| Titel: | Miscellen. | 
| Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. , S. 71 | 
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                        Miscellen.
                        Miscellen.
                        
                     
                        
                           Amerikanische Wagenräder aus Papierstoff.
                           Bei diesen, neuerdings in Amerika in Gebrauch gekommenen Wagenrädern ist der Reifen
                              									aus Stahl, und wird zum Aufziehen auf der Innenseite etwas conisch gedreht, so daß
                              									der innere Durchmesser an der Flantsche 1/3 Zoll kleiner ist als der andere. Den
                              									Körper des Rades bildet ein Papierblock, gebildet aus Strohpappe, welche in Scheiben
                              									von 30 Zoll Durchmesser geschnitten wird, die dann mit gewöhnlichem Leim
                              									zusammengeleimt und unter einem hydraulischen Drucke von 300 Tonnen zu einem Ganzen
                              									vereinigt werden. Nachdem der so erhaltene Block nahezu zwei Wochen lang in einem
                              									Trockenhause getrocknet worden ist, wird er auf einer gewöhnlichen Drehbank
                              									abgedreht und zugerichtet. Der dabei verwendete Drehstahl gleicht einem für Eisen
                              									benutzten, aber die Umlaufsgeschwindigkeit ist etwa dieselbe wie beim Abdrehen von
                              									Messing. Der so abgedrehte Block ist natürlich etwas größer als die Bohrung des
                              									Reifens, in welchen er passen soll, damit man sicher ist, daß er vollkommen fest
                              									darin sitzt. Darauf wird ein hydraulischer Druck von etwa 400 Tonnen angewendet, um
                              									den Block in seinen Platz hinein zu zwängen; dabei wird noch der Reifen nahezu bis
                              									zur Temperatur des kochenden Wassers erwärmt, damit man nach dem Abkühlen sicher auf
                              									einen vollkommenen Schluß rechnen kann. (Engineering,
                              									Mai 1872, S. 320; polytechnisches Centralblatt, 1872 S. 748.)
                           
                        
                           Saladin's mikrometrische
                              									Zeigerwaagen.
                           Dieselben sind zunächst zur Ermittelung der Nummer von Gespinnsten bestimmt, eignen
                              									sich aber vermöge ihrer äußerst feinen Ausführung und großen Empfindlichkeit zur
                              									Bestimmung sehr kleiner Gewichtsmengen. Beim Abnehmen der Proben zur Ermittelung der
                              									Garnnummer pflegt man gewöhnlich eine dem Numerotirungssystem entsprechende größere
                              									Länge Garn abzumessen und auf eine Zeigerwaage zu bringen, welche unmittelbar die
                              									Garnnummer anzeigt. Es entsteht aber hierbei ein gewisser Verlust, da diese
                              									Probezahlen meist in den Abfall wandern oder doch nicht so gut zu verwerthen sind,
                              									und Saladin hatte es sich daher zur Aufgabe gestellt,
                              									eine sehr empfindliche Zeigerwaage herzustellen, vermöge welcher sich schon für eine
                              									sehr geringe Fadenlänge das genaue Gewicht und auch die entsprechende Garnnummer
                              									feststellen läßt. Wenn es auch bezweifelt werden muß, daß eine solche Waage für
                              									Spinnereien von besonderem praktischen Werthe sey, da aus einem kurzen Fadenstück
                              									wegen etwa möglicher
                              									Fehler (Andreher, Spitzen etc.) nicht mit Sicherheit die Durchschnittsnummer einer
                              									größeren Quantität zu ermitteln ist, so können solche Instrumente doch nach anderer
                              									Seite hin sehr willkommene Dienste leisten. Handelt es sich z.B. darum, aus einer
                              									kleineren Probe eines gewebten Stoffes zu ermitteln, welche Garnnummern hierzu
                              									verwendet wurden, so genügt es, eine gewisse Maaßeinheit des Stoffes abzuschneiden,
                              									eine Anzahl Ketten- oder Schußfäden einzeln heraus zu ziehen und diese, da
                              									deren Länge sich leicht genügend genau (auch unter der Berücksichtigung ihrer
                              									Verkürzung durch das Einweben) ermitteln läßt, auf die mikrometrische Waage zu
                              									bringen, um sofort die gesuchte Garnnummer aufzufinden. Andererseits sind diese
                              									Waagen dazu zu benutzen, das Gewicht eines ganzen Stückes Waare und dessen
                              									Materialkostenpreis festzustellen, da es hier genügen wird, ein kleines
                              									quadratisches Stück einer Probe auszuschneiden, dessen Gewicht auf der Waage
                              									abzulesen, und durch einfache Rechnung das Gewicht eines ganzen Stückes Stoff daraus
                              									zu bestimmen. (Bulletin de la Société
                                 										industrielle de Mulhouse; deutsche Industriezeitung, 1872, Nr. 20)
                           
                        
                           Hentschel's Wassermischhahn.
                           Indem in den Wannenbadeanstalten sich gewöhnlich oberhalb der Wanne zwei Hähne
                              									befinden, von denen der eine den Zufluß des warmen, der andere den des kalten
                              									Wassers vermittelt, ist der Badende genöthigt, erst vielfach mit beiden Hähnen zu
                              									experimentiren und dabei, ohne einen Genuß davon zu haben, eine ziemliche Menge
                              									Wasser zu verschwenden, ehe sein Badewasser gerade den Wärmegrad erhält, welchen er
                              									wünscht und der ihm angenehm ist. Diesem Uebelstande sucht Hr. Hentschel, ein Wiener Industrieller, dadurch abzuhelfen, daß er beide
                              									Zuleitungsrohre in einem einzigen Wasserhahne vereinigt, in welchem das warme und
                              									kalte Wasser sich so mischt, daß das zur Wanne fließende sofort den erwünschten
                              									Wärmegrad hat und das Dampfen dabei ganz beseitigt ist. Nebenbei ergibt die
                              									Anbringung eines solchen Hahnes auch eine Ersparniß an Herstellungskosten.
                           Das wesentlich Neue an Hentschel's Wasserhahn ist die
                              									Bohrung des Schlüssels, dessen Oeffnungen mit den Zuleitungsrohren der Art
                              									correspondiren, daß das eine Rohr immer völlig geöffnet ist, wenn das andere
                              									vollständig geschlossen wird, und je mehr man nun das letztere öffnet, schließt man
                              									zugleich das erstere. Zu dieser Regulirung dient die außen angebrachte Scala und die
                              									Bezeichnungen „Warm“ oder „Kalt.“ Bei
                              									mittlerem Schlüsselstande („Lau“) fließen aus dem Hahne gleiche
                              									Mengen heißen und kalten Wassers, während er in der entgegengesetzten Stellung jeden
                              									Zufluß absperrt.
                           Zweckmäßigkeit und Billigkeit empfehlen also die Einführung des Wasserhahnes in
                              									Badeanstalten Derselbe wiegt ca. 5 bis 6 Pfd., kostet
                              										loco Wien ohne Thermometer 18 Gulden ö. W., mit
                              									Thermometer 20 Gulden ö. W. und ist durch die Redaction der Wiener
                              									Weltausstellungs-Zeitung (Wien, Stadt, Postgasse 1) zu beziehen. (Dresdner
                              									Gewerbevereins-Zeitung, März 1872, S. 107.)
                           
