| Titel: | Ueber die Verwendung des Wasserglases in der Bautechnik; von Dr. G. Feichtinger. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXXI., S. 440 | 
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                        LXXI.
                        Ueber die Verwendung des Wasserglases in der
                           Bautechnik; von Dr. G.
                              Feichtinger.
                        Aus dem bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt,
                              1873 S. 222.
                        Feichtinger, über Verwendung des Wasserglases in der
                           Bautechnik.
                        
                     
                        
                           Nachdem in jüngster Zeit in München Versuche mit Wasserglas-Anstrichen gemacht
                              wurden, die äußerst befriedigend ausgefallen sind, möchte der Verf. die Bautechniker
                              neuerdings auf diesen Gegenstand aufmerksam machen.
                           In dem Kaiserhofe in der k. Residenz in München wurde vor vielen Jahren zur Probe ein
                              großes Stück einer Wandfläche stereochromisch übermalt, und da dieses Stück sich
                              sehr gut erhielt, so entschloß man sich sämmtliche Wände des Kaiserhofes in gleicher
                              Weise zu behandeln; zur Zeit ist ein großer Theil davon schon fertig. Die Ausführung
                              ist Hrn. August Schulze, Decorations- und
                              Hofzimmermaler, übertragen.
                           Das hierbei zur Anwendung kommende Wasserglas und die mit Wasserglaslösung
                              angerührten Farben wurden aus einer Wiener Fabrik bezogen. Der Verf. hat dieselben
                              auf ihre Zusammensetzung untersucht und theilt über diesen Gegenstand Folgendes
                              mit.
                           Die Wasserglaslösung, welche zum Verdünnen der Wasserglas-Farben verwendet
                              wird, hatte ein specifisches Gewicht = 1,120, war weißlich trübe und setzte bei
                              ruhigem Stehen einen Bodensatz von kohlensaurem Kalk ab. Sie hinterließ beim
                              Eindampfen 14,54 Proc. festen Rückstand, bestehend aus
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Kieselsäure
                                 9,18
                                 
                              
                                 an Kieselsäure
                                 gebunden
                                 
                                    
                                    
                                 KaliNatron
                                 3,561,14
                                 
                              
                                 
                                    schwefelsaurem Kali
                                 0,37
                                 
                              
                                 
                                    Chlornatrium
                                 
                                 
                              
                                 
                                    kohlensaurem Kalk
                                 0,29
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 14,54
                                 
                              
                           Wenn man den Gehalt an schwefelsaurem Kali, kohlensaurem Kalk und Chlornatrium (?)
                              unberücksichtigt läßt, so berechnet sich für das gelöste Wasserglas folgende
                              procentische Zusammensetzung:
                           
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 66,14
                                 
                              
                                 Kali
                                 25,64
                                 
                              
                                 Natron
                                 8,22
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Ein Wasserglas von dieser Zusammensetzung kann erhalten werden durch
                              Zusammenschmelzen von
                           
                              
                                 5 Gewichtsth.
                                 Kieselsäure (Quarzsand),
                                 
                              
                                 3        
                                    „
                                 Potasche,
                                 
                              
                                 1        
                                    „
                                 Soda.
                                 
                              
                           Der Gehalt an kohlensaurem Kalk in der Wasserglaslösung scheint aber darauf
                              hinzuweisen, daß dasselbe auf nassem Wege, durch Kochen einer natronhaltigen
                              Kalilauge mit Infusorienerde, bereitet wurde.
                           Die mit Wasserglaslösung angeriebenen Farben, welche beim Bemalen des Kaiserhofes
                              verwendet wurden, waren von dicker Consistenz, ungefähr wie die mit Oel angeriebenen
                              Farben für die Oelmalerei im Handel vorkommen. Durch Verdünnen derselben mit Wasser
                              und Filtriren trennte der Verf. die Wasserglaslösung von den Farben. Das Wasserglas
                              hatte folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Kieselsäure
                                 49,21
                                 
