| Titel: | Das neue Balancier-Gebläse in Kladno; von Professor Gustav Schmidt in Prag. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XCVIII., S. 406 | 
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                        XCVIII.
                        Das neue Balancier-Gebläse in Kladno; von
                           								Professor Gustav Schmidt in Prag.Auszug der Abhandlung des Verfassers in der
                                 										Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereines, 1872, Heft
                                 										IX.
                           							
                        Schmidt, über das neue Gebläse in Kladno.
                        
                     
                        
                           Seit Mitte October 1871 befindet sich das neue Gebläse der der Prager
                              									Eisenindustrie-Gesellschaft gehörigen Adalberthütte in Kladno (Böhmen) in
                              									currentem Gange. Dasselbe ist das erste Gebläse in Oesterreich von so riesigen
                              									Dimensionen, indem der Gebläsecylinder 2,845 Meter Durchmesser und eben so viel Hub
                              									hat. Es wurde von der Prager Maschinenbau-Actiengesellschaft, vormals Ruston und Comp., jedoch ohne
                              									Schwungrad und Gebläsecylinder geliefert, welche beiden Bestandtheile in der
                              									Adalberthütte selbst hergestellt wurden.
                           Der Gebläsekolben wird durch eine eincylindrige
                              									Balancier-Condensations-Maschine mit Ventilsteuerung bethätigt, und
                              									zwar hat dieselbe jene Anordnung erhalten, welche sich erfahrungsmäßig als die
                              									zweckmäßigste herausgestellt hat; es befindet sich der Antrieb der Schwungradwelle
                              									nicht, wie man das sonst machte, innerhalb des Dampfcylinders, sondern außerhalb
                              									desselben, wodurch die Pressungen in der Schubstange ermäßigt und somit die baldige
                              									Abnutzung der Zapfen- und Wellenlagerschalen, also auch das Eintreten
                              									nachtheiliger Schläge verhindert wird. Damit das Schwungradlager auf die
                              									Fundamentplatte des Dampfcylinders gestellt werden kann und doch die Schubstange für
                              									die 1,58 Meter lange Kurbel genügend lang wird, ist das Balancierende entsprechend
                              									nach aufwärts gebogen, weßhalb es den Namen „Balancierhorn“
                              									führt. Ein Nachtheil dieser Anordnung ist, daß der Dampfkolben eine geringere
                              									Geschwindigkeit als der Gebläsekolben erhält. Der Dampfcylinder hat nämlich auf
                              									1,502 Met. Durchmesser 2,529 Met. Kolbenhub. Die Schwungradwelle macht normal 14
                              									Umgänge, obwohl die Maschine auch noch bei 17 Umgängen keine irgend gefährlichen
                              									Schläge wahrnehmen läßt. Bei der normalen Umgangszahl beträgt die Geschwindigkeit
                              									des Dampfkolbens nur 1,18 Met., während jene des Gebläsekolbens 1,33 Met. pro Secunde beträgt. Trotzdem sind selbst bei 17
                              									Umgängen die Gebläseklappen nicht sehr hörbar, nur das Schließen derselben erfolgt
                              									mit einem mäßigen dumpfen Schall, und da an den Zapfenlagern und an dem Welllager
                              									gar kein Schlag stattfindet, so hört man außer jenen Klappen und dem Zischen der Luft
                              									und des Dampfes nur die Schläge der auf ihren Sitz niederfallenden
                              									Doppelsitz-Ventile.
                           Die normale Dampfspannung beträgt 2,5 Atmosphären; die Maschine arbeitet dabei mit
                              									nominell 20 Proc. Füllung, und liefert Wind von 184 bis 237 Millimet.
                              									Quecksilber-Pressung, also von 0,24 bis 0,31 Atmosphären Ueberdruck, je nach
                              									dem Widerstande im Hohofen. So wie sich die den Hohofen durchströmenden Gase
                              									zeitweilig leichter den Ausweg bahnen, so strömt mehr Luft durch die Düsen in den
                              									Ofen ein, die Regulatorpressung sinkt und das Gebläse läuft schneller.
