| Titel: | Die Dampfmaschinen-Steuerungen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Ingenieur Müller-Melchiors. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XII., S. 81 | 
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                        XII.
                        Die Dampfmaschinen-Steuerungen auf der
                           Wiener Weltausstellung 1873; von Ingenieur Müller-Melchiors.
                        Mit Holzschnitten und Abbildungen auf Tab. III.
                        (Fortsetzung von S. 8 des vorhergehenden
                           Heftes.)
                        Müller-Melchiors, über die Dampfmaschinen-Steuerungen
                           auf der Wiener Weltausstellung 1873.
                        
                     
                        
                           II. Doppelschieber-Steuerungen.
                           
                              
                              Holzschnitt I, Bd. 212, S. 81
                              Zeichnet man in ein rechtwinkeliges Koordinatensystem OX und OZ
                                 (Holzschnitt I) zunächst nach dem bekannten
                                 Zeuner'schen Verfahren den Schieberkreis E einer einfachen Schiebersteuerung von der
                                 Excentricität OD und dem Voreilungswinkel Δ sowie den dazu gehörigen Ueberdeckungskreis
                                 OS, ferner den Schieberkreis e für ein zweites Excenter von der Excentricität Od und dem Nacheilungswinkel δ, – endlich vom Mittelpunkte O aus einen Kreis OL, dessen Radius den Abstand der zwei mit einander arbeitenden Kanten
                                 des Expansionsschiebers und seiner Gleitfläche darstellt, so erhält man ein
                                 Diagramm, welches ebenso klar und vollständig alle über die
                                 Doppelschieber-Steuerungen zu stellenden Fragen zu beantworten weiß, wie
                                 dies das einfache Zeuner'sche Diagramm bei den
                                 Steuerungen mit einem Schieber leistet.
                              
                           Es braucht hier nicht näher erläutert zu werden, wie bei allen
                              Doppelschieber-Steuerungen, bei welchen der Vertheilungsschieber zugleich die
                              Gleitfläche des Expansionsschiebers bildet, der Schieberkreis e des Diagrammes (Holzschnitt I) das fictive Excenter repräsentirt, welches die relative Bewegung des Expansionsschiebers zum
                              Grundschieber darstellt und welches – bei gegebenen Werthen für Excentricität OD und Voreilungswinkel Δ des Vertheilungs-Excenters, ferner ODx und Δx des
                              Expansions-Excenters – durch Ziehen der Parallelen Od zu Dx
                              D (Holzschnitt II) in
                              seiner wahren Lage und Excentricität gefunden wird.
                           
                              
                              Holzschnitt II, Bd. 212, S. 82
                              In unserem Diagramme I ist der so gefundene
                                 Nacheilungswinkel δ selbstverständlich in
                                 entgegengesetzter Richtung von OZ aus
                                 aufzutragen; und es geben dann die zwischen dem Distanzkreise OL – beschrieben mit dem Abstande y der beiden zusammen arbeiten den Kanten α und β
                                 (Holzschnitt III) – und den
                                 Schieberkreisen e, e' eingeschlossenen Partieen des
                                 Diagrammes I die Eröffnungen der im Grundschieber befindlichen Canäle für jede
                                 beliebige Kurbelstellung an.
                              
                           
                              
                              Holzschnitt III, Bd. 212, S. 82
                              
                           Ebenso bedeuten bei zwei über einander auf besonderen Gleitflächen arbeitenden
                              Schiebern die Kreise OS und E wieder Ueberdeckungs- und Schieberkreis des
                              Vertheilungsschiebers, e aber den hier nicht fictiven Schieberkreis des Expansionsschiebers und
                              der Radius OL den Abstand y der beiden mit einander arbeitenden Kanten α und β (Holzschnitt IV).
                           
