| Titel: | Ueber das Aetzen von Eisen und Stahl; von Professor Friedrich Kick in Prag. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. VIII., S. 40 | 
| Download: | XML | 
                     
                        VIII.
                        Ueber das Aetzen von Eisen und Stahl; von
                           Professor Friedrich Kick in
                           Prag.Aus den „Technischen Blättern“ 1873, S. 112 mit besonderer
                                 Genehmigung des Hrn. Verfassers, welchem wir hiermit unsern herzlichsten Dank
                                 dafür aussprechen.
                           
                        Mit Holzschnitten und Abbildungen auf Tab. II.Die Figuren sind in ca. 1/2 natürlicher Größe
                                 dargestellt und von Steinmetz und Bornemann in Meißen lithographirt. Die Red.
                           
                        Kick, über das Aetzen von Eisen und Stahl.
                        
                     
                        
                           Zur Erkennung der Qualität von Eisen und Stahl wird schon lange mit gutem Erfolg das
                              Aetzen dieser Materialien mit Säure angewendet.
                           
                           Das Aetzen lehrt aber noch mehr; es gestattet Schlußfolgerungen auf die Richtigkeit
                              der angewendeten Arbeitsverfahren und verdient daher nach
                              beiden Richtungen hin allgemeine Anwendung.
                           Eisen wird bekanntlich von allen verdünnten Säuren angegriffen und zwar in jeder
                              seiner vielerlei Varietäten, als Schmiedeeisen, Stahl und Roheisen. Hie und da kommt
                              man jedoch auf Stücke, welche fast nicht oder gar nicht angegriffen werden; –
                              sie verhalten sich passiv, welche Eigenschaft durch
                              Ausglühen des betreffenden Stückes beseitigt werden kann, durchaus aber keinen
                              Schluß auf besondere Güte gestattet; denn selbst das beste Schmiedeisen, der
                              dichteste Stahl werden von Säure angegriffen.
                           
                        
                           Aetzverfahren.
                           Nach vielerlei Versuchen mit Salpetersäure, Schwefelsäure, Salzsäure, Gemengen
                              derselben, Aetzflüssigkeiten mit Kupfersalzen etc. gelangte der Verfasser zu dem
                              Schlusse, daß ein Gemenge von 1 Theil Salzsäure und 1 Theil Wasser, welchem eine
                              Spur von Antimonchloridlösung zugesetzt ist, eine besonders empfehlenswerthe Aetzflüssigkeit abgibt. Letzterer Zusatz, welcher über
                              Anrathen meines geehrten Collegen und Freundes Prof. Dr.
                              Gintl erfolgte, macht die geätzte Fläche weit
                              widerstandsfähiger gegen Rosten, und so wird es möglich durch gutes Waschen in heißem Wasser nach dem Aetzen und Auftragen einer
                              schützenden Schichte von Damarlack die geätzte Fläche ziemlich rein
                              aufzubewahren.
                           Die Aetzungen nahmen wir stets so vor, daß das zu ätzende Profil – durch Feile
                              oder Schleifstein geebnet – mit einem 2 Centimeter hohen Wachsrande versehen
                              wurde, ähnlich wie beim Aetzen der Kupferstiche vorgegangen zu werden pflegt. In den
                              so entstehenden Raum wird die Säure gefüllt, welche bei der Temperatur von
                              12–30° C. sehr bald zu wirken beginnt, was an der Gasentwicklung
                              ersichtlich ist. Bei Winterkälte geht das Netzen schlecht. Die Zeit der Einwirkung
                              betrug meist 1–2 Stunden und soll im Allgemeinen so lange erstreckt werden,
                              bis die Textur zu Tage tritt. Man kann sich von dem Fortschreiten der Einwirkung
                              leicht dadurch überzeugen, daß man etwa von 1/2 zu 1/2 Stunde die Säure abgießt und
                              – ohne den Wachsrand zu entfernen – mit Pinsel und Spritzflasche den
                              auf der Aetzfläche meist ausgeschiedenen Kohlenstoff (Graphit) abwäscht und, so die
                              Aetzung noch nicht genügend erscheint, neuerlich Säure einwirken läßt.
                           Ist der Zusatz von Antimonchlorid zur Säure zu groß gemacht worden, so scheidet sich
                              in kurzer Zeit nach Beginn der Einwirkung ein schwarzer Niederschlag ab, welcher sich leicht von Graphit
                              unterscheiden läßt; derselbe wird übrigens nicht merklich, wenn per 1 Liter Säure nur 1 Tropfen concentrirter
                              Antimonchloridlösung zugesetzt wurde, was reichlich genügt.
                           Nach erfolgter hinlänglichen Aetzung wird der Wachsrand entfernt und die geätzte
                              Fläche nacheinander in mehreren Wässern, deren erstes (durch geringen Laugezusatz)
                              etwas alkalisch gemacht ist, mittelst Abbürsten gewaschen, dann abgetrocknet und mit
                              Damarlack bestrichen. Tritt nach einigen Stunden dennoch ein Rosten ein, so wird die
                              Lackschichte mit Terpentinöl abgewaschen, dadurch der Rost mit entfernt und hierauf
                              neuerlich lackirt.
                           
