| Titel: | Ueber die Methoden zur Unterscheidung und Trennung von Seide, Wolle und Pflanzenfasern in gemischten Geweben; von Emil Kopp. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CXXXIV., S. 563 | 
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                        CXXXIV.
                        Ueber die Methoden zur Unterscheidung und
                           								Trennung von Seide, Wolle und Pflanzenfasern in gemischten Geweben; von Emil Kopp.
                        Aus dem Moniteur
                                 									scientifique, 1871 p. 476.
                        Kopp, über die Methoden zur Unterscheidung und Trennung der
                           								Gespinnstfasern.
                        
                     
                        
                           Die zu diesem Zwecke gewöhnlich angewendeten Methoden beruhen entweder auf dem
                              									Verhalten der thierischen und pflanzlichen Fasern gegen gewisse Reagentien, oder auf
                              									ihrer größeren oder geringeren Verwandtschaft zu verschiedenen Farbstoffen,
                              									namentlich künstlich dargestellten. Zum besseren Verständniß des Werthes der
                              									empfohlenen Methoden halte ich es für zweckmäßig, die wichtigsten Reactionen welche
                              									die Gespinnstfasern zeigen, dem Leser in's Gedächtniß zurückzurufen.
                           Da alle pflanzlichen Gespinnstfasern (Baumwolle, Flachs,
                              									Hanf etc.) Cellulose zur Basis haben, so widerstehen sie der Einwirkung sogar
                              									kochend heißer wässeriger Lösungen der ätzenden Alkalien sehr kräftig, werden
                              									dagegen von concentrirter Schwefelsäure, Salpetersäure, und Salzsäure, sowie von
                              									eben diesen Säuren, auch wenn dieselben verdünnt sind, aber erhitzt werden, stark
                              									angegriffen. So läßt sich ein baumwollener Stoff, ohne großen Schaden zu leiden, in
                              									kaltes Wasser eintauchen, welches 5 bis 10 Procent Säure enthält; wird aber die
                              									Flüssigkeit erhitzt, besonders bis zum Kochen, so wird die Baumwolle nach kurzer
                              									Zeit zerreiblich, löst sich dann auf, und wird nach und nach in Gummi und Zucker
                              									umgewandelt. Es ist jedoch zu bemerken, daß rauchende Salpetersäure oder ein Gemisch
                              									von Salpetersäure und Schwefelsäure die Pflanzenfaser nicht auflöst, sondern
                              									dieselbe, fast ohne ihr physisches Ansehen zu ändern, in Schießbaumwolle oder
                              									Pyroxylin umwandelt. Ammoniak ist ohne alle Wirkung auf Baumwolle und Hanf, sowohl
                              									bei gewöhnlicher, wie bei erhöhter Temperatur; läßt man aber eine Lösung von
                              									Kupferoxyd-Ammoniak (Schweitzer's Reagens) auf
                              									Baumwolle, Hanf oder Flachs einwirken, so werden diese Substanzen gelöst.
                              									Pflanzliche Gespinnstfasern haben im reinen Zustande gewöhnlich wenig Verwandtschaft
                              									zu künstlich dargestellten Farbstoffen und werden von denselben nur schwach oder gar
                              									nicht gefärbt; die Anwendung von etwas Seife genügt, um die Färbung zu beseitigen.
                              									– Cellulose widersteht auch der Wirkung des Chlors und der
                              									Unterchlorigsäuresalze ziemlich gut, und entwickelt beim Verbrennen keinen
                              									charakteristischen Geruch.
                           Wolle verhält sich anders als Baumwolle; sie widersteht
                              									der Einwirkung der Säuren ganz gut, selbst wenn dieselben concentrirt und heiß sind; Aetzlaugen
                              									dagegen zerstören ihren Aggregatzustand und lösen sie auf, besonders bei höherer
                              									Temperatur. Da die Wolle schwefelhaltig ist, so entsteht bei ihrem Auflösen in
                              									Aetznatron Schwefelnatrium, durch welches essigsaures Bleioxyd schwarz gefärbt wird.
