| Titel: | Die Fettwaaren auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. Heinrich Schwarz, Professor in Graz. | 
| Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXXVI., S. 457 | 
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                        LXXVI.
                        Die Fettwaaren auf der Wiener Weltausstellung
                           1873; von Dr. Heinrich Schwarz,
                           Professor in Graz.
                        (Schluß von Seite 380 des vorhergehenden
                           Heftes.)
                        Schwarz, über die Fettwaaren auf der Wiener
                           Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           Die rohen Wachssorten sind meistens grünlich, gelblich, bräunlich bis dunkelbraun
                              gefärbt, um so dunkler, je älter die Waben waren, aus denen sie gewonnen wurden. Zur
                              Bleichung wendet man selten chemische Mittel (Weinsäure, verdünnte Schwefelsäure,
                              Chlorgas oder Chlorkalk) an, da das so erzeugte Wachs, das wahrscheinlich Chlor in
                              die Zusammensetzung aufnimmt schlecht brennt, sondern benutzt die uralte
                              Bleichmethode durch Luft und Sonnenlicht. Die Wachsbleicher, ich nenne Masotti, Altmann
                              jun. und F. Dollinger in
                              Wien, Fischer in Bistritz, Montalard in Lyon u.a., stellten meistens rohes und gebleichtes Wachs in
                              der Form feiner, gekräuselter Späne aus, was eben die sogenannte Naturbleiche
                              charakterisiren soll. Es wäre freilich leicht, durch nachträgliches Bändern eines
                              chemisch gebleichten Wachses eine Täuschung hervorzurufen. Professor Cavaliere Zinno aus Neapel stellte eine Probe gebleichten Wachses
                              aus, bei der er angab, sie sey ohne Chlor und chlorige Säure gebleicht.
                              Wahrscheinlich liegt hierin die Andeutung, daß es sich um eine andere chemische
                              Bleichmethode, vielleicht mit übermangansaurem oder chromsaurem Kali handelt.
                           Dem Bienenwachs am nächsten steht das Pflanzenwachs, Myricawachs vom Cap der guten
                              Hoffnung, chinesisches Wachs, Carnauba und Ocubawachs von Brasilien, und sind diese
                              Wachssorten auf den Ausstellungen dieser Länder vertreten. Solche wachsartige
                              Ueberzüge auf Früchten und Blüthen kommen auch bei uns in minimalen Mengen auf
                              vielen Pflanzen vor, ich erinnere nur an den Hauch der Pflaumen, und die tropischen
                              Pflanzen, welche zur Gewinnung der genannten Wachssorten dienen, charakterisiren
                              sich eben nur durch das massenhafte Auftreten des Wachsüberzuges. Die
                              Pflanzenwachse, an und für sich schon ziemlich hell gefärbt, werden doch noch einem
                              Bleichprocesse unterworfen und kamen auch hiervon Proben zur Ausstellung.
