| Titel: | Ueber das Vorkommen der Arabinsäure (des Gummis) in den Zuckerrüben und über den Arabinzucker; von Dr. C. Scheibler. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LII., S. 303 | 
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                        LII.
                        Ueber das Vorkommen der Arabinsäure (des Gummis)
                           in den Zuckerrüben und über den Arabinzucker; von Dr. C. Scheibler.
                        [Ueber das Vorkommen der Arabinsäure (des Gummis) in den
                           Zuckerrüben und über den Arabinzucker.]
                        
                     
                        
                           Vor fünf Jahren machte der Verfasser auf einen Bestandtheil des Zellgewebes der
                              Zuckerrüben aufmerksam, der unter Umständen in den Saft derselben mit übergeht und
                              alsdann, die Rolle eines sogenannten Nichtzuckerstoffes spielend, die Qualität des
                              Saftes ganz außergewöhnlich verschlechtert und die Verarbeitung desselben so
                              erschwert, wie es von keinem anderen Körper aus der Gruppe der Nichtzuckerstoffe
                              geschieht. Dieser Körper ist eine Säure und wurde zuerst von Fremy dargestellt, der sie anfangs als
                              „Cellulosesäure“, später aber als
                              „Metapectinsäure“ bezeichnete, weil er sie mit der
                              gleichnamigen, aus Pectin dargestellten Säure für identisch hielt. Der Verfasser hat
                              bisher die Bezeichnung „Metapectinsäure“ für diese Säure
                              beibehalten, obgleich er schon auf Grund seiner ersten Studien über dieselbe nicht
                              zweifelte, daß sie kein Derivat eines Körpers der Pectingruppe sey und daher einen
                              anderen Namen erhalten müsse; denn die definitive Benennung dieser Säure mußte
                              ausgesetzt bleiben, bis die Natur derselben völlig klar gelegt war.
                           Die genaue Untersuchung dieses Körpers war nicht ohne Schwierigkeit. Die eine
                              Schwierigkeit bestand darin, daß es dem Verfasser nicht immer gelang, denselben in
                              genügender Menge aus den Rüben zu gewinnen; die Rüben der Campagne 1868–1869
                              lieferten sogar fast keine Ausbeute; die letzte Campagne, 1872–1873, lieferte
                              dagegen eine außerordentlich lohnende Ausbeute. Die andere Schwierigkeit zeigte sich
                              darin, daß der Verfasser trotz aller Mühe und zahlreicher Versuche nicht im Stande
                              war, diese Säure völlig rein, namentlich aschenfrei darzustellen. Ungeachtet aller
                              Schwierigkeiten ist es ihm doch nun gelungen, die wirkliche Natur dieser bisher
                              „Metapectinsäure“ genannten Säure unzweifelhaft
                              festzustellen.
                           Zahlreiche und zu verschiedenen Zeiten mit Material aus Rüben verschiedener Jahrgänge
                              ausgeführte Analysen lieferten dem Verfasser nach Abzug und unter Berücksichtigung
                              der Asche der Substanz folgende Zahlen:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 IV.
                                 V.
                                 VI.
                                 Mittel.
                                 
                              
                                 C
                                 41,7
                                 41,9
                                 41,6
                                 41,8
                                 41,8
                                 42,0
                                 41,8
                                 
                              
                                 H
                                   6,6
                                   6,5
                                   6,7
                                   6,7
                                   6,5
                                   6,6
                                   6,6
                                 
                              
                                 O
                                 51,7
                                 51,6
                                 51,7
                                 51,5
                                 51,7
                                 51,4
                                 51,6
                                 
                              
                           
                              
                                 I.
                                 und
                                 II.
                                 Aus
                                 Rüben
                                 des
                                 Jahres
                                 1867
                                 (linksdrehend).
                                 
                              
                                 
                                 
                                 III.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1868
                                 deßgl.
                                 
                              
                                 IV.
                                 und
                                 V.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1872
                                 deßgl.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 VI.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1872
                                 (rechtsdrehend).
                                 
