| Titel: | Ueber Fleischconservirung für den Armeegebrauch; von Dr. Otto Broxner, k. b. Stabsarzt in München. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XXI., S. 151 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXI.
                        Ueber Fleischconservirung für den Armeegebrauch;
                           von Dr. Otto Broxner, k. b.
                           Stabsarzt in München.
                        Aus dem bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt,
                              1873 S. 277.
                        Broxner, über Fleischconservirung für den
                           Armeegebrauch.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1867 nahm ich mir in das Lager auf dem Lechfelde zur Bereitung von
                              Brühfleisch eingebranntes Mehl mit, welches, in ein Gefäß eingedrückt, sich
                              wochenlang unverändert hielt. – Als ich später von Tallermann's mißlungenem Versuche hörte. Fleisch in rohem Zustande durch Verpackung in heißem geschmolzenem Talg genießbar zu
                              erhalten, kam ich auf den Gedanken, gares Fleisch in dem
                              bewährten Einbrennmehl zu conserviren.
                           Zum ersten Versuche wurden 500 Gramme Ochsenfleisch (reiner Muskel) etwa 2 Stunden
                              hindurch gedünstet; während des Kochens verlor das Stück Fleisch 300 Grm. seines
                              Gewichtes. Es wurde ferner aus 100 Grm. Mehl und ebensoviel Rindsschmalz ein hübsch
                              gebräuntes Einbrennmehl bereitet, dasselbe mäßig gesalzen und mit der Bratbrühe des
                              gedünsteten Fleisches – welche vorher mit einer Lösung von 4 Grm. Gelatine in
                              etwas Essig verdünnt worden war – angefeuchtet. Mit diesem Einbrennmehl wurde
                              das in zwei Stücke getheilte gare Fleisch in einem Becherglase fest eingedrückt, so
                              daß das Fleisch allseitig von dem Einbrennmehl eingehüllt war. Nach wenigen Stunden war die
                              ganze Masse in dem Becherglase fest zusammengebacken. Ich überband das Becherglas
                              locker mit gewöhnlichem Papier und stellte dasselbe an das einzige, aber
                              geschlossene Fenster einer niederen Dachkammer, deren niedrigste Temperatur während
                              der ganzen Aufbewahrungszeit + 6° R. betrug. Die Umgebung in der Dachkammer
                              war der Conservirung von Fleisch durchaus nicht günstig; abgesehen davon, daß
                              getragene Kleider darin aufgehängt, alte Wäsche dort aufbewahrt wurde – also
                              Staubtheile genug importirt wurden, zeigte sich an diversen Gegenständen reichlich
                              Pilzbildung, so an eingemachten Früchten und Gurken, welche auf demselben Gesimse
                              mit dem zu conservirenden Fleische standen. Unter diesen Verhältnissen befand sich
                              das Präparat 10 Wochen lang und zeigte an sich keine Spur von Veränderung. Nach
                              dieser Zeit wurde die Masse aus dem Becherglase herausgestochen und das Fleisch mit
                              80 Grm. des eingebrannten Mehles als Brühfleisch zubereitet. Der Versuch durfte als
                              gelungen betrachtet werden: das Fleisch hatte weder in Bezug auf Consistenz, noch
                              Farbe, noch Geruch oder Geschmack irgend welche Veränderung erlitten, es schmeckte
                              eben wie Fleisch, welches Tags vorher gebraten und dann in Brühe frisch aufgekocht
                              wird.
                           Ein zweiter, in Bezug auf Form etwas veränderter Versuch wurde später angestellt. 100
                              Gram. fertig gedünsteten Ochsenfleisches (entsprechend 250 Grm. rohen Fleisches)
                              wurden mit einem Wiegmesser fein zerkleinert und das Gewiegte mit der Bratbrühe,
                              welche vorher mit einer Lösung von 6 Grm. Gelatine in etwas Essig verdünnt worden
                              war, befeuchtet und mäßig gesalzen. Dieses benetzte Fleischgewiegsel, mit einem aus
                              50 Grm. Mehl und ebensoviel Schmalz bereiteten, noch im Tiegel befindlichen, heißen
                              Einbrennmehl gemischt, bildete rasch eine dickzähe, leicht knet- und formbare
                              Masse, welche sich ebenso leicht als Wurst stopfen, wie in Tafelform etc. bringen
                              läßt. Zweifellos in Folge des größeren Leimzusatzes verhärtete diese Masse binnen
                              zwei Stunden und wurde in einem geheizten Zimmer aufbewahrt. Eine daraus mit
                              Weißbrod bereitete Hachis-Suppe war binnen einer Viertelstunde fertig und
                              ließ in Bezug auf Wohlgeschmack nichts zu wünschen übrig.
                           Für dieses von mir zum Armeegebrauch gefundene Verfahren der Fleischconservirung
                              glaube ich folgende Punkte als empfehlend anführen zu dürfen.
                           Der durch Luftabschluß conservirende Stoff – das Einbrennmehl – ist ein
                              bewährtes und beliebtes Nahrungsmittel, das z.B. in der österreichischen Armee
                              reglementmäßig eingeführt ist und zu dessen Bereitung die Armeeverwaltung keinen
                              bedeutenden Aufwand für Beschaffung von Rindsfett oder Schmalz zu machen hat, wenn man erwägt,
                              daß ein Mastochse auf 100 Gewichtstheile reinen Fleisches circa 20 Theile Fett liefert.