                        
                           Neues Verfahren zum Oeffnen der Cylinder bei der
                              									Tafelglasfabrication; von Boëtius.
                           Ein Gehülfe hat die besondere Aufgabe, genau an der Spitze oder am Mittelpunkte des
                              									halbkugeligen Endes des Cylinders (der Walze) ein haselnußgroßes Stück heißen Glases
                              									anzuheften. Er übt dabei einen schwachen Druck gegen den Mittelpunkt aus, während
                              									gleichzeitig der Bläser, nachdem er seine Pfeife auf einen zu diesem Zwecke
                              									bestimmten Haken aufgelegt hat, dem Cylinder eine rasche Drehbewegung ertheilt. In
                              									Folge davon wird die Haube in ihrer Mitte dünner im Glase, indem zugleich die
                              									Widerstandsfähigkeit des Cylinders an dieser Stelle durch den angehefteten Glasknopf
                              									vermindert wurde, da derselbe an der gedachten Stelle der Haube das Glas flüssiger
                              									machte. Der Bläser hält hierauf seinen Cylinder wieder in den Oefen und bläst von
                              									Neuem Luft in denselben, worauf die Haube sofort zerplatzt.
                           
                           Die durch dieses Verfahren gewonnene Zeitersparniß ist so bedeutend, daß die
                              									Arbeitszeit der Bläser für dasselbe Productionsquantum um ungefähr den vierten Theil
                              									vermindert wird. Daraus ergibt sich nicht nur eine stärkere Production, sondern auch
                              									ein beträchtlich größerer Ausfall an Tafelglas von besserer Qualität; überdieß ist
                              									durch den Umstand, daß das Arbeitsloch von demselben Bläser kürzere Zeit in Anspruch
                              									genommen wird, die Möglichkeit gegeben, die Arbeit so zu organisiren, daß an
                              									derselben Arbeitsöffnung zwei Bläser beschäftigt werden können. (Revue hebdomadaire de Chimie.)
                           
                        
                           Ueber das Vorkommen von Selen in der Schwefelsäure aus
                              									französischen Fabriken; von J. Personne, Lamy und A. Scheurer-Kestner.
                           Personne hat in der Schwefelsäure aus einer Fabrik des
                              									Seine-Departements Selen gefunden. Diese Schwefelsäure hat das specifische
                              									Gewicht 1,820 und unterscheidet sich durch Nichts von der gewöhnlichen Säure. Sie
                              									ist gleichwohl nicht zu allen Zwecken geeignet. Bei der Destillation behufs der
                              									Gewinnung reiner Säure liefert sie ein Product, welches auf Zusatz von
                              									Eisenvitriol-Krystallen roth wird, was zu der Meinung Veranlassung gegeben
                              									hat, daß es unmöglich sey, diese Säure von salpetriger Säure zu befreien. Der
                              									Eisenvitriol färbt sich jedoch nicht violettroth, wie es der Fall ist, wenn
                              									salpetrige Verbindungen vorhanden sind, sondern er wird vielmehr ganz weiß, sinkt zu
                              									Boden und ist dann mit einer ziegelrothen Flüssigkeit bedeckt. Die mittelst der
                              									selenhaltigen Schwefelsäure aus Kochsalz dargestellte Salzsäure färbt sich nach und
                              									nach orangegelb und darauf dunkelroth, und setzt endlich ein rothes Pulver ab. In
                              									diesem Absatze erkannte Personne das Selen.
                           Das Selen ist leicht aus dieser Schwefelsäure abzuscheiden. Man verdünnt dieselbe zu
                              									diesem Zwecke mit ungefähr dem vierfachen Volumen Wasser und fügt der Flüssigkeit,
                              									nachdem sie erkaltet und behufs der Absonderung des schwefelsauren Bleioxydes
                              									filtrirt ist, eine Lösung von schwefliger Säure hinzu. Dabei entsteht sogleich eine
                              									orangegelbe Farbe, welche immer dunkler und dann roth wird, worauf rothe Flocken von
                              									Selen sich absetzen. Man schüttelt die Mischung darauf mit reinem
                              									Schwefelkohlenstoff, welcher das Selen auflöst, und läßt denselben nachher
                              									verdunsten, wobei das Selen zurückbleibt. Auf diese Weise erhielt Personne aus 3 Liter Schwefelsäure 0,20 Grm. Selen.
                           Was den Ursprung dieses Selens anbetrifft, so stammt dasselbe wahrscheinlich aus den
                              									französischen kupferhaltigen Kiesen, welche in der oben erwähnten Fabrik zur
                              									Erzeugung der Schwefelsäure verwendet werden, her. Personne gedenkt dieß noch weiter zu erörtern und auch den Schlamm aus den
                              									Bleikammern dieser Fabrik auf Selen zu untersuchen. Eine aus Kiesen belgischen
                              									Ursprunges fabricirte Schwefelsäure fand er ganz frei von Selen.
                           Lamy bemerkt zu der vorstehenden Mittheilung, daß man
                              									schon vor zehn Jahren in Schwefelsäure französischen Ursprunges Selen gefunden habe.
                              									Das Selen stamme, eben so wie Arsenik, Thallium und andere Elemente, welche in der
                              									Schwefelsäure vorkommen, aus dem zur Fabrication derselben verwendeten Schwefelkies
                              									her. Gewisse Kiese, wie die von Theux und Oneux in Belgien, enthalten
                              									verhältnißmäßig sehr große Mengen von Selen und besonders von Thallium, während
                              									andere, wie die nicht kupferhaltigen Kiese von Saint-Bel bei Lyon, nur kaum
                              									nachweisbare Spuren davon enthalten. Wenn man die erste Kammer von den übrigen
                              									Kammern in der Art absondere, daß die Circulation der entstandenen Schwefelsäure
                              									sich nicht auf dieselbe erstrecke, so sammle der größte Theil der erwähnten Elemente
                              									sich in dem Absatz dieser Kammer an, und die producirte Säure enthalte dann nur
                              									äußerst wenig davon. Dieß Alles habe Kuhlmann bereits in
                              									den Comptes rendus vom 26. Januar 1863 angegeben.
                           Scheurer-Kestner weist darauf hin, daß er im Jahre
                              									1868 die Gegenwart von Selen in der aus den Kiesen von Saint-Bel fabricirten
                              									Schwefelsäure angegeben habe (Bulletin de la
                                 										Société chimique de Paris, 1868, 1. sem., p. 43). Im Jahre 1870 habe er auch
                              									nachgewiesen, daß die aus Glaubersalz, welches mittelst selenhaltiger Schwefelsäure
                              									dargestellt wurde, fabricirte Rohsoda Selen enthalte. (Bulletin de la Société chimique, August 1870, S. 121). Der
                              									Schlamm der Bleikammern sey, wenn Kiese von Chessy und Saint-Bel verwendet würden, sehr häufig
                              									blaßroth, und es sey dann leicht, das Selen daraus abzuscheiden; es sey aber dazu
                              									nöthig, daß die in den Kammern stehende Säure schweflige Säure enthalte, also von
                              									oxydirend wirkenden Stickstoffverbindungen frei sey. Das Selen verschwinde, wenn man
                              									die Schwefelsäure in Platingefäßen concentrire, um sie auf 66° Baumé
                              									zu bringen; aber die Säure von 52°, wie man sie aus den Kammern abziehe, sey
                              									sehr häufig roth gefärbt. (Comptes rendus, t. LXXIV p. 1499, 1285, 1286.)
                           