                              									Durch Salpetersäure wird die Wolle intensiv gelb gefällt; ganz ähnlich verändernd
                              									wirken Chlor und Unterchlorigsäuresalze und ertheilen ihr eine gleiche gelbe Farbe.
                              										Schweitzer's Reagens bleibt bei gewöhnlicher
                              									Temperatur ohne Wirkung auf Wolle, löst aber dieselbe in der Wärme auf. – Bei
                              									ihrer Zersetzung durch Hitze entwickelt die Wolle den charakteristischen Geruch von
                              									verbranntem Horn. Sie zeigt eine große Verwandtschaft für Farbstoffe im Allgemeinen,
                              									besonders aber für künstlich dargestellte, von denen sie selbst ohne Beihülfe von
                              									Beizmitteln mit der größten Leichtigkeit gefärbt wird.
                           Seide gibt beim Verbrennen einen ähnlichen Geruch von
                              									sich, wie Wolle. Von den oben genannten Säuren, wenn man diese in concentrirtem
                              									Zustande anwendet, wird sie, namentlich bei Anwendung höherer Temperatur, aufgelöst;
                              									von kalter Salpetersäure wird sie gelb gefärbt; mit Wasser verdünnte Säuren wirken
                              									nicht sehr kräftig auf sie. Concentrirte Alkalilaugen lösen Seide so gut wie Wolle;
                              									die Lösung enthält aber kein Schwefelalkali. Von sehr verdünnten Alkalilaugen wird
                              									sie verändert, aber nicht gelöst; Ammoniak bleibt ohne Wirkung auf sie, aber von Schweitzer's Reagens wird sie verflüssigt, gleich der
                              									Baumwolle. Gegen Farbstoffe verhält sich die Seide in Bezug auf Verwandtschaft in
                              									gleicher Weise wie Wolle.
                           Wir wollen nun zu den verschiedenen Methoden übergehen, welche angewendet werden
                              									können erstlich zur Erkennung der verschiedenen Arten von Gespinnstfasern in
                              									gemischten Geweben und zweitens zur Trennung derselben von einander, so daß sich die
                              									eine oder die andere wieder benutzen läßt. Wir beschränken uns auf die rein
                              									chemischen Reactionen, erinnern aber daran, daß das Mikroskop ein sehr wichtiges Hülfsmittel zur Erkennung und Unterscheidung
                              									der Gespinnstfasern ist, denn dieselben zeigen, ihrer Abstammung entsprechend,
                              									gänzlich verschiedene Texturen, welche für sich allein zur Charakterisirung der
                              									verschiedenen Specien hinreichen.
                           Erkennung der Gegenwart von Pflanzenfasern (Baumwolle, Hanf,
                                 										Flachs, Jute etc.), in einem aus Wolle und Seide bestehenden Gewebe.
                              									– Hierzu ist es nur erforderlich, den Zeug in einer wässerigen Lösung von
                              									Aetznatron (aus 10 Theilen geschmolzenem Aetznatron in 100 Theilen Wasser) zu
                              									kochen. Wolle und Seide werden aufgelöst, die Pflanzenfaser aber wird nicht
                              									angegriffen und bleibt
                              									mit ihren wesentlichen charakteristischen Eigenschaften als Rückstand. Ist die
                              									Pflanzenfaser gefärbt, so bringt man das Ganze zur besseren Unterscheidung derselben
                              									auf ein kleines Kattunfilter und wäscht es mit heißem Wasser aus; dann bringt man
                              									die ausgewaschene Faser in lauwarmes Wasser, welches mit ungefähr 5 Procent
                              									Salzsäure angesäuert ist; 10 Minuten später fügt man ein wenig Chlorwasser oder
                              									einige Tropfen Chlorkalklösung hinzu, wodurch die Pflanzenfaser gebleicht wird. Das
                              									Filtrat der Aetznatronlösung, welches die Wolle, beziehungsweise die Seide enthält,
                              									kann unmittelbar auf die Gegenwart von Wolle geprüft werden. Ist dieselbe vorhanden,
                              									so hat sich Schwefelnatrium gebildet, welches in Lösung geblieben ist; dasselbe läßt
                              									sich sofort durch Zusatz von einigen Tropfen einer Lösung von essigsaurem Bleioxyd
                              									nachweisen. Entsteht ein weißer Niederschlag, welcher sich beim Umschütteln wieder
                              									vollständig löst, so ist nur Seide zugegen gewesen; wenn sich dagegen ein bleibender
                              									schwarzer Niederschlag von Schwefelblei bildet, so enthält das geprüfte Gewebe
                              									Wolle. Anstatt des essigsauren Bleioxydes kann man auch einige Tropfen einer Lösung
                              									von Nitroprussidnatrium anwenden, welches der Flüssigkeit bei Gegenwart von
                              									Schwefelnatrium eine schöne violette Färbung ertheilt.
