| Titel: | Ueber die Rücksichten der öffentlichen Gesundheitspflege auf das Arbeiten in comprimirter Luft; von Prof. Dr. Hermann Friedberg. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CXX., S. 509 | 
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                        CXX.
                        Ueber die Rücksichten der öffentlichen
                           								Gesundheitspflege auf das Arbeiten in comprimirter Luft; von Prof. Dr. Hermann Friedberg.
                        Aus den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung
                                 								des Gewerbfleißes in Preußen, 1872 S. 100.
                        Friedberg, über das Arbeiten in comprimirter Luft bezüglich der
                           								Gesundheit.
                        
                     
                        
                           Das Arbeiten in comprimirter Luft kann gesundheitsschädliche und lebensgefährliche
                              									Folgen haben, welche die öffentliche GesundheitspflegeGesundheispflege verhüten oder beseitigen will; sie vermag dieß aber nur dann, wenn sie die
                              									Natur jener Folgen erforscht.
                           Bekanntlich erheischen Brücken- und Hafen-Bauten, Arbeiten in manchen
                              									Bergwerken u.s.w. die Herstellung eines wasserfreien Raumes für die Arbeiter. Dieser
                              									wurde früher nur durch Auspumpen von Wasser gewonnen, bis der Ingenieur Triger in Angers das Auspumpen des Wassers dadurch
                              									ersetzte, daß er durch comprimirte Luft, also durch Erhöhung des Luftdruckes das
                              									Wasser verdrängte und somit einen trockenen Raum für die im Wasser vorzunehmende
                              									Arbeit herstellte. Er wandte dieses Verfahren seit 1839 in den Steinkohlengruben zu
                              									Chalons an, und erstattete darüber am 2. November 1841 Bericht an die Académie des Sciences in Paris.Triger, mémoire sur un appareil à air comprimé pour le
                                       												percement des puits de mines et autres travaux, sous les eaux et dans
                                       												les sables submergés. Comptes rendus des séances
                                       												hebdomadaires de l'Académie des Sciences, tome XIII p. 884–896. – Mitgetheilt im
                                    											polytechn. Journal, 1842, Bd. LXXXIII S. 350. Ob Triger das nach ihm benannte Verfahren selbstständig erfunden
                              									habe, lasse ich dahingestellt seyn, gerechter Weise möchte ich indeß daran erinnern,
                              									daß schon in dem Jahre 1826 der Oberbergrath v. Derschau
                              									die Wasserhebung durch Luftcompression vorgeschlagen und einen entsprechenden
                              									Apparat angegeben hat, welcher, wenn auch zu einem anderen Zwecke empfohlen, im
                              									Wesentlichen dem später von Triger angegebenen ähnlich,
                              										ist.v. Derschau, über Wasserhebung durch
                                    											Luftcompression. Karsten's Archiv für Bergbau und
                                    											Hüttenwesen, 1826, Bd. III S. 35.
                              								
                           Das hier in Rede stehende Verfahren wird seitdem auch bei Brücken- und
                              									Hafenbauten angewandt und dürfte in Zukunft eine um so größere Verbreitung finden,
                              									als man es für das Brunnenmachen empfohlen hat. Der Einfluß der comprimirten Luft
                              									auf die Arbeiter ist es eben, was uns bei den Wasserbauten interessirt; bevor ich
                              									aber ihn schildere, will ich versuchen, eine Skizze von dem Apparate zu geben, in
                              									welchem sie hergestellt wird, damit wir die Verhältnisse, auf welche es hierbei
                              									ankommt, sofort übersehen können.