                        
                           Verhalten der verschiedenen Eisensorten
                                 bei der Aetzung.
                           Weiches oder sehniges
                                 Schmiedeeisen wird, wenn dasselbe vorzüglicher Qualität ist, von der Säure
                              selbst bei mehrstündiger Einwirkung so gleichmäßig angegriffen und die
                              Kohlenstoffabscheidung ist so unmerklich, daß die Aetzfläche licht und matt glänzend
                              bleibt. Etwa vorhandene unganze Stellen und Aschenlöcher kommen hierbei zum
                              Vorschein. (Die Figuren 10, 14 und 15 zeigen Aetzprofile von
                              ziemlich gutem sehnigen Schmiedeeisen.)Einen großen Theil der den Aetzversuchen unterworfenen Stücke verdankt
                                    Verfasser der Freundlichkeit des Hrn. Wilh. Bansen, Eisenwerksdirector in Libschitz (Böhmen). Die Aetzproben
                                    waren bei der Wiener Weltausstellung 1873 exponirt.
                              
                           Feinkorn-Eisen verhält
                              sich ganz ähnlich; die Aetzfläche ist meist noch gleichförmiger, aber um etwas
                              weniges dunkler. (Fig. 12 u. 13.)
                           Grobkorneisen und kaltbrüchiges Eisen werden von der Säure weit intensiver als die beiden
                              früher genannten Sorten angegriffen. Schon nach etwa 10 Minuten ist die Oberfläche
                              besonders bei letzterer Sorte schwarz. Beläßt man die Säure ca. 30 Minuten, so kann man einen schwarzen Schlamm abwaschen; und doch
                              sieht trotz allen Waschens die Oberfläche schwarz, mit zahlreichen kleinen Löchern
                              besäet aus. Gewisse Partien des Eisens werden hierbei gewöhnlich mehr in der Tiefe
                              zerfressen; andere bleiben, wenn auch geschwärzt und etwas porös, doch besser
                              erhalten. Hiervon kann man sich dadurch ein deutliches Bild verschaffen, daß man
                              nach circa einstündiger Aetzung, dann Abwaschen und
                              Trocknen, die Aetzoberfläche mit einer Polirfeile leicht überfährt. (Fig. 9 und 11.)
                           Adoucirtes oder getempertes
                                 Eisen (schmiedbarer Eisenguß) rostet bekanntlich meistens leichter als
                              Schmiedeeisen. Es ist interessant, daß auch die Einwirkung der Säure eine sehr
                              vehemente ist, und wie
                              Figur 8
                              zeigt, ein sehr ungleichförmiger Angriff der Säure erfolgt.
                           Puddelstahl. Die Figuren 3 und 24 zeigen
                              geätzte Profile von Puddelstahl – erstere Rundstahl, letztere ein
                              Tyre-Bruchstück darstellend. Die Farbe ist nach der Aetzung und Abwaschung
                              grau mit ziemlich gleichförmigem Ton, die Schichtungslinien schwach sichtbar.
                           Cementstahl-Flachschiene zeigt Fig. 7, im Aussehen dem
                              Puddelstahl sehr ähnlich; Schichtungslinien gleichfalls wenig hervortretend.
                           Bessemerstahl, Gußstahl, Fig. 4 bis 6. Die geätzten Flächen
                              dieser Stahlsorten sind ganz gleichförmig grau, nur selten und wenig hervortretend
                              finden sich unganze Stellen. Je weicher der Stahl, desto leichter ist die graue
                              Färbung. Durch die Aetzung treten die feinsten Haarrisse hervor. Bei einem Stücke
                              Mushet-Stahl sah die abgeschliffene Fläche
                              vollkommen gleichförmig aus; nach der Aetzung trat jedoch ein den Stahl seiner
                              ganzen Länge nach durchziehender Haarriß zu Tage. Wahrscheinlich war der
                              Wolframgehalt dieses Stahles Ursache, daß die geätzte Fläche eine sehr dunkelgraue