                           Gewöhnlich wird ein Hohofen mit 6 Düsen à 79
                              									Millimet. Durchmesser, und ein Hohofen mit 3 Düsen à 92 Millimet. Durchmesser von diesem Gebläse bedient. Der
                              									Ausströmungsquerschnitt dieser Düsen beträgt daher sehr nahe an 0,05 Quadmet. Hierzu
                              									wären jedoch nur 11 1/2 Umgänge pro Minute erforderlich,
                              									daher bei dem normalen Gange mit 14 Umgängen auch noch ein Theil des Windes für
                              									einen dritten Ofen geliefert wird. (Für 4 Oefen sind 2 alte liegende und die neue
                              									Balancier-Maschine vorhanden, außerdem noch 2 liegende Maschinen für 2
                              									kleinere, jetzt nicht im Betrieb befindliche Oefen.)
                           Wenn das Gebläse alle 4 Oefen mit 21 Düsen vom Gesammtquerschnitt 1,084 Quadmet.
                              									bedient, so sinkt die Windpressung auf durchschnittlich 158 Millimet. = 0,21 Atm.
                              									und steigt die Tourenzahl auf 16 bis 17. Bei dieser Maximalleistung an Windquantum
                              									steigt das theoretisch gelieferte Luftvolum, welches für einen einfachen Kolbengang
                              									18,06 Kubikmeter beträgt, auf 614 Kubikmeter pro Minute,
                              									wovon wegen schädlichen Raumes, also verspäteten Oeffnens, Verlustes beim Schließen
                              									der Saugventile und Verlustes in der Windleitung 15 Proc. abzuziehen sind. Immerhin
                              									kann die factisch ausgeblasene Luftmenge bei normalem Gange, reducirt auf Spannung
                              									und Temperatur im Saugraum, auf rund 410 Kubikmeter pro
                              									Minute angesetzt werden.
                           Andererseits erreicht man bei dem Betriebe von 2 Hohöfen mit zusammen 9 Düsen auch
                              									die mittlere Pressung von 247 Millimeter = 0,325 Atm. mit 11 1/2 Umgängen, und bei
                              									3/8 Füllung die Maximalleistung von 300 Millimet. Pressung mit 14 Umgängen, sowie
                              									bei dem Betriebe von nur einem Ofen mit 3 Düsen à
                              									92 Millimet. die mittlere Pressung von 303 Millimet. = 0,4 Atm. mit nur 9 1/2
                              									Umgängen pro Minute. – Die Oefen haben 17,07 Met.
                              									Höhe, 2,845 Met. Gichtweite und 4,742 Met. Kohlensackweite, und geschlossene
                              									Gicht.
                           Constructions-Details. – Die Maschine
                              									repräsentirt sich dem Auge besonders dadurch gefällig, daß die Balancierlager nicht
                              									auf einem Quaderpfeiler, sondern auf einer gußeisernen Säule stehen, welche aus einem der Höhe nach in 3
                              									Theile getheiltem Kernstück, und aus 4 hohen, radial gestellten Ständern besteht,
                              									die mit dem Kernstück verschraubt sind und direct auf den Fundamentquadern stehen.
                              									Diese Säule oder Pyramide ist durch eine vom unteren Kernstück ausgehende, und durch
                              									8 Fundamentschrauben der Ständerfüße verankert. Diese Schrauben haben 75 Millimet.
                              									Durchmesser und befinden sich 9,483 Met. im Fundament, welches aus in Cement
                              									gemauerten Ziegeln und einer Quaderschicht oben und unten besteht. Die 1,264 Met.
                              									über dem Maschinenhaus-Fußboden stehende Pyramide wurde zuerst aufgestellt,
                              									und nach ihr die ganz unabhängigen anderen Haupttheile montirt, nämlich der im
                              									Fußboden-Niveau stehende Gebläsecylinder einerseits und die 0,79 Met. höher
                              									liegende Fundamentplatte des Dampfcylinders und der Schwungradwelle andererseits.
                              									Diese Theile wurden provisorisch gelegt und genau ermittelt, um wie viel die rauh
                              									gelassene Quaderschicht nachgenommen werden mußte; dann wurde die Fundamentplatte
                              									und der Gebläsecylinder so weit gehoben, daß die genaue Bearbeitung der Quadern
                              									vorgenommen werden konnte. Die Fundamentalschrauben des Dampfcylinders und des
                              									Schwungradlagers sind 6 Met. im Fundament, jene des Gebläsecylinders 4,9 Met. Auf
                              									der Säule ist die Fundamentplatte der Balancierlager mit 8 Schrauben in die Ständer
                              									befestigt. Außerhalb der Lager ruhen auf dieser Platte die kräftigen gußeisernen
                              										Doppel-T-Träger von 632 Millimeter
                              									Höhe, welche bis an die beiden Hauptmauern des Gebäudes reichen und dort verankert
                              									sind. Auf der Schwungradseite ist dieser Hauptmauertheil von Grund aus auf 1,9 Met.
