| Titel: | Ueber die Benutzung des atmosphärischen Druckes zum Durchsieben der Farben für den Zeugdruck; von Prof. A. Rosenstiehl. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXXIV., S. 446 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXIV.
                        Ueber die Benutzung des atmosphärischen Druckes
                           zum Durchsieben der Farben für den Zeugdruck; von Prof. A. Rosenstiehl.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhouse, t. XLIII p. 430; September 1873.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Rosenstiehl, über die Benutzung des atmosphärischen
                           Druckes.
                        
                     
                        
                           So oft ich noch Arbeiter damit beschäftigt sah, Zeugdruck-Farben
                              durchzusieben, indem sie mit einem Pinsel diese dicken und zähen Flüssigkeiten gegen
                              das Gewebe eines Siebes drückten, konnte ich nicht umhin mein Bedauern auszudrücken,
                              daß diese rein mechanische und öfters ungesunde Arbeit aus freier Hand, statt mit
                              einer Maschine verrichtet wurde. Es sind zwar zu letzterem Zwecke verschiedene
                              Apparate erfunden worden; die einen drücken die Farbe mit Hülfe eines Kolbens durch
                              ein Tuchsieb, die anderen beruhen auf der Wirkung der Centrifugalkraft. Diese
                              Apparate sind jedoch mit allerlei Mängeln behaftet, welche ihre Anwendung
                              beschränken, und sind daher wenig verbreitet. Mit Recht macht man ihnen unter
                              Anderem den Vorwurf daß ihre Reinigung zu viel Zeit erfordere und daß man sich ihrer
                              daher mit Nutzen nur zum Durchsieben größerer Massen einer und derselben Farbe auf
                              einmal bedienen könne.
                           Was also unserer Industrie fehlt, das ist eine Maschine welche die Farbe rasch siebt,
                              und deren Reinigung nicht mehr Zeit erfordert als das traditionelle Sieb. Der
                              Apparat, auf welchen ich die Aufmerksamkeit der Société industrielle hinlenken möchte, scheint mir ein
                              erster Schritt zur Realisirung dieser Idee zu seyn; derselbe ist nach meinen Angaben
                              construirt worden, und arbeitet seit verflossenem September in dem Etablissement der
                              HHrn. Thierry-Mieg u.
                              Comp.
                           In diesem Apparate wird die Farbe weder durch einen Kolben, noch durch einen aus
                              freier Hand bewegten Pinsel durch das Leinwandsieb getrieben, sondern durch den
                              atmosphärischen Druck, welcher gleichsam als idealer Kolben auf den ganzen
                              Querschnitt wirkt, ohne den Zutritt zum Sieb zu hindern.
                           Es wird genügen, auf das Princip hinzuweisen, um Jedem mit den Erscheinungen der
                              Physik Vertrauten von der allgemeinen Anordnung einen Begriff zu geben. Es handelt
                              sich um die Aufgabe, einen luftleeren Raum unter dem Sieb herzustellen und zwar sehr
                              rasch, damit keine Zeit verloren gehe. Der Apparat wird aus zwei leicht von einander
                              zu trennenden
                              Theilen bestehen; der obere bewegliche Theil hat das Leinwandsieb zu tragen und mag
                              deßhalb der Siebträger oder Siebhalter heißen; er bildet gleichsam einen Deckel für das den unteren
                              Theil bildende Gefäß, in welches die Farbe gesaugt wird, das ich daher mit dem Namen
                              Aspirator bezeichnen will. Beide Theile werden
                              hermetisch mit einander vereinigt, so daß ein geschlossener Raum entsteht, welcher
                              nur durch die Maschen des Siebes mit der äußeren Luft communicirt. Der Verschluß muß
                              von einfacher dauerhafter Construction seyn, und ohne besondere Manipulationen und
                              Anwendung von Schrauben augenblicklich hergestellt werden können. Das Leinwandsieb,
                              durch dessen Maschen die Farbe ihren Weg zu nehmen hat, wird so angeordnet seyn, daß
                              es sich leicht abheben, reinigen und durch ein anderes ersetzen läßt, und daß es den
                              Druck der Atmosphäre, ohne zu reißen aushalten kann. Dieses sind die allgemeinen
                              Bedingungen des in Rede stehenden Problemes, und ich will jetzt näher berichten, wie
                              es gelöst worden ist.