                              Farbe zeigte.
                           Roheisen, Gußeisen. Graues Roheisen verhält sich beim
                              Aetzen ähnlich wie Stahl; die geätzte Fläche erscheint ziemlich gleichförmig
                              dunkelgrau. Weiches und zum Weißwerden geneigtes (halbirtes) Eisen verhält sich beim
                              Aetzen derart, wie dies die Figuren 1 und 2 darthun. Die
                              weißen Theile bleiben nach der Aetzung licht, und die eingesprengten Partikelchen
                              grauen Eisens treten als dunkle Punkte und Flecken deutlich bervor.
                              – 
                           Nachdem wir nun das Verhalten der wichtigsten Eisensorten beim Aetzen kennen,
                              erklären sich die Erscheinungen an solchen Stücken, welche aus verschiedenen
                              Eisensorten bestehen, fast von selbst.
                           In Figur 18
                              erscheinen Stabeisenquerschnitte, welche durch Paketirung von gutem Luppeneisen
                              (oben und unten) und Alteisen (Mitte) entstanden sind. Fig. 17 stellt
                              Querschnitte aus gepuddeltem Alteisen Drehspänen vor.
                           Fig. 19
                              stellt zwei Querschnitte von Quadrateisen und Rundeisen vor, bei dessen Paketbildung
                              eine Eisenbahnschiene verwendet wurde, welche im Quadrateisen sehr deutlich, im
                              Rundeisen aber nur durch den etwas verdrückten Feinkorn-Schienenkopf
                              kenntlich ist.
                           Die Figuren 20a
                                  bis 20e
                                  zeigen die aufeinanderfolgenden Kaliber zur Erzeugung von
                              Fenstersprosseneisen aus mittelmäßigem Materiale.
                           Figur 21a bis Figur 21g repräsentiren eine Reihe der Kaliber zur Erzeugung von
                              Grubenschienen; Fig. 22a bis Fig. 22f analog eine Reihe der Kaliber zur Erzeugung von Winkeleisen, welches
                              wie oben bei Figur
                                 18 paketirt wurde.
                           Fig. 25 zeigt
                              den Querschnitt einer Eisenbahnschiene mit Feinkornkopf, Grobkorn-Steg und
                              Sehne im Fuß. Mit dem Schienenkopfe vergleiche Fig. 12.
                           Fig. 26
                              dasselbe, aber minder gutes Material.
                           Der Schienenquerschnitt in Fig. 27 zeigt im Kopfe
                              der Schiene Grobkorn, was entschieden fehlerhaft ist, aber zuweilen so bestellt
                              wird.
                           Fig. 28:
                              Stahlkopfschiene. Der Kopf der Schiene ist Bessemerstahl und tritt dieses Material
                              theilweise in den Schienensteg ein, welcher im Uebrigen aus Grobkorn besteht,
                              während der Fuß aus sehr gutem sehnigen Eisen hergestellt erscheint.
                           Fig. 29:
                              Wiener Tramwayschiene. Dieselbe ist in der Mitte von einem Streifen Grobkorneisen
                              (Kaltbruch) der leichteren Verschweißung wegen durchzogen.
                           Wenn in einem Façoneisen verschiedene Eisenqualitäten gemengt vorkommen, so
                              greift die Säure beim Aetzen so vorherrschend jene Eisensorte an, welche größere
                              Affinität darbietet, daß der Angriff auf die übrigen Partien viel geringer wird, als
                              wenn dieselben allein der Wirkung der Säure ausgesetzt worden wären. Bessemerstahl
                              für sich allein geätzt zeigt bekanntlich eine graue Aetzfläche; ist derselbe jedoch
                              wie in Fig.
                                 28 mit Grobkorn verschweißt, so wird er wenig angegriffen.
                           