                              									Dicke hergestellt worden, und darin der Träger 5 Met. tief verankert. Auf diese
                              									Weise ist die Säule vor jeder Schwankung vollständig geschützt. An diese gußeisernen
                              									Träger sind auch die auf Tatzen des oberen Cylinderrandes stehenden Ständer zur
                              									Geradführung der Traverse geschraubt, und zwar in der halben Höhe dieser Ständer,
                              									weßhalb dieselben oben keine Verbindung unter sich benöthigen.
                           Der 1,756 Met. hohe Blechbalancier hat auf der Gebläsecylinderseite 4,742 Met.
                              									Armlänge, und auf der Schubstangenseite beträgt dieselbe 5,268 Met., und ist dieser
                              									Arm in der Mittellage um 14° gegen die Horizontalebene ansteigend. Die
                              									stählerne Balancierachse ist am Bund 338 Millimet. stark und liegt 7,587 Met. über
                              									dem Fußboden. Eine elegante eiserne Stiege führt zu der den Balancier umgebenden
                              									Galerie. Zunächst der Säule befindet sich auf der Dampfcylinderseite die Luftpumpe.
                              									Die Last derselben im Vereine mit dem Dampfkolben und der 6,322 Met. langen und in
                              									der Mitte 342 Millimet. dicken Schubstange haben nahezu dasselbe Moment wie der
                              									Gebläsekolben jenseits der Säule; jedoch ist die Anfangsspannung und die Arbeit des
                              									Dampfes beim Niedergang des Dampfkolbens größer als beim Aufgang desselben, was später behoben werden
                              									wird; deßhalb erhielt das Schwungrad von 9,483 Met. Durchmesser und 42000 Kil.
                              									Gewicht noch ein Gegengewicht von 1680 Kil. am inneren Umfang des Kranzes;
                              									deßgleichen wurden am Gebläsekolben noch 2512 Kil. Gegengewicht angebracht. Der
                              									Schwungradkranz ist aus einem einzigen Stück, 22400 Kil. schwer, aus mehreren
                              									Kupolöfen mittelst auf Eisenbahnen transportirten Gußpfannen in der Gußhütte neben
                              									dem Gebläsehaus gegossen worden. Ebenso ist der zehnarmige Stern sammt Nabe mit
                              									19600 Kil. aus einem Stück gegossen und im Angusse des Kranzes verkeilt. Der Stern
                              									ist bedeutend schwerer ausgefallen, als beabsichtigt war. Der Kranz selbst aber ist
                              									in Ansehung der starken Expansion der Dampfmaschine nicht zu schwer, obwohl man im
                              									Allgemeinen für ein Gebläse ein thunlichst leichtes Schwungrad geben soll, um nicht
                              									die rotirende, sondern die geradlinige Kolbenbewegung möglichst gleichförmig zu
                              									bekommen, also die geringsten Windschwankungen zu erzielen. Am Manometer sind diese
                              									Schwankungen in Folge der angebrachten Verengung wohl nur wenig wahrnehmbar; aber in
                              									dem vom Gebläse abgehenden Windleitungsrohr betragen sie ziemlich ein Viertheil der
                              									mittleren Pressung auf- und abwärts, dagegen an den Düsen nur noch 1/10 der
                              									daselbst herrschenden mittleren Pressung.
                           Schubstange, Kurbel und die im Lager 382 Millimet. starke Schwungradwelle sind aus
                              									Bessemerstahl.
                           Der Dampfcylinder ist zur Verhütung der Abkühlung mit einer Luftschicht von 26
                              									Millimet. und einer Cementziegelmauerwerkschicht von 79 Millimet. umgeben und mit
                              									Blech verkleidet.
                           Das Gesammtgewicht der ganzen Maschine beträgt 232400 Kil.