                        
                           Ueber die Fabrication der rauchenden Schwefelsäure in Böhmen;
                              									von E. V. Jahn in Pardubitz.
                           Mehrere Schriftsteller im Fache der chemischen Fabrikindustrie betrachten den bei der
                              									Fabrication der rauchenden Schwefelsäure abfallenden Vitriolstein als entwässerten
                              									Eisenvitriol und folgern daraus, daß das Verfahren der böhmischen Mineralwerke kein
                              									rationelles sey, da die Hälfte der im Eisenvitriol enthaltenen Schwefelsäure
                              									zersetzt werde und verloren gehe. Diese Bemerkung wäre vollkommen richtig, wenn der
                              									Vitriolstein wirklich die angegebene Zusammensetzung hätte. Derselbe ist aber, im
                              									Großen genommen, jedenfalls als wasserfreies schwefelsaures Eisenoxyd (Ferrisulfat)
                              									zu betrachten, da das schwefelsaure Eisenoxydul beim Abdampfen der Lösung und beim
                              									Calciniren des Rückstandes Gelegenheit genug hatte, sich höher zu oxydiren. Daher
                              									besitzt die Lösung des calcinirten Vitriolsteines auch eine rothgelbe Farbe und eine
                              									stark saure Reaction. Je nachdem jedoch die Manipulation mehr oder weniger
                              									vollkommen war, sind in dem Vitriolsteine immer noch Antheile von schwefelsaurem
                              									Eisenoxydul enthalten, welche die Ursache sind, daß zu Anfang der Destillation
                              									schweflige Säure auftritt. Die Manipulation muß also dahin gerichtet seyn, daß der
                              									geröstete Vitriolstein möglichst wenig Eisenoxydul enthalte. Durch diesen
                              									Sachverhalt erklärt sich auch die in der Praxis vorkommende Ausbeute an rauchender
                              									Schwefelsäure, welche sehr variabel ist, immer aber größer, als sie bei wasserfreiem
                              									Ferrosulfate seyn könnte. Dieselbe beträgt nämlich 34 bis 50 Proc. In den v. Starcú'schen Mineralwerken in
                           
                              
                                 Davidsthal
                                 liefern
                                   5788 Ctr.
                                 Vitriolstein
                                   3163 Ctr.
                                 Vitriolöl
                                 
                              
                                 Bikov
                                 „
                                   1428   „
                                 „
                                   5615   „
                                 „
                                 
                              
                                 Kasnau
                                 „
                                   1543   „
                                 „
                                     768   „
                                 „
                                 
                              
                                 Bras
                                 „
                                 41700   „
                                 „
                                 20860   „
                                 „
                                 
                              
                                 Branovic
                                 „
                                   9270   „
                                 „
                                   3850   „
                                 „
                                 
                              
                           Schon diese Zahlen beweisen entscheidend, daß der verarbeitete Vitriolstein zumeist
                              									Ferrisulfat war und nur in Folge von Manipulationsfehlern noch mehr oder weniger
                              									Ferrosulfat enthielt. In der Industrie-Statistik der österreichischen
                              									Monarchie für das Jahr 1858 finden sich zahlreiche Daten über die v. Starcú'schen Mineralwerke; immer jedoch wird der
                              									Vitriolstein als wasserfreies schwefelsaures Eisenoxyd bezeichnet. Die höhere
                              									Ausbeute an Schwefelsäure ist auch nicht durch das Beschicken der Vorlage mit
                              									englischer Schwefelsäure zu erklären, da dieses nur in einzelnen Werken und in
                              									beschränktem Maaße stattfindet. Nach den hier mitgetheilten Daten wird aber das
                              									Ferrosulfat beim Abdampfen der Lösung und dem nachherigen Calciniren des rohen
                              									Vitriolsteines nicht bloß entwässert, sondern auch in Ferrisulfat verwandelt,
                              									welches bei der Destillation dann in seine Bestandtheile zerfällt. Jeder Rückhalt an
                              									Ferrosulfat zieht Verluste nach sich. In einigen Mineralwerken (z.B. in Littmitz)
                              									wird daher aus der Lösung zuerst Eisenvitriol in Krystallen gewonnen, und die
                              									Mutterlauge auf Vitriolstein, welcher dann oxydreicher ist, verarbeitet. (Wagner's Jahresbericht über die Leistungen der chemischen
                              									Technologie für 1871, S. 227.)
                           
