| Titel: | Qualitative und quantitative Bestimmung der unterchlorigen Säure neben Chlor, chloriger Säure und Chlorsäure: von W. Wolters. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LIX., S. 362 | 
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                        LIX.
                        Qualitative und quantitative Bestimmung der
                           unterchlorigen Säure neben Chlor, chloriger Säure und Chlorsäure: von W. Wolters.Vom Verf. als Separatabdruck aus dem Journal für praktische Chemie, 1873, Bd. VII
                                 S. 468 mitgetheilt.
                           
                        Wolters, über Bestimmung der unterchlorigen Säure neben Chlor,
                           chloriger Säure und Chlorsäure.
                        
                     
                        
                           Im vergangenen Winter wurden im chemisch-technischen Laboratorium des
                              Carolinum zu Braunschweig Arbeiten über Chlorkalk und chlorsaures Kali ausgeführt;
                              dabei machte sich der Mangel einer Methode zur leichten Erkennung der unterchlorigen
                              Säure besonders neben Chlor fühlbar. Um über die Constitution des Chlorkalkes
                              Aufschluß zu erhalten, wurde derselbe mit Säuren zersetzt und die flüchtigen
                              Producte abdestillirt; dabei stellte sich denn fast die Unmöglichkeit heraus, mit
                              den üblichen Reactionen unterchlorige Säure neben Chlor zu erkennen, besonders auch
                              noch deßwegen, weil stark verdünntes Chlor den Geruch nach unterchloriger Säure
                              hat.Man sehe: Göpner
                                    „über das Wesen des Bleichkalkes,“ im polytechn.
                                    Journal Bd. CCIX S. 204 (erstes
                                    Augustheft 1873). Durch dieses Bedürfniß zu einem Suchen nach einer guten Unterscheidung der
                              erwähnten Körper gedrängt, fand ich dazu das Quecksilber geeignet.
                           
                           Freie unterchlorige Säure bildet mit Quecksilber dessen Oxychlorid, freies Chlor
                              dagegen damit bekanntlich Chlorür. Die unterchlorige Säure läßt sich deßwegen leicht
                              durch die entstehende Farbe beim Schütteln mit Quecksilber erkennen, wenn sie neben
                              dem Chlor nicht in verschwindender Menge vorhanden ist. Es bildet sich hierbei ein
                              gelbliches Product, wahrscheinlich (HgC²) ²+ HgO und ein dunkleres
                              (HgO)² + HgCl². Ist wenig unterchlorige Säure neben vielem Chlor
                              vorhanden und die Erkennung nach dem Schütteln durch die Farbe schwer, so hat man
                              nur nöthig, durch Säuren das Oxychlorid zu zersetzen und abzufiltriren, um durch
                              Prüfung auf Quecksilber im Filtrat sich von der Gegenwart der unterchlorigen Säure
                              zu überzeugen.
                           Ist die unterchlorige Säure an Basen gebunden, so läßt sie sich leichter erkennen als
                              in freiem Zustande, weil dann beim Schütteln mit Quecksilber das gelbe Oxyd
                              entsteht, welches allmählich röthlich wird. Die im Chlorkalk befindliche Verbindung
                              CaOCl², für deren Existenz bei oben erwähnter Arbeit bestätigende Reactionen
                              aufgefunden sind, bildet ebenfalls das Oxyd nach der Formel:
                           CaOCl² + Hg = CaCl² + HgO.
                           Dieses Oxyd läßt sich wegen seiner Farbe leicht und deutlich neben Chlorür und dem
                              fein vertheilten Quecksilber erkennen, besonders auch dadurch, daß es sich beim
                              Schütteln an der Glaswand festsetzt. Bei erheblichem Antheil von unterchlorigsaurem
                              Salz tritt die Reaction bei heftigem Schütteln schon nach ein Paar Secunden ein, bei
                              Spuren der Verbindung muß man das Schütteln schon einige Minuten fortsetzen.
