| Titel: | Die Alaunfabrication in Montioni; von Dr. C. M. Kurtz. | 
| Autor: | C. M. Kurtz | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LVIII., S. 358 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LVIII.
                        Die Alaunfabrication in Montioni; von Dr.
                           C. M. Kurtz.
                        Kurtz, über die Alaunfabrication in Montioni.
                        
                     
                        
                           Von den Fabricationsorten des in Italien fabricirten römischen oder kubischen
                              Kali-Alaunes, der durch seine Eisenfreiheit und sonstige Eigenschaften so
                              hoch geschätzt ist, liest und hört man gewöhnlich nur Tolfa und Pozzuoli nennen,
                              obgleich an einem weiteren Ort in Italien wohl der schönste römische Alaun fabricirt
                              wird. Es ist dieß Montioni bei Massa marittima in der Großetanischen Maremma. Das
                              Alaunwerk wurde wieder gegründet, wie eine daselbst befindliche Denksäule mit dem
                              Medaillonbild der Fürstin besagt, von Elisa Baccicochi,
                              Großherzogin von Toscana
                              und Fürstin von Piombino, Schwester Napoleons I, als
                              dieser König von Italien ward. Nach der Restauration vertauschte dieselbe Montioni
                              gegen die unweit gelegene Kupferhütte Accesa, und so kam Montioni an Toscana und
                              dadurch an die jetzige italienische Regierung. Es steht unter der Direction des
                              Chefs des Staatseisenwerkes Follonica, das die Elbaner Erze verschmilzt. Es war
                              schon in, wahrscheinlich viel früheren Zeiten dort Alaun gewonnen worden, wie aus
                              der Menge der aufgehäuften ausgelaugten Rückstände (spurghi) und den ausgedehnten alten Tagbauen zu schließen ist, aber über
                              die Zeit, wann jene erste Alaunfabrication hier blühte, fehlt jede geschichtliche
                              Notiz.
                           Montioni, das vielleicht früher Montefiascone hieß, liegt
                              nicht, wie sein Name eigentlich erwarten ließ, auf hohen Bergen, sondern im
                              Gegentheil in einem Einschnitt zwischen unbedeutenden Hügeln nahe am Meer, aber sehr
                              einsam, umgeben von marremanischem Urwald. Gearbeitet wird nur 7 Monate, wie fast
                              überall in den Etablissements in der Maremma, da von Juni bis October wegen der hier
                              sehr schlimmen Malaria es Niemand aushalten würde, ohne sich das hartnäckige
                              maremmanische Wechselfieber zu holen. Die Fabrik- und Grubenarbeiter in
                              Montioni sind, wie die meisten Arbeiter der vielen Hütten und Gruben in der Maremma,
                              aus Pistoja und Umgegend und kehren Sommers in ihre Heimath, die Appenninen zurück,
                              um ihre Felder erndten zu helfen. Die Arbeitslöhne sind gering: ein Grubenarbeiter
                              (minatore) hat nur 1 Frauc für die Schicht.
                           Das Rohmaterial zur Darstellung des Alauns ist, wie auf le
                                 Tolfe Alaunstein (Alunit), aber in Montioni ist dieser Alaunstein nicht
                              durch Zersetzung trachytischer Gesteine entstanden, wie in le Tolfe, sondern aus
                              einem Schiefer (galestro) in Folge der Einwirkung von
                              Schwefelsäure, die aus Schwefelwasserstoff sich bildete. Daß solche
                              Schwefelwasserstoffexhalationen in vergangenen Zeiten hier statthatten, läßt sich
                              aus dem inmitten der Gruben befindlichen alten Schwefelbad schließen, das von den
                              zwei letzten Großherzogen mit in der Maremma auffallender Eleganz wieder hergestellt
                              und unterhalten wurde, aber viele Concurrenz hat, da an warmen Schwefelquellen im
                              südlichen Toscana Ueberfluß ist. Die wenigen Badegäste, die Montioni gebrauchen,
                              steigen bei dem geistlichen Herrn Montioni's ab, da es
                              daselbst weder Wirthshaus noch Gasthof gibt, sondern nur eine dispensa für die Arbeiter.