                        
                           Abscheidung von Schwefel aus Schwefelwasserstoff, nach W. Weldon.
                           Man läßt den Schwefelwasserstoff auf in Wasser suspendirtes Eisen- und
                              									Manganoxyd einwirken und führt in das erhaltene Product Luft ein. Es entsteht nun
                              									eine Mischung von Oxyd und freiem Schwefel. Die Mischung wird abermals mit
                              									Schwefelwasserstoff, nachher mit Luft behandelt, und diese abwechselnde Behandlung so lange
                              									fortgesetzt, bis man eine an Schwefel reiche Mischung hat, aus welcher der Schwefel
                              									dann abgesondert werden kann. Die Quelle des Schwefelwasserstoffes sind die
                              									Rückstände der Potasche- oder Sodafabrication, oder Schwefelkalium oder
                              									Schwefelnatrium; diese werden durch Kohlensäure zersetzt, wodurch Potasche oder Soda
                              									und andererseits Schwefelwasserstoff entsteht. (Englisches Patent vom 31 Juli 1871.
                              									– Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1873, Nr. 6.)
                           
                        
                           Ueber die Gewinnung des Chilesalpeters und die Jodgewinnung in
                              									Tarapaca; von Prof. Dr. Rudolph Wagner.
                           Durch die Güte des Hrn. Dr. G. Langbein (Oficina San Pedro, Canton Cocina, Peru) gingen mir folgende
                              									Notizen über die Salpeter- und Jodgewinnung an der Westküste von Südamerika
                              									zu: „Als die Hauptlager des sogen. Chilesalpeters galten seit dem Beginn
                                 										dieser Industrie in den peruanischen Salpeterdistricten die in den Cantonen
                                 											„La Noria“, „Jungay“,
                                 											„Cocina“ und „Argentina“
                                 										befindlichen Terrains, welche ihren Ruf der Güte und Mächtigkeit des Caliche
                                 										(des salpeterhaltigen Minerales) verdanken. In Folge dessen finden sich auf
                                 										weniger denn einer Quadratmeile Bodenfläche folgende Etablissements, die sich
                                 										zur Raffination des Salpeters sämmtlich der Versiedung durch Dampf, theils in
                                 										offenen Kochkesseln, theils in geschlossenen Apparaten unter Dampfdruck
                                 										bedienen, ihrer täglichen Production nach geordnet:
                              								
                           
                              
                                 
                                    Oficina „La Argentina“
                                    1200
                                    Ctr.
                                    Salpeter
                                    
                                       per
                                       
                                    Tag
                                    
                                 
                                        „      „La
                                          													Noria“
                                      900
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      „San
                                          													Pedro“
                                      800
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                    
                                       „Máquina italiana“
                                       
                                      800
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                    Oficina „San Antonio“
                                      450
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      „La
                                          													Peruana“
                                      400
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      
                                       													„San Carlos“
                                      400
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      „Sacraments“
                                      400
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      „Granadinos“
                                      300
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      „Santa
                                          													Isabel“
                                      300
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                                        „      „La
                                          													China“
                                      200
                                    „
                                    „
                                    „
                                    „
                                    
                                 
                              
                           
                              Außer diesen sind noch ca. 12 kleine Officinen in
                                 										Betrieb, in denen die Gewinnung des Salpeters durch Versieden des Rohmateriales
                                 										über freiem Feuer bewerkstelligt wird. Zur Lage dieses Complexes füge ich hinzu,
                                 										daß die Distanz der, dem Hafen Iquique am nächsten gelegenen Oficina
                                 											„La Noria“ 30 engl. Meilen (ca. 11 spanische Leguas), die Höhe des fast im Herzen dieses Complexes
                                 										belegenen Etablissements „San Pedro“ 3054,1 engl. Fuß =
                                 										931,12 Met. über dem Meeresspiegel beträgt. Sechs Leguas weiter nördlich der
                                 										Noria treffen wir die unter dem Namen „Las Oficinas de la
                                    											Pena“ bekannten Salpetersiedereien, in deren Terrenos sich zwar
                                 										das Mineral in ziemlich großer Menge, jedoch weniger rein, als in „La
                                    											Noria“ vorfindet und auf 24 Leguas nördlicher Entfernung von
                                 										letztgenannten Platze einen anderen Officinen-Complex „Las
                                    											Oficinas del Norte“, wo sich der Caliche mit wenigen Ausnahmen
                                 										durch besondere Güte auszeichnet, aber sich nur spärlich vorfindet. In Ihrem
                                 										Jahresberichte der chemischen Technologie (pro 1869)
                                 										wird die bei „La Noria“ vorkommende Salpetermasse auf 1300
                                 										Mill. Ctr. geschätzt. Ueber die Richtigkeit dieser Angabe muß ich mir einige
                                 										gelinde Zweifel erlauben, da es in diesen wasserlosen Pampas, von denen die eine
                                 										der anderen fast gänzlich gleicht, ganz unmöglich ist, eine nur annähernd
                                 										richtige Berechnung oder Taxation des im Schooße der Erde verborgenen Materiales
                                 										aufzustellen, einmal, wegen der Ungleichartigkeit des Terrenos (hier –
                                 										ein Stück Land mit einer 12 Fuß dicken Schicht des salpeterhaltigen Minerales
                                 										und dort – auf wenige Schritte Entfernung vom ersten, gänzliches Aufhören
                                 										desselben), andererseits wegen der Schwierigkeit, das ausgearbeitete Terrain zu
                                 										übersehen und zu berechnen. – Ich wende mich jetzt zu den ca. 4 Leguas weiter südlich gelegenen
                                 										Salpeter-Districten, die unter dem Namen „Nueva
                                    											Soledad“ zusammengefaßt und erst vor wenigen Jahren entdeckt
                                 										worden sind. Obgleich bis jetzt nur eine einzige unbedeutende Oficina die
                                 										Salpeterfabrication betreibt, so möchte ich doch diesen Districten eine größere
                                 										Zukunft prognosticiren, als denen der Noria, Cocina etc., da die Quantitäten des
                                 										sich in diesen vorfindenden Materiales in keinem Vergleich zu denen der Nueva
                                 										Soledad stehen. Die sich über eine kolossale Bodenfläche erstreckenden
                                 										Salpeterterrains enthalten fast durchgängig eine sehr dicke Schicht des
                                 										salpeterhaltigen Minerales und zwar von meistens vorzüglicher Güte, wie die
                                 										vielen, an den verschiedensten Stellen ausgegrabenen, mir zur Prüfung
                                 										vorliegenden Muster beweisen. – Einschalten will ich noch, daß am 28.
                                 										Juli 1871 die von den Gebrüdern Montero vom Hafen
                                 										Iquique nach den Salpeter-Etablissements der Cantone Noria, Cocina und
                                 										Argentina zu erbauende Eisenbahn vorläufig bis zur ersten Oficina „La
                                    											Noria“ dem Betrieb übergeben worden ist. Die Transportkosten für
                                 										den Centner Salpeter stellen sich jedoch per Bahn
                                 										nicht billiger als per Maulthier.
                              