                           Ist das Gewebe stark mit Farbstoff beladen, so ist nachstehendes Verfahren zu
                              									empfehlen. Man bereitet ein Gemisch aus 2 Volumen concentrirter Schwefelsäure von
                              									66° Baumé und 1 Volum gleich starker rauchender Salpetersäure. Nach
                              									dem Erkalten dieses Gemisches taucht man das in kleine Stückchen zerschnittene
                              									Gewebe in dasselbe und läßt es fünfzehn bis zwanzig Minuten in demselben unter
                              									zeitweiligem Umrühren verweilen. Durch diese Behandlung werden Wolle, Seide und
                              									Farbstoff oxydirt und zerstört, die Pflanzenfaser dagegen wird in Schießbaumwolle
                              									oder unlösliches Pyroxylin umgewandelt, und behält ihre charakteristische faserige
                              									Textur. Das Ganze wird darauf in eine verhältnißmäßig große Menge Wasser gebracht,
                              									in welchem die Schießbaumwolle sich absetzt; die Flüssigkeit wird abgegossen und der
                              									Rückstand wird auf einem Filter gesammelt, vollständig ausgewaschen, und getrocknet.
                              									Der trockene Rückstand zeigt nun die explosiven Eigenschaften der
                              									Schießbaumwolle.
                           Bei der Prüfung von weißen oder nicht zu dunkel gefärbten gemischten Geweben benutzt
                              									man auch die Verwandtschaft der thierischen Fasern zu den künstlich dargestellten
                              									Farbstoffen. Ein ziemlich dunkel gefärbtes Gewebe muß durch vorherige Behandlung mit
                              									schwachem Chlorwasser und darauf folgendes gründliches Auswaschen mit kochendem
                              									Wasser, entfärbt werden. Es sind hier aber gewisse Vorsichtsmaßregeln zu beobachten, da auch Baumwolle
                              									in Bädern von Anilinfarben gefärbt werden kann, besonders wenn sie mit
                              									stärkmehlhaltigen Substanzen und anderen zum Appretiren dienenden Stoffen imprägnirt
                              									ist. Diese müssen zunächst entfernt werden; zu diesem Behufe wird das Gewebe zehn
                              									Minuten lang in Wasser gekocht, welches in 100 Theilen 2 Theile kohlensaures Natron
                              									und ein wenig Seife enthält; dann wird der Zeug in heißem Wasser gespült, hierauf
                              									fünf bis zehn Minuten lang in Wasser von 50 bis 60° C. gelegt, welches 2
                              									Procent Salzsäure oder Schwefelsäure enthält, und endlich tüchtig gewaschen.
                              									Inzwischen wird das Färbebad in nachstehender Weise zubereitet, wobei wir als
                              									Beispiel Anilinroth oder Fuchsin wählen: Man löst einige Decigramme Fuchsin in 25
                              									bis 30 Kubikcentimeter Wasser, erhitzt die Lösung zum Sieden und versetzt sie
                              									während des Kochens tropfenweise mit Aetznatronlösung, bis sie nur noch eine
                              									hellrosenrothe Färbung zeigt. Hierauf wird sie vom Feuer genommen und das Gewebe in
                              									die Flüssigkeit gebracht, nach Verlauf einiger Minuten herausgenommen, mit reinem
                              									Wasser gut ausgewaschen und dann getrocknet. Die Seiden- und Wollenfäden
                              									haben sich nun lebhaft roth gefärbt, während die Fäden pflanzlichen Ursprunges
                              									(Baumwolle, Flachs etc.) ganz ungefärbt blieben.