                              
                           Diese Zahlen passen genügend gut zu der Formel
                              C¹²H²²O¹¹,C = 12, O = 16. welche 42,11 Kohlenstoff, 6,43 Wasserstoff und 51,46 Sauerstoff verlangt.
                              Diese Formel ist aber die des Gummi's oder der Arabinsäure (aus Gummi
                                 arabicum), und es stimmen auch fast alle Eigenschaften, welche der
                              Verfasser in seiner früheren Arbeit für die Metapectinsäure angegeben hat, mit den
                              vorliegenden Angaben über die Eigenschaften des Gummi's –, welches auch
                              schwach sauer reagirt, – überein. Auch die übrigen Eigenschaften beider
                              Körper, so ihre Fällbarkeit im unreinen Zustande und ihre Nichtfällbarkeit im reinen
                              Zustande durch Weingeist, ihr Verhalten gegen Bleisalze, das froschlaichartige
                              Aufquellen der reinen, getrockneten Körper in Wasser etc., stimmen völlig
                              überein.
                           Trotz dieser Uebereinstimmung glaubte der Verfasser doch wegen der zahlreichen
                              Isomerien, welche bei Kohlehydraten von der Zusammensetzung
                              C¹²H²²O¹¹ möglich sind und zum Theil
                              bereits existiren, den vorerwähnten Eigenschaften wenig Gewicht beilegen zu dürfen;
                              er war vielmehr bestrebt, den Nachweis der wirklichen Identität zwischen seiner
                              früheren Metapectinsäure und der Arabinsäure noch in anderer Weise zu führen. Diesen
                              Nachweis hat er nun dadurch geliefert, daß er die aus den beiden Säuren durch
                              Spaltung entstehenden Zucker, welche schön krystallisiren und alle für ein genaues
                              Vergleichsstudium erforderlichen Qualitäten besitzen, in ihren Eigenschaften
                              verglich. Er fand nun, in Uebereinstimmung mit seinen früheren Angaben über den
                              Pectinzucker oder die Pectinose, daß der Zucker aus Arabinsäure wie jener in
                              wasserfreien Prismen von der Zusammensetzung C⁶H¹²O⁶
                              krystallisirt und alle übrigen, früher angegebenen Eigenschaften mit demselben
                              gemein hat. Die optische Drehkraft fand er zwar um ein Geringes höher, [α] + 121 (nach dem Stehen oder Erwärmen = + 116),
                              statt, wie früher, + 118; es kann uns dieß aber nicht verwundern, da die Drehung,
                              wie beim Traubenzucker, je nach der Beobachtungstemperatur sehr schwankt. Auch die
                              übrigen, früher für den Arabinzucker (Pectinzucker) aus Rübengummi angegebenen
                              Eigenschaften fand er bei der Arabinose aus Gummi
                                 arabicum wieder, so den Schmelzpunkt, seine Einwirkung auf Kupferlösung,
                              seine Unfähigkeit zu gähren etc.
                           Bei der Verbrennung lieferte die Arabinose, und zwar sowohl die aus Rübengummi, als
                              die aus Gummi arabicum, Zahlen, welche genau der Formel
                              C⁶H¹²O⁶ entsprechen.
                           Von noch größerer Beweiskraft für die absolute Identität
                              der beiden erwähnten Zucker ist schließlich die Thatsache, daß die Krystallformen
                              derselben völlig gleich sind, resp. nur ganz unwesentliche Differenzen zeigen. Die
                              Krystalle sind kleine prismatische Nadeln, welche nach den von dem Hrn. Dr. P. Groth ausgeführten, in
                              unserer Quelle mitgetheilten Bestimmungen dem rhombischen System angehören.
                           Als Gesammtresultat der angeführten Thatsachen ergibt sich, daß im Zellgewebe der
                              Rüben, resp. im Safte derselben ein Gummi vorkommt, welches in allen Beziehungen mit
                              dem Gummi arabicum oder vielmehr mit der darin
                              enthaltenen Arabinsäure identisch ist. Wir wissen von dem Pflanzengummi, daß es im
