige Kalksteine, welche 7 bis 10 Proc. Thon
                              									enthalten, bei vollständigem Brande nur einen schwachen hydraulischen Kalk geben
                              									können, während sie bei unvollständigem Brande einen hydraulischen Cement geben.
                           Es ist mir nicht bekannt, welche Eigenschaften der in den Fabriken von Villeneuve bereitete Cement hatte, aber zugegeben, das
                              									bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine gewonnene Product zeichne sich
                              									wirklich durch gute hydraulische Eigenschaften aus, – so kann doch der
                              									günstige Einfluß des unvollständigen Brandes in diesem Falle, worauf bereits Rivot hingewiesen hat, auch ohne Hülfe von basischem
                              									kohlensaurem Kalk, dessen Bildung bei unvollständigem Brande sich als sehr
                              									zweifelhaft erweist, erklärt werden.
                           
                           Bei völligem Brande eines Kalksteines, welcher
                           10 Proc. Thon und
                           90 Proc. kohlensauren Kalk
                           enthält, kann nur schwacher hydraulischer Kalk in Folge eines
                              									großen Ueberschusses von freiem Kalk (CaO) erhalten werden. Es ist begreiflich, daß
                              									durch Beseitigung dieses Ueberschusses an freiem Kalk, die hydraulischen
                              									Eigenschaften des gebrannten Productes erhöht werden könnten. Der unvollständige
                              									Brand, bei welchem ein Theil des Kalkes in Verbindung mit Kohlensäure bleibt, gibt
                              									nun das Mittel, den Ueberschuß an freiem Kalk zu binden. Mit der Verringerung der
                              									Menge freien Kalkes im gebrannten Stein wächst die relative Menge an Thon. Auf ein
                              									und dasselbe Quantum Thonerde wird bei unvollständigem Brande eine geringere Menge
                              									Kalk (CaO) enthalten seyn. Da aber bei einer Erhöhung des Thongehaltes im Verhältniß
                              									zum Kalk bis zu einem bestimmten Grade im gebrannten Stein, auch dessen hydraulische
                              									Eigenschaften zunehmen, so ist es klar, daß vermittelst des unvollständigen Brandes
                              									in einigen Fällen die hydraulischen Eigenschaften des Steines erhöht werden können.
                              									Der unzersetzt gebliebene kohlensaure Kalk wird eine Beimengung, ähnlich dem Sande,
                              									bilden, deren Anwesenheit jedenfalls weniger nachtheilig ist, als die Anwesenheit
                              									eines Ueberschusses an freiem Kalk.
                           Man muß jedoch die Bedeutung des unvollständigen Brennens nicht überschätzen. Die
                              									sehr verschiedenen Resultate, welche Vicat bei
                              									unvollständigem Brande (siehe oben S. 342) thonhaltiger Kalksteine gewonnen, zeigen
                              									daß mit Hülfe des unvollständigen Brennens nur in seltenen, man kann sagen,
                              									Ausnahme-Fällen ein gutes hydraulisches Product erhalten werden kann.
                           In den meisten Fällen müssen bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine, in
                              									Folge der großen Verschiedenheit in der Zusammensetzung des gebrannten Steines und
                              									der Verschiedenheit seiner Eigenschaften, Cemente von nur mittelmäßiger Qualität
                              									gewonnen werden.
                           Daß bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine unvermeidlich Cemente
                              									verschiedener Qualität gewonnen werden müssen, folgt nicht nur aus den Versuchen Vicat's, sondern ergibt sich auch aus dem Proceß des
                              									Brennens selbst.
                           Bekanntlich herrscht in den Brennöfen eine verschiedene Temperatur in den
                              									verschiedenen Theilen des Ofens, und – in Folge dessen daß der zu brennende
                              									Kalkstein ein schlechter Wärmeleiter ist – auch in den verschiedenen Theilen
                              									eines und desselben Stückes. Ein und dasselbe Stück des Gesteines wird an der