                           Erkennung der Gegenwart von Wolle in Seide, und von Seide in
                                 										Wolle. – Sind die Gewebe weiß oder hellfarbig, so kann man zu dieser
                              									Untersuchung die Gegenwart von Schwefel in der Wolle benutzen. Zunächst wird eine
                              									Lösung von Bleioxyd in Aetznatron bereitet, indem man Bleiglätte in letzterem kocht,
                              									dann absetzen läßt und hierauf die klare Flüssigkeit abgießt. In diese wird das
                              									Gewebe gebracht. Die Wollenfäden werden in Folge ihres Schwefelgehaltes natürlich
                              									sofort schwarz, indem sich schwarzes Schwefelblei bildet, während die Fäden der
                              									Seide, welche keinen Schwefel enthalten, ihre Färbung nicht verändern. Prof. Stefanelli in Florenz hat die Anwendung des Schweitzer'schen Reagens (das Kupferoxyd-Ammoniak)
                              									empfohlen und verfährt in nachstehender Weise: Ein Stück von zwei Quadratcentimeter
                              									des Gewebes wird in 10 bis 12 Kubikcentimeter der blauen Kupferflüssigkeit gelegt,
                              									nach Verlauf von fünf bis sechs Minuten ist die Seide aufgelöst, während die Wolle
                              									sich nicht im mindesten angegriffen zeigt. Wenn die Seide schwarz gefärbt ist, so
                              									muß man das zweifache Volum der Schweitzer'schen
                              									Flüssigkeit nehmen und die Gewebeprobe 10 bis 12 Minuten in derselben lassen. Nach
                              									Herausnahme des aus Wolle bestehenden Rückstandes aus der blauen Kupferlösung gibt
                              									die letztere, wenn sie rasch mit Salpetersäure übersättigt wird, keinen merklichen
                              									Niederschlag; ist aber eine pflanzliche Faser vorhanden, welche durch das Reagens in
                              									der Regel aufgelöst
                              									wird, wenn auch langsam, so entsteht in der Flüssigkeit durch Sättigung mit
                              									Salpetersäure ein Niederschlag von Cellulose in Form weißer oder schwach gefärbter
                              									Flocken.
                           Ein einfaches Verfahren besteht in der Anwendung concentrirter Säuren. Von
                              									gewöhnlicher Salpetersäure wird Seide in der Kälte gelöst, ohne daß die Wolle
                              									merklich angegriffen wird. Ebenso verhält sich Seide gegen kalte Schwefelsäure, wenn
                              									dieselbe hinlänglich concentrirt ist. Gleichzeitig befreit die letztgenannte Säure
                              									die Wolle von Pflanzenfasern, indem diese in Gummi oder Zucker umgewandelt werden.
                              									Es stellt sich jedoch als besser heraus, kalte concentrirte Salzsäure anzuwenden, in
                              									welche die Gewebeprobe eingetaucht wird; in kurzer Zeit ist die Seide vollständig
                              									aufgelöst, während die Wollen- und Pflanzenfasern unverändert zurückbleiben.
                              									Man fügt Wasser hinzu, sammelt die nicht angegriffenen Wollen- und
                              									Pflanzenfasern auf einem Filter und wäscht sie vollständig aus. Gewöhnlich müssen
                              									sie dann entfärbt werden. Um sie von einander zu unterscheiden, behandelt man sie
                              									entweder mit kochender Aetznatronlauge, welche nur die Wolle auflöst, oder man
                              									wendet künstlich dargestellte Farbstoffe an, wie Fuchsin, Anilinviolett oder
                              									Pikrinsäure, welche Baumwolle nicht färben, wenn man mit den geeigneten
                              									Vorsichtsmaßregeln zu Werke geht.