                              Pflanzenreiche eine außerordentliche, vielleicht ganz allgemeine Verbreitung hat,
                              und daher findet man dasselbe auch schon längst als einen der Bestandtheile des
                              Rübensaftes (auch wohl als „Pflanzenleim“ bezeichnet) mit
                              aufgeführt, ohne daß jedoch der exacte Beweis für das Vorhandenseyn desselben
                              geliefert, oder die wirkliche Natur dieses Gummi's festgestellt worden wäre.
                           Die für diesen Bestandtheil der RunkelrübenDer Verf. fand denselben auch in den Futterrüben, jedoch nicht in
                                    bemerkenswerth größerer Menge, wie er vermuthet hatte. früher von Fremy gegebene Bezeichnung Metapectinsäure wird nunmehr durch die Namen
                              „Gummi“, „Rübengummi“ oder „Arabinsäure“ zu ersetzen seyn, und ebenso nennt der
                              Verfasser den daraus abspaltbaren, wohl charakterisirten Zucker jetzt nicht mehr
                              „Pectinzucker“ oder
                              „Pectinose“, sondern
                              „Gummizucker“ oder
                              „Arabinose“.
                           Die Arabinsäure kommt unter normalen Verhältnissen in dem Marke reifer und gesunder
                              Rüben höchst wahrscheinlich vollständig oder wenigstens zum größeren Theile in unlöslicher Form, d.h. in der Modification der
                              „Metaarabinsäure“ (Fremy, Neubauer) vor, in welcher Form sie sich auch im
                              Kirschgummi (Cerasin) findet. In dieser Form quillt sie in reinem Wasser nur zu
                              einer gallertartigen Masse auf, welche das Ansehen des Froschlaiches hat, und die
                              man in den Zuckerfabriken bei den Saftgewinnungsstationen sehr häufig beobachten
                              kann. Unter anderen Verhältnissen aber, so in den alterirten Rüben, den Rüben
                              erhitzter Mieten, sowie in Rüben gewisser Jahrgänge (Campagne 1872–1873),
                              findet sich die Arabinsäure in der unmittelbar löslichen Form, zum größten Nachtheil
                              der Qualität der zu gewinnenden Säfte. Aber auch in der aufquellenden, unlöslichen
                              Form der Metaarabinsäure verflüssigt sie sich sogleich bei der Einwirkung alkalisch
                              reagirender Flüssigkeiten, um dann in diese einzutreten.
                           Was die optische Drehkraft der Arabinsäure anbetrifft, so hat der Verfasser früher
                              mitgetheilt, daß dieselbe ein Drehungsvermögen nach links besitze, und zwar von
                              solcher Stärke, daß 1 Theil derselben die Rechtsdrehung von circa 1 1/3 Theilen Rohrzucker neutralisire, wornach also [α] ungefähr = – 98,5 seyn würde. Ebenso
                              findet sich für das arabische Gummi eine Linksdrehung, jedoch nur von [α] = – 36 nach Béchamp (Gmelin's Handbuch, Bd. VII S.
                              641) verzeichnet. Die erste Probe Gummi arabicum, welche
                              der Verfasser zum Zwecke von Vergleichsversuchen kaufte, zeigte aber statt dessen
                              eine nicht geringe Rechtsdrehung. Die Gummisorten des Handels sind offenbar meist
                              eine gemischte Waare, und der Verfasser suchte sich nun, um diesen Widerspruch
                              aufzuklären, durch Vermittlung des Hrn. Apothekers Fr. Witte in Rostock unvermischte Gummisorten zu verschaffen. Er erhielt von
                              demselben fünf Sorten, die zunächst auf ihr Rotationsvermögen untersucht wurden. Es
                              fanden sich darunter drei links- und zwei rechtsdrehende, wornach also in der
                              That, was bis jetzt unbekannt gewesen zu seyn scheint, Gummisorten mit
                              entgegengesetztem Rotationsvermögen existiren.
                           Die Resultate der Untersuchung dieser Gummisorten, welche der Verfasser unter
                              folgenden Bezeichnungen:
                           