                           Gegenwärtig wird der Apparat gewöhnlich folgendermaßen hergerichtet, und ist z.B. so
                              									neuerdings bei dem Brückenbau bei Düsseldorf construirt worden. Der oberste Theil
                              									des aus Eisenblech angefertigten Apparates ist die Luftschleuse; sie steht über dem Wasser und hat mehrere Ventile, von denen
                              									zwei, als Thüren dienen; die eine Thür, an der Seite der Luftschleuse, öffnet sich
                              									nach innen und dient zum Eintreten und Austreten der Arbeiter etc., die andere Thür,
                              									auf dem Boden der Luftschleuse, öffnet sich in den Steigschacht und kann ihn von der Luftschleuse abschließen. Der
                              									Steigschacht ist ein Cylinder, welcher aus der Luftschleuse in das Wasser sich
                              									einsenkt, unten in die Luftkammer oder Glocke mündet und eine Leiter für das Auf- und
                              									Absteigen der Arbeiter enthält. Die Luftkammer stößt auf dem Wassergrund auf und ist
                              									ähnlich construirt wie ein Brunnenkranz bei dem Absenken eines gewöhnlichen
                              									Hausbrunnens. In den Steigschacht mündet die Luftröhre,
                              									durch welche, über dem Wasser, eine von einer Locomobile in Bewegung gesetzte
                              									Luftdruckpumpe continuirlich Luft zuführt. Von den durch die seitliche Thür der
                              									Luftschleuse eingetretenen Arbeitern bleibt der eine in der Luftschleuse zurück, die
                              									anderen steigen in die Luftkammer hinab; sobald dieß geschehen ist, beginnt das
                              									Eintreiben der Luft durch die Luftpumpe. Nachdem die Luft in dem Apparate
                              									hinlänglich comprimirt ist, drängt sie das Wasser aus der Luftkammer hinaus, welches
                              									zwischen dem Wasserboden und dem aufstoßenden Rande der Luftkammer entweicht. In dem
                              									Apparate brennen Kerzen oder Lampen, um den Raum soweit zu erhellen, als für die
                              									Arbeiter nöthig ist. Die
                              									Arbeiter in der Luftkammer füllen Körbe mit den Theilen, welche sie aus dem Boden
                              									entfernen, also mit Sand, Steinen u.s.w. Der Arbeiter in der Luftschleuse windet die
                              									gefüllten Körbe empor, schließt dann die Thür, welche die Luftschleuse von dem
                              									Steigeschachte absperrt, und öffnet ein Ventil oder einen Hahn, um aus der
                              									Luftschleuse die comprimirte Luft austreten zu lassen, worauf die Körbe durch die
                              									geöffnete Seitenthür zu Tage gefördert werden. Sobald die Seitenthür wieder
                              									geschlossen ist, öffnet er ein Ventil, durch welches aus dem Steigeschachte die
                              									comprimirte Luft in die Luftschleuse eintritt, so lange, bis die Luft beider sich
                              									ausgeglichen hat, und es möglich ist, die den Steigeschacht von der Luftschleuse
                              									absperrende Thür zu öffnen. – Die Vorrichtung, welche die gefüllten Körbe in
                              									die Höhe schafft, fördert zugleich leere Körbe in die Luftkammer hinab.
                           Der Luftdruck in dem Apparate hängt selbstverständlich von der hydrostatischen Höhe
                              									ab; bei einer Wassertiefe von 32 Fuß braucht man 1 Atmosphäre Luftüberdruck. Ein
                              									Theil der in den Apparat eingetriebenen Luft entweicht nicht selten aus der
                              									Luftkammer, tritt unterhalb des aufstoßenden Randes in das Wasser und steigt in Form
                              									von Luftblasen empor. Ein Augenzeuge sagte mir, daß er bei dem Brückenbau bei
                              									Düsseldorf, bei welchem die Luftpumpe ununterbrochen Tag und Nacht arbeitete, solche
                              									Luftblasen in großer Zahl fortwährend aufsteigen sah. Hier fand also fortwährend ein
                              									Luftwechsel in der Luftkammer statt; in anderen Fällen aber muß er wohl nur gering
                              									gewesen seyn, denn die Kerzen und Lampen in der Luftkammer setzten so viel Ruß ab,
                              									daß dieser die Nasenflügel und Lippen der Arbeiter schwärzte, auch athmeten die
                              									Arbeiter den Ruß so massenhaft ein, daß der ausgehustete Schleim schwarz gefärbt
                              									war.
                           Die hier in Rede stehende Anwendung der comprimirten Luft hat lehrreiche technische
                              									und klinische Mittheilungen in der Presse veranlaßt, Dr.
                              										Pol
                              									PoletWatelle, mémoire sur les effets de la compression de l'air
                                       												appliquée au creusement des puits à houille. Annales
                                       												d'hygiène publique et de médicine légale. 2.
                                    												Serie, t. 1, 2, partie, Avril 1854, p. 241–279.