                           Bei allen diesen Proben ist es gut, die Gewebe vor ihrer chemischen Untersuchung von
                              									ihren Appretursubstanzen und Farbstoffen zu befreien; von ersteren durch successive
                              									Behandlung mit kochendem reinem oder schwach angesäuertem, oder durch Zusatz von
                              									etwas kohlensaurem Natron alkalisch gemachtem Wasser; von letzteren durch
                              									Chlorwasser etc., indem man zuletzt stets mit reinem warmem Wasser sorgfältig
                              									auswäscht und nun das Gewebe trocknet.
                           Trennung der thierischen und der pflanzlichen Fasern für
                                 										industrielle Zwecke. – Mit der Verwerthung der Lumpen beschäftigen
                              									sich bekanntlich einige wichtige Industriezweige. Baumwollene, leinene und hanfene
                              									Lumpen, alte Taue, Stricke und Seile etc. sind die Grundlagen der Papierfabrication.
                              									Rein wollene Lumpen dienen zur Darstellung von sogenannter Kunstwolle (Shoddy und
                              									Mungo), welche, zusammen mit neuer Wolle versponnen, zur Fabrication einer Anzahl
                              									von Wollenzeugen dient. Wir werden uns hier nur mit Lumpen von gemischten Geweben
                              									aus Wolle und Baumwolle beschäftigen, und theilen dieselben in zwei Classen,
                              									nämlich:
                           1) Lumpen in denen die Pflanzenfaser in überwiegender Menge enthalten ist und welche
                              									für die Papierfabrication geeignet sind;
                           2) Lumpen welche so viel Wolle enthalten, daß es vortheilhaft ist die Pflanzenfasern zu zerstören,
                              									um die Wolle von ihnen zu befreien und für den Gebrauch geeignet zu machen.
                           I. In gut eingerichteten Papierfabriken wird die Wolle aus Lumpen welche von
                              									derselben nur wenig enthalten, durch mechanische Mittel so genau als möglich
                              									abgesondert. Wenn in den Lumpen aus Pflanzenfasern noch ein wenig Wolle
                              									zurückbleibt, so verschwindet dieselbe beim Reinigen und Bleichen gewöhnlich
                              									vollständig, besonders während des Kochens in geschlossenen Kufen mit gebranntem
                              									Kalk oder Aetznatron, welcher Operation die Hanf-, Leinen- und
                              									Baumwolllumpen unterworfen werden, bevor sie in das Chlorbad kommen oder in der
                              									Zupfmaschine behandelt werden. Es kommt häufig vor, daß nach dem Zupfen gemischter
                              									Lumpen ein Abgang zurückbleibt, welcher noch genug Wolle enthält; dieselbe ist
                              									jedoch von so schlechter Beschaffenheit, daß sie als Gespinnstfaser nicht benutzt
                              									werden kann. Wollte man derartige Lumpen, um die Wolle aufzulösen und die
                              									Pflanzenfaser, das zur Papierfabrication geeignete Endproduct, zu isoliren, mit
                              									Aetznatronlauge behandeln, so würde dieß wegen der mit einem solchen Verfahren
                              									verknüpften Kosten nicht der Mühe lohnen. In diesen Fällen ist die von Ward angegebene Methode anzuwenden, wornach solche Lumpen
                              									unter einem Drucke von 3 bis 5 Atmosphären der Einwirkung von Wasserdampf unterzogen
                              									werden. Bei dieser Temperatur, unter dem Einfluß überhitzten Dampfes wird die Wolle
                              									in eine schwärzliche, zerreibliche Substanz umgewandelt, welche sich mechanisch
                              									leicht im Zustande eines trockenen Pulvers abscheiden läßt, während die
                              									Pflanzenfaser unversehrt und zur Darstellung von Papierzeug ganz geeignet
                              									zurückbleibt. Das Pulver von veränderter Wolle bildet einen ausgezeichneten Dünger,
                              									denn es enthält 73 Procent organischer Substanz und 10 bis 12 Proc. Stickstoff,
                              									entsprechend 12 bis 14 Proc. Ammoniak.