                           Als dritter mächtiger Concurrent des Bienenwachses ist endlich in neuester Zeit das
                              Erdwachs oder der Ozokerit aufgetreten, was für uns um so mehr Interesse hat, als
                              dieses Product fast ausschließlich Oesterreich angehört. Das Erdwachs kommt
                              bekanntlich in Galizien am Nordrande der Karpathen zu Drohobycz und Boryslaw
                              nesterweise im Salzthon vor und wird theils durch Tagebau, theils durch
                              unterirdischen Betrieb gewonnen. Sein Vorkommen hängt sicher einerseits mit dem des
                              Petroleums, andererseits mit dem des Salzes zusammen. In der sehr großartigen
                              Ausstellung der galizischen Erdöl- und Erdwachs-InteressentenDie Aussteller Hochstetter in Wien, Dingler in Mährisch-Ostrau stellten, wie
                                    es schien, das Erdwachs nur als Rohmaterial ihrer Fabrication aus. Auch aus
                                    Rumänien (Georgescu Petrache u.a.) und
                                    Transkaukasien (Gebrüder Siemens) lagen
                                    Erdwachs-Proben vor. lag dasselbe im rohen Zustande mit Einschlüssen von faserigem Gyps und
                              hellen, farblosen Steinsalz-Krystallen, ebenso aber auch in dem Zustande vor,
                              wie man es nach dem Schmelzen und Abschöpfen von den erdigen Bestandtheilen durch
                              Eingießen in schwach conische Formen erhält. Dabei ist die dunklere Farbe, die sich
                              leicht durch das Austreiben der Luft erklärt, die starke Zusammenziehung beim
                              Erkalten, die sich durch das Einsinken der Oberfläche zeigt, endlich der dem rohen
                              Bienenwachse sehr ähnliche Bruch zu bemerken. Aus diesem dunkelbraunen, fast
                              schwarzen Material wurden schon frühzeitig in Galizien Kerzen gefertigt, die trotz
                              ihrer unschönen Farbe mit gutem Lichte brannten. Als nun die Gewinnung größere
                              Dimensionen annahm, gerieth man zuerst auf den Abweg, das Erdwachs als ein
                              Rohmaterial zur Paraffinerzeugung zu verwenden. Wenn man es der zerstörenden
                              Destillation unterwirft, erhält man in der That ein Destillat, das neben Photogen
                              und Solaröl reichliche Mengen eines schwer schmelzbaren Paraffins liefert. Während
                              aber das rohe Erdwachs zu seiner Verflüssigung eine Temperatur von circa 60° C. bedarf, ist das gesammelte Destillat
                              bei gewöhnlicher Temperatur nur butterartig und verflüssigt sich bei circa 35° C. vollkommen. Man opfert also dem
                              Bestreben, das Material zu entfärben, die bei Lichtmaterial hochgeschätzte
                              Eigenschaft der Schwerschmelzbarkeit. Es ist daher als ein ungemeiner Fortschritt zu
                              betrachten, da es in neuester Zeit gelungen ist, das Erdwachs direct zu bleichen.
                              Man erhält dadurch eine vom besten weißen Wachse kaum zu unterscheidende Masse, wie
                              es scheint, mit geringem Verluste. Diese Bleichung brachte in der ausgezeichnetsten
                              Art J. C. Otto in Frankfurt an der Oder in der deutschen chemischen
                              Abtheilung zur Anschauung. Aus Erdwachs in den verschiedenen Stadien der Bleichung
                              war ein Postament aufgebaut, auf dem sich eine Säule von dem reinsten,
                              gelblichweißen Material erhob. Es wäre interessant zu wissen, ob die Dimensionen der
                              einzelnen Bestandtheile etwa den Procenten des gewonnenen Productes entsprachen.
                              Gustav Wagemann in Wien, die galizische
                              Aktiengesellschaft für Naphtafabrication, Dingler in
                              Mährisch-Ostrau stellten übrigens gleichfalls gebleichtes Erdwachs aus. Aus
                              England brachte J. C. und J. Field in Lambeth (London)
                              gebleichten Ozokerit und daraus gefertigte Kerzen zur Ausstellung, welche nach
                              Professor Letheby's Untersuchungen sehr günstige
                              Lichteffecte geben sollen, indem 75,4 Gewichtstheile derselben ebenso viel Licht
                              liefern, als 100 Gewichtstheile Wallrath. Der Schmelzpunkt, mit 59° C.
                              angegeben, kommt dem des Wachses sehr nahe und erlaubt daher auch in tropischen
                              Ländern den Gebrauch der Ozokeritkerzen, wo die gewöhnlichen Paraffinkerzen sich
                              biegen würden. Es handelt sich augenscheinlich hier ebenfalls nur um gebleichtes
                              Erdwachs. Die Art der Bleichung wird übrigens bis jetzt als Geheimniß behandelt.
                           Die Erzeugung von sogenanntem Ceresin war durch eine Ausstellung der k. k. priv.