                           
                              Ich schließe meine heutigen kurzen Mittheilungen mit einigen Analysen des
                                 										salpeterhaltigen Minerales, in denen nur auf die Gehalte an Natronnitrat und
                                 										Chlornatrium als die beiden für die Salpeterindustrie hauptsächlichsten Factoren
                                 										Rücksicht genommen ist, sowie mit einigen Resultaten über den Jodgehalt der
                                 										Mutterlaugen. Der in allen Salpeterdistricten sich vorfindende Caliche läßt sich
                                 										seinen physikalischen Eigenschaften nach in folgende sechs Classen ordnen, von
                                 										denen charakteristische Stücke folgende Zahlen für NaO, NO⁵ und NaCl
                                 										ergaben:
                              
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                    NaO, NO⁵
                                    NaCl
                                    
                                 
                                    
                                    
                                    Proc.
                                    Proc.
                                    
                                 
                                    I.
                                    Reiner gelber Caliche (hart und kleinkrystallinisch)
                                    77,90
                                    12,90
                                    
                                 
                                    II.
                                    Reiner gelber Caliche (weich und porös, großkrystallinisch)
                                    65,70
                                    28,12
                                    
                                 
                                    III.
                                    Gelber Caliche mit braunen Adern durchzogen (hart)
                                    64,73
                                    32,02
                                    
                                 
                                    IV.
                                    Weißer Caliche (hart und kleinkrystallinisch)
                                    60,50
                                    14,30
                                    
                                 
                                    V.
                                    Weißer Caliche (porös und großkrystallinisch)
                                    68,03
                                    28,12
                                    
                                 
                                    VI.
                                    Brauner Caliche (schmutzig, porös und großkrystallinisch)
                                    36,80
                                    20,70
                                    
                                 
                              
                           
                              In 1 Liter Mutterlauge wurde gefunden:
                              
                           
                              
                                 
                                    Mutterlauge der Oficina „La
                                          												Noria“
                                    4,80 Gramme Jod
                                    
                                 
                                            „          
                                       													„        „    „San
                                          													Pedro“
                                    2,75      
                                       												„        „
                                    
                                 
                                            „          
                                       													„        „    „San
                                          													Antonio“
                                    2,30      
                                       												„        „
                                    
                                 
                                            „          
                                       													„        „    „Argentina“
                                    3,90      
                                       												„        „
                                    
                                 
                                            „          
                                       													„        „    „Peruana“
                                    4,55      
                                       												„        „
                                    
                                 
                              
                           Die Jodfabrication in „La Noria“, wo dieselbe nur allein
                                 										betrieben wurde, hat jetzt gänzlich aufgehört und wird nur durch den Verfasser
                                 										in den Officinen des Hauses J. Gildemeister und Comp. nach anderer Methode (mit Untersalpetersäure?
                                 										R. W.) als der von Thiercelin vorgeschlagenen (auf
                                 										der Anwendung der schwefligen Säure beruhend) ausgeführt, da diese das
                                 										Jodnatrium, dessen Menge oftmals die des jodsauren Natrons in den Mutterlaugen
                                 										übersteigt, unberücksichtigt läßt.“ (Deutsche Industriezeitung, 1872,
                              									Nr. 17.)
                           
                        
                           Darstellung von reinen zinnsauren Alkalien.
                           E. P. H. Vaughan in London erhielt am 29. August 1871 für
                              									C. Lennig in Philadelphia ein Patent für Großbritannien
                              									und Irland auf folgendes Verfahren:
                           Man behandelt Zinnabfälle unter beständigem Umrühren mit Aetzkalilösung oder
                              									Aetznatronlösung von 1,2 spec. Gewicht, läßt dann die Flüssigkeit ablaufen, pumpt
                              									atmosphärische Luft durch die das Zinn enthaltenden Gefäße, bringt die abgelassene
                              									alkalische Lösung wieder auf das Metall, und wiederholt diese Operationen, bis der
                              										größte Theil der
                              									alkalischen Flüssigkeit in eine Lösung von zinnsaurem Alkali übergeführt ist. Man
                              									befördert die Reactionen, wenn man die Flüssigkeit gelinde erwärmt und erhitzte Luft
                              									über das Metall führt. (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin,
                              									1872, Nr. 8.)
                           