                              									Oberfläche stärker als innen gebrannt. Dieser Umstand bietet keinen großen Nachtheil in den
                              									Fällen wo der Stein völlig gebrannt, folglich alle Kohlensäure ausgeschieden werden
                              									soll. Bei vollständigem Brande wird die Verschiedenheit der Temperatur im Inneren
                              									des Ofens nur zur Folge haben, daß einige Stücke des Gesteines, welche einer weniger
                              									hohen Temperatur ausgesetzt worden, die Kohlensäure früher, andere später
                              									auszuscheiden beginnen; aber das endliche Resultat wird das seyn, daß aus dem
                              									vollständig gebrannten Gestein alle Kohlensäure ausgeschieden ist.
                           Wie ist es aber zu erreichen, daß bei unvollständigem Brande, einem verschiedenen
                              									Hitzegrade unterworfene Stücke des Gesteines eine und dieselbe Menge Kohlensäure
                              									zurückbehalten, und nach dem Brande einen gleichen Gehalt an kohlensaurem Kalk,
                              									freiem Kalk und Thon aufweisen?
                           Es ist augenscheinlich, daß bei unvollständigem Brande der nicht völlig gebrannte
                              									Stein sich durch eine große Verschiedenheit seiner Bestandtheile auszeichnen muß.
                              									Und wenn man hierbei noch der Tabelle Vicat's (S. 342)
                              									Aufmerksamkeit schenkt, – aus welcher ersichtlich, daß aus einem und
                              									demselben thonhaltigen Kalkstein bei unvollständigem Brande sehr verschiedene
                              									Producte erhalten werden können, wobei die Menge Kohlensäure welche in dem
                              									unvollständig gebrannten, einen guten hydraulischen Cement liefernden Steine
                              									zurückgeblieben, sehr wenig vom Quantum derselben in solchen unvollständig
                              									gebrannten Steinen differirt, aus denen ein ganz werthloses Product gewonnen wird,
                              									– so wird man nicht umhin können anzuerkennen, daß eine auf unvollständigem
                              									Brennen thonhaltiger Kalksteine basirte Fabrication hydraulischer Cemente nur
                              									ausnahmsweise bei gänzlichem Mangel an solchem thonhaltigem Kalkstein, aus welchem
                              									auf gewöhnlichem Wege ein hydraulisches Product mit guten Eigenschaften gewonnen
                              									werden könnte, Platz greifen darf.Zur Unterstützung der oben angeführten Betrachtung erlaube ich mir, die
                                    											Bemerkung Vicat's anläßlich der von ihm bei
                                    											unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine gewonnenen Resultate, hier im
                                    											Original wiederzugeben:„Il est resté demontré par
                                          													ces experiences, que toute pierre susceptible d'être
                                          													transformée en chaux éminemment hydraulique par une
                                          													cuisson ordinaire complète, peut, par une cuisson
                                       												incomplète, donner un
                                       												ciment
                                       												ou un
                                       												produit sans valeur, selon la quantité d'acide carbonique
                                          													qu'elle aura retenue: mais comme il sera toujours impossible en
                                          													grand, de maîtriser la cuisson de manière à
                                          													laisser dans la pierre une quantité déterminée
                                          													d'acide carbonique, il n'est pas probable que la pratique puisse
                                          													jamais mettre à profit les observations
                                          													précédantes.“Vicat, Traité pratique et théorétique de la composition
                                       												des mortiers, ciments etc., 1856. (p.
                                    											46.)
                              								