                                    											– Die Abhandlung von Pol wurde erst nach
                                    											dessen Tode von Watelle veröffentlicht. stellte 1847 seine Beobachtungen über die Wirkung der Luftverdichtung auf
                              									die Arbeiter in der Steinkohlengrube l'Avaleresse la
                                 										Naville zu Lourches an und machte schon auf die bedenklichen Erscheinungen
                              									aufmerksam, welche bei der Rückkehr der Arbeiter aus dem Arbeitsraume in die
                              									Vorkammer während des Einschleusens, also bei dem Uebergange zu dem gewöhnlichen
                              									Luftdrucke, sich zeigten. In dieser Grube arbeiteten stets bis sieben Arbeiter
                              									gleichzeitig vier Stunden hindurch, und zwar meist zweimal täglich, unter 3,7 Atmosphären
                              									Druck (3572 Millimet. Quecksilberpressung). Das Entschleusen dauerte anfangs kaum
                              									eine Viertelstunde, später eine halbe Stunde; von 64 Arbeitern mußten 25 wegen
                              									bedenklicher Zufälle, namentlich in Folge von Blutandrang nach den Eingeweiden
                              											(„congestions viscerales“)
                              									die Arbeit einstellen; die Rückkehr zu dem normalen Luftdrucke hatte bisweilen
                              									plötzlichen Tod zur Folge, in den Leichen fand sich Blutüberfüllung der Lunge vor.
                              									– Bei dem Baue der Pfeiler der Quarantaine-Brücke zu Lyon, der Brücke
                              									zu Macon und der Szegediner Kettenbrücke über die Theiß wurden ähnliche bedenkliche
                              									Zufälle beobachtet.Les effets physiologiques de l'air comprimé.
                                       												Observations faites au pont de Szegedin. Annales des ponts
                                       												chaussées, Tome XVII, l'année 1859, p. 368. Bei der Szegediner Brücke betrug in den Sommermonaten die Temperatur der
                              									Luft in dem Arbeitsraume in Folge der Comprimirung 48° R. (60° C.) und
                              									mehr, neun Arbeiter verweilten in ihm gleichzeitig sechs Stunden lang und ruhten
                              									sodann sechs Stunden aus. Herrn Vivenot wurde theils
                              									schriftlich theils mündlich über ähnliche Zufälle aus verschiedenen Kohlengruben,
                              									namentlich über eine auffallende Abmagerung der Arbeiter, berichtet.Vivenot, zur Kenntniß der physiologischen Wirkung
                                    											und der therapeutischen Anwendung der verdichteten Luft. Eine
                                    											physiologisch-therapeutische Untersuchung, Erlangen 1868, S. 35 und
                                    											36.
                              								
                           Aus dem Berichte von François über die Wirkung der
                              									comprimirten Luft bei der Kehl-Straßburger RheinbrückeFrançois, des effets de l'air. comprimé sur les ouvriers travaillans dans
                                       												les caissons servant de base aux piles du Grand-Rhin. Annales
                                       												d'hyg. publ. et de méd. lég. Sér. II. Tome XIV, 1860, p.
                                    											289–319. – Ein technischer Bericht über diesen Brückenbau
                                    											findet sich in: Schwedler und Hipp, der Rhein-Brückenbau bei Kehl; Erbkam's Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. 10, S.
                                    											7. – Technische Berichte über Arbeiten in Bergwerken unter Anwendung
                                    											von comprimirter Luft sind auch enthalten in den Annales de travaux publiques de Belgique, tome VI, p. 5. (Trasenster) t. VII p. 35 (Bonhy),
                                    												t. XVI p. 307
                                    												(Bouget); in:
                                       												A. T.
                                    											Ponson, traité de l'exploitation des mines de houille, Liège
                                    											1852, tome I §. 221–226, page 498–524; in: Lottner-Serlo, Leitfaden zur Bergbaukunde Berlin 1869, Bd
                                    											I. ersehen wir, daß die Arbeiter in zwei Abtheilungen getheilt waren, von denen
                              									jede 6 Stunden ausruhte; später währte die Arbeit nur 4 Stunden, und die Ruhe 8
                              									Stunden. Die Arbeiter standen oft bis über die Kniee im Wasser. In den Arbeitsräumen
                              									herrschte eine hohe Temperatur der mit Lampenruß überfüllten Luft, welche beim
                              									Entschleusen sich abkühlte und Frostgefühl erzeugte. Die Arbeiter magerten sehr ab
                              									und bekamen ein leidendes Aussehen. Verschiedene Krankheitserscheinungen, welche dem
                              									Aufenthalte in der Luftkammer zugeschrieben werden („maladies, dites du caisson“), traten erst
                              									bei der Rückkehr zu dem normalen Luftdrucke ein, und zwar dann, wenn das
                              									Entschleusen zu rasch vor sich ging. Unter diesen Krankheitserscheinungen nennt François Ohrenschmerzen und Entzündung des
                              									Gehörorganes, Muskel- und Gelenk-Schmerzen, Gehirncongestionen,
                              									Nasenbluten, Blutspeien, Athmungsnoth, heftiges Hautjucken, Lähmung der unteren
                              									Extremitäten, Harnverhaltung und Stottern. Diese Krankheitserscheinungen waren nicht
                              									immer vereinigt, die einen oder die anderen fehlten, auch erkrankten nicht alle
                              									Arbeiter. Fast alle Arbeiter wurden von Ohrenschmerzen oder Entzündung des
                              									Gehörorganes befallen. 127 Arbeiter wurden von Muskel- und
                              									Gelenk-Schmerzen ergriffen, 4 bekamen Lähmung der unteren Extremitäten und
                              									Harnverhaltung, ein Arbeiter, 40 Jahre alt, erkrankte an Entzündung des
                              									Rippen- und Bauchfelles und an allgemeiner Wassersucht und erlag diesen
                              									Leiden nach 3 Monaten. Gehirncongestionen wurden dreimal, Congestionen nach dem
                              									Herzen, der Leber und Milz, zweimal beobachtet. Die gleich nach der Rückkehr zu dem
                              									normalen Luftdrucke eingetretenen Leiden besserten sich, wenn die Arbeiter sofort
                              									von Neuem in die comprimirte Luft gebracht wurden. Das häufig vorkommende
                              									Wechselfieber dürfte wohl mehr eine Folge des Arbeitens im Wasser als des erhöhten
                              									Luftdruckes gewesen seyn. – Von großem Interesse sind auch die Beobachtungen,
                              									welche Foley bei dem Brückenbau von Argenteuil angestellt
                              										hat.Foley, du travail
                                       												dans l'air comprimé, étude médicale,
                                       												hygiénique et biologique, fait au pont d'Argenteuil. Paris
                                    											1863. Mittheilungen aus preußischen Bergwerken verdanken wir u.a. Busset,Busset, die Aufwältigung eines Schachtbruches im
                                    											schwimmenden Gebirge mittelst comprimirter Luft auf der Steinkohlengrube
                                    											Maria im Wormrevier. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und
                                    											Salinen-Wesen in dem preußischen Staate, herausgegeben in dem
                                    											Ministerium für Handel, Gewerbe etc., 1857, Bd. IV S. 255.
                              									Lottner,Lottner, über die Anwendung comprimirter Luft bei
                                    											Senkarbeiten bei schwimmendem und wasserreichem Gebirge. Dieselbe
                                    											Zeitschrift, 1860, Bd. VIII S. 43.
                              									Honigmann
                              									Honigmann, Erweiterung einer verengten Stelle des
                                    											im schwimmenden Gebirge stehenden Kunstschachtes der Steinkohlengrube Maria
                                    											im Bergamtsbezirk Düren, unter Anwendung comprimirter Luft. Dieselbe
                                    											Zeitschrift, 1860, Bd. VIII S. 152. und Wagner.Wagner, die zweite Betriebsperiode der
                                    											Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge im Concessionsfelde Rheinpreußen
                                    											bei Homburg, unter Anwendung comprimirter Luft. Dieselbe Zeitschrift, 1869,
                                    											Bd. XVII S. 385.
                              								
                           Wenn wir die Wirkung der comprimirten Luft auf den thierischen Organismus erwägen,
                              									gelangen wir zu der Ueberzeugung, daß nicht nur, wie man behauptet hat, die Rückkehr
                              									zu der gewöhnlichen Luft, sondern auch der Aufenthalt in der verdichteten Luft
                              									diejenige Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Arbeiter mit sich bringen
                              									könne, welche ich bereits angedeutet habe und bald näher angeben werde. Aufschluß
                              										über seine Wirkung
                              									geben uns die Beobachtungen und Versuche von Junod,Th. Junod, recherches sur les effets physiologiques et thérapeutiques de la
                                       												compression et de la raréfaction de l'air, tant sur le corps que
                                       												sur les membres isolés. Archives gén. de médecine,
                                       												t. IX p. 157–172, Octobre 1835.
                              									Guérard,Guérard, note sur les effets physiologiques et pathologiques de l'air
                                       												comprimé. Annales d'hygiène publique, série
                                    											II, 1854, t. I p.
                                    											279–304.
                              									François,François, deseffets de l'air comprimé sur les ouvriers travaillans dans
                                       												les caissons servant de base aux piles du pont du Grand-Rhein.