                              Fabrik in Stockerau repräsentirt. Es handelt sich hier um eine Vermischung des
                              gewöhnlichen Bienenwachses mit mehr oder weniger weichem Paraffin. Die Aehnlichkeit
                              mit reinem Wachs, sowohl im rohen als gebleichten Zustande ist frappant, der Preis
                              natürlich bedeutend niedriger.
                           Von den Fetten, als Rohmaterialien betrachtet, gehen wir nunmehr zu den daraus
                              producirten Fabricaten, den fetten Säuren und Glycerin einerseits und den Seifen
                              andererseits über.
                           In den meisten industriell entwickelten Staaten existiren Stearinfabriken, die fast
                              ohne Ausnahme in den verschiedenen Abtheilungen vertreten waren. Ich nenne da Price Patent Candle Works, Battersea London,
                              ferner Souffrine und Comp. in
                              St. Denis bei Paris, Venèque zu Ivry (das alte
                              Haus Milly), Vialon und Comp. zu Lyon, Gebrüder Lanza
                              in Turin, Liljeholm's technische Fabrik in Stockholm, die
                              Apollokerzen-Fabrik in Schiedam und die königliche Stearinfabrik in
                              Amsterdam, die Pommerenzdorfer und Badische Fabrik in Deutschland, die Fabriken am
                              Petrof in Jelez, Botte in Minsk (Rußland), die Fabrik von
                              Holmblad in Kopenhagen, die Florafabrik in Pest, die
                              Siebenbürger Stearinfabrik in Hermannstadt und endlich die zahlreichen
                              österreichischen Fabriken. Von allen diesen Ausstellern zeichnen sich die
                              österreichischen nicht allein durch die Größe ihrer Ausstellungsobjecte, was durch
                              die wesentlich leichtere Ausstellung zu erklären wäre, sondern auch durch die
                              gleichmäßige Güte ihrer Producte aus. Bei der weiten räumlichen Trennung der
                              Ausstellungsgegenstände ist es für den einfachen Berichterstatter kaum möglich ein
                              Urtheil darüber abzugeben, ob eine oder die andere Fabrik bessere, d.h. weißere oder
                              härtere Waare geliefert. Jedenfalls beweist auch diese Ausstellung, daß Oesterreich
                              in diesem Industriezweige eine hervorragende Stellung einnimmt. Diese ist nicht
                              allein auf den Bezug von vortrefflichem Rohmaterial, sehr hartem Talg aus
                              Oesterreich, Ungarn, den Donaufürstenthümern, Südrußland etc., sondern auch auf eine
                              sehr intelligente, frühzeitig alle Vortheile erfassende Leitung des Betriebes
                              zurückzuführen. Das Ausstellungsobject der Sarg'schen
                              Fabrik in Liesing, ein Postament mit der Büste Milly's
                              gab in wenigen schlagenden Daten die Geschichte dieser Industrie in Oesterreich, in
                              welcher jene Fabrik einen Hauptplatz einnimmt.
                           Es wurde eingeführt in Oesterreich die Kalkverseifung 1838, die Destillation 1850,
                              die Verseifung unter Hochdruck nach Fouché und Wright 1858, die Verseifung im Autoclav nach Milly 1865, die fabrikliche Gewinnung des Glycerins 1854,
                              seine Destillation 1867, endlich seine Krystallisation 1872. Vor Allem das
                              krystallisirte Glycerin verdient unsere Aufmerksamkeit, und es ist geradezu als eine
                              der bedeutendsten Novitäten der Ausstellung aufzufassen. Nachdem es etwa vor 2
                              Jahren zufällig bei Winterkälte entdeckt und von Professor A. W. Hoffmann in Berlin näher untersucht worden war, ist es
                              der Sarg'schen Fabrik gelungen, dasselbe nach Belieben
                              fabrikmäßig herzustellen. Ueber die Methode der Darstellung ist bisher nichts
                              Näheres bekannt geworden. Wahrscheinlich wird sehr reines Glycerin im Vacuum
                              möglichst vollständig entwässert und dann stärkeren Kältegraden ausgesetzt, worauf
                              man den flüssig bleibenden Antheil von den Krystallen abgießt. Das krystallisirte
                              Glycerin verflüssigt sich bei circa 15° C.,
                              konnte daher vom Publicum nur in den ersten Tagen der Ausstellung in fester Form
                              gesehen werden.
