| Titel: | Ueber ein neues Reagens auf Blut und Anwendung desselben in der forensischen Chemie; von F. L. Sonnenschein. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. VIII., S. 59 | 
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                        VIII.
                        Ueber ein neues Reagens auf Blut und Anwendung
                           desselben in der forensischen Chemie; von F. L. Sonnenschein.
                        Sonnenschein, über ein neues Reagens auf Blut.
                        
                     
                        
                           Durch frühere Beobachtungen hat sich der Verfasser davon überzeugt, daß Molybdänsäure
                              ebenso wie Wolframsäure unter gewissen Umständen mit allen sogenannten
                              Proteinkörpern Niederschläge geben, welche in sauren Flüssigkeiten unlöslich
                              sind.Vor 10 Jahren ist ein von Sonnenschein angegebenes
                                    Verfahren, durch Wolframsäure Proteinsubstanzen zu technischen Zwecken zu
                                    fällen, in England und Deutschland patentirt worden. Zur Hervorrufung dieser Reactionen ist es erforderlich, daß die erwähnten
                              Metallsäuren in einer löslichen Verbindung, d.h. an ein Alkali gebunden, sich
                              befinden, und dann ist darauf zu achten, daß eine andere freie Säure zugesetzt
                              werde, welche an und für sich weder mit dem metallsauren Salze, noch mit dem
                              Proteinkörper einen Niederschlag hervorbringt. Gewöhnlich wurde zu den hier zu
                              erwähnenden Versuchen das wolframsaure Natron angewendet.
                              Eine gesättigte Lösung dieses Salzes ist mit einer organischen Säure, z.B. mit
                              Essigsäure, oder auch mit dreibasischer Phosphorsäure stark anzusäuern und bildet so
                              das zum Gebrauche fertige Reagens. Dasselbe gibt mit Albumin, Caseïn,
                              Blutserum und Leim, auch selbst in höchst verdünnten Lösungen, voluminöse
                              Niederschläge. Diese Niederschläge nehmen beim Erwärmen außerordentlich an Volumen
                              ab und bilden dann eine weiche, fadenziehende, klebrige Masse, die nach dem Erkalten
                              zu einem festen,
                              zerreiblichen Körper erstarrt, und dann einen glasglänzenden, muschligen Bruch
                              zeigt. In schwach angesäuertem Wasser ist diese Verbindung unlöslich, jedoch,
                              namentlich beim Erwärmen, löslich in allen alkalischen Flüssigkeiten. Hieraus folgt,
                              daß die Lösung von erwähnter Zusammensetzung ein sehr gutes Reagens für alle zu den
                              Proteinsubstanzen gehörende Körper ist, welches an Empfindlichkeit dem sogenannten
                              Millon'schen Reagens (salpetersaures
                              Quecksilberoxyduloxyd) nicht nur gleichkommt, sondern dasselbe noch übertrifft.
                              Gegen defibrinirtes Blut verhält sich, was Empfindlichkeit der Reaction betrifft,
                              das erwähnte Säuregemisch ähnlich, aber noch so charakteristisch, daß es als Reagens
                              zum Erkennen von Blut empfohlen zu werden verdient. Eine verdünnte und filtrirte
                              Blutlösung gibt nämlich mit dem beschriebenen Reagens einen voluminösen,
                              röthlich-braunen oder chocoladefarbigen Niederschlag, welcher sich durch
                              Kochen zu Klümpchen von geringem Volumen zusammenballt. Unter dem Mikroskope zeigt
                              sich derselbe im frischen Zustande als aus kleinen Bläschen bestehend, welche durch
                              Trocknen verschiedenartig zusammenschrumpfen. In Ammoniak, sowie in anderen stark
                              alkalischen Flüssigkeiten löst sich der Niederschlag, wie erwähnt, im nicht stark
                              getrockneten Zustande leicht auf und bildet eine rothe dichroisirende Lösung von
                              intensiverer Färbung, als eine demselben entsprechende Menge reinen Blutes mit
                              Ammoniak geben würde. Durch Zusatz einer Säure wird der in dem Alkali gelöste
                              Niederschlag wieder gefällt. Bei 100° Cels. getrocknet bildet er eine
                              schmutzig-braune, pulverige Masse, welche 49,7 Proc. organische Substanzen
                              enthält. In dieser Masse sind alle Elemente des Blutes vertreten.
                           Molybdänsäure verhält sich der ihr so verwandten
                              Wolframsäure hierin analog. Dieselbe übt nämlich auf die Eiweißkörper und das
                              Blutroth eine sehr übereinstimmende Wirkung aus. Der Niederschlag ist jedoch etwas
                              lebhafter roth, und ebenso ist die Auflösung in Ammoniak etwas lebhafter
                              gefärbt.
                           Aus Vorstehendem geht hervor, daß das angegebene Verfahren für forensische
                              Untersuchungen von Wichtigkeit werden kann. Wenn es sich in
                              Criminal-Untersuchungen z.B. um die Feststellung von Blutflecken auf Zeug
                              u.s.w. handelt, so kann man die befleckte Stelle ausschneiden, mit Wasser auslaugen
                              und die filtrirte Lösung mit dem Reagens fällen und weiter untersuchen. Hierbei
                              gereicht der Umstand zum Vortheil, daß man eine sehr verdünnte Blutlösung zum Fällen
                              verwenden kann. Filtrirt man nun den Niederschlag ab und behandelt denselben nach
                              dem Auswaschen mit wenigem Ammoniak, so erhält man noch eine deutlich gefärbte
                              Lösung, auch wenn der ursprüngliche Blutauszug so wenig gefärbt war, daß derselbe durch's
                              Spectroskop nicht mehr erkannt werden konnte. Man kann auf diese Weise die Färbung
                              gleichsam concentriren und Blutniederschläge beliebig conserviren, welche dann zu
                              gelegener Zeit in Ammoniak gelöst zunächst durch die charakteristische grünroth
                              dichroisirende Färbung erkannt werden können. Wird nun wieder durch eine Säure
                              gefällt, so hat man Material zu den übrigen Blutreactionen, welche einerseits auf
                              den Nachweis von Stickstoff durch die Cyanbildung beim Schmelzen mit Natrium,
                              andererseits, nach dem Einäschern, auf den Nachweis von Eisen in einer ursprünglich
                              keine Eisenreaction mit den gewöhnlichen Reagentien gebenden Lösung basirt sind.
                              (Vierteljahresschrift für gerichtliche Medicin, neue Folge, Bd. XVII Heft 2, durch
                              chemisches Centralblatt, 1873 S. 423.)