                                       												Annales d'hygiène publique, 1860, No. 28. Felix Hoppe,Felix Hoppe, über den Einfluß, welchen der Wechsel
                                    											des Luftdruckes auf das Blut ausübt. Joh. Müller's Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche
                                    											Medicin, Jahrgang 1857, Bd. I S. 63–73.
                              									Vivenot,Am angeführten Orte, S. 150–496.
                              									Panum,Panum, Untersuchungen über die physiologischen
                                    											Wirkungen der comprimirten Luft. Pflüger's Archiv
                                    											für die gesammte Physiologie, 1868, 1. Jahrgang, S. 125. sowie die bereits genannten Arbeiten von Foley,
                                 										Pol und Watelle; nur können wir den von diesen
                              									Schriftstellern ausgesprochenen Ansichten nicht überall beipflichten.
                           Auf welche Weise wird die Gesundheit der Arbeiter durch die technische Anwendung der
                              									comprimirten Luft gefährdet?
                           Die stark verdichtete Luft übt auf die Körperoberfläche einen mächtigen Druck aus und
                              									dringt mit solchem in die ihr zugänglichen Körperhöhlen ein. So comprimirt sie die
                              									auskleidende Haut des äußeren Gehörganges und drängt von ihm aus das Trommelfell
                              									gegen die Paukenhöhle, gleichzeitig dringt sie in diese auch von der
                              									Nasen-Rachen-Höhle aus durch die Eustachische Röhre ein; auf diese
                              									Weise wird der Inhalt der Paukenhöhle von zwei Seiten her comprimirt und gegen die
                              									Zellen des Zitzenfortsatzes sowie gegen das Labyrinth angedrängt. Demzufolge stellen
                              									sich bei den Arbeitern in der verdichteten Luft Ohrensausen, Schmerzen im Ohre, Reiz
                              									zu Schlingbewegungen und Schwerhörigkeit ein, bei welcher manche ihre eigenen Worte
                              									nicht hören und deßhalb sehr laut sprechen, wie mir dieß mehrere Personen
                              									übereinstimmend versicherten, welche, des Versuches wegen, in die Luftkammer
                              									hinabgestiegen waren. Hieraus können wir uns verschiedene Leiden erklären, welche im
                              									Gebiete des Gehörorganes bei den Arbeitern nach der Rückkehr in die gewöhnliche Luft
                              									vorkommen. Sie entstehen aber um so leichter dann, wenn diese Rückkehr plötzlich
                              									erfolgt, so daß der nun entfesselte Inhalt der Paukenköhle sich plötzlich zu stark
                              									ausdehnt. Diese Leiden bestehen nicht nur in Blutungen aus dem Gehörorgane,
                              									Schwerhörigkeit oder dauernder Taubheit, sondern auch in höchst schmerzhafter und
                              									langwieriger Entzündung des inneren Gehörorganes (Otitis
                                 										interna). Die Thatsache, daß mancher Schwerhörige in der comprimirten Luft gut
                              									hört, wird uns nicht befremden, wenn wir erwägen, daß es unter den verschiedenen
                              									Ursachen der Schwerhörigkeit auch solche gibt, denen der von der comprimirten Luft
                              									ausgeübte Einfluß entgegenwirkt. Diese Thatsache wird uns selbstverständlich nicht
                              									verleiten, die Schuld zu bezweifeln, welche die comprimirte Luft an jenen Leiden der
                              									Arbeiter hat.
                           In Folge des Druckes, welchen die Rachenschleimhaut von der eindringenden
                              									verdichteten Luft erfährt, kann eine Ernährungsstörung dieser Membran auftreten und
                              									erhebliche Schlingebeschwerden mit sich bringen.
                           Die in die Lungen eindringende verdichtete Luft drängt dieselben sammt dem
                              									Zwerchfelle kräftig gegen die Bauchhöhle hinab, denn sie findet in ihr, weil die
                              									Darmgase dünner sind als sie, keinen ausreichenden Widerstand; sie verengert die
                              									Bauchhöhle in Gemeinschaft mit der von außen her gegen die Bauchwand andrängenden
                              									verdichteten Luft, so daß die Baucheingeweide einen Druck erfahren. Der Reiz, den
                              									die comprimirte Luft auf die Lunge ausübt, löst heftigen Husten aus und erzeugt
                              									Beklemmung und Schmerz in der Brust. Eine so schwache Verdichtung her Luft, wie sie
                              									bei Inhalationskuren angewandt wird, erzeugt freilich ein wohlthuendes, tiefes,
                              									leichtes Einathmen; anders aber verhält es sich bei der Luftverdichtung in dem
                              									Arbeitsapparate. „Das Husten,“ berichtet z.B. Wagner, „war so anstrengend und oft mit so
                                 										heftigen Schmerzen verbunden, daß alle Leute, welche am Husten litten, von der
                                 										Arbeit in comprimirter Luft fern gehalten werden mußten.“
                              									Wagner, am angeführten Orte, S. 414.
