| Titel: | Ueber die Abstammung und die Gewinnung des Kautschuks. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LIII., S. 310 | 
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                        LIII.
                        Ueber die Abstammung und die Gewinnung des
                           Kautschuks.
                        Aus dem Scientific American vom 6. September 1873; durch
                              die Industrieblätter vom 30. October 1873.
                        Ueber die Abstammung und die Gewinnung des Kautschuks.
                        
                     
                        
                           Die umfangreiche und außerordentlich rasch wachsende Verwendung von Kautschuk hat
                              diesen Stoff, welcher in Europa zuerst nur zum Auslöschen von Bleistiftstrichen
                              gebraucht wurde, jetzt zu einem Artikel erhoben, der eine der ersten Rollen in der
                              Industrie spielt. Der Consum erfordert jährlich viele Tausende von Tonnen, und
                              beinahe jede Gegend der Tropen wird zu dieser Lieferung herangezogen.
                           Die Pflanzen, welche Kautschuk liefern, gehören zu einer der drei nachstehenden
                              natürlichen Ordnungen:
                           1) Euphorbiaceen, welche durch verschiedene Species von Bäumen (Hevea und Siphonia) repräsentirt werden und in den heißen und feuchten Thälern des
                              Amazonenstromes und des Rio grande do Norte wachsen.
                           2) Artocarpeen, denen verschiedene Spielarten der Ulé-Bäume (Castilloa elastica etc.), welche sich vom Golf von
                              Mexiko bis Guayaquil finden, und eine Reihe von Feigenbaum-Arten (Fiscus elastica etc.) angehören, die im
                              nordöstlichen Indien, Vorder-Indien, Java und Nord-Australien
                              wachsen.
                           3) Apocyneen, welche durch die Hancornia in
                              Süd-Brasilien, die Landolphia im
                              äquatorialen Afrika, die Vahea in Madagaskar und
                              die Urceola in Malakka und Borneo repräsentirt
                              werden. Alle diese Gewächse sind Klettersträuche und Stauden, mit Ausnahme des
                              erstgenannten.
                           Die feinste Qualität des Kautschuks ist das Para-Kautschuk, unter welchem
                              Namen das brasilianische Kautschuk, welches über diesen Hafen geht, im Handel
                              vorkommt.
                           Die Einsammlung des Para-Kautschuks beginnt im August und wird bis in den
                              Januar oder Februar fortgesetzt; in der Regenzeit ist die Milch oder der Saft zu
                              wässerig, um mit Erfolg zu arbeiten. Wenn die Milch ausfließt, hat sie die Farbe und
                              Consistenz von Rahm; sie gerinnt jedoch bald durch die Absonderung des Kautschuks,
                              das dann in einer molkenartigen Flüssigkeit suspendirt bleibt. Die Bäume werden in
                              der Regel des Abends angezapft und am anderen Morgen wird die Milch
                              eingesammelt.
                           