                              
                                 Nr.
                                 I.
                                 
                                    Gummi
                                    
                                 
                                    arabicum
                                    
                                 
                                    Levantine
                                    
                                 nat.
                                 
                              
                                 „
                                 II.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 elect.
                                 
                              
                                 „
                                 III.
                                 „
                                 „
                                 
                                    Sennary
                                    
                                 elect.
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 Nr.
                                 IV.
                                 
                                    Gummi
                                    
                                 arabicum Sennary in granis.
                                 
                              
                                 „
                                 V.
                                 „
                                 Senegal de Fleuve.
                                 
                              
                           erhielt, sind in der nachstehenden Tabelle enthalten. Die
                              unter VI aufgeführten Resultate betreffen reine Arabinsäure, welche nach der von
                              Neubauer angewendeten Methode, wiederholtem Fällen der mit Salzsäure angesäuerten
                              Gummilösung durch Alkohol und Auswaschen etc., aus einem käuflichen rechtsdrehenden
                              Gummi erhalten war.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 210, S. 306
                              Nr.; Gehalt an Asche; Vor der
                                 Inversion Drehung; Nach der Inversion; Dem Zucker entsprechendes Gummi; Grad;
                                 Bentzke; Gehalt an Zucker; Proc.
                              
                           Die Lösungen der Gummisorten wurden sowohl im unveränderten, als auch im invertirten
                              Zustande untersucht, und es ist verzeichnet
                           
                              
                                 in
                                 Spalte
                                 2
                                 der Aschengehalt der Gummiproben;
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 3
                                 die Drehung derselben vor der Inversion in einer 200 Millimet.langen
                                    Röhre, berechnet für die Ventzke'sche Normalmenge
                                    von26,848 Grm. Substanz in 100 Kubikcentimeter;
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 4
                                 die daraus sich berechnende specifische Drehkraft;
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 5
                                 die Graddrehung nach Ventzke nach der
                                    Inversion;
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 6
                                 die derselben entsprechende specifische Notation;
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 7
                                 die bei der Inversion gebildete Menge Zucker,
                                    C⁶H¹²O⁶, nachProcenten der Substanz;
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 8
                                 die Gummimenge C¹²H²²O¹¹, woraus
                                    dieser Zucker entstandenist, in Procenten.
                                 
                              
                           Für die Polarisationen wurden je 5 Grm. zu 100 Kubikcentimeter Flüssigkeit gelöst,
                              und die erhaltene Drehung auf 26,048 Grm. berechnet. Die Inversion geschah mit
                              verdünnter Schwefelsäure, und die Bestimmung des gebildeten Zuckers nach der von dem
                              Verfasser (Zeitschrift für Rübenzucker-Industrie, Bd. XIX S. 822) angegebenen
                              Methode der Wägung des Kupferoxyduls als Kupferoxyd, unter der Annahme, daß 10
                              Molecüle Kupferoxyd der Fehling'schen Lösung durch 1
                              Molecül Zucker zerlegt werden.Für den reinen Arabinzucker hat der Verf. zwar früher ein etwas stärkeres
                                    Reductionsvermögen gefunden, aber das gewöhnliche von 10 zu 1 beibehalten,
                                    weil in den obigen Zuckerlösungen auch noch ein unkrystallisirbarer Zucker
                                    enthalten war.
                              