                              								
                           Durch das tiefe Einathmen gelangt eine übermäßige Menge von Sauerstoff in das Blut,
                              									welches in Folge dessen, wie die Anwendung von Schröpfköpfen gezeigt hat,
                              									ungewöhnlich Hellroth ist, und in die Gewebe, welche eine entsprechend große Menge
                              									von Kohlensäure bei dem Ausathmen abgeben. Diese Steigerung des
                              									Verbrennungsprocesses ist zugleich eine solche des gesammten Stoffumsatzes, mit
                              									vermehrter Harnstoffbildung, und ist wohl geeignet, die durchweg beobachtete
                              									Abmagerung solcher Personen herbeizuführen, welche einige Wochen täglich in der
                              									comprimirten Luft gearbeitet haben. Eine mitwirkende Ursache dieser Abmagerung
                              									dürfen wir auch in dem starken Schwitzen der Arbeiter in der Luftkammer suchen, in
                              									welcher, da durch die Compression der Luft Wärme frei wird, eine hohe Temperatur
                              									herrscht; auch möchte ich hierbei an die Abmagerung der Arbeiter erinnern, welche in
                              									Walzwerken, Glashütten etc. in erhitzter Luft arbeiten und stark schwitzen; in
                              									diesen gewerblichen Anstalten wurde mir glaubwürdig mitgetheilt, daß mit der Zeit
                              										bei den Arbeitern
                              									der Schweiß sich verringere und die Abmagerung nicht mehr zunehme.
                           Der Druck der verdichteten Luft und die vermehrte Oxydation des Blutes üben einen
                              									Reiz auf die Muskeln aus, in Folge dessen sie allerdings momentan kräftiger
                              									erscheinen und das Arbeiten erleichtern, bald aber fühlen sich die Arbeiter
                              									übermäßig angestrengt und ermüdet. So strengte z.B. die von Wagner
                              									Wagner, a. a. O., S. 414. beobachteten Arbeiter „das Arbeiten so an, daß selbst die
                                 										stärksten Leute kaum sechs kräftige Schläge mit einem 10 Pfund schweren Hammer
                                 										nach einander ausführen konnten und dann eine solche Brustbeengung hatten, daß
                                 										sie nach einer solchen Arbeit oft kraftlos zusammensanken. Hierzu gesellte sich
                                 										gegen das Ende der Schicht ein heftiger Schmerz in allen Gelenken und wohl auch
                                 										in den Muskeln der Arme und Füße, welcher Schmerz auch noch einige Stunden nach
                                 										der Schicht andauerte. Bei einigen Arbeitern wurden diese Gliederschmerzen so
                                 										heftig, daß sie nach beendigter Schicht die Arme oft mehrere Stunden in Binden
                                 										tragen mußten und eine Treppe nicht mehr zu steigen im Stande waren.“
                              									Ziehende, reißende Gliederschmerzen sind auch von anderen Beobachtern constatirt.
                              									Nicht selten werden sie von Zuckungen begleitet und arten um so leichter in heftigen
                              									Rheumatismus und in Gliederlähmung aus, als die Arbeiter, bei reichlichem Schweiße,
                              									der Erkältung preisgegeben sind. Letztere wird durch zwei Ursachen begünstigt.
                              									Erstens nämlich kühlt sich die comprimirte Luft, welche nicht selten sich bis auf
                              									35° R. erwärmt hat, beim Entschleusen plötzlich bis auf 4° R. ab;
                              									zweitens stehen die Arbeiter in der Luftkammer auf nassem Boden, nicht selten reicht
                              									ihnen das Wasser bis zu den Fußknöcheln oder noch höher hinauf.