                           Die Arbeit der Conservirung auf diese Weise kann von jedem einigermaßen zum Kochen
                              anstelligen Menschen verrichtet werden, erfordert also keine besonderen
                              Vorkenntnisse, keine durch Uebung erworbene technische Geschicklichkeit. Zur
                              Fertigung des Präparates sind keine besonderen Gerätschaften erforderlich; außer
                              Tiegeln und Pfannen wäre zur Abkürzung der Arbeit nöthigenfalls eine
                              Fleischzerkleinerungsmaschine am Platze. Das Präparat kann in jedem Gefäße: in
                              Töpfen, Tonnen, Schachteln, Blechbüchsen, Thierdärmen, selbst in Papierhülsen
                              aufbewahrt werden. Es ist im Felde jederzeit möglich, auf diese Weise lebendes
                              Schlachtvieh in eine schmackhafte Fleischconserve zu verwandeln: dieß scheint
                              angezeigt bei Vorhandenseyn marschunfähiger Thiere, bei Futtermangel in festen
                              Plätzen, in einem ausrequirirten Belagerungsrayon, in futterarmen Gegenden
                              überhaupt, bei Ausbruch von Epizootien, um das Fleisch der gesunden Thiere für den
                              Consum zu retten. Bei raschen Bewegungen der Armeen erscheint es zweckmäßiger, den
                              Truppen conservirtes als frisch geschlachtetes Fleisch oder lebendes Vieh
                              nachzuführen, denn die Verpflegsabtheilungen mit ihren Heerden können unmöglich
                              nachkommen, conservirtes Fleisch aber gewährt durch seinen beim Kochen erlittenen
                              Gewichtsverlust Transporterleichterung, nährt ebensogut wie frisches Fleisch und ist
                              jedenfalls schmackhafter als das Fleisch ermüdeter und dann geschlachteter Thiere;
                              die Zeit, welche zum Schlachten, sodann zur Vertheilung und zum Kochen des frischen
                              Fleisches nöthig ist, bleibt der ermüdeten Mannschaft zur Pflege der Ruhe, wenn die
                              Heeresabtheilungen ein Nahrungsmittel mit sich führen, das in 1/4 bis 1/2 Stunde gar
                              gemacht werden kann.
                           Es kann mir der Einwurf gemacht werden, daß mein Präparat nicht für alle im Felde
                              waltenden Verhältnisse geprobt, und daß eine Aufbewahrungszeit von 10 Wochen zu kurz
                              sey, um dieses Präparat schon als Fleischconserve aufführen zu können: dagegen habe
                              ich zu bemerken, daß der Zustand des unter ganz ungünstigen Außenverhältnissen
                              conservirten Fleisches nach Ablauf der genannten Zeit in jeder Beziehung ein
                              unveränderter war und daß ich daraus wohl mit Recht schließen darf, das Präparat
                              werde noch viel längere Zeit hindurch sich halten, werde auch den Einflüssen der
                              Sommertemperatur widerstehen und allen Anforderungen an ein gesundes, billiges und
                              schmackhaftes Nahrungsmittel für den Armeegebrauch entsprechen können.
                           Ich möchte nun zum Schluß noch Einiges über den Leimzusatz bemerken, welchen ich bei meinen Versuchen
                              zu machen für gut fand. Ich habe hierbei den Leim nicht bloß als Bindemittel
                              zugemischt, sondern empirische Thatsachen haben mir wahrscheinlich gemacht, daß der
                              seit Magendie u.a. so sehr in Mißcredit gekommene Leim
                              denn doch eine Rolle bei der Ernährung spielen müsse. Zwei hiesige Bürger mästeten
                              jahrelang junge Enten mit dem bei der Handschuhfabrication abfallenden
                              Ledergeschabsel, welches mit heißem Wasser und Kleien zu einem dick-klebrigen
                              Brei gemischt verfüttert wurde. A. Guérard (Ann.
                                 d'Hyg. 2 sér. XXX p. 315, Oct. 1871) führt an, daß Grignon mit
                              Gelatine und Kartoffelrückständen Schweine mästete. Mit außerordentlicher
                              Befriedigung fand ich nun von C. Voit (Zeitschrift für
                              Biologie VIII. 3) die Berechtigung des zu meiner Conserve beliebten Leimzusatzes
                              wissenschaftlich begründet. Die Quantität des meinen Präparaten zugesetzten Leimes
                              ist freilich eine geringe, allein ich fürchtete durch eine größere Dosis den
                              Wohlgeschmack der Conserve zu beeinträchtigen. Vielleicht erscheint bei weiteren
                              Versuchen eine Mehrung des Leimes in der Conserve statthaft. Indem ich hier
                              ausdrücklich betone, daß ich in Folge dieser Veröffentlichung mein Verfahren der
                              Fleischconservirung durch anderwärts angestellte controllirende Versuche erprobt
                              wissen möchte, füge ich bei, daß mir das in oben beschriebenem zweiten Versuche in
                              Hachisform conservirte Fleisch für den Feldgebrauch den Vorzug zu verdienen scheint;
                              die Erbswurst würde damit ein Seitenstück erhalten.