| Titel: | Ueber die Gegenwart von Eiweiß in neutralen Fetten und ein neues Verfahren zur Gewinnung von Stearin- und Palmitinsäure; von W. Laut Carpenter. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CXXXIII., S. 560 | 
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                        CXXXIII.
                        Ueber die Gegenwart von Eiweiß in neutralen
                           								Fetten und ein neues Verfahren zur Gewinnung von Stearin- und Palmitinsäure; von
                           								W. Laut Carpenter.
                        Auszug einer in der Versammlung der British Association zu BrightonBrigthon vorgetragenen Abhandlung. – Aus Chemical News,
                              									vol. XXVI p. 88; August 1872.
                        Carpenter, über ein neues Verfahren zur
                           								Stearinsäure-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Für die internationale Ausstellung d. J. 1871 (in London) hatte Prof. J. C. A. Bock in Copenhagen mehrere Proben von Stearinsäure und verwandten Producten
                              									gesendet, die der Angabe zufolge nach einem neuen Verfahren dargestellt waren,
                              									welches vor allen bisher bekannten Methoden zahlreiche Vorzüge besitzen sollte. Der
                              									Verfasser dieser Mittheilung besuchte Copenhagen zweimal zu dem Zwecke, dieses
                              									Verfahren näher kennen zu lernen, wornach er die Anwendung desselben in England auf
                              									noch andere neutrale Fette, als bloß Talg, auszudehnen versuchte. Der Erfinder der
                              									neuen Methode, Professor und Staatsrath, Med. Dr.
                              									Bock in Copenhagen, wurde auf dieselbe durch beharrliches
                              									Studium der mikroskopischen und chemischen Eigenschaften der Neutralfette und durch
                              									Untersuchungen über die den Unvollkommenheiten der bisher angewendeten Methoden zu
                              									Grunde liegenden Verhältnisse geführt. Bisher war nämlich, wenn Fette durch Alkali
                              									zersetzt wurden, ein großer Ueberschuß von letzterem über die der Theorie nach
                              									erforderliche Menge nöthig, falls die Operation nicht unter sehr starkem Drucke
                              									ausgeführt wurde, wobei jedoch die Gefahr einer Explosion sehr bedeutend war. Bei
                              									der Zersetzung der Fette durch Schwefelsäure (welches Verfahren in England bisher
                              									gewöhnlich angewendet wurde) ging viel Fett durch Verkohlung und Verbrennung
                              									verloren und der Rückstand war so schwarz, daß er, um zu Fabrikszwecken verwendet
                              									werden zu können, destillirt werden mußte. Diese Operation war mit großer
                              									Feuers- und Explosionsgefahr verbunden und verursachte bedeutende Kosten.
                           Bock wies nach, daß die meisten Neutralfette aus kleinen
                              									Fettkügelchen bestehen, die von albuminösen Hüllen umgeben sind, welche 1,0 bis 1,5
                              									Procent vom Gewichte des Fettes ausmachen; er zog ferner in Erwägung, daß der zur
                              									Zersetzung der Fette erforderliche Ueberschuß an Alkali, an Druck oder an Hitze, in
                              									der That zur Zerstörung und Entfernung dieser eiweißhaltigen Hüllen verbraucht
                              									werde, welche letzteren auch die im Fett enthaltenen oder während dessen Zersetzung
                              									sich bildenden Farbstoffe an sich ziehen.
                           Das wirkliche Vorhandenseyn von Eiweiß ließ sich im Laboratorium durch Auflösen des
                              									Fettes in Aether oder Benzol und Fällen der Lösung mit Wasser, oder durch Kochen des
                              									Fettes mit einer starken Lösung von Oxalsäure nachweisen. In beiden Fällen sammelten
                              									sich die albuminösen Häute an der Grenze beider Flüssigkeitsschichten.
                           Bei Bock's Verfahren werden die Eiweißhüllen dadurch
                              									zerrissen und zum Theil zerstört, daß man das Fett eine gewisse Zeit lang und bei
                              									einer bestimmten Temperatur mit einer geringen Menge von starker Schwefelsäure
                              									behandelt. Das aus den Hüllen herausgetretene Neutralfett befindet sich nun in einem
                              									Zustande, in welchem es zur Zersetzung durch Kochen mit Wasser in offenen Behältern
                              									geeignet ist; letztere Operation beansprucht zu ihrer vollständigen Ausführung mehrere
                              									Stunden. Das Vorschreiten dieser Zersetzung wird mittelst der mikroskopischen
                              									Untersuchung der Fett- oder Fettsäurekrystalle beurtheilt, zu welchem Zwecke
                              									man eine dünne Schicht auf einem Glasstreifen langsam erkalten läßt. Nachdem die
                              									Zersetzung erfolgt ist, wird das in dem zur Operation verwendeten Wasser aufgelöste
                              									Glycerin vom Rückstande abgezogen, gereinigt und bis zu dem gewünschten
                              									Concentrationsgrade eingedampft.
                           Die Fettsäuren, deren Menge bis zu 94 Procent des angewendeten Fettes beträgt, zeigen
                              									in diesem Stadium des Processes eine dunkelbraune oder schwärzliche Färbung. Die
                              									nächstfolgende Operation besteht in der Abscheidung der albuminösen Häute und mit
                              									denselben des größten Theiles der färbenden Substanzen. Zu diesem Zwecke werden die
                              									Fettsäuren in offenen Bottichen mit verdünnten Lösungen gewisser oxydirender
                              									Agentien behandelt, durch welche die Farbstoffe theilweise oxydirt und specifisch
                              									schwerer werden, so daß sich dieselben, wenn die Oxydation weit genug gediehen ist,
                              									binnen kurzer Zeit am Boden des Behälters absetzen und die Fettsäuren in ziemlich
                              									entfärbtem Zustande zurücklassen. Als Oxydationsmittel wendet Bock Schwefelsäure, Salpetersäure oder Salzsäure mit übermangansaurem
                              									Kali, zweifach-chromsaurem Kali oder unter-chlorigsaurem Kalk an.
                           Hierauf werden die Fettsäuren zwei- bis dreimal mit verdünnter Säure und
                              									Wasser ausgewaschen, und dann nach dem gewöhnlichen Verfahren kalt oder heiß
                              									gepreßt; es bleibt Stearinsäure zurück, deren Schmelzpunkt höher liegt und deren
                              									Menge bedeutender ist, als bei der Anwendung irgend eines anderen Verfahrens;
                              									überdieß erhält man eine zur Seifenfabrication und zu anderen Zwecken vorzüglich
                              									geeignete Oleinsäure. Einer der bedeutendsten Vorzüge des Verfahrens besteht darin,
                              									daß sämmtliche Operationen in offenen Gefäßen durch Kochen mit Dampf von höchstens
                              									35 Pfund Pressung ausgeführt werden.
                           Der Verfasser ist gegenwärtig mit der Anwendung dieses Verfahrens auf die
                              									Verarbeitung von Palmöl und anderen Pflanzenfetten beschäftigt, und erläuterte
                              									seinen Vortrag durch Vorzeigung von Producten aus verschiedenen Stadien der
                              									Fabrication.