                           Der Druck der verdichteten Luft drängt das Blut von der Oberfläche des Körpers nach
                              									den Eingeweiden hin. In welchem Maaße dieß geschehe, können wir aus dem Erblassen
                              									des Gesichtes und aus dem kleinen Radialpulse der Arbeiter ermessen. Die Aufhäufung
                              									des Blutes in den Eingeweiden erzeugt nicht nur Eingenommenheit des Kopfes und
                              									Brustbeklemmung, sondern kann auch Blutergüsse herbeiführen; so sind z.B. Blutungen
                              									aus Nase und Mund keine seltene Erscheinung. Auch Ernährungsstörungen in den
                              									Eingeweiden kommen auf diese Weise zu Stande, und zwar um so leichter dann, wenn die
                              									Rückkehr in den gewöhnlichen Luftdruck zu schnell erfolgt. In dem letzteren Falle
                              									hat man verschiedene gefährliche und sogar tödtliche Affectionen eintreten sehen,
                              										namentlich:
                              									ungestüme, krampfhafte Herzbewegung, hochgradige Athemnoth, Lungenblutung,
                              									Entzündung der Luftwege mit Heiserkeit und Husten, Entzündung des Brust- und
                              									Bauchfelles, krankhafte Blutvertheilung im Gehirn und Rückenmark, und in Folge
                              									dessen Krämpfe, z.B. Stottern, Lähmung, namentlich der Harnblase und der Beine,
                              									– ferner Anschwellung der Leber und Milz.
                           Ein besonderes Interesse bieten unter den Folgen der unvorsichtigen Rückkehr in den
                              									gewöhnlichen Luftdruck die Fälle von tiefer Ohnmacht und von plötzlichem Tode dar.
                              									Manche von diesen Fällen erinnern uns an die von Chirurgen und Geburtshelfern
                              									beobachtete tiefe Ohnmacht und den plötzlichen Tod in Folge des Eindringens von Luft
                              									in klaffende Wunden von Blutadern.Hermann Friedberg, gerichtsärztliche und kritische
                                    											Bemerkungen über Casper's praktisches Handbuch
                                    											der gerichtlichen Medicin. Lahr 1857, S. 41. Der schnelle Uebergang der Arbeiter in den gewöhnlichen Luftdruck bewirkt
                              									nämlich eine schnelle Entladung des durch den gesteigerten Luftdruck erzeugten
                              									Gasüberschusses des Blutes.
                           Bei dieser schnellen Entladung nun können in dem Blute Gasblasen sich bilden, welche
                              									in dem Herzen und den Lungen den Blutkreislauf unterbrechen und plötzlich eine tiefe
                              									Ohnmacht oder den Tod herbeiführen, gerade so, wie dieß in Folge des Eindringens von
                              									atmosphärischer Luft in die klaffende Wunde einer Blutader geschieht. In anderen
                              									Fällen kann eine tiefe Ohnmacht oder ein plötzlicher Tod in Folge des schnellen
                              									Uebertrittes der Arbeiter aus der comprimirten Luft in die Luft von der gewöhnlichen
                              									Dichtigkeit dadurch zu Stande kommen, daß eine plötzliche und übermäßige Ausdehnung
                              									der comprimirten Blutgefäße erfolgt, welche schwächend oder lähmend auf die
                              									Nervencentralgebilde oder auf das Herz wirkt. Auch Berstung des Herzens oder eines
                              									größeren Blutgefäßes, also eine innere Verblutung, kann die Folge jener plötzlichen
                              									und übermäßigen Ausdehnung seyn, nämlich dann, wenn ein organisches Leiden der
                              									Herz- oder Gefäßwand die Widerstandskraft der letzteren in ausreichendem
                              									Maaße verringert.
                           Diejenigen Beobachter, welche uns mit den Affectionen der Arbeiter in comprimirter
                              									Luft bekannt gemacht haben, behaupten übereinstimmend, daß jene Leiden nicht von dem
                              									erhöhten Luftdrucke, sondern von der zu schnellen Rückkehr in den gewöhnlichen
                              									Luftdruck herrühren. Wenn wir jedoch die Wirkung der verdichteten Luft auf den
                              									thierischen Organismus erwägen, so gelangen wir zu der Ueberzeugung, daß, obwohl in
                              									jener plötzlichen Rückkehr das überwiegend schädliche Moment zu suchen ist, der so hoch gesteigerte
                              									Luftdruck in dem Arbeitsraum auch an sich nicht für unschädlich gehalten werden
                              									dürfe.
                           Auf der anderen Seite hat man gewisse Leiden bei jenen Arbeitern mit Unrecht der
                              									comprimirten Luft zugeschrieben, so namentlich das bei ihnen öfter beobachtete
                              									Wechselfieber, welches wohl nur eine Folge davon war, daß Wasser in den Arbeitsraum
                              									eindrang und ihnen stundenlang die Füße erkältete, wenn diese nicht durch
                              									wasserdichte Stiefeln und durch wollene Socken geschützt waren.