                           II. An Wolle reiche, gemischte Lumpen von noch ziemlich guter Qualität werden
                              									geeigneten Processen zur Zerstörung der Pflanzenfaser unterworfen. Das
                              									gebräuchlichste Verfahren besteht darin, solche Hadern gut mit Wasser zu
                              									imprägniren, welches 5 bis 10 Proc. Schwefelsäure oder Salzsäure enthält. Man läßt
                              									sie dann abtropfen, preßt sie schwach und bringt sie auf die Sohle eines
                              									Trockenraumes, dessen Temperatur allmählich auf 90 bis 100° C. erhöht wird.
                              									Hier bleiben sie mehrere Stunden liegen, je nachdem sie dicker oder dünner sind. In
                              									Folge der Verdampfung des Wassers concentrirt sich die Säure in den Lumpen und wirkt
                              									mit Hülfe der erhöhten Temperatur auf die Pflanzenfaser, indem sie die Cellulose in
                              									gummiartige Substanzen und Zucker umwandelt. Hiernach ist die Pflanzenfaser sehr
                              									zerreiblich und läßt sich daher auf mechanischem Wege von der Wolle trennen, welche ihre
                              									faserige Textur beibehalten hat. Die Ausführung dieses Processes erfordert jedoch
                              									große Vorsicht, widrigenfalls die Wolle durch die Einwirkung der Säuren und einer
                              									hohen Temperatur verändert werden und ihre Milde, sowie ihre Eigenschaft, leicht zu
                              									filzen, einbüßen würde. – Aus diesem Grunde arbeiten manche Fabrikanten in
                              									nachstehender Weise. Anstatt die getrockneten Lumpen einer höheren Temperatur
                              									auszusetzen, trocknen sie dieselben bei einer mäßigen Wärme, bei 40 bis 50°
                              									C., dämpfen sie alsdann mittelst eines mehr trockenen als feuchten Dampfstromes, und
                              									trocknen sie darauf nochmals. Auf diese Weise wird die Pflanzenfaser leicht zu
                              									Pulver zerreiblich gemacht. – Bei gemischten Hadern von sehr guter Qualität
                              									werden zuweilen, anstatt der Schwefelsäure oder Salzsäure, Oxalsäure oder
                              									Chloraluminium angewendet; diese Substanzen zerstören die Pflanzenfaser, ohne die
                              									Wolle merklich anzugreifen.
                           Anstatt mittelst des trockenen Verfahrens können die gemischten Lumpen auch auf dem
                              									nassen Wege behandelt werden. Dieß geschieht nach dem Verfahren von Seloup. Man bereitet in einem Holzkübel ein Bad aus
                              									Salzsäure, welche mit dem drei- bis vierfachen Volum Wasser verdünnt worden
                              									ist, erhitzt dasselbe mittelst eines Dampfstromes auf ungefähr 90° C. und
                              									bringt gleichzeitig die Hadern hinein. Der Dampf wird abgesperrt, sobald die
                              									Temperatur des Bades den Siedepunkt erreicht hat. Nach Verlauf von 30 bis 50 Minuten
                              									ist die Pflanzenfaser aufgelöst. Man nimmt dann die Lumpen aus dem Bade, läßt sie
                              									abtropfen, und zwar so, daß die ablaufende Flüssigkeit in das Bad zurückfließt, da
                              									dasselbe mehrere Male benutzt werden kann, und preßt sie schließlich aus. Hierauf
                              									werden die Hadern bis zur Entfernung aller Säure mit Wasser ausgewaschen; es ist
                              									aber besser dieselben, während sie noch eine geringe Menge Säure enthalten, in eine
                              									Lösung von kohlensaurem Natron zu bringen und kräftig umzurühren. Die Soda sättigt
                              									die Säure, unter Entwickelung von Kohlensäuregas, welches bei seinem Entweichen
                              									durch die Wollfasern dieselben emporhebt, aufschwellt und dadurch von einander
                              									trennt. Die Menge der Soda muß zur Neutralisirung der Säure gerade hinreichend seyn.
                              									Nachher wird die Wolle in fließendem Wasser tüchtig ausgewaschen. Um sie mild zu
                              									machen, passirt man sie dann durch ein lauwarmes Seifenbad, wäscht sie hernach
                              									nochmals und trocknet sie schließlich bei gelinder Wärme.