                        
                           Darstellung von chlorsaurem Kali, nach W. Hunt in Normanton.
                           Man läßt verdünntes Chlorgas in einem Schachte aufwärts steigen, in welchem über auf
                              									einander gethürmte Ziegel Kalkmilch oder eine Mischung von Kalkmilch und
                              									Chlorkaliumlösung herab tröpfelt. Wird bloß Kalkmilch in Verwendung genommen, so
                              									erhält man chlorsauren Kalk, und dieser liefert nachher beim Kochen mit Chlorkalium
                              									chlorsaures Kali; ist die Kalkmilch mit Chlorkalium vermengt, so gewinnt man
                              									unmittelbar chlorsaures Kali, welches durch Auskrystallisiren abgeschieden wird.
                              									– Englisches Patent vom 21 Juli 1871. – (Berichte der deutschen
                              									chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1872, Nr. 5.)
                           
                        
                           Ueber die Verwendung des schwefligsauren Kalkes in der
                              									Brauerei; von Victor Grießmayer.
                           Zu den Störungen welche in der Brauerei trotz des rationellsten Betriebes leicht
                              									eintreten können, gehört das Sauerwerden des Bieres. Es kann nicht jeder Brauer
                              									ausgezeichnete Lagerkeller besitzen; man ist in dieser Hinsicht nicht nur vom Gelde,
                              									sondern auch vom Terrain abhängig. Uebrigens sind die stark glutinhaltigen
                              									Gerstensorten vielfach schuld, daß man die Trübungen weder aus den Würzen noch aus
                              									dem Biere heraus bringt. Solche Biere vertragen kein langes Lagern, auch in guten
                              									Kellern nicht.
                           Es ist nun eine wichtige Sache, daß der Brauer für solche Zwischenfälle, in welchen
                              									ein schlimmer Ausgang zu befürchten ist, ein Mittel an der Hand hat, um dem
                              									künftigen Unheil bei Zeiten zu steuern. Ein solches Mittel ist der saure schwefligsaure Kalk. Derselbe wird vom Apotheker
                              										Deißböck in München (Au, Entenbachstraße 59/1b) unter dem Namen „schwefligsaurer
                                 										Kalk“ in den Handel gebracht. Auch in England wird dieses Präparat
                              									bereits fabrikmäßig dargestellt bei Alment und Johnson in London. Man verkauft ihn dort unter der
                              									richtigeren Bezeichnung „doppelt-schwefligsaurer Kalk.“
                              									Das Product stellt eine stark saure, nach schwefliger Säure riechende Flüssigkeit
                              									von 1,06 spec. Gewicht dar. Man gewinnt es durch Einleiten von schwefliger Säure in
                              									kohlensauren Kalk (Kreide, gepulverten Marmor) bis zur völligen Lösung, und bis eine
                              									klare, wasserhelle Flüssigkeit entstanden ist.
                           Die Anwendung dieses Mittels geschieht wie folgt: wenn ein Lagerfaß bis ungefähr zur
                              									Häfte eingeschlaucht ist, schüttet man die Flüssigkeit hinein, berechnet das Quantum
                              									aber nach dem vollen Faß im Verhältniß von 1 zu 1000.
                           Der saure schwefligsaure Kalk, welcher sich immer mehr Terrain erwirbt, kann nicht
                              									nur als Präservativmittel, sondern auch in dem Falle angewendet werden, wenn eine
                              									Würze eben sauer zu werden beginnt. Er kann zwar die schon gebildete Säure nicht
                              									mehr wegschaffen, aber er kann verhindern daß die Säurebildung weiter fortschreitet.
                              									Ist dieser Proceß schon in der Blüthe, dann hilft freilich keine schweflige Säure
                              									mehr. (Der bayerische Bierbrauer, 1872, Nr. 3.)
                           
                        
                           Kreide zum Zeichnen auf Tuch u. dergl.; von Prof. Dr. Marx in Stuttgart.
                           Es kommt gegenwärtig eine Kreide für Schneider zum Zeichnen auf Tuch und dergleichen
                              									in den Handel, welche sich fettig anfühlt, leicht auf Tuch abfärbt, ohne von
                              									demselben abzustäuben, die aber doch leicht von ihm sich wieder wegbürsten läßt.
                              									Besonders zeichnet sich die Kreide von A. Moisson in
                              									Paris durch gefällige Form der verschieden gefärbten Stücke aus, welche die Gestalt von flachen, scharf
                              									zugekanteten dreieckigen Scheiben mit abgerundeten Ecken haben, 6 Millimet. dick und
                              									von gegen 60 Millimet. Seite des Dreieckes sind. In der Mitte dient das vertieft
                              									angebrachte Fabrikzeichen zum bequemeren Halten der Stücke.
                           Solche Erde wird erhalten, wenn man gewöhnliche Pfeifenerde (Pfeifenthon) mit Wasser
                              									aufweicht, und Ultramarin für Blau, fein geriebenen Ocker für Gelb, gebrannten Ocker
                              									für Roth u.s.w. in dieselbe einarbeitet, bis die Masse recht gleich, mäßig gemischt
                              									ist. Aus derselben werden Lappen von entsprechender Dicke geformt, welche passend
                              									zusammengeschnitten in die geölten Holz- oder Metallformen gepreßt werden.
                              									Nach dem Formen läßt man die Stücke langsam an der Luft oder in schwach geheizten
                              									Räumen trocknen, worauf sie zum Gebrauch fertig sind. (Württembergisches
                              									Gewerbeblatt, 1872, Nr. 25.)
                           