                              
                                 an Kieselsäure gebunden
                                 
                                    
                                    
                                 KaliNatron
                                 37,108,70
                                 
                              
                                 schwefelsaures Kali und Chlornatrium
                                 4,99
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Nach Abzug des schwefelsauren Kalis und des Chlornatriums berechnet sich für dieses
                              Wasserglas folgende procentische Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 51,79
                                 
                              
                                 Kali
                                 39,05
                                 
                              
                                 Natron
                                 9,16
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Ein Wasserglas von dieser Zusammensetzung kann erhalten werden durch
                              Zusammenschmelzen von
                           
                              
                                 4 Gewichtstheilen
                                 Quarzsand,
                                 
                              
                                 4          
                                    „
                                 Potasche und
                                 
                              
                                 1          
                                    „
                                 Soda, oder auch durch Auflösen von
                                 
                              
                           Infusorienerde in natronhaltiger Kalilauge von entsprechendem
                              Gehalte.
                           Wenn man die Zusammensetzung beider Wasserglassorten vergleicht, so bemerkt man, daß das Wasserglas, womit die Farben bereits angerührt sind,
                                 weniger Kieselsäure und mehr Alkalien enthält, als dasjenige, welches zum
                              Verdünnen der Farben verwendet wird. Der Verf. glaubt, daß dieß absichtlich so ist, und zwar aus dem
                              Grunde, damit das den Farben zugesetzte Wasserglas nicht so rasch durch die
                              Einwirkung der Kohlensäure der Luft zersetzt, und daraus Kieselsäure gallertartig
                              abgeschieden wird. Ganz kann übrigens bei diesen Farben auch durch das
                              alkalireichere Wasserglas die Ausscheidung von gallertartiger Kieselsäure bei
                              längerem Stehenlassen an der Luft nicht verhütet werden; aber es tritt erst nach
                              einigen Tagen ein. Es ist daher nothwendig, wenn man die mit
                                 Wasserglaslösung angemachten Farben aufbewahren will, die Luft von denselben
                                 vollständig abzuhalten.
                           Die Farben, welche beim Bemalen des Kaiserhofes Verwendung fanden, waren Weiß,
                              Hellgelb, Rothbraun, Dunkelbraun und Schwarz; durch Vermischen derselben wurden noch
                              weitere Nüancen erhalten. Die Zusammensetzung dieser Farben, das Wasserglas durch
                              Auswaschen vollkommen entfernt, war:
                           Weiße Farbe.
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Zinkoxyd
                                 35,78
                                 27,19
                                 
                              
                                 Schwerspath
                                 64,22
                                 72,81
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                 Hellgelb.
                                 Rothbraun.
                                 Dunkelbraun.
                                 
                              
                                 Wasser
                                   4,09
                                   6,61
                                   0,94
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 23,23
                                 42,80
                                 36,20
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 32,90
                                 17,50
                                 21,78
                                 
                              
                                 kohlens. Magnesia
                                 18,00
                                 10,50
                                 10,14
                                 
                              
                                 Thon und Sand
                                 21,70
                                 22,56
                                 30,94
                                 