                           Das englische, von Stuart herrührende Verfahren beruht auf
                              									der Thatsache, daß Wolle, welche mit einem Thonerdesalz imprägnirt ist, ihrer
                              									Eigenschaften durch die Einwirkung von Salzsäure und höherer Temperatur nicht
                              									beraubt wird. 50 Kilogrm. käuflicher schwefelsaurer Thonerde (Al²O³ +
                              									3 SO³ + 18 aq.) und 25 Kilogrm. Kochsalz werden
                              									in 450 Liter Wasser gelöst. Mit dieser Lösung tränkt man die Hadern, läßt sie
                              									abtropfen, preßt sie schwach aus, und läßt sie trocknen. Dann werden sie mehrere
                              									Stunden lang einer Temperatur von 90° C. ausgesetzt, wodurch in Folge
                              									doppelter Zersetzung schwefelsaures Natron und Chloraluminium entstehen. Letzteres
                              									zersetzt sich wiederum durch die Einwirkung der Hitze, es entstehen Salzsäure und
                              									Thonerde (unter gleichzeitiger Bildung einer gewissen Menge
                              									zweifach-schwefelsauren Natrons). Die Salzsäure greift die Pflanzenfasern an,
                              									welche sehr zerreiblich werden und sich dann durch mechanische Mittel in Staubform
                              									abscheiden lassen.
                           Für starke und dicke Lumpen wendet man eine concentrirtere Lösung an, welche in 450
                              									Litern Wasser 75 Kilogrm. schwefelsaure Thonerde und 40 Kilogrm. Kochsalz enthält.
                              									Anstatt die mit dieser Flüssigkeit getränkten Hadern auszudrücken und nachher bis
                              									zur Trockenheit zu erhitzen, kann man sie in derselben kochen (oder mittelst eines
                              									Stromes von feuchtem Dampfe dämpfen), so daß die Pflanzenfasern zerreiblich oder
                              									sogar in Wasser löslich werden.
                           Ein anderer Engländer, Rowley, behandelt die gemischten
                              									Lumpen mit schwacher Schwefelsäure, läßt sie abtropfen, preßt die überschüssige
                              									saure Flüssigkeit ab, und trocknet sie mittelst eines Stromes warmer Luft in einem
                              									durch maschinelle Vorrichtungen beständig in Bewegung erhaltenen Siebe aus
                              									Drahtgaze. Dann werden sie mit beigemischtem heißem Sande so lange manipulirt, bis
                              									durch Reibung gegen dessen Körner alle Baumwolle pulverisirt und von der Wollfaser
                              									getrennt ist. Schließlich wird die Abscheidung des Sandes von der Wollfaser mittelst
                              									mechanischer Vorrichtungen sehr leicht bewerkstelligt. Dieses Verfahren gibt gute
                              									Resultate und ist ökonomisch.
                           Unserer Ansicht nach besteht die rationellste und billigste Methode zur Erreichung
                              									des in Rede stehenden Zweckes in der Anwendung eines Bades aus Schwefelsäure oder
                              									Salzsäure, welches auf 100 Theile Säure 300 bis 500 Theile Wasser enthält. Die mit
                              									der Flüssigkeit getränkten Lumpen läßt man abtropfen, preßt sie schwach aus und
                              									trocknet sie langsam, indem die Temperatur des Trockenraumes oder des warmen
                              									Luftstromes allmählich auf 70°, in gewissen Fällen selbst auf 90° C.
                              									gesteigert wird. Diese Temperatur muß mehrere Stunden lang unterhalten werden, um so
                              									länger, je dichter oder härter die zu zerstörende Pflanzenfaser ist. Will man die
                              									Wolle wahrhaft schützen, so ist die Anwendung einer Thonerdebeize zu empfehlen,
                              									welche man einfach durch Versetzen von 100 Th. eines Säurebades mit 1 oder 2 Theilen
                              									käuflicher schwefelsaurer Thonerde oder selbst gewöhnlichen Alaunes bereiten
                              									kann.