                           In der Roché'schen Fabrik, welche früher als die
                              									anderen Cementfabriken in Rußland gegründet ist und den größten Absatz (bis 650,000 Pud jährlich) hat,
                              									wird derselbe aus thonhaltigem, am Wolchowo-Flusse gewonnenem Kalkstein
                              									bereitet. Der Kalkstein wird in ovalen Oefen gebrannt, nach dem Brande unter Läufern
                              									zerstoßen und zwischen Mühlsteinen gemahlen, und gelangt in dieser Gestalt in
                              									Fässern, welche gegen 9 Pud Cement enthalten, zum Verkauf.
                           Nach der von mir bereits im Jahre 1869 angestellten Analyse enthält der Roché'sche Cement in 100 Gewichtstheilen:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                 19,00
                                 
                              
                                 Kalk (CaO)
                                 45,00
                                 
                              
                                 Magnesia
                                    											(MgO)      
                                 3,81
                                 
                              
                                 Kieselerde
                                 17,00
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 2,07
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 8,69
                                 
                              
                                 Alkalien
                                 1,20
                                 
                              
                                 Gyps
                                 0,10
                                 
                              
                                 Wasser
                                 2,01
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 98,88
                                 
                              
                           Die bedeutende Quantität Kohlensäure im Roché'schen
                              									Cemente zeigt, daß derselbe aus nicht vollständig
                                 										gebrannten Kalksteinen bereitet wird. Hierauf weist auch der Umstand hin,
                              									daß von 17 Proc. Kieselerde nur 10 Proc. durch Natronlösung in gallertartigem
                              									Zustande gewonnen werden, während die übrigen 7 Proc. mit den Oxyden des Aluminiums
                              									und Eisens verbunden, – als durch die Wirkung des Brandes noch nicht
                              									veränderter Thon zurückbleiben –, und folglich eine unnütze mechanische
                              									Beimengung bilden.
                           Die bedeutende Menge thonhaltiger Bestandtheile in der Zusammensetzung des
                              									Wolchowo-Kalksteines und des Roché'schen
                              									Cementes läßt darauf schließen, daß aus dem genannten Kalkstein gute hydraulische
                              									Producte, auch ohne daß man seine Zuflucht zu unvollständigem Brande nimmt, gewonnen
                              									werden können.
                           Diese Annahme wird durch die Praxis vollkommen bestätigt. Aus dem thonhaltigen
                              									Wolchowo-Kalksteine wurde schon längst sogenannter Wolchowo'scher
                              									hydraulischer Kalk bereitet, welcher sich durch ziemlich gute hydraulische
                              									Eigenschaften auszeichnete und bei Herstellung vieler hydraulischer Bauten Anwendung
                              									fand.
                           Wenngleich der Roché'sche Cement in seinen
                              									Eigenschaften den Wolchowo'schen hydraulischen Kalk übertrifft, so ist dennoch zu
                              									bemerken, daß bei Bereitung des Cementes auf dem Wege des unvollständigen Brandes,
                              									augenscheinlich nicht alle ausgezeichneten Eigenschaften des Wolchowo'schen thonhaltigen
                              									Kalksteines völlig ausgenutzt werden. Derselbe enthält sehr oft eine solche Menge
                              									thonhaltiger Gemenge, daß aus ihm bei hoher Temperatur ein ausgezeichneter Cement,
                              									ähnlich dem Portland-Cement gebrannt werden kann, was auch durch in Kronstadt
                              									angestellte directe Versuche bestätigt ist. Dieser Cement hat nach der von mir
                              									ausgeführten Analyse folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kieselerde,
                                    											ungebunden      
                                 3,83
                                 
                              
                                         „        
                                    											gebunden
                                 20,92
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 6,33
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 3,50
                                 
                              
                                 Kalk (CaO)
                                 53,60
                                 
                              
                                 Magnesia (MgO)
                                 6,01
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 2,12
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,63
                                 
                              
                                 Wasser
                                 2,25
                                 
                              
                                 Feuchtigkeit
                                 0,25
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,44
                                 
                              
                           Dieser Cement hat eine dunkle Farbe, ähnlich dem Portland-Cement, und gibt
                              									einen im Wasser rasch erhärtenden und große Festigkeit gewinnenden Mörtel.
                           Das Verfahren der Roché'schen Fabrik kann man sich
                              									erstlich dadurch erklären, daß zur Zeit der Anlegung derselben im Jahre 1851 die
                              									Frage wegen des basischen kohlensauren Kalkes (die Arbeiten Villeneuve's 1850, Minard's 1851), eine
                              									bedeutende Rolle spielte in Folge des Mißtrauens gegen hydraulische Producte welche
                              									nach der Vicat'schen Weise auf dem Wege gewöhnlichen
                              									Brennens thonhaltiger Kalksteine bereitet waren, eines Mißtrauens welches durch die
                              									ausgedehnten Zerstörungen einiger Seedämme in den Häfen Frankreichs erregt ward, und
                              									zweitens dadurch, daß anfänglich zur Bereitung des Roché'schen Cementes Tosna'scher Kalkstein mit sehr unbedeutendem
                              									Thongehalt diente, aus welchem daher Cement auch nicht anders gewonnen werden
                              									konnte, als auf dem Wege unvollständigen Brennens. Als man in der Folge (im Jahre
                              									1866) wegen der unbefriedigenden Resultate, welche beim Brennen Tosna'scher Steine
                              									erhalten wurden, zur Verarbeitung des Wolchowo'schen thonhaltigen Kalksteines zu
                              									Cement überging, wurde die Methode des unvollständigen Brennens auch auf diesen
                              									Stein angewandt, wenngleich hierzu keine derart zwingende Nothwendigkeit, wie beim
                              									Brennen Tosna'scher Fliesen, vorlag.
                           Zum Schluß erlaube ich mir, das in vorstehender Abhandlung Ausgeführte in folgenden
                              									Sätzen zusammenzufassen:
                           
                           1) Die Bildung basischen kohlensauren Kalkes bei
                                 										unvollständigem Brande von Kalksteinen, ist mehr denn zweifelhaft.
                           2) Der unvollständige Brand thonhaltiger Kalksteine gibt nur in
                                 										seltenen Fällen befriedigende Resultate.
                           3) Die guten Eigenschaften des Roché'schen Cementes
                                 										anerkennend, behaupte ich, daß aus dem Wolchowo'schen thonhaltigen Kalkstein ein
                                 										Cement mit weit besseren Eigenschaften gebrannt werden kann.
                           St. Petersburg, im Juli 1872.