                           Nicht weit von der Sarg'schen Ausstellung fanden wir die
                              der ersten Seifensieder-Gewerkschaft, oder, wie die Firma bekannter ist, der
                              Wiener Apollokerzen-Fabrik. Dieß ist eine der
                              größten Fabriken der Art, da sie jährlich nahezu 4 Millionen Kilogrm. Talg
                              verarbeitet, den sie zum Theil selbst aus Australien und Südamerika bezieht. Von der
                              gewonnenen Oleïnsäure wird über 1 Million Kilogrm. zu Seife verarbeitet, der
                              Rest verkauft. Wie weit verbreitet das Renommé der Firma ist, beweist der
                              Umstand, daß im Auslande die besseren Stearinkerzen als Apollokerzen bezeichnet, und
                              die Verpackungsform (Orangepapier) und der Firmastempel möglichst nachgeahmt wird. 2
                              Dampfmaschinen, 9
                              Dampfkessel, 9 Dampfkochkessel, 26 große hydraulische Pressen, ein Robert'scher Vacuumapparat zum Concentriren des
                              Glycerins, 4 Seifenkessel zu je 5600 Kilogrm. 200 Seifen-Formkästen, 50
                              Dochtflecht- 10 Kerzenschneid- und Polirmaschinen, 140 männliche und
                              192 weibliche Arbeiter beweisen genügend die Großartigkeit des Betriebes. Die
                              Verseifung unter hohem Druck und mit nur 3 Proc. Kalk soll zuerst in dieser Fabrik
                              angewendet, und dabei als wesentliche Verbesserung gegen den ursprünglichen Apparat
                              von Mylli nicht directes Feuer, sondern hochgespannter
                              Dampf zur Erhitzung benutzt worden seyn.
                           Eine dritte sehr hübsche Ausstellung brachte die Johann Hoffmann'sche Fabrik in Algersdorf bei Graz. Es ist dieß ein sehr
                              geschmackvoll aus Stearinkerzen und Stearinguß aufgebauter Tempel mit einer
                              ebenfalls aus Stearin gegossenen Figur der Styria. Die Eleganz der Form und
                              Decoration würde das Object der Kunstausstellung zuweisen, falls es aus anderem
                              Material gebildet wäre; dieses Material aber selbst verdient seiner Härte und Weiße
                              wegen alles Lob. Auch die Fabriken von Semmler und Frenzl in Brunn haben gute Kerzen geliefert, Himmelbauer
                              in Stockerau als Specialität die sogenannten Helioskerzen, ein Gemisch von weichem
                              Paraffin und Stearin, das genügend hart ist und wesentlich billiger zu stehen kommt.