                           In früheren Zeiten gewann man hier den Alaunstein durch Tagbaue; gegenwärtig wird er
                              kunstgerecht bergmännisch abgebaut, und es sind ganz gewaltig hohe Gallerien in die
                              Alunithügel hineingewühlt oder richtiger herausgeschossen worden, denn guter Alaunstein ist hart wie Quarz
                              und ein zähes Gestein, so daß die Gallerten ohne alle Armirung stehen. Die
                              Alunitmassen sind theilweise weiß, theilweise bandartig in allen möglichen Farben
                              durch Eisen und Mangan gefärbt und vielfach von Quarzadern durchzogen. Das wirre
                              Wechsellagern und Durchkreuzen der hellen Alunitbänder mit den meist dunkel
                              gefärbten Quarzadern hat einem der dortigen größten Tagbaue den prosaischen Namen
                              cava maccheroni eingetragen.
                           Aber nicht die ganze sichtbare Alunitmasse ist wirklich guter brauchbarer Alunitstein
                              (KOSO³ + Al²O³ + 3SO³) + 2(Al²O³ 3HO) oder
                              Pietra buona, welcher beim Rösten in wasserfreien
                              Alaun und unlösliche Alaunerde (oder unlösliches sehr basisches Salz) zerfällt,
                              sondern ein großer Theil der Alunitähnlichen Massen entbehrt der nöthigen Menge Kali
                              oder Schwefelsäure, um nach dem Brennen Alaun zu geben, – sogenannte Pietra falsa oder trista,
                              – so daß man genöthigt ist, den Gängen guten Alunits bergmännisch
                              nachzugehen. Die Pietra buona hat eine Härte beinahe wie
                              Quarz und ein spec. Gewicht wie dichter Dolomit, und unterscheidet sich nur durch
                              diese Eigenschaften von der leichteren und weicheren pietra
                                 falsa; mit dem Auge ist für den Ungeübten absolut kein Unterschied
                              wahrzunehmen. Die Pietra falsa geht durch den Einfluß
                              von Luft und Wasser zu Tag allmählich in Kaolinartige Massen über. Die
                              Trennungs-Scheidung dieser Alaunlieferungsfähigen Alunite von diesen
                              sogenannten falschen Almuten ist die schwierigste Arbeit bei der ganzen
                              Alaunfabrication in Montioni.
                           Die Alunitbrocken, sowie sie aus der Grube kommen, werden zunächst in 2 Classen, gute
                              und mittelmäßige, sortirt, und die ganz schlechte pietra
                                 falsa ausgelesen. Hierauf werden dieselben in Oefen, ähnlich unseren
                              periodischen Kalköfen, deren immer mehrere neben einander stehen und wovon je zwei
                              immer eine Mauer gemeinsam haben, gebrannt oder geröstet. Als Feuerung dient Reissig
                              oder sonstiges wertloseres Holz. Der Feuerungsraum ist circa 1 1/2 Meter hoch und der Alaun wird circa 1 Meter hoch aufgewölbt. Das Brennen dauert wenige Stunden, im
                              Maximum 10; man sieht die Röstung als beendigt an, wenn saure Dämpfe sich zu zeigen
                              beginnen. Der Alunit verliert dabei sein Wasser, die überschüssige Thonerde trennt
                              sich von dem wasserfreien Alaun und wird unlöslich. Ist der geröstete Alunit
                              erkaltet, so stürzt man ihn circa 1/2 Meter hoch auf
                              lange, nach der Mitte sich vertiefende gepflasterte Fluren, welche längs den Oefen
                              stehen und liest nicht ganz gebrannte oder sonst verdächtige Stücke aus. Auf diesen
                              Fluren bleibt der geröstete Stein bis zu 40 Tagen liegen und wird, wenn es nicht regnet, täglich mehrmals
                              mit Wasser übergossen, wodurch er mürbe wird und zerfällt. Dabei wird er möglichst
                              umgearbeitet und umgestochen. Hat die ganze Masse dieses Stadium erreicht, so kommt
                              sie in den Extractionskessel, um den Alaun auszuziehen.