                           Expansion und Condensation. – Von der
                              									Schwungradwelle wird mittelst conischer Räder eine etwas schräg nach aufwärts
                              									gehende Steuerwelle betrieben, von welcher aus zunächst durch conische Räder der
                              									Centrifugalregulator, dann durch ein anderes Räderpaar die horizontale, quer gegen
                              									den Balancier liegende Ventildaumenwelle angetrieben wird. Auf dieser befinden sich
                              									zwei fixe Daumen für das untere und obere Auslaßventil und eine verschiebbare Hülse
                              									mit den darauf festgekeilten Stufendaumen für das untere und obere Einlaßventil. Die
                              									Abstufungen sind auf 1/5, 1/4, 3/8, 1/2, 5/8 und 3/4 Füllung eingerichtet. Die
                              									Verschiebung erfolgt durch eine in die hohle Daumwelle hineinreichende und mit der
                              									Hülfe durch einen Keil verbundene Stange, deren Ende eine cylindrische Zahnstange
                              									bildet, die durch Handrad mit Getriebe verschoben wird. Die Auspuffventile öffnen
                              									und schließen 53 Millimet. vor Ende des Hubes. Die Einströmungsventile öffnen erst nach 13
                              									Millimeter des Hubes.
                           Der obere und untere Ventilkasten sind durch zwei hohle Säulen verbunden, von welchen
                              									die eine für die Dampfzuströmung von oben nach unten, die andere für die Abströmung
                              									von oben nach dem Condensator bestimmt ist. Der Durchmesser der Höhlung beträgt 342
                              									Millimeter.
                           Die Condensation erzielt nur 500 bis 550 Millimet. Vacuum, woran eine zur Zeit der
                              									Versuche statthabende Undichtheit des unteren Auslaßventiles Schuld trug, welche
                              									später behoben wurde.
                           Auf dem oberen Ventilkasten befindet sich ein Auspuffventil, welches geöffnet wird,
                              									wenn wegen Mangel an Condensationswasser die Condensation abgestellt werden muß.
                              									Dieses Ventil ist so eingerichtet, daß es durch den atmosphärischen Druck
                              									niedergehalten wird und sich selbstthätig öffnet, wenn Druck im Condensator
                              									entsteht. Dasselbe kann jedoch auch ganz fest niedergeschraubt werden.
                           Gebläse. – Am Gebläsecylinder befinden sich oben
                              									und unten gußeiserne Kränze mit den 35 Saugklappen, welche zusammen 1,14
                              									Quadratmeter lichten Querschnitt (die Stege nämlich abgerechnet), also 18 Proc. der
                              									Kolbenfläche besitzen. Ueber jedem Saugkranz befindet sich der größere blecherne
                              									Kranz für die 20 Druckklappen von zusammen 0,95 Quadratmeter lichtem Querschnitt,
                              									also 15 Proc. der Kolbenfläche. Von diesen Kränzen gehen horizontale Stutzen ab, die
                              									durch das verticale, zum Windregulator führende Windrohr von 948 Millimet. verbunden
                              									sind. Der Regulator hat 1,897 Met. Durchmesser und zusammen 95 Met. Länge. Er
                              									besteht aus zwei getrennten, durch ein Windrohr von 0,95 Met. Weite mit zwei
                              									Drosselklappen verbundenen Theilen. Zwischen den zwei Klappen mündet das Windrohr
                              									des neuen Gebläses, um nach rechts zu den Oefen Nr. 5, 6, oder nach links zu den
                              									Oefen Nr. 3, 4 blasen zu können.
                           Die Saug- und Druckklappen bestehen aus Blechtafeln, Lederscheiben und
                              									aufgeleimtem Filz und sind so viel geneigt, daß sie in der gehobenen Lage noch nicht
                              									ganz horizontal werden.
                           Die Saugklappen wiegen 31 Kil. und ihre Oberfläche ist um 70 Proc. größer als die
                              									bedeckte lichte Oeffnung, welche, aus vier Trapezen bestehend, zusammen 0,03256
                              									Quadratmet. mißt.
                           Der Gebläsekolben besitzt zur Dichtung am Boden und Deckel
                              									Lederstulpe, zwischen welchen sich ein 316 Millimet. hoher und 85 Millimet. dicker
                              									Ring aus Weißbuchen- (Hirnholz) Segmenten befindet, welcher durch einen
                              									schmiedeeisernen Ring mit Federn und Schrauben an die Cylinderfläche gedrückt wird.
                              									Diese von Hrn. Director Jacobi eingeführte Leder- und Holzdichtung
                              									bewährt sich sehr gut. Der Kolben wird mit Oel geschmiert.
                           Hinsichtlich der von Hrn. Prof. Schmidt mit dem Gebläse
                              									angestellten Versuche und deren Berechnung müssen wir auf unsere Quelle verweisen
                              									und bemerken nur, daß die Maximalleistung der Maschine bei 3/8 Füllung sich zu 366
                              									Pferdestärken berechnete (indicirt 446,9 Pferdestärken, also Nutzeffect hierbei 82
                              									Proc.).