                              
                              Holzschnitt IV, Bd. 212, S. 82
                              
                           Die zwischen dem letzteren Kreise e und den
                              Schieberkreisen OS und E
                              eingeschlossenen Flächen des Diagrammes (Holzschnitt
                                 I) bezeichnen wiederum die durch den Expansionsschieber dargebotenen Perioden des
                              Dampfeintrittes.Dieses gilt jedoch nur, wenn der Expansionsschieber – wie oben in den
                                    Holzschnitten III und IV angenommen wurde – in seiner
                                    Mittelstellung die Dampfcanäle offen läßt.Holzschnitt V, Bd. 212, S. 83Holzschnitt VI, Bd. 212, S. 83Ist dies aber nicht der Fall und verdeckt der Expansionsschieber in seiner
                                    mittleren Position die Dampfcanäle, wie es in nebenstehenden Holzschnitten V und VI angedeutet ist, so bedeutet die „Distanz der
                                       arbeitenden Kanten“
                                    y einfach eine äußere Ueberdeckung und die Größe
                                    der Canal-Eröffnung ist gleich dem Schieberausschlage weniger
                                    y.Im Holzschnitte I bezeichnen alsdann die über
                                    den Distanzkreis OL hinausragenden Partien der
                                    Schieberkreise e und e' die Admissionsperioden.
                              
                           Fällt endlich, wie bei den nach System Farcot construirten
                              Schleppschieber-Steuerungen, das Expansions-Excenter fort, so
                              verschwindet damit selbstverständlich der Expansions-Schieberkreis e. Der Radius OL des
                              Distanzkreises bedeutet aber auch hier wieder den Abstand y = L – I
                              (Holzschnitt VII) der zusammen arbeitenden Kanten
                              α und β
                              – für den Fall der ganz zusammengezogenen Expansionsplatten – und der
                              Abstand zwischen dem Schieberkreise E und dem
                              Distanzkreise OL, gemessen auf den Radien des
                              letzteren, gibt die Breite a (Holzschnitt I) des Anschlages an, welche erforderlich ist, um die dem
                              betreffenden Fahrstrahle entsprechende Expansion zu erzielen.
                           