                           Diese Extractionskessel sind glockenförmig, mindestens 3 Meter tief und oben 2 Meter
                              breit. Der tiefste Theil des Kessels, der vom Feuer getroffen wird, ist aus
                              Gußeisen. Der größere obere Theil ist aus Backsteinen mit Kalk und Pozzolane
                              gemauert. Solcher Kessel sind in Montioni zwei, welche abwechselnd arbeiten. Geheizt
                              wird mit Reissig. Der Kessel wird zunächst bis 1/2 Meter unter dem Rand mit Wasser
                              oder Mutterlauge angefüllt und dann zum Sieden erhitzt, woraus man immer je circa 700 Kilogrm. des gebrannten Alunits auf einmal
                              einträgt. Wenn Alunit eingetragen ist, läßt man die Temperatur nicht mehr über
                              70° C. steigen, weil die Krystallisationen sonst unschön werden sollen.
                           Während des Extrahirens wird der Inhalt des Kessels vermittelst einer kolossalen
                              Schaufel (cucchiajo) durchgearbeitet und der ungelöste
                              Schlamm möglichst ausgeschöpft. Das Stielende der Schaufel handhabt ein Mann,
                              während das Schaufelende mit einer Kette über einer Rolle mit einem Haspel (arganetto) in Verbindung steht, welchen ein zweiter Mann
                              mit den Füßen in Bewegung setzt und so die Schaufel hebt und senkt. Der
                              ausgeschöpfte unlösliche Rückstand und Schlamm wird auf eine nebenstehende schiefe
                              Fläche geworfen, von der aus die Lauge in den Kessel zurück abtropft. Diese Kessel
                              und diese Schaufeln machen einen etwas schwerfälligen Eindruck. Mit dem Eintragen
                              des gerösteten und zerfallenen Alunits wird fortgefahren, bis dem Arbeiter eine
                              herausgenommene Probe genügend zu krystallisiren dünkt; Aräometer werden nicht
                              gebraucht. Hierauf wird die Lauge durch ein ziemlich unten in der Kesselwand
                              angebrachtes Loch vermittelst Röhren und Hähnen in die Krystallisirgefäße (cassoni) abgelassen.
                           Diese Kästen sind 2 Meter breit, lang und tief, sind aus Eichenholz mit Theer und
                              Werg gedichtet und durch Balken und Keile zusammengehalten. In ihnen steht die Lauge
                              2 Wochen zum Krystallisiren; der noch in der Lauge befindliche Schlamm (spurgo) setzt sich zu Boden und am oberen Theil der
                              Kastenwände und den eingehängten Stäben und Schnüren krystallisirt ein schöner
                              farbloser Alaun in großen Octaedern, die Ecken durch den Würfel abgestumpft, die
                              Octaederfläche glatt, die Würfelfläche angefressen. Die Mutterlauge wird in die
                              Kessel zurückgepumpt und ebenso wird der Bodensatz, der von kleinen aber oft
                              vollkommen ausgebildeten, weißlich oder röthlich trüben Krystallen erfüllt ist, in
                              die Kessel zurückgegeben. Die Krystalle werden abgeklopft, mit Wasser abgewaschen
                              und getrocknet, worauf
                              sie in's Magazin wandern. Die Ausbeute beträgt nur 14–15 Proc. des
                              angewandten Alaunsteines. Producirt wurden im Winter 1872/73 nur 96000 Kilogrm.,
                              eine Quantität die, wäre die Alaunhütte in Privathänden, voraussichtlich anders
                              ausfallen würde.
                           Wie schon oben erwähnt, finden sich in Montioni große Massen ausgelaugten gebrannten
                              Alunits aus vergessenen Zeiten. Diese Rückstände bilden eine ausgezeichnete
                              Pozzolane und werden zu diesem Zweck abgebaut. Um als solche verwendbar zu seyn,
                              nimmt man an, daß Alaunrückstände ein paar Jahrhunderte alt seyn müssen, doch weiß
                              man nicht, welche Veränderung in dieser Zeit in der chemischen Zusammensetzung
                              solcher Rückstände vor sich geht.
                           Kürzlich hat die stets geldbedürftige italienische Regierung Montioni an eine
                              französische Gesellschaft verkauft, so daß jetzt wohl eine intensivere Ausbeutung
                              der vorhandenen Schätze zu erwarten seyn dürfte.
                           Stuttgart, im November 1873.