                           Wie können wir die Arbeiter vor der Gefahr schützen, mit
                                 										welcher sie das Arbeiten in verdichteter Luft bedroht? Für durchaus
                              									nothwendig halte ich es, daß die Zulassung zu dieser Arbeit nur auf Grund einer
                              									umsichtigen ärztlichen Untersuchung erfolge; Personen, bei denen sich eine Anlage zu
                              									Blutanhäufungen im Gehirn oder in anderen wichtigen Organen, oder eine Erkrankung in
                              									denselben vorfindet, müssen unbedingt von der Arbeit in verdichteter Luft
                              									ferngehalten werden. Nur gesunde Personen eignen sich für diese Arbeit, aber auch
                              									sie sollen ihr nur vier Stunden täglich obliegen. Die comprimirte Luft darf nie den
                              									Druck von 3 Atmosphären übersteigen; wenn aber auch nur bei 1 Atmosphäre Ueberdruck
                              									gearbeitet werden soll, dann muß schon ein zweckmäßiger Kühlapparat angebracht seyn,
                              									wozu indeß das Wasser selbst benutzt werden kann. Erfordert die Tiefe des Wassers
                              									einen höheren Luftdruck als einen von 3 Atmosphären, dann halte ich die Anwendung
                              									der comprimirten Luft in Rücksicht auf die Gesundheit der Arbeiter für unstatthaft;
                              									es ist allerdings vorgekommen, daß Arbeiter bei höherem Luftdruck gearbeitet und
                              									keine erheblichen Nachtheile davongetragen haben; indeß läßt sich eine solche
                              									Immunität nicht voraussehen. Die Verdichtung der Luft in der Arbeitskammer soll nur
                              									allmählich erfolgen, etwa in dem Zeitraum von 1/4 Stunde; die allmähliche Verdünnung
                              									der Luft aber, bevor die Arbeiter den Arbeitsraum verlassen, erheischt mindestens
                              									ebensoviel Zeit. Es dürfte zweckmäßig seyn, eine Vorrichtung zu treffen, durch
                              									welche man das Verbindungs- oder Auslaß-Ventil so enge stellen kann,
                              									daß dadurch die Zeit sich regulirt; auch müßte jene Vorrichtung die Arbeiter
                              									verhindern, diese Stellung des Ventiles zu ändern. Dieselben müssen sofort, wenn sie
                              									an die gewöhnliche Luft kommen, wo möglich schon vorher, warme Kleidung anlegen und
                              									die Füße abtrocknen, weil sie in Folge des Arbeitens in der warmen Luft des
                              									Arbeitsraumes stark schwitzen, und die Füße meist von dem eindringenden Wasser
                              									durchnäßt sind. Wenn die Arbeiter zu Tage gekommen sind, dürfen sie sich nicht
                              									hinsetzen oder hinlegen, sondern müssen behufs der Wiederherstellung der normalen
                              									Blutvertheilung und Gewebsspannung sich Bewegung machen. Wenn bei unvorsichtiger Rückkehr
                              									an die gewöhnliche Luft bedrohliche Erscheinungen, namentlich tiefe Ohnmacht
                              									auftreten, muß der Arbeiter sofort in den Apparat zurückgebracht, und die Luft von
                              									Neuem allmählich verdichtet werden; erst dann wenn er sich hier hinreichend erholt
                              									hat, ist das Entschleusen, mit der erforderlichen Vorsicht, zulässig.
                           Die Arbeiten in verdichteter Luft überhaupt zu verbieten, halte ich nicht für
                              									zulässig, denn sie können auf die eben angegebene Weise unschädlich gemacht werden
                              									und sind unter Umständen unentbehrlich. Ein solches Verbot würde nur eine
                              									Erschwerung der Arbeiten im Wasser herbeiführen, welche um so erheblicher wäre, als
                              									man sich der comprimirten Luft nicht nur bei Brücken- und Hafen-Bauten
                              									und in Bergwerken bedient, sondern sie auch bei den Brunnenmachern in Gebrauch
                              									ziehen will. Bei gewöhnlichen Brunnen dürfte dieß übrigens wohl nur selten
                              									vorkommen, weil deren Zweck dann erreicht wird, wenn Wasser angehauen ist, und weil
                              									man anderen Falles ohne Schwierigkeit den Brunnen mit Senkmauer und Senkbohrer
                              									vertiefen kann.