                              
                              Holzschnitt VII, Bd. 212, S. 83
                              
                           So enthält dieses Diagramm eine gleichzeitige Darstellung aller mit zwei von
                              Excentern bewegten Schiebern überhaupt möglichen CombinationenEs mag hier noch erwähnt werden, in welcher Weise das Diagramm für eine
                                    interessante Gruppe von Doppelschieber-Steuerungen, welche bis jetzt
                                    wenig beachtet worden ist, modificirt werden kann.Holzschnitt VIII, Bd. 212, S. 84Wird nämlich der auf einer besonderen Gleitfläche
                                       arbeitende Expansionsschieber von einem Excenter angetrieben, welches
                                       die doppelte Tourenzahl macht wie die Kurbel und das
                                       Vertheilungs-Excenter, so lautet die Formel für den Schieberweg
                                       des Expansionsschiebersξ = ρ sin (2 ω + δ)wobei ρ die
                                       Excentricität des Expansions-Excenters, δ dessen Voreilungswinkel und ω den – dem Schiederausschlage ξ entsprechenden –
                                       Stellungswinkel der Kurbel bezeichnet. Formel läßt sich auch
                                       schreiben:ξ = 2 ρ sin (ω + δ/2) cos (ω + δ/2)und wird dann für die Stellung der Kurbel A (Holzschnitt
                                          VIII) durch die Linie af
                                       – normal zur Achse Od des
                                       Expansions-Schieberkreises – dargestellt. Gibt man der
                                       Schieberplatte, von welcher nur eine Kante
                                       bei der Steuerung in Betracht kommt, an derselben eine Ueberdeckung y (an der anderen Kante aber eine
                                       Ueberdeckung y', welche so groß ist, daß der
                                       Canal auf dieser Seite nie geöffnet wird) und zieht in der Distanz y eine Parallele xx zu Od, so gibt die schraffirte Fläche des Diagrammes VIII sofort
                                       die Canaleröffnungen für jeden beliebigen Punkt zwischen den
                                       Kurbelstellungen OB (Boreintritt) und
                                       OC (Expansion) sowie den diesen
                                       diametral entgegengesetzten Kurbelstellungen OB' und OC' an. und zeigt zugleich, wie durch Veränderung der einzelnen
                              Elemente desselben unzählige Variationen der Dampfvertheilung erzielt werden
                              können.
                           Den Eingangs aufgestellten Bedingungen einer vollkommenen
                              Dampfvertheilung kann dabei auf vielfache Weise nahe genug entsprochen werden, und
                              auch die constructive Durchführung entspricht, wenn schon complicirter wie die
                              einfache Schiebersteuerung, noch immer in hohem Grade allen Anforderungen, welche
                              man in Bezug auf Solidität, Sicherheit der Functionirung, leichte Herstellung und
                              Erhaltung stellen kann. Die Reibungsverluste werden dabei allerdings – und
                              das ist der wesentlichste Nachtheil gegenüber den
                              Steuerungen mit einem Schieber – bedeutend und
                              wohl öfters auf das Doppelte erhöht und Entlastungsvorrichtungen sind hier noch
                              complicirter und unzuverlässiger als bei den einfachen Schiebern, – immerhin
                              aber ist dieser Factor nicht so wesentlich, daß er nicht in den meisten Fällen
                              gegenüber den vielen Vorzügen der Doppelschieber-Steuerung hingenommen werden
                              könnte.
                           Es kann somit nicht auffallend erscheinen, daß nahezu die Hälfte aller ausgestellten
                              stationären Dampfmaschinen mit Doppelschieber-Steuerungen versehen waren, und es soll nun
                              in nachstehendem versucht werden, die bemerkenswertheren derselben auf Grund des
                              oben aufgestellten Diagrammes in jener Reihenfolge vorzuführen, wie diese sich bei
                              der speciellen Betrachtung der einzelnen Elemente desselben von selbst
                              darbieten.
                           Betrachten wir zunächst die Steuerung mit zwei, auf besonderen Gleitflächen über
                              einander arbeitenden Schiebern, welche man prägnanter „Zwei-Schieber-Steuerung“
                              nennen könnte, so zeigt sich hier – ganz analog den eigentlichen
                              Doppelschieber-Steuerungen – eine Veränderung der Expansion möglich
                              durch Aenderung der Distanz y der mit einander
                              arbeitenden Kanten sowie durch Variirung des Hubes und des Stellungswinkels des
                              Expansions-Excenters. Indem aber bei allen
                              Zwei-Schieber-Steuerungen der Schieberkasten des Vertheilungsschiebers
                              nothwendig an der Expansion im Dampfcylinder theilnehmen muß, wodurch trotz aller
                              Sparsamkeit beim Construiren der schädliche Raum stets bedeutend vermehrt und der
                              ökonomische Effect der Maschine herabgedrückt wird, so spricht ein wesentliches
                              Bedenken gegen diese Anordnung der Steuerungsschieber.
                              Die Constructeure haben daher dieses System mehr und mehr verlassen, und auf der
                              Ausstellung waren auch unter den stationären Maschinen unseres Wissens nur zwei mit
                              einer Zwei-Schieber-Steuerung versehen.
                           Es waren dies eine Walzwerksmaschine der Maschinenbau-Actiengesellschaft (vormals Danek und Comp.) in Prag von 790 Millimet.