                           Diese Resultate zeigen nicht allein, daß es hinsichtlich der Rotation verschiedene
                              Gummiarten gibt, sondern sie beweisen auch, daß die Gummisorten keine homogene, chemisch
                              gleichartige Substanzen seyn können, sondern Gemische verschiedener, nur ähnlicher,
                              bald rechts- bald linksdrehender Körper seyn müssen, worüber weitere
                              Untersuchungen noch näheren Aufschluß zu geben haben. Nichtsdestoweniger kann man
                              aber doch mit Bestimmtheit den Schluß ziehen, daß der quantitativ vorwiegende
                              Bestandtheil derselben mit dem Hauptbestandtheil des Rübengummi's identisch ist, wie
                              der aus beiden darstellbare Arabinzucker beweist. Neben dem Arabinzucker bildet sich
                              übrigens sowohl aus dem Rübengummi als aus dem arabischen Gummi stets noch eine
                              nicht unwesentliche Menge eines anderen syrupösen, nicht krystallisirenden Zuckers
                              von geringerem Rotationsvermögen, eines Zuckers, der wahrscheinlich gährungsfähig
                              ist, wodurch der zwischen der Thatsache, daß der Arabinzucker nicht gährungsfähig
                              ist, und der Angabe von Biot und Persoz, daß aus dem arabischen Gummi beim Erwärmen mit verdünnter
                              Schwefelsäure gährungsfähiger Zucker entstehe, noch bestehende Widerspruch seine
                              Erklärung finden würde. Das Rübengummi lieferte dem Verfasser stets weit mehr
                              krystallisirbaren Arabinzucker und weniger syrupösen Zucker, als die Gummiarten;
                              letztere lieferten sogar oft nur so geringe Mengen Arabinose, daß das
                              Auskrystallisiren derselben aus dem vorhandenen flüssigen Zuckersyrup erst nach
                              längerer Zeit und meist erst dann erfolgte, wenn man die Krystallisation durch
                              hineingeworfene Arabinzucker-Krystalle anregte. Wie bemerkt, ist die
                              Linksdrehung des Rübengummi's auch stets viel größer, als die Drehungen, welche der
                              Verfasser für die linksdrehenden Gummisorten fand. Es scheint daraus hervorzugehen,
                              daß die Gummisorten wechselnde Gemische von wenigstens zwei Körpern sind, so zwar,
                              daß das Rübengummi ein Gemisch ist, bestehend aus einem Arabinose liefernden
                              Hauptbestandtheil, der stark links dreht, und einem Nebenbestandtheil, der
                              rechtsdrehend ist und einen flüssigen Zucker gibt, während bei dem Gummi arabicum das Mengenverhältniß sich mehr oder
                              weniger umgekehrt gestaltet, d.h. der links drehende, Arabinose liefernde Antheil in
                              geringerer Menge vorhanden ist, und der rechtsdrehende vorwaltet.
                           Während der letzten Campagne, in welcher der Verfasser zahlreiche Rüben aus den
                              verschiedensten Gegenden auf Gummi verarbeitete, sind ihm übrigens einige Fälle
                              vorgekommen, daß die erhaltene Arabinsäure nicht links, sondern rechts drehte, und
                              wenn er diesen vereinzelten Fällen auch keine besondere Beweiskraft zuschreibt, so
                              scheint doch die Analogie mit dem arabischen Gummi dadurch noch größer zu werden,
                              und erhalten die eben gemachten Bemerkungen dadurch eine weitere Begründung. Die
                              Rechtsdrehung war in diesen Fällen aber stets nur eine geringe.
                           