                           Fig. 16
                              stellt den Apparat zum Theil im Aufrisse, zum Theil im senkrechten Durchschnitte in
                              1/10 der natürlichen Größe und Fig. 17 im Grundrisse
                              dar. Die Figuren
                                 18, 19 und 20 sind Detailansichten. Der Siebhalter A,
                              Fig. 16,
                              ist aus fünf kreisrunden Theilen zusammengesetzt, welche in folgender Ordnung von
                              oben an, und in einer Weise mit einander vereinigt sind, zu deren Erläuterung wir
                              den nach einem größeren Maaßstabe ausgeführten Verticaldurchschnitt Fig. 18 zu Hülfe nehmen
                              wollen:
                           1) Ein kupferner, innen verzinnter Rumpf r, r, durch
                              welchem man die Farbe in den Apparat gießt. Derselbe ist mit einer eisernen
                              Flantsche a (Fig. 18) versehen, um ihn
                              mit den übrigen Stücken verbinden zu können;
                           2) ein auf der Drehbank abgedrehter Ring b aus
                              Bronzemetall, auf welchem das eigentliche Sieb c (Fig. 16, 18 und 19) ruht;
                           3) ein Gitter d (Fig. 18 und 20) aus
                              abgeplattetem 2 Millimet. breitem Messingdraht, mit Maschen von 15 Millimet.
                              Oeffnung. Dieses Gitter dient dem Leinwandsieb als Unterlage, damit es nicht unter
                              dem Druck der Atmosphäre reißen könne; dasselbe bildet eine horizontale Scheidewand
                              im Inneren des Siebträgers, dessen Durchmesser an dieser Stelle 0,30 Met.
                              beträgt;
                           4) ein unter dem Gitter angeordnete Trichter e (Fig. 16 und
                              18) aus
                              Eisenblech, mit sehr weiter Oeffnung, welcher die Bestimmung hat, die Farbe bei
                              ihrem Austritt aus dem Siebe aufzufangen und zu verhindern, daß sie im Herabfallen die
                              innern Wände des Apparates beschmutze;
                           5) ein kupfernes inwendig verzinntes Verbindungsstück f,
                                 f (Fig.
                                 19), welches oben den Durchmesser des Siebes und unten den 0,50 Met.
                              betragenden Durchmesser des Aspirators hat. Dieses Verbindungsstück ist mittelst
                              Schraubenbolzen und Flantschen, welche zugleich alle genannten Zwischentheile
                              einklemmen, mit dem Rumpf zusammengeschraubt. An den unteren Rand desselben ist ein
                              sorgfältig abgedrehter Stahlring festgenietet.
                           Der ganze Siebträger mit allen seinen Theilen wiegt 28 Kilogrm. und der durch dieses
                              Gewicht ausgeübte Druck, mit welchem er auf dem Aspirator ruht, ist es, wodurch der
                              hermetische Schluß bewirke wird. Das eigentliche Sieb besteht aus Leinwand, welche
                              über einen abgedrehten, ohne Reibung in den Siebträger passenden Bronzereif gespannt
                              ist. Die mit der Leinwand in Berührung kommenden Kanten sind, um dieselben zu
                              schonen, sorgfällig abgerundet. Für die verschiedenen Gewebenummern des Siebes sind
                              dem Apparate mehrere solche Reife beigegeben. Wenn der Bronzereif sich an seiner
                              Stelle befindet, so liegt das Gewebe unmittelbar auf dem oben erwähnten Gitter so,
                              daß es unter dem atmosphärischen Drucke keine Spannung erleidet, durch welche seine
                              Haltbarkeit beeinträchtigt würde. Da es endlich wichtig ist, das Leinwandsieb rasch
                              herausnehmen zu können, um es zu reinigen oder durch ein anderes zu ersetzen, so ist
                              sein Reif an zwei diametral gegenüberliegenden Stellen mit senkrechten Handhaben
                              versehen.
                           Der Aspirator B besteht aus einem 0,55 Met. hohen, oben
                              offenen cylindrischen Behälter von Eisenblech, an dessen oberen Rand ein breiter
                              gußeiserner Kranz k, k festgenietet ist. In diesem Kranz
                              ist eine kreisrunde Rinne gedreht, in welche sich der erwähnte Stahlring des
                              Siebträgers ohne Reibung legt. Den Boden der Rinne bedeckt ein vulcanisirtes
                              Kautschukband, welches mittelst einer Auflösung natürlichen Kautschuks in Benzin
                              festgeklebt ist. Diese Rinne mit elastischem Boden bildet einen Verschluß, der unter
                              dem Einflusse des atmosphärischen Druckes und des hinzukommenden Siebträgergewichtes
                              durch einfachen Contact hergestellt wird. Zwischen dem Aspirator und dem Reservoir
                              C ist ein Hahn g
                              angebracht. Um die Manipulationen zu vereinfachen, ist der Aspirator befestigt und
                              nimmt die gesiebte Farbe nicht direct in Empfang; diese fällt in ein 80 Liter
                              fassendes Gefäß aus verzinntem Kupfer, welches ohne Reibung in den Aspirator paßt,
                              und mittelst zweier Handhaben leicht herausgenommen werden kann.
                           
                           Nachdem wir im Vorhergehenden den Apparat selbst beschrieben haben, wollen wir nun
                              erläutern, wie das Vacuum hergestellt wird. Ich hatte zwischen mehreren Mitteln die
                              Wahl. Ich konnte die Wassersäule anwenden, wie sie von Bunsen für Laboratorien und von Scheurer-Kestner für industrielle
                              Etablissements empfohlen worden war; aber diese verlangt einen mindestens 10 Meter
                              über dem Boden angebrachten Wasserbehälter, eine Bedingung, die sich nicht
                              realisiren ließ. Ich konnte mich auch einer Luftpumpe bedienen, wie man sie in
                              Zuckerfabriken anwendet, um in den Abdampfapparaten einen luftverdünnten Raum zu
                              erzeugen; allein dieses System erfordert eine specielle Einrichtung, welche für den
                              beabsichtigten Zweck zu kostspielig erachtet werden möchte. Dem Rathe des Hrn. William Grosseteste folgend, entschloß ich mich, den
                              Kondensator einer Dampfmaschine von 25 Pferdekräften zur Herstellung des Vacuums zu
                              benutzen, eine sehr vortheilhafte Anordnung, da sie nicht die Anschaffung eines
                              neuen Apparates erfordert. Und die Erfahrung hat mich belehrt, innerhalb welcher
                              Grenzen man sich der Condensatorpumpe, unbeschadet der Arbeit des Motors, bedienen
                              kann.
                           Die Luftkammer des Codensators wurde durchbohrt, an dieser Stelle ein kleiner Hahn
                              von 3 Millimet. Oeffnung eingefügt, und an den letzteren eine dünne Bleiröhre
                              befestigt, welche sich auf 70 Meter Entfernung nach einem Reservoir C aus Eisenblech erstreckt, das unmittelbar neben dem
                              Siebapparat aufgestellt ist. Ein in der Nähe des Condensators angeordneter
                              Vacuum-Indicator, und ein neben dem Reservoir befindliches
                              Quecksilbermanometer dienen zur Anzeige der Druckveränderungen während der Arbeit.
                              Der Stand der Quecksilbersäule beträgt gewöhnlich 62 bis 66 Centimet. Dieser Grad
                              der Luftverdünnung ist für alle Fälle ausreichend.
                           Das Reservoir C ist ein Cylinder aus Eisenblech von 280
                              Liter Rauminhalt, und besitzt drei durch Hähne verschließbare Oeffnungen: eine oben
                              am Deckel angebrachte Oeffnung communicirt mit dem Condensator, eine Seitenöffnung
                              mit dem Siebapparat, während die dritte am Boden des Cylinders befindliche zum
                              zeitweiligen Ablassen des allmählich sich ansammelnden Wassers dient. Das Reservoir
                              hat den Zweck, den allzu raschen Druckveränderungen im Condensator vorzubeugen,
                              während es selbst eine augenblickliche Herstellung der erforderlichen Luftverdünnung
                              unter dem Sieb gestattet. Dasselbe könnte größer seyn; um jedoch die
                              Einrichtungskosten zu vermindern, bediente ich mich eines bereits vorhandenen
                              Apparates, welcher keine sonstige Verwendung fand. Die Condensatorpumpe erzeugt im Reservoir das Vacuum
                              in 10 Minuten. Damit der Gang der Dampfmaschine im Momente wo die Arbeit beginnt,
                              keine Störung erleide, muß man den Hahn der Röhrenleitung sehr langsam öffnen;
                              sobald einmal der innere Druck nur noch etwa 30 Centimet. beträgt, kann man ihn ganz
                              öffnen. So lange der Motor in Bewegung ist, läßt man die Communicationen offen,
                              damit das Reservoir permanent luftleer, und der Apparat stets in gebrauchsbereitem
                              Zustande ist.
                           Neben dem Siebapparate ist ein Wasserhahn h (Fig. 6) und
                              unter diesem ein hölzerner Dreifuß angeordnet. Hier wird das Sieb, und wenn es
                              nöthig ist, der Siebträger gereinigt.
                           Ich will jetzt annehmen, eine Operation sey beendigt, und der Arbeiter im Begriff,
                              eine neue vorzunehmen. Während er das Sieb reinigt, steigt die Quecksilbersäule,
                              welche in dem Reservoir (nicht in dem Condensator) auf 0,40 Met. gefallen war,
                              wieder auf 0,64 Met. Man stellt ein leeres Gefäß in den Aspirator, deckt den
                              Siebträger darüber, und bringt das Sieb an seinen Ort. Zwei Männer gießen hierauf
                              direct aus einem Zuber ein Volummaximum von 80 Litern Farbe in den Rumpf. Sobald die
                              Leinwand des Siebes bedeckt ist, schließt man den Hahn m
                              der Zuleitungsröhre, um den Condensator von dem Reservoir abzusperren, öffnet
                              hierauf den mit dem Aspirator communicirenden Hahn g und
                              schließt ihn sogleich wieder. Sofort ergießt sich die Farbe unter dem Einflusse des
                              Luftdruckes mit solcher Geschwindigkeit in das untergestellte Gefäß, daß die
                              Arbeiter öfters Mühe haben, rasch genug nachzugießen; kurz, man braucht mehr Zeit,
                              um den Zuber in das Sieb zu entleeren, als das Durchsieben der Farbe selbst in
                              Anspruch nimmt. Sobald der Inhalt des Siebes durch die Maschen gegangen ist, stürzt
                              sich die Luft mit Geräusch in's Innere des Apparates. Der Hahn zwischen dem
                              Aspirator und dem Reservoir muß daher für gewöhnlich geschlossen seyn, weil sonst
                              das letztere selbst mit Luft gefüllt und dadurch der Motor mit einer unnöthigen
                              Arbeit belastet würde. Nachdem die Luft den Apparat wieder gefüllt hat, nimmt man
                              den Siebträger mit dem Sieb ab, und reinigt ihn unter dem neben der Maschine
                              befindlichen Wasserhahn. Das mit der durchgesiebten Farbe gefüllte Gefäß nimmt man
                              aus dem Aspirator und ersetzt dasselbe durch ein anderes. Mittlerweile ist das
                              Vacuum im Reservoir wieder hergestellt, und der Apparat in Bereitschaft seine
                              Function von Neuem zu verrichten.
                           Eine mehrmonatliche Erfahrung hat gelehrt, welche Dienste man von dieser Maschine
                              verlangen kann. Ich habe oben erwähnt, mit welcher Raschheit durch sie das Sieben
                              von statten geht; nun will ich aber auch ihre Mängel nicht unerwähnt lassen. Sie eignet
                              sich weniger zum Durchsieben der mit Gummi oder Eiweiß verdickten Farben, indem
                              diese den Uebelstand mit sich führen, das Sieb durch Sandkörner, Häutchen und andere
                              unlösliche Stoffe schnell zu verstopfen; da aber diese Farben im Allgemeinen
                              hinreichend flüssig sind und sehr leicht aus freier Hand gesiebt werden können, so
                              ist jener Uebelstand von geringer Bedeutung. Man darf auch nicht eine noch heiße
                              Farbe in das Sieb gießen; denn bei dem schwachen Druck welchem sie im Inneren des
                              Aspirators ausgesetzt ist, geräth sie in's Sieden, welches einen so tumultuarischen
                              Character annehmen kann, daß das Gefäß überläuft und die Verbindungsröhren leicht
                              verstopft werden. Aber auch dieser mit dem Princip der Maschine selbst
                              zusammenhängende Uebelstand ist ohne große Bedeutung, da man sehr selten in den Fall
                              kommt, eine heiße Farbe durchsieben zu müssen. Dagegen werden in den Druckereien
                              enorme Massen mit Stärkemehl, sogar mit Traganthgummi und Caseïn verdickte
                              Farben consumirt, deren Durchsiebung aus freier Hand ein sehr langwieriges Geschäft
                              ist. Mit der neuen Maschine sieben sich diese Farben mit der größten Leichtigkeit,
                              und hierin liegt eben ihr reeller Nutzen. Aber das Sieb darf sich durchaus nicht
                              verstopfen. Wäre z.B. eine Farbe wenig homogen, voll Klümpchen oder voll jener
                              dichten Häute, welche sich durch die theilweise Eintrocknung einer der Luft längere
                              Zeit ausgesetzten Farbe bilden, so müßte man die Vorsicht gebrauchen, entweder diese
                              Haut vorher zu entfernen, oder sie mit Hülfe folgender Anordnung zu zertheilen. Man
                              bringt in den Rumpf oberhalb des Siebes ein zweites Sieb von einer gröberen Nummer,
                              welches über einen Ring gespannt ist, dessen Durchmesser etwas größer ist, als der
                              des eigentlichen Siebes. Die conische Form des Rumpfes erleichtert dieses
                              Uebereinanderlegen. Auf diese Weise ist die Farbe genöthigt, durch zwei Siebe
                              hintereinander ihren Weg zu nehmen; sie wird also in einer einzigen Operation
                              zweimal gesiebt, und eine Verstopfung der beiden Siebe durch die Klümpchen, welche
                              das erste Sieben zertheilt, kann nicht stattfinden.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