                        
                           Ueber ein neues Zersetzungsproduct aus käuflichem Anilin; von
                              									R. Braun und Ph.
                                 									Greiff.
                           Wir hatten schon einigemal bemerkt, daß bei Destillation größerer Mengen Anilins mit
                              									etwas Kalk die zuletzt übergehenden Antheile sich nicht klar in Salzsäure lösten.
                              									Die Natur des durch Salzsäure sich ausscheidenden Körpers war aber so verschieden
                              									von den bisher bekannten Zersetzungsproducten, daß wir dasselbe einer näheren
                              									Untersuchung unterzogen, als deren Resultat ein sehr schöner, in weißen Blättchen
                              									sublimirender Körper erhalten wurde, den wir für einen Kohlenwasserstoff und zwar
                              									für Anthracen hielten.
                           Eine Bestimmung des Schmelzpunktes, der bei 235° C. ist, ließ jedoch diese
                              									Annahme nicht zu, und wir waren überzeugt einen Kohlenwasserstoff unter den Händen
                              									zu haben, da der Körper vollkommen die Eigenschaften eines solchen zeigte. In
                              									englischer Schwefelsäure mit grüner Farbe löslich bildet er beim Erwärmen
                              									Sulfosäure; Essigsäure und Chromsäure gaben ein braunes Oxydationsproduct, aus dem
                              									jedoch nichts Bestimmtes erhalten werden konnte. Alkalien, selbst in der Hitze,
                              									verändern den Körper nicht.
                           Erst als uns die interessante Entdeckung des Carbazols von Graebe und Glaser zu Gesicht kam, führte
                              									Aehnlichkeit der Eigenschaften beider Körper zu der Vermuthung, daß wir auch
                              									Carbazol in Händen hatten.
                           Der Nachweis von Stickstoff, der mit Kali allein nicht gelingen wollte, erfolgte
                              									sofort beim Glühen mit Kalikalk.
                           Die Eigenschaften unseres Körpers stimmen so genau mit den von Graebe und Glaser für das Carbazol angegebenen,
                              									daß wir nicht umhin können, denselben dafür anzusehen.
                           Da dieser Körper einerseits im rohen Theeröl fertig gebildet vorkommt, andererseits
                              									aber die Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß er sich in unserem Rohmaterial schon
                              									befunden und die Nitrirung und Amidirung mitgemacht habe, so gibt diese von uns
                              									beobachtete Bildungsweise vielleicht Gelegenheit, über die Constitution dieses
                              									Körpers in's Klare zu kommen.
                           Unsere Beobachtungen lassen vermuthen, daß sich der Körper erst bei hoher Temperatur
                              									bildet, wenn das schon trocken werdende Gemisch von Anilin und Kalk die heißen
                              									Kesselwände berührt. (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin,
                              									1872, Nr. 6)
                           
                        
                           Zur Beschaffung von Albumin für Druckfabriken.
                           Schwalbe fand, daß Kuhmilch, welcher man auf je 20 Gramme
                              									einen Tropfen Senföl zusetzt, bei längerem Stehen nicht
                              									gerinnt, sondern das Casein in ihr in Albumin übergeht.
                              									Bestätigt sich diese Beobachtung, so ist sie für die Druckfabrication von ungeheurem
                              									Werth; denn es wird dadurch die Schwierigkeit der Beschaffung von Albumin gehoben
                              									und der Preis dieses so theuren Materiales beträchtlich sinken. (Reimann's Färberzeitung, 1872, Nr. 17.)
                           
                        
                           
                           Ueber den Benzoesäuregehalt des Gaswassers; von H. Reinsch.
                           Bei der Behandlung von Gaswasser mit Gyps bei einer Temperatur von 50° C. wird
                              									das kohlensaure Ammoniak des Gaswassers vollständig unter
                              									Kohlensäure-Entwickelung zersetzt, und man erhält eine gelblich gefärbte,
                              									stark nach Theer riechende Lösung von schwefelsaurem Ammoniak. Die theerigen
                              									Bestandtheile dieser Lösung lassen sich von dem Ammoniaksalze kaum trennen; trocknet
                              									man aber die Lösung bei mäßiger Temperatur ein, bis sich keine Wasserdämpfe mehr
                              									entwickeln, und erhitzt sie hierauf in einer Porzellanschale mit aufgelegter
                              										Glimmerplatte,Die Glimmerplatten eignen sich vorzüglich zum Sublimiren, während die
                                    											Glasplatten leicht springen. Der Verf. bedeckt die Glimmerplatte mit einer
                                    											fünffachen Schicht von Fließpapier, wodurch die Dämpfe leicht an der Platte
                                    											condensirt werden. so färbt die Masse sich zuerst rosenroth, dann purpurroth, und die
                              									Glimmerplatte bedeckt sich mit einer feinen Schicht glänzender Nadeln, welche nichts
                              									Anderes als Benzoesäure sind; über der Salzkruste
                              									befindet sich ein zartes, wolliges Sublimat, welches aus Salmiak und schwefelsaurem
                              									Ammoniak besteht. Löst man hierauf den Rückstand in Wasser und filtrirt, so erhält
                              									man eine farblose Lösung von schwefelsaurem Ammoniak, und auf dem Filter bleibt ein
                              									braunrother Anilinfarbstoff zurück. Vielleicht können Fabriken welche Theerwasser
                              									verarbeiten, aus dieser Beobachtung einigen Nutzen ziehen. (Neues Jahrbuch für
                              									Pharmacie, Bd. XXXVII S. 85; chemisches Centralblatt, 1872, Nr. 15.)
                           
                        
                           Ueber die Wirkung des Sonnenlichtes auf Olivenöl; von Luigi
                              										Moschini.
                           Auf Veranlassung und unter der Leitung Sestini's hat der
                              									Verf. Versuche über den chemischen Einfluß des Sonnenlichtes auf das Olivenöl
                              									angestellt und gelangte zu den folgenden Ergebnissen: 1) Ein Monat genügte, um das
                              									Oel unter dem Einfluß des Sonnenlichtes ganz zu entfärben. Veränderungen des
                              									specifischen Gewichtes wurden dabei nicht wahrgenommen. Wird das so entfärbte Oel
                              									mit Schwefelsäure (Dichte 1,63) behandelt, so färbt es sich nicht grünlich, sondern
                              									rothgelb; mit Salpetersäure oder caustischer Soda behandelt, nimmt es statt der
                              									gewöhnlichen grünen, resp. hellgelben Färbung eine weißliche an. 2) Wird das Oel in
                              									einem offenen Gefäße dem Sonnenlichte ausgesetzt, so behält es auch noch nach
                              									Verlauf eines Monates die Fähigkeit, sich unter dem Einfluß von salpetrigen Dämpfen
                              									zu verdichten; dauert die Einwirkung 2 oder 3 Monate, so bleibt das entfärbte Oel
                              									flüssig, auch bei der Einwirkung einer mit salpetrigen Dämpfen geschwängerten Lösung
                              									von salpetersaurem Quecksilber. 3) Das durch das Sonnenlicht entfärbte Oel reagirt
                              									stark sauer, hat einen schwach ranzigen Geruch und Geschmack, und löst das
                              									Anilinroth leicht auf, wobei es sich intensiv färbt.
                           Daraus geht hervor, daß das Olivenöl mittelst der Salpetersäure, Schwefelsäure und
                              									(auftischen Soda nur, wenn es sich im Normalzustande befindet, von anderen Oelsorten
                              									unterschieden werden kann, und daß die von Jacobson zur
                              									Ermittelung des Vorhandenseyns freier Fettsäuren in gefälschtem Oele empfohlene
                              									Anwendung des Anilinroths dazu führen könnte, ein Oel für verfälscht zu halten,
                              									welches einige Zeit dem Sonnenlichte ausgesetzt war und etwas ranzig geworden ist.
                              									Das Olivenöl in seinem Normalzustande enthält in Lösung einen gelblichen Stoff,
                              									welchen die Säuren grün färben, und welchen das Sonnenlicht so zersetzt, daß er
                              									weder gegen die Säuren, noch gegen die caustische Soda seine charakteristischen
                              									Reactionen noch äußert. Außerdem bilden sich unter dem vereinigten Einflüsse des
                              									Sonnenlichtes und des Sauerstoffes freie Säuren, und das Olein nimmt eine der
                              									Grundeigenschaften des Elaidins an. (Chemisches Centralblatt, 1872, Nr. 17.)
                           