                              Cylinderdurchmesser und eine zweicylindrige verticale Maschine von J. Schneider und Comp. im Creuzot
                              (Frankreich). Letztere Maschine hatte Cylinderdurchmesser von 400 resp. 250
                              Millimet. und gestattete mittels Verstellung des Expansions-Excenters eine
                              variable Füllung des Hochdruckcylinders von 10 bis 30 Proc. des Kolbenhubes.
                           Die Walzwerksmaschine gestattete Füllungen von 10 bis 50 Proc. gleichfalls mittels
                              entsprechender Verstellung des Expansions-Excenters an einer geschlitzten
                              Scheibe und hatte eine eigene, aus Figur 1 ersichtliche
                              Anordnung der Dampfzuführung, um erforderlichen Falles durch Verstellen des Hahnes
                              h den Vertheilungsschieber direct mit Dampf zu
                              versehen und dadurch den Expansionsschieber außer Wirksamkeit setzen zu können.
                              Diese Einrichtung und die in Folge der Anwendung eines Rostschiebers und kleiner
                              Excentricität ziemlich herabgezogenen Reibungsverluste der Expansionsvorrichtung
                              sind wohl die hauptsächliche Veranlassung zur Adoptirung dieses Systemes bei der
                              betreffenden Maschine gewesen.
                           Während die beiden hier besprochenen Dampfmaschinen nur während des Stillstandes eine
                              Verstellung des Expansions-Excenters und dadurch eine Veränderung der Füllung
                              gestatteten, war eine von Davey, Paxman und Comp. in Colchester (England) ausgestellte halbfixe
                              Dampfmaschine mit einer Vorrichtung versehen, um während des Ganges der Maschine die
                              Expansion selbstthätig durch den Regulator zu verstellen. Dieses geschieht dadurch,
                              daß der auf einer horizontalen Vorgelegewelle angebrachte Feder-Regulator R (Fig. 2) mittels eines
                              doppelarmigen Hebels h eine Hülse a verschiebt, welche auf der Kurbelwelle xx mit Feder und Nuth verschiebbar angebracht ist. Auf dieser Hülse
                              gleitet mittels einer Rolle r die Schieberstange l des Expansionsschiebers und wird durch die wechselnde
                              Contour der Hülse a, gegen welche sie angepreßt wird,
                              auf und nieder bewegt. Dabei hängt von der Länge des, gerade unter der Rolle r befindlichen, hervorragenden Theiles dieser Hülse die
                              Länge der Füllung ab, welche somit bei der aus der Skizze ersichtlichen Construction
                              in einfacher Weise durch den Regulator verändert werden kann.
                           Ein anderer Modus zur Veränderung der Expansion, welcher darin bestände, daß statt
                              einer Verstellung des Excenters die Distanz der arbeitenden Kanten des
                              Expansionsschiebers verändert würde, war bei den
                              Zwei-Schieber-Steuerungen der Ausstellung nicht vertreten, nachdem eine sehr sinnreiche automatische
                              Expansionsvorrichtung von Boßhard leider nicht
                              ausgestellt wurde. Bei derselben wird der Expansionsschieber, welcher gleichfalls
                              auf einem gesonderten Schiebergesichte arbeitet, von einem kleinen, doppelt so rasch
                              wie das Vertheilungs-Excenter rotirenden Excenter angetrieben und die
                              Veränderung der Expansion dadurch bewirkt, daß der Schwingungsmittelpunkt des
                              Expansionsschiebers durch die Wirkung des Regulators vor oder zurückverlegt wird.
                              Dadurch verändert sich die Ueberdeckung y (vergl. das
                              Diagramm VIII auf S. 84) und mit derselben der Füllungsgrad und zwar in ziemlich
                              weiten Gränzen, nachdem die Ueberdeckung y auch negativ
                              werden kann. –
                           Geht man von den Zwei-Schieber-Steuerungen zu den eigentlichen
                              „Doppelschieber-Steuerungen“ mit zwei auf einander
                              gleitenden Schiebern über, so wären zunächst zahlreiche Maschinen – besonders
                              unter den halbfixen und locomobilen Maschinen – mit fester, unveränderlicher
                              Bewegung der beiden Schieber, also mit constanter Füllung zu erwähnen, welche aber,
                              nachdem keine besondere Novität bei denselben zu bemerken war, hier kurz übergangen
                              werden können.Nur ein nettes Detail, welches schon auf der Ausstellung zu verschiedenen
                                    Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, ist bei dieser Klasse von
                                    Doppelschieber-Steuerungen anzuführen. Eine kleine halbstationäre
                                    Dampfmaschine, mit stehendem Kessel und verticalem Cylinder, ausgestellt von
                                    Baker und Rueb in
                                    Breda (Niederlande) hatte in letzter Consequenz äußerster Einfachheit und
                                    Ersparniß auch die Gelenke, welche Excenterstange und Schieberstange mit
                                    einander verbinden, erspart, indem Excenterstange und Schieberstange aus
                                    einem Stücke hergestellt und die wechselnde Neigung der Excenterstange
                                    dadurch ermöglicht wurde, daß dieselbe in ihrem oberen Ende –
                                    unterhalb der Stopfbüchse des Schieberkastens – zu einer Feder von 3
                                    Millim. Stärke flach ausgeschmiedet war.
                              