                           Chlorige Säure und Chlorsäure wirken, wenn sie an Basen gebunden sind, nicht auf
                              Quecksilber ein.
                           Auf diese Reactionen läßt sich eine quantitative Bestimmung der unterchlorigen Säure
                              und des bleichenden Chlors im Chlorkalk gründen auch bei Gegenwart von freiem Chlor,
                              chlorigsaurem und chlorsaurem Salz.
                           Mit überschüssigem Quecksilber kann man in etwa fünf Minuten bei heftigem Schütteln
                              sämmtliche unterchlorige Säure und deren Salze zersetzen. Es ist dazu deßhalb so
                              viel Zeit erforderlich, damit die Körper mit einander in Berührung kommen. Das
                              Quecksilberoxyd kann dann leicht durch Salzsäure in Lösung gebracht und im Filtrat
                              das Quecksilber als Chlorür gefällt werden. Aus der Menge des Quecksilbers ergibt
                              sich die Menge der unterchlorigen Säure. Ein Atom Quecksilber entspricht zwei Atomen
                              unterchloriger Säure oder zwei Atomen wirksamen Chlors im Chlorkalk. Freies Chlor
                              stört die Bestimmung nicht, da beim Zusatz der Salzsäure das gebildete Chlorür
                              ungelöst zurückbleibt und mit dem überschüssigen Quecksilber abfiltrirt wird.
                              Chlorigsaure und chlorsaure Salze bilden mit Salzsäure beim Schütteln mit Quecksilber
                              Quecksilberchlorür. Sollte also ein Gemisch der genannten drei Chlorverbindungen an
                              Basen gebunden und freies Chlor vorhanden seyn, so lassen sich chlorige Säure und
                              Chlorsäure von den übrigen dadurch trennen, daß man nach dem Schütteln mit
                              Quecksilber abfiltrirt, wo dann chlorige Säure und Chlorsäure im Filtrat vorhanden
                              wären; das Oxyd, welches von dem Salz der unterchlorigen Säure herrührt, wäre nach
                              der Filtration mit Salzsäure zu lösen und von dem Quecksilber und Quecksilberchlorid
                              zu trennen, auf welche Art chlorige Säure und Chlorsäure noch zusammen bestimmt
                              werden könnten. Soll aber in solchem Gemisch nur die unterchlorige Säure oder die
                              bleichende Verbindung bestimmt werden, so braucht man die chlorige Säure und
                              Chlorsäure nicht weiter zu berücksichtigen, man kann sie nach der Zugabe von
                              Salzsäure durch erneuertes Schütteln in Chlorür überführen, bei Chlorsäure unter
                              geringem Erwärmen, oder aber ohne weiteres Schütteln abfiltriren; die
                              Quecksilberbestimmung im Filtrat wird dadurch nicht verhindert.
                           Zur Prüfung dieser quantitativen Methode wurde zunächst das sogenannte wirksame Chlor
                              im Chlorkalk bestimmt. Hier konnten die bekannten Methoden zur Prüfung dieser
                              Bestimmung mit Quecksilber dienen. Der Chlorkalk wurde, wie beim Titriren üblich, in
                              Wasser gelöst, und ein Theil dieser Flüssigkeit, in dem einige Gramme Substanz
                              enthalten waren, mit einem Ueberschuß von Quecksilber etwa fünf Minuten lang heftig
                              geschüttelt. Vorher war festgestellt, daß nach dieser Zeit, wenn das Schütteln gut
                              ausgeführt war, das Filtrat kein Quecksilberoxyd mehr erzeugte, auch war der Geruch
                              des Chlorkalkes nach dem Schütteln vollständig verschwunden. Dann wurde Salzsäure
                              zugesetzt bis zum Lösen des Oxydes und filtrirt. Im Filtrat wurde das Quecksilber
                              durch Eisenoxydulsalz und Alkalilauge als Chlorür gefällt, nach Zusatz von Säure
                              filtrirt, bei 100° getrocknet und gewogen. Es wurden folgende Resultate
                              gewonnen:
                           Erste Sorte Chlorkalk: drei Bestimmungen mit Quecksilber, gefunden:
                           