                        
                           Die Resultate des Aetzens in Bezug auf
                                 die Arbeitsmethoden.
                           Aus dem früher Gesagten ist bereits ersichtlich, daß die Aetzungen die Wahl des
                              Materiales und die Lage der Schichten ersichtlich machen. Es zeigen zwar die Figuren 20 a
                                  bis 20 e
                                  und 21 a
                                  bis 21 g
                                 , daß selbst bei einfacher Paketirung ein Verquetschen der Schichten bis zu
                              einem ziemlich hohen Grade erfolgt; aber dennoch läßt sich ein Schluß auf die
                              Lagerung der Schienen des Paketes aus der Aetzfläche des Fertigkalibers immerhin mit
                              einiger Sicherheit ziehen: Je gleichförmiger die Druckvertheilung im Kaliber war
                              (resp. sein konnte), desto weniger verworfen sind die einzelnen Schichten.
                              Vergleichen wir die Aetzflächen Fig. 21b, 21d und 21e mit 21a, so ist zu entnehmen, daß das Walzgut Fig. 21a um 90 Grad gewendet werden mußte, damit die Schichtung eine
                              solche werden konnte, wie dies Fig. 21b zeigt. Die Figur 21c hingegen zeigt eine abweichende, nicht in die Reihe passende
                              Lagerung der Schichten. Diese Abweichung kann nicht daher
                              rühren, daß die genannte Verdrehung einmal unterblieb,
                              weil die Breite der Schiene in Fig. 21b
                              geringer als die Breite
                              von jener der Fig.
                                 21a ist, jene Verdrehung daher schon
                              einfach aus bekannten Gründen erfolgen muß. Die Abweichung in der Schichtenlagerung
                              von Fig. 21c könnte daher nur entweder eine Folge der
                              bereits im Profile Fig. 21a entsprechend verändert gelagerten
                              Schichten sein, oder sie kann eine Folge der öfter beim Walzen stattfindenden
                              Verdrehung des Schienen-Endstückes sein. Letzteres hat mehr
                              Wahrscheinlichkeit, denn die dem Verfasser vom Hrn. Director Bansen zur Verfügung gestellten Probestücke waren natürlich den Enden der
                              Schienen entnommen. Die gleiche Erscheinung zeigt Fig. 20e, wie dies der Vergleich mit den diesem Kaliber vorhergehenden
                              deutlich zeigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 45
                              Bekanntlich ist die Art der Paketirung von besonderer
                                 Wichtigkeit. Bei Erzeugung von Eisenbahnschienen wird meist derartig paketirt,
                                 wie dies Holzschnitt A zeigt.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 45
                              Hingegen fanden wir auf der Wiener Ausstellung eine
                                 Paket-Probe ausgestelltVon der Steinhauser Hütte in Mitten a. d. Ruhr; das Hüttenwerk Piela in
                                       Oberschlesien hatte geätzte Schienenprofile ausgestellt, welche
                                       wahrscheinlich ebenso paketirt waren und eine sehr gute Verschweißung
                                       zeigten., welche der Holzschnitt B versinnlicht, und hatte das betreffende Werk die hieraus
                                 dargestellten Schienenprobestücke exponirt, welche dem Bruchansehen nach nichts
                                 zu wünschen übrig ließen. Stellt man nun die Frage, welches Verfahren ist
                                 rationeller, bei welchem ist die Verschweißung eine innigere, so könnte hierauf
                                 am besten das Aetzverfahren Antwort geben.
                              
                           Die Anzahl der Proben von Sortimenten, welche mein verehrter Freund Bansen mir zur Verfügung stellte, waren viel zu gering,
                              um die beim Walzen sich aufdrängenden Fragen der Querschnittsabnahme,
                              Druckvertheilung etc. in Beantwortung nehmen zu können. Doch glaube ich gezeigt zu
                              haben, welche Wichtigkeit dem Aetzen beizulegen ist sowohl vom Consumenten, zum Zwecke der Qualitätserkennung des Materiales, als vom Producenten, zum Zwecke der leichten, raschen Erkennung
                              des Einflusses von Abänderungen im Arbeitsverfahren; und so möge dieser Aufsatz zu
                              ausgedehnterer Anwendung des Aetzens anregen.
                           Prag, im November 1873.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