                              Er erzeugt das Paraffin dazu aus galizischem Erdwachse. Alle diese Fabriken arbeiten
                              fast nur mit Talg, den sie jetzt ohne Ausnahme mit nur drei bis vier Procent Kalk,
                              aber unter hohem Druck in geschlossenen Kupferkesseln verseifen. Die Kessel müssen
                              sehr dickwandig sein, um dem nöthigen Druck von circa
                              acht Atmosphären zu widerstehen, und müssen aus Kupfer gefertigt werden, da das
                              Eisen sehr rasch von der sauren Kalkseife angegriffen wird. Es kommt noch hinzu, daß
                              Spuren beigemischten Kupferoxydes, die Säure nur bläulich, Eisenoxyd aber gelblich
                              färbt und so die gewünschte Reinheit des Weiß stärker beeinträchtigt. Selbst diese
                              theueren Kupferkessel müssen nach acht bis zehn Jahren Betrieb erneuert werden, weil
                              sonst ein Zerreissen derselben zu fürchten wäre. Man spart durch diese Methode sehr
                              wesentlich an Chemikalien; die saure Kalkseife trennt sich sehr bequem im
                              geschmolzenen Zustande von der wässerigen Flüssigkeit, und diese selbst ist eine
                              ziemlich concentrirte Lösung von Glycerin, das nach Entfernung des Kalkes durch
                              Oxalsäure und Entfärbung durch Knochenkohle durch Abdampfen concentrirt und zuletzt
                              nöthigenfalls mit Dampf destillirt wird. Bei der massenhaften Verwendung, welche das
                              Glycerin jetzt in den verschiedensten Zweigen der Industrie findet, bildet sein
                              Werth einen bedeutenden Factor der Rentabilität. Hierdurch hat die Kalkverseifung
                              wenigstens dort, wo reiner Talg verarbeitet wird, entschieden das Uebergewicht über den
                              Schwefelsäure-Verseifungs- und Destillations-Proceß gewonnen,
                              wobei das Glycerin geopfert werden muß. Nur da, wo tropische und Abfallfette die
                              Hauptmasse des Rohmateriales ausmachen, die mittelst des letzteren Processes eine
                              größere Ausbeute an festen Säuren ergeben, behauptet er noch das Feld. Die
                              Schiedamer Fabrik, welche gleichzeitig nach dem Kalk- und
                              Schwefelsäure-Verfahren dargestellte Producte vorführt, zeigt dadurch recht
                              deutlich, daß sie beiderlei Rohmaterial gleich bequem beziehen kann. In Frankreich
                              will man mit dem Kalkzusatze bis auf ein Procent herabgegangen seyn, was indessen
                              nur bei stark ranzigen Fetten möglich ist. Unter gewissen Umständen geht die
                              Selbstentmischung z.B. beim Palmöl soweit, daß aus den Fässern bei längerem Lagern
                              fast reines concentrirtes Glycerin abtropft. Bei so verändertem Material kann in der
                              That ein solches Minimum von Kalk genügen.
                           Seife wird fast in allen Ländern der Welt in größerer
                              oder geringerer Menge producirt und von zahlreichen Ausstellern ausgestellt, von
                              denen natürlich nur einzelne namhaft gemacht werden können. Es ist leicht zu
                              erkennen, daß in den Ländern des Mittelmeeres immer noch das Olivenöl in seinen
                              geringsten, nicht mehr zu anderen Zwecken tauglichen Sorten als Seifenmaterial die
                              Hauptrolle spielt. Die altberühmte Genueser, Marseiller, spanische Seife findet sich
                              in unveränderter Art auf der Ausstellung, nur wird sie jetzt wahrscheinlich seltener
                              mit der Barillasoda, sondern mit solcher aus Kochsalz bereitet. Der Seife aus
                              Olivenöl steht die aus der Oleïnsäure der Stearinfabriken am nächsten, die ja
                              fast ausschließlich zur Seife verwendet wird. Die Heimat der eigentlichen
                              Talg-Kernseifen ist Deutschland und Oesterreich; aus Rußland stammt die
                              Hanf-, Leinöl-, Thran-, Schmierseife, während England das
                              Gebiet der Palm-, Cocosnuß-, Palmkern- und Harzseifen ist.
                              Durch die Entwickelung der Industrie und des Handels vermischen sich diese
                              Unterschiede, doch sind sie in ihren Umrissen auch noch auf der Wiener Ausstellung
                              zu erkennen. Nur die Oleïnseife ist universell, wie die Stearinsäure, deren
                              Nebenproduct sie bildet.
                           Sehr zu loben ist es, daß die Aussteller fast überall darauf hingearbeitet haben,
                              eine möglichst neutrale und trockene Seife für Fabrikszwecke herzustellen. Ein
                              motivirtes Urtheil über die exponirten Seifen wäre nur nach einer großen Anzahl
                              vergleichender Analysen möglich, da der Werth der Seife geradezu von ihrer
                              Zusammensetzung abhängig ist. Es wäre zu wünschen, daß die Aussteller genaue
                              Analysen ihrer ausgestellten Muster beigelegt hätten. Ein einziger Aussteller, L.