                           
                           Für das Problem der veränderlichen Expansion ergeben sich
                              aus dem Diagramme I auf S. 81 im allgemeinen zwei Gruppen von Lösungen nämlich:
                              durch Veränderung der Voreilung und Excentricität des Expansions-Excenters
                              oder durch Veränderung der Distanz y der zusammen
                              arbeitenden Kanten des Expansionsschiebers und des Vertheilungsschiebers.
                           Letzteres ist bekanntlich bei der am meisten verbreiteten Meyer-Steuerung durchgeführt, welche Füllungen von 0 bis 90 Proc.
                              gestattet und innerhalb engerer Gränzen besonders bei kleineren Füllungen eine
                              ausgezeichnete Dampfvertheilung gewährt. Die allgemein bekannte Disposition mit zwei
                              entgegengesetzt geschnittenen Schrauben auf der drehbaren Schieberspindel und einem
                              außerhalb des Schieberkastens angebrachten Stellrade zur Veränderung der Expansion
                              von Hand während des Ganges der Maschine war bei nicht weniger as 20 der ausgestellten stationären Maschinen und außerdem noch bei vielen
                              der halbstationären und locomobilen Maschinen vertreten. Dabei war neben anderen
                              eine sehr schön construirte zweicylindrige Dampfmaschine von 80 Pferdekraft der Maschinen- und Waggonbaufabriks-Actiengesellschaft (vormals H. D. Schmid) in Simmering bei Wien bemerkenswerth, welche in
                              Figur 3
                              und 4 in
                              Ansicht und Grundriß dargestellt ist und wohl als Typus einer ganzen Klasse von
                              Maschinen dienen kann.
                           Die Construction der Expansionsplatten und die gelungene Disposition des Regulators,
                              des Dampf-Absperrventiles und der zum Verstellen der Expansion dienenden
                              Handräder ergibt sich klar aus der Zeichnung; nur auf ein interessantes Detail möge
                              speciell hingewiesen werden, welches sich in gleicher oder ähnlicher Anordnung noch
                              bei mehreren anderen Doppelschieber-Steuerungen wieder fand.
                           Es ist nämlich zu dem Zwecke, möglichst kurze Dampfcanäle zu erhalten, das den
                              Expansionsschieber antreibende Excenter unmittelbar neben
                              das Lager gestellt, und die Bewegung des neben dem Expansions-Excenter
                              befindlichen Vertheilungs-Excenters wird mittels eines Querstückes, welches
                              die Expansionsschieberstange frei durchpassiren läßt, auf die Spindel des
                              Vertheilungsschiebers übertragen.
                           Die Steuerung gestattet Füllungen von 0 bis 75 Procent; der
                              Cylinder-Durchmesser beträgt 475, der Hub 950 Millimeter und die Tourenzahl
                              50 Umdrehungen pro Minute.
                           
                           Ferner ist hier noch eine Reversirmaschine zu erwähnen, welche von der schon oben
                              erwähnten Maschinenbau-Actiengesellschaft (vormals
                              Danek u. Comp.) in Prag in
                              dem großartigen Maschinenpavillon dieser Firma ausgestellt war. Diese Maschine hatte
                              zwei Cylinder von 1100 Millim. Durchmesser, 1300 Millim. Hub und soll bei 75 Pfund
                              Dampfdruck 100 Touren pro Minute machen; sie war für das
                              Walzwerk in Libschitz (Böhmen) bestimmt und repräsentirte die größte, allerdings nicht im Gange befindliche Dampfmaschine der Wiener