                        
                           Ueber Apomorphin als Brechmittel.
                           Das Apomorphin, ein Zersetzungsproduct des Morphins, wurde im Jahr 1869 von Matthiesen und Wright entdeckt
                              									und benannt; dieselben hatten gleich anfänglich die Wahrnehmung gemacht, daß dieser neue chemische Stoff
                              									eine starke brechenerregende Wirkung besitze. Nach den von ihnen angestellten
                              									Versuchen hat sowohl an Hunden und Katzen die Einverleibung des Apomorphins unter
                              									die äußere Haut stets ein positives Resultat gegeben, als auch ist in jedem der
                              									therapeutischen Versuche an Menschen die brechenerregende Wirkung desselben in sehr
                              									präciser Weise zur Beobachtung gekommen. Was vorerst die beim Menschen angewandte
                              									Dosis betrifft, so schwankte dieselbe zwischen 0,003 und 0,011 Grm. In größeren
                              									Dosen gereicht, blieb der Erfolg ein gleicher ohne alle weitere bedenkliche
                              									Nebenwirkungen, was dem Brechweinstein, der Ipecacuanha u.s.w. nicht zukommt. Als weitere Vorzüge des
                              									Apomorphins dürften noch gelten die Anwendungsweise desselben in der Form der
                              									subcutanen Injection und die Kleinheit der wirksamen Dosis dieses Mittels. Auch
                              									haben die Verfasser niemals eine örtliche Reizung oder irgend welche spätere
                              									unangenehme Erscheinung an der Injectionsstelle beobachtet. Injectionen wurden an
                              									sehr verschiedenen Hautstellen vorgenommen und von allen Stellen aus stets der
                              									gewünschte Effect erzielt.
                           Der Vortheil der Application eines Brechmittels unter die äußere Haut dürfte gewiß in
                              									der Kinderpraxis, wie nicht selten auch bei Erwachsenen, zumal bei Vergiftungen und
                              									Zuständen von Betäubung und Bewußtlosigkeit u.s.w. sich geltend machen, und
                              									entfaltet das Apomorphin in relativ kurzer Zeit nach der Einverleibung und nach kurz
                              									dauernden und zuweilen selbst ganz fehlenden Prodomalerscheinungen seine specifische
                              									Wirkung, meist schon nach 4 Minuten, am spätesten nach 16 Minuten. Nach ein-
                              									oder mehrmaligem Erbrechen tritt sofort vollständiges Wohlbefinden wieder ein. Was
                              									den Darmcanal betrifft, der oft unangenehmer Weise durch andere Brechmittel in
                              									Mitleidenheit gezogen wird, so bleibt er, abgesehen von dem eigentlichen Acte des
                              									Brechens, vollständig intact, und haben nie Magenschmerzen, gastrische Beschwerden,
                              									Diarrhöen oder ähnliche Erscheinungen dabei stattgefunden. Aus Allem diesem glaubt
                              									man mit vollem Rechte das Apomorphin als das sicherste, zuverlässigste und am
                              									raschesten wirkende Brechmittel allen anderen bisher gekannten Emeticis voranstellen
                              									zu dürfen, obwohl zur Zeit allerdings noch seine Darstebung mit beträchtlichen
                              									Schwierigkeiten verknüpft ist; indeß steht zu erwarten, daß in Kürze eine
                              									verbesserte Darstellungsmethode dasselbe leicht Jedermann zugänglich machen wird.
                              									Das englische Präparat ist bis jetzt noch das beste und sicher wirkendste, es stammt
                              									aus der chemischen Fabrik von J. F. Macfarlan in
                              									Edinburgh und ist unter der Benennung „Hydrochlorate of Apomorphia“ zu beziehen. (Hager's pharmaceutische Centralhalle, 1872 S. 93.)
                           
                        
                           Neue Einbalsamirungsmethode.
                           Bufaline hat die Entdeckung gemacht, daß eine Verbindung
                              									von Campher und Phenylsäure ein ausgezeichnetes Conservirungsmittel für anatomische
                              									Präparate abgibt. Durch den Contact der Phenylsäurekrystalle mit Campher bildet sich
                              									eine ölige und dichte Substanz, welche man in einer hinreichenden Menge von mit
                              									Zinnober gefärbtem Petroleum löst. Verfasser empfiehlt folgende Lösungsverhältnisse:
                              									Phenylsäure und Campher circa 70 Gramme und Petroleum
                              									200 Gramme, oder Phenylsäure und Campher circa 130
                              									Gramme. Diese Flüssigkeit injicirt man in die Cadaver, oder man taucht in dieselbe
                              									die Theile, welche man conserviren will. Die bereits lange conservirten Präparate
                              									werden wieder weich und biegsam, wenn man sie in laues Wasser bringt. Bei dieser
                              									Methode existiren keine Intoxicationsgefahren und die Instrumente werden nicht
                              									angegriffen. (Oesterreichische Zeitschrift für praktische Heilkunde, 1872.)