                           Zur Darstellung des Rubengummi's verfährt der Verfasser jetzt folgendermaßen:
                           Frischer, ohne Wasserzusatz erzielter Rübenbrei (Reibsei von einer Handreibe oder von
                              der Fabrikreibe) wird mittelst einer scharfen Spindelpresse möglichst vom Saft
                              befreit, worauf man die rückständigen Preßlingskuchen in zerbröckeltem Zustande in
                              Alkohol von 86 bis 90° Tr. einträgt und damit einige Stunden kalt in
                              Berührung läßt. Man preßt darauf die alkoholische Lösung ab und wiederholt diese
                              Behandlung mit Alkohol noch ein Mal in gleicher Weise. Der Alkohol nimmt hierbei den
                              Zucker, sowie die meisten übrigen Nichtzuckerstoffe fast eben so gut und vollständig
                              weg, als es durch Maceration mit Wasser geschehen würde, nur mit dem Unterschiede,
                              daß das Metaarabin des Zellgewebes darin nicht aufquillt und löslich werden kann.
                              Nachdem auch der zweite Alkoholaufguß abgepreßt ist, bringt man die Preßlinge in
                              kochendes Wasser, erhitzt einige Zeit unter Umrühren, um den Alkohol zu
                              verflüchtigen und das Metaarabin aufzuquellen, setzt dann reine Kalkmilch bis zur
                              stark alkalischen Reaction zu und erwärmt damit auf dem Wasserbade. Darauf preßt man
                              die erhaltene Lösung von arabinsaurem Kalk ab und behandelt sie mit Kohlensäure, um
                              den überschüssig vorhandenen Aetzkalk zu fällen. Das Filtrat hiervon verdampft man
                              im Wasserbade auf ein kleineres Volum, filtrirt nochmals, um die Ausscheidungen zu
                              entfernen, versetzt das Filtrat mit Essigsäure bis zur stark sauren Reaction und
                              fällt mit starkem Alkohol in großem Ueberschuß. Es fällt hierbei unreines Rübengummi
                              als klebrige, fadenziehende Masse heraus. Nach einigem Stehen gießt man die saure
                              Alkohollösung ab, löst das Gummi in wenig Wasser, filtrirt, wenn nöthig, und fällt
                              die Lösung abermals durch Alkohol, welche Operation man einige Male wiederholt. Bei
                              diesem wiederholten Ausfällen schlägt sich die Arabinsäure dann nicht mehr als
                              fadenziehendes Gerinsel, sondern in Flocken nieder; aber, wie oft man dasselbe auch
                              wiederholen mag, es gelingt nicht, eine völlig aschenfreie Substanz zu erhalten.
                              Etwas reiner erhält man sie zwar, wenn man die so gereinigte Säure nochmals mit
                              Kalkmilch in das Kalksalz verwandelt, dasselbe mit Alkohol niederschlägt, die Lösung
                              desselben mit Salzsäure sauer macht und wie vorhin verfährt; aber auch hierdurch
                              entfernt man nicht alle Aschenbestandtheile.
                           Der Verfasser thut zuletzt noch eines Gummi's Erwähnung, welches unter dem Einflusse
                              einer besonderen Gährung aus dem Rübensaft auf Kosten des Zuckers entsteht. Dasselbe
                              ist nicht identisch mit dem vorhin besprochenen, und der Verfasser unterscheidet es
                              daher von diesem durch die Benennung „Gährungsgummi“,
                              während er das erstere als „normales
                                    Rübengummi“ bezeichnen möchte.
                           Ueberläßt man Rübensaft sich selbst, so wird er nach einiger Zeit schleimig und
                              fadenziehend; bei weiterem Stehen verflüssigt er sich wieder, und es tritt nun eine
                              ausgesprochene, je nach der Temperatur mehr oder weniger rasch verlaufende Gährung
                              ein, welche man als die „schleimige“,
                              „Milchsäure-“ oder
                              „Mannitgährung“ bezeichnet, und bei welcher sich
                              Kohlensäure und Wasserstoffgas entwickeln. Der Verfasser fand in dem bei dieser
                              Gährung zu Anfang sich entwickelnden Gasgemische 14 bis 15 Volumprocente
                              Wasserstoffgas. Das späterhin sich entwickelnde Gas ist stets ärmer an Wasserstoff,
                              und ganz zuletzt besteht das Gas nur aus Kohlensäure. Hat die Gährung nach einigen
                              Stunden ihr Ende erreicht, so klärt sich die Flüssigkeit, und man findet dann in
                              derselben ein Gummi, welches durch Alkohol daraus gefällt werden kann, Mannit, sowie
                              einen anderen, flüssigen Zucker, Milchsäure etc., die im Alkohol gelöst bleiben. Der
                              Mannit kann leicht durch Verdampfen der Lösung in Krystallen erhalten werden. Das
                              Gährungsgummi besitzt die Zusammensetzung des arabischen Gummi's (Kircher, Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XXXI S.
                              337). Das bei der Milchsäure-Darstellung entstehende Gummi dreht nach Brüning (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CIV S.
                              197) die Polarisationsebene rechts, was der Verfasser für das aus Rübensaft
                              gewonnene ebenfalls bestätigen kann. Es unterscheidet sich ferner vom Arabin auch
                              noch dadurch, daß es mit Fehling'scher Lösung einen
                              blauen, stockigen Niederschlag gibt und bei der Einwirkung verdünnter Schwefelsäure
                              einen Zucker liefert, welcher zwar die Fehling'sche
                              Lösung reducirt, aber keine Arabinose auskrystallisiren läßt, sondern syrupförmig
                              bleibt. Der Verfasser beabsichtigt in nächster Zeit weitere Mittheilungen über das
                              für die Zuckertechniker nicht minder wichtige Gährungsgummi zu machen und erinnert
                              für jetzt nur daran, daß es ohne Zweifel häufig während der Fabrication bei
                              vernachlässigtem Betriebe auftritt und manchen Rohzuckern anhaftet; letztere erkennt
                              man daran, daß ihre wässerigen Auflösungen mit Fehling'scher Kupferlösung einen blauen, flockigen Niederschlag geben. (Berichte der deutschen
                                    chemischen Gesellschaft, 1873 S. 612.)