                              
                                 18,61
                                 Proc.
                                 wirksames
                                 Chlor
                                 
                              
                                 18,55
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 18,71
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Durch Titration mit Anwendung von schwefelsaurem Eisenoxydul-Ammon wurde als
                              Durchschnittsergebniß von drei Titrationen 18,7 Proc. wirksames Chlor erhalten.
                           Zweite Sorte Chlorkalk: drei Bestimmungen mit Quecksilber ergaben:
                           
                              
                                 26,42
                                 Proc.
                                 wirksames
                                 Chlor
                                 
                              
                                 26,54
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 26,52
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           
                           Die Titration mit Eisensalz ergab als Mittel von drei Bestimmungen:
                           27,6 Proc. wirksames Chlor.
                           Die Uebereinstimmung der beiden Methoden war bei der ersten Sorte Chlorkalk
                              zufriedenstellend, bei der zweiten Sorte jedoch ungenügend. Der zweite Chlorkalk
                              ergab aber nach vollständiger Zerstörung der Verbindung CaOCl² durch
                              Quecksilber noch einen Gehalt an chlorsaurem Salz, wodurch sich die Differenz in dem
                              Ergebniß der verschiedenen Bestimmungen des wirksamen Chlors erklärt. Das chlorsaure
                              Salz kann durch zu starke Erhitzung des Chlorkalkes bei der Bereitung entstehen und
                              ist in den Fällen nutzlos, wo der Bleichkalk ohne Anwendung starker Säuren verwandt
                              wird. Bei solchem Chlorsäure haltigem Chlorkalk wird die Titration den Werth etwas
                              zu hoch angeben, während die Bestimmung mit Quecksilber den wirklichen Gehalt an
                              bleichender Verbindung anzeigt.
                           Die Bestimmungen mit Quecksilber stimmen unter einander weit besser, als die
                              Titrationen, weßwegen in einzelnen Fällen, wo weniger auf Schnelligkeit als auf
                              genaues Resultat gesehen wird, die Bestimmung mit Quecksilber den Vorzug vor der
                              Titration verdient.
                           Um eine Prüfung der Bestimmung der unterchlorigen Säure mit Quecksilber auch dann,
                              wenn neben der gebundenen unterchlorigen Säure noch freies Chlor vorhanden ist,
                              auszuführen, war es unthunlich, einer Chlorkalklösung Chlor zuzusetzen, da wegen des
                              Gehaltes von Aetzkalk im Chlorkalk durch das zugefügte Chlor noch eine neue Menge
                              bleichender Verbindung gebildet werden würde; denn im Chlorkalk bleibt, auch wenn
                              derselbe mit der größten Sorgfalt bereitet wird, stets ein Antheil Aetzkalk
                              vorhanden, nicht weil derselbe zur Constitution des Bleichkalkes gehört, sondern
                              weil er durch die bleichende Verbindung eingehüllt und deßwegen dem Chlor
                              unzugänglich ist. Wird aber der Chlorkalk in Wasser gebracht, so löst sich die
                              bleichende Verbindung, und zugebrachtes Chlor kann wiederum auf den Aetzkalk
                              wirken.
                           Um die quantitative Analyse unter genannten Umständen zu prüfen, wurde Kalkwasser mit
                              Chlor im Ueberschuß versetzt und angenommen, daß dann sämmtlicher Kalk zu der
                              bleichenden Verbindung CaOCl² wird. Das zugesetzte Chlor muß vollständig frei
                              seyn von Säuren, da durch obige Arbeit über Chlorkalk festgestellt ist, daß
                              sämmtliche Säuren, verdünnt und concentrirt, aus Chlorkalk, welcher mit chemisch
                              reinem Kalk bereitet ist, nur Chlor entwickeln nach der Gleichung:
                           CaOCl² + CO² = CaCO³ + Cl²
                           und deßwegen bei Gegenwart von Säure im Chlorwasser nicht mehr
                              der gesammte Kalk des
                              Kalkwassers als bleichende Verbindung hätte angenommen werden können.
                           Das angewandte Kalkwasser enthielt in 1 Kub. Cent.
                           0,00133 Grm. CaO.
                           Es wurden gefunden in 100 Kub. Cent. des mit Chlor übersättigten Kalkwassers nach
                              Schütteln mit Quecksilber und Reduction mit Eisenoxydul
                           
                              
                                 1.
                                 Probe
                                 0,550
                                 Grm.
                                 HgCl
                                 
                              
                                 2.
                                 „
                                 0,546
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 3.
                                 „
                                 0,552
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Das Gewicht des Quecksilbers, welches hätte gefunden werden müssen, wenn aller Kalk
                              beim Zusatz von Quecksilber als CaOCl² vorhanden gewesen wäre, ist 0,559 Grm.
                              Diese geringe aber constante Differenz rührt von der im Chlorwasser noch vorhanden
                              gewesenen Salzsäure her, welche trotz großer Sorgfalt nicht ganz fern gehalten
                              werden konnte.
                           Nach diesem Ergebniß wird freies Chlor nicht als störend für die Analyse angesehen
                              werden können. Es wurde eine vierte Bestimmung gemacht, wobei der Flüssigkeit noch
                              chlorsaures Salz zugesetzt war, und wurden aus 100 Kub. Cent. Kalkwasser bei dem
                              gleichen Verfahren erhalten
                           0,548 Grm. HgCl.
                           Um nun noch die Frage zu erledigen, ob diese quantitative Methode auch für freie
                              unterchlorige Säure bei und ohne Gegenwart von Chlor zu benutzen sey, wurde eine
                              Lösung der unterchlorigen Säure durch Schütteln von Quecksilberoxyd mit Chlorwasser
                              bereitet und das dabei gebildete Oxychlorid durch längeres Stehenlassen möglichst
                              zum Auskrystallisiren gebracht. Von der Lösung wurden 50 Kub. Cent. mit Quecksilber
                              geschüttelt und in obiger Weise bestimmt.
                           Es wurden gefunden:
                           
                              
                                 in
                                 1.
                                 Probe
                                 0,352
                                 Grm.
                                 HgCl
                                 
                              
                                 „
                                 2.
                                 „
                                 0,349
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Dann wurden 50 Kub. Cent. mit Chlorwasser versetzt und ebenso analysirt; es waren
                              enthalten:
                           
                              
                                 in
                                 1.
                                 Probe
                                 0,346
                                 Grm.
                                 HgCl
                                 
                              
                                 „
                                 2.
                                 „
                                 0,344
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Es ist anzunehmen, daß dieser geringe Unterschied vor und nach Zusatz von dem schwer
                              vermeidlichen Gehalt des Chlors an Salzsäure herrührt.
                           In der Lösung der unterchlorigen Säure war von der Bereitung her noch etwas
                              Oxychlorid vorhanden, und wurde deßwegen das Quecksilber darin bestimmt: 50 Kub.
                              Cent. gaben
                           
                           0,025 Grm. HgCl.
                           Außerdem wurde in dieser Lösung noch die unterchlorige Säure mit Eisenoxydul bestimmt
                              und in 100 Kub. Cent. 0,131 Grm. Unterchlorigsäure-Anhydrit (Cl²O)
                              gefunden, welches Ergebniß mit der Quecksilberbestimmung vor Zusatz von Chlor fast
                              übereinstimmt.