                           Die Ausfuhr von Para-Kautschuk beläuft sich zur Zeit auf 5000 Tonnen (à
                              30 Centner), von denen etwa die Hälfte nach New-York geht. Es kommt in
                              verschiedenen Formen in den Handel: „Biscuits“, flache taschenartige Stücke, die über runden
                              Formen, „bottles“, welche in
                              derselben Weise über flaschenartigen Formen hergestellt werden; „nigger heads“, massive Kugeln von
                              oft einem Fuß im Durchmesser, aus mehreren kleinen Stücken zusammengerollt, und
                              endlich als lose unförmliche Stücke. Da Para-Kautschuk stärker, reiner und
                              dauerhafter als jedes andere, so ist es für Artikel, welche große Stärke und
                              Elasticität erfordern, wie Federn für Eisenbahnwagen u. dgl. unentbehrlich.
                           Eine Waare von sonst ähnlicher Qualität, aber weniger rein, ist die im Handel als
                              „Ceará-Scrap“ (scrap: Schnitzel, Stück) bekannte. Sie ist gleichfalls, wie das
                              Para-Kautschuk, das Product der Hevea.
                              Diese Bäume kommen in Französisch-Guiana, Venezuela und im östlichen Peru in
                              den dichten feuchten Wäldern längs der Flüsse zahlreich vor.
                           Den zweiten Rang unter den Kautschuk liefernden Pflanzen nimmt der
                              Ulé-Baum ein, welcher massenhaft in Central-Amerika und im
                              westlichen Südamerika südlich bis Peru vorkommt. Man zapft zwei, vielleicht drei
                              Species an. Die Bäume gedeihen am besten in dicken, dumpfigen, warmen Waldungen, am
                              schönsten in den Becken der Seen Nicaragua und Managua. Die Milch fließt zu allen
                              Jahreszeiten aus, ist aber im April am besten. Ein ordnungsmäßig behandelter Baum
                              von 18 Zoll im Durchmesser kann 20 Gallons Milch liefern, die 50 Pfund Kautschuk
                              geben. Man bringt in der Regel die Milch durch den Zusatz gewisser Pflanzensäfte zum
                              Gerinnen; das Kautschuk sondert sich als eine weiche braune Masse ab, die wie
                              frische Käse riecht. Es wird dann meist in Kuchen gepreßt, die etwa 2 Pfund wiegen.
                              Uebrigens kommen neben den Kuchen (tortillas oder
                              meros) noch Kugeln (cabezzas) und bolas auf den Markt, welche letzteren durch das natürliche Eintrocknen der
                              Milch in Baumeinschnitten gewonnen werden; die bolas sind besonders geschätzt. Im San-Juan-Districte
                              (Nicaragua) arbeiten regelmäßig 6-800 Einsammler und etwa 2000 in der
                              Umgegend von Panamá, wo man die Bäume niederschlägt, um das Kautschuk zu
                              gewinnen.
                           Das Kautschuk von Neugranada (im Handel als Carthagena-Waare bekannt) kommt in
                              3/4 Zoll dicken Platten in den Handel und ist von guter Qualität, obgleich ihm
                              zuweilen in Folge ungeschickten Anzapfens der Bäume Gummi beigemischt ist, wodurch
                              das Kautschuk theerig wird.
                           Die beste centralamerikanische Waare ist die unter dem Namen Westindisches Kautschuk
                              bekannte; sie kommt übrigens nicht von den westindischen Inseln. Die feinste Sorte
                              erscheint in Blöcken, welche aus dünnen Platten zusammengepreßt sind, im Handel und
                              ist sehr rein.
                           Guatemala-Kautschuk ist das schlechteste; es kommt in denselben Formen wie das
                              Westindische in den Handel, enthält aber theerartige Beimengungen.
                           Guayaquil-Kautschuk ist von sehr ungleicher Güte. Die besten Sorten sind
                              weißlich und bilden große Blöcke; die schlechteren Sorten sind schwammig und mit
                              einer widerwärtigen schwarzen Flüssigkeit erfüllt, welche auf die Gesundheit der
                              betreffenden Arbeiter schädlich einwirkt.
                           Die jetzt noch übrige Kautschuk-Region Amerikas umfaßt die Hochebene
                              Südbrasiliens, zwischen dem 18. und 20. Grade südlicher Breite. Sie liefert eine
                              gute, unter dem Namen Pernambuco-Kautschuk bekannte Waare, welche von
                              verschiedenen Arten der Hancornia erhalten wird.
                              Diese Bäume erreichen die Größe eines Apfelbaumes, haben schmale Blätter und
                              herabhängende Zweige, was ihnen das Ansehen von Trauerweiden gibt. Der Saft wird
                              jedoch nicht häufig abgezapft; man schätzt die Bäume mehr ihrer beliebten Früchte
                              wegen.
                           Der Hauptkautschukbaum Asiens ist die Ficus
                                 elastica, welche besonders in Assam, Vorderindien, Java, Sumatra vorkommt;
                              übrigens findet sich dieselbe auch in Australien. Das
                              „Singapore-Kautschuk“ (welches von Sumatra, Java,
                              China, Manilla, Penang und Malakka kommt) liefert vorzüglich die Ficus elastica; übrigens wird ein Theil des unter dem
                              obigen Namen gehenden Kautschuks auch von der Urceola
                                 elastica, einer raschwüchsigen Kletterpflanze, geliefert, welche zuweilen
                              eine Länge von 300 Schritten und den Umfang eines Mannes erreicht. Um die Milch zu
                              gewinnen, wird diese Pflanze regelmäßig in kleinere Abschnitte zerhauen und das
                              Ausfließen des Saftes durch Erhitzen eines der Enden solcher Abschnitte
                              beschleunigt. Durch einen Zusatz von Salz befördert man die Absonderung des
                              Kautschuks. Die Qualität dieser Waare
                              („Borneo-“Kautschuk) ist gering.
                           Dagegen ist das Madagaskar-Kautschuk, welches man gleichfalls von einer
                              Kletterpflanze gewinnt, vorzüglich; es wird namentlich in Frankreich benutzt und
                              rangirt im Preise gleich nach dem Para-Kautschuk.
                           Das äquatoriale Afrika ist reich an Kautschuk liefernden Klettersträuchen und Bäumen;
                              die Ausbeutung und Zubereitung wird jedoch sehr nachlässig betrieben, und das
                              Product ist in Folge ungeschickten Anzapfens sehr gering. Die Hauptausfuhrgegenden
                              sind Gaboon (hier haben die Franzosen 1843 eine Niederlassung gegründet), Congo,
                              Angola, Benguela und Zambesi.
                           
                           Trotz der großen Ausbreitung der Kautschuk liefernden Pflanzen liegt Grund zu ernsten
                              Besorgnissen wegen der Zukunft der Kautschuk-Production vor. In Folge des
                              leichtsinnigen Verfahrens der Eingeborenen verschwinden die Kautschukpflanzen,
                              soweit sie zugänglich sind, mit erschreckender Raschheit; in großen Bezirken sind
                              sie schon vollständig ausgerottet, und man sorgt in keiner Weise für Nachzucht. Zwar
                              finden sich noch immer Millionen von Stämmen in nahezu unzugänglichen Waldungen,
                              aber hier sind sie eben nicht auszubeuten.