                              Küntzelmann in Dresden, war offen genug, einem
                              Seifenblock die Aufschrift 
                              „Schwindelseife“ bei- und anzugeben, daß darin auf ein
                              Kilogrm. Fett 12 Kilogrm. Wasser enthalten sind. Er stellt übrigens auch noch andere
                              vortreffliche Seifen, so gekörnte Oleïnseife, Leinöl-, Schmierseife,
                              dieselbe mit Talg combinirt, gekörnte Thranseife, Talg-Kernseife mit
                              Carbolsäure gefüllt, Bimsstein-, Honig-, Harzleim-Seife aus und
                              ist überhaupt einer der größten Industriellen in dieser Branche, indem sich sein
                              Umsatz im Jahre 1871 auf 411,000 Thaler belief. Seine Specialität ist übrigens
                              Schmierseife, die besonders schön durch Einmengung glimmerartiger Schuppen von
                              stearinsaurem Natron erscheint. Auch H. Oettinger in
                              Mannheim mit wöchentlich tausend Centner Seife, F. Gruner
                              in Eßlingen mit seinen medicinischen und technischen Seifen, Gröger in Mühlhausen (in Thüringen) sind lobend anzuführen.
                           Die Seifenfabrikanten Hartl u. Sohn in Wien brachten die verdünnte Aetznatron-Lauge in einem
                              Dampfkessel zur Concentration und verwenden den Dampf zum Betriebe einer
                              Dampfmaschine, zum Schmelzen des Unschlittes und zum Kochen der Seife. Erwähnen will
                              ich noch, daß die Masse Glycerinseife, welche jetzt zu Toilettezwecken benutzt wird,
                              nicht mehr durch Zusatz von Glycerin zu einer alkoholischen Seifenlösung und
                              Abdestillation des Alkohols, sondern einfach durch Zusammenschmelzen von Seife und
                              Glycerin hergestellt wird. Freilich ist dann das Freiseyn von überschüssigem Alkali,
                              was sonst diese Seife für empfindliche Haut so empfiehlt, nicht vollkommen
                              gesichert. Das Gießen von Büsten, Schalen, und anderen Decorationsstücken aus
                              solcher Seife erscheint unpassend wegen zu starker Transparenz. Auch die aus
                              undurchsichtigen Cocos- oder Kernseifen hergestellten Ornamente machen keinen
                              angenehmen Eindruck. Laurencin in Marseille, der drei
                              Büsten von Thiers am einmal ausgestellt, gab den Gegnern
                              dieses Staatsmannes Gelegenheit zu allerlei spöttischen Randglossen. Durch
                              ausgedehnte Seifenfabrication zeichnen sich noch aus Kaiser u. Goier in Petersburg mit jährlich
                              200,000 und Soukouff ebendaselbst mit 160,000 Pud
                              Production. Aus Oesterreich will ich noch F. Fischer in
                              Simmering mit einem großen Sortiment diverser Seifen, Uiblein u. Sohn in Wien mit Schmierseife, Schellinger ebendahier mit Harzseife erwähnen.
                           Die Erzeugung von Seife aus bloßem Abfallfett, Küchen- und Walkfett brachten
                              unter Anderen Houzeau aus Reims, R. Thomson aus Riga und Jungfer aus Görlitz zur
                              Anschauung. Daß natürlich auch die großen Stearinfabriken fast ohne Ausnahme viele
                              und gute Seife producirten und ausstellten, ist selbstverständlich.
                           Beim Kerzenguß ist als Neuigkeit die Anbringung von 4 in der Länge des Lichtes
                              verlaufenden Durchbohrungen zu erwähnen, die unter Anderen Venèque in Lyon zur Ausstellung brachte. Hierdurch soll das
                              Ablaufen des geschmolzenen Stearins nach Außen verhindert werden, was aber unserer
                              Ansicht nach besser durch ein richtig gewähltes Verhältniß zwischen Kerzen-
                              und Dochtdicke geschieht.