                              
                           Die drei letzten Farben sind demnach kalkhaltige Ocker. Die schwarze Farbe bestand aus einem Gemenge von Braunstein mit Kienruß.
                           Diese Farben, welche, wie erwähnt, mit einer Wasserglaslösung angerührt waren, wurden
                              vor ihrer Anwendung zum Malen mit Wasserglaslösung so weit verdünnt, daß sie
                              mittelst eines gewöhnlichen Pinsels aufgetragen werden konnten. Der Grund, auf
                              welchen gemalt wurde, war gewöhnlicher Kalkmörtel.
                              Hierbei ist nun Folgendes zu berücksichtigen:
                           Der Verputz auf einer Mauerwand muß gut und sorgfältig hergestellt werden; er muß
                              sehr einsaugend und mit dem Gestein der Mauer fest verbunden seyn. Die
                              Wasserglasfarben dürfen nur aufgetragen werden, wenn das Mauerwerk gut ausgetrocknet
                              ist; der Bewurf darf nicht frisch, sondern soll schon längere Zeit der Luft
                              ausgesetzt gewesen seyn,
                              weil der Aetzkalk das Wasserglas zu rasch zersetzt; es eignet sich daher hierzu in
                              hohem Grade eine alte Kalkwand; vor dem Malen muß man die Wand zuerst mit der
                              Wasserglaslösung tränken; es muß reines oder mit wenig Natron versetztes
                              Kali-Wasserglas angewendet werden, indem das Natron-Wasserglas starke
                              Auswitterungen verursacht. Selbstverständlich können auch andere Farben, wie die
                              oben angegebenen, angewendet werden, doch nicht alle; das Bleiweiß z.B. gerinnt
                              schnell mit dem Wasserglas; ebenso ist Zinnober zu verwerfen, weil er im Lichte
                              braun und zuletzt schwarz wird; organische Farbstoffe müssen gänzlich ausgeschlossen
                              bleiben, weil sie früher oder später verbleichen.
                           Die Wasserglasfarben können überall mit Vortheil angewendet werden, wo es sich nur um
                              einen einfachen Anstrich, sey es im Aeußeren oder Inneren der Häuser, handelt; das
                              Malen hiermit hat keine Schwierigkeiten; es ist ebenso leicht auszuführen, wie ein
                              Kalk-, Oel- oder Leimanstrich; auch kommt ein
                              Wasserglas-Anstrich nicht höher zu stehen und ist jedenfalls billiger als ein
                              Oel-Anstrich; bei richtiger Ausführung haften die Farben viel fester, und es
                              besitzt daher ein Wasserglas-Anstrich eine viel größere Dauer; dazu kommt
                              noch, daß man eine damit bemalte Wand von dem anhängenden Schmutz leicht durch
                              Waschen mittelst eines Schwammes reinigen kann.
                           Stereochromische Anstriche lassen sich aber nicht bloß auf gewöhnlichem Kalkverputz,
                              sondern auch bei Neubauten aus Ziegel- oder Sandsteinen ohne Verputz
                              verwenden; namentlich sind leicht verwitternde Sandsteine dadurch besser geschützt,
                              als durch irgend ein anderes Mittel.
                           In neuester Zeit wird auch von der Gesellschaft, welche die Zinkgruben Vieille Montagne bei Aachen ausbeutet, eine
                              Wasserglaslösung unter dem Namen Silicat und eine
                              gelblichweiße Farbe für Anstriche an Häusern u.s.w. in den Handel gebracht. Die
                              gelblichweiße Farbe besteht aus
                           
                              
                                 Zinkoxyd
                                 52,70
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 3,25
                                 
                              
                                 kohlens. Kalk
                                 22,12
                                 
                              
                                 Sand
                                 21,85
                                 
                              
                           und scheint nichts Anderes zu seyn als natürlicher Galmei, mit
                              dem ihn begleitenden Gesteine gemahlen und soweit erhitzt, daß nur das kohlensaure
                              Zinkoxyd seine Kohlensäure verliert, nicht aber der kohlensaure Kalk.
                           Die Wasserglaslösung (Silicat) hinterließ beim Verdampfen 27,2 Procent festen
                              Rückstand; die procentische Zusammensetzung desselben war nach Abzug des Gehaltes an
                              schwefelsaurem Kali:
                           
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 67,05
                                 
                              
                                 Kali
                                 29,40
                                 
                              
                                 Natron
                                 3,52
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Dieses Wasserglas stimmt also in der Zusammensetzung ziemlich mit dem überein,
                              welches beim Bemalen des Kaiserhofes in München zum Vermischen der Wasserglasfarben
                              angewendet wird.