                           Zu demselben Zwecke empfiehlt J. C. u. J. Field den
                              Lychnophylax, eine auf das obere Kerzenende aufzusteckende eigenthümliche gläserne
                              Lichtmanchette, die in dem Maaße, als das Licht abbrennt, hinabssinken soll.
                           Das letzte Glied dieser Section bilden die Schmieröle und Schmierfette für leichtere
                              und schwerere Maschinentheile. Während früher hauptsächlich fette Substanzen als
                              Schmiermittel Verwendung fanden, spielen jetzt die Harzöle und
                              Harzöl-Kalkschmieren (die sogenannten belgischen Patent-Wagenfette),
                              ferner die paraffinreichen Solaröle und besonders einige rohe, sehr schwere
                              Petroleumsorten (Vulcan- und Globeöl), endlich seifenartige Combinationen von
                              Fettstoffen mit kohlensauren Alkalien, auch Lösungen von trockener Seife in
                              Theerölen, für sich oder mannichfaltig combinirt, eine wesentliche Rolle. Je mehr
                              ein solches Schmiermaterial den Kraftverlust durch Reibung vermindert, je länger es
                              diese Eigenschaft bewahrt, je langsamer es selbst verharzt, je weniger es die
                              bewegten Metalltheile angreift, desto besser ist es. Ein gewisser Grad von
                              Zähflüssigkeit ist besonders bei schwerbelasteten Achsen erwünscht, indem sonst das
                              Schmiermittel zwischen den sich reibenden Theilen herausgepreßt wird. Auch bei
                              leichten, aber sehr rasch laufenden Achsen ist etwas Dickflüssigkeit rathsam, da
                              sonst das Schmiermittel durch die Centrifugalkraft zu rasch zerstreut wird. Das
                              früher allgemein angewendete Baumöl wird jetzt vielfältig durch Rüböl ersetzt (das
                              man entweder im rohen Zustande nach längerem Ablagern verwendet, oder mit sehr wenig
                              Schwefelsäure raffinirt und möglichst vollkommen auswäscht. Die beim Raffiniren
                              nebenbei entstehende freie Oelsäure ist freilich so nicht zu entfernen. Höchstens
                              durch Digestion mit Alkohol wäre dieß möglich, da dieser wohl freie Oelsäure, aber
                              kein oder nur wenig neutrales Oel auflöst. Durch Zusatz von Ricinusöl, Harz, Harzöl,
                              in Oel gelöstem Kautschuk sucht man diesem entsäuerten Oele die nöthige
                              Dickflüssigkeit oder Cohäsion zu geben, die beim Raffiniren sich vermindert. Solche
                              Maschinenöle werden von sehr vielen Oelfabrikanten ausgestellt. Die Eigenschaft, in
                              der Luft zu verharzen, besonders bei Gegenwart von Metallen und bei Erwärmung, tritt
                              besonders bei fetten Oelen aus dem Pflanzenreiche hervor. Nur das hochgereinigte
                              Olivenöl, noch mehr das Klauenöl, ein thierisches Fett, sind davon ziemlich frei.
                              Sie dienen daher als bevorzugtes Schmiermittel für Uhren und Nähmaschinen. Auch von
                              dieser Art von Oelen
                              sind verschiedene Muster besonders von Schweizern ausgestellt. Auch Deutschland, und
                              zwar Württemberg, wo die Uhrenindustrie blüht, hat zwei Aussteller solcher Oele
                              aufzuweisen.
                           England und Amerika haben in ihrem Wallrath- und Specköl ebenfalls
                              vortreffliche Schmieröle. Die Zahl der Aussteller von gemischten Schmieren ist eine
                              sehr große. Besonders schön und vollständig ist die betreffende Sammlung von Gustav
                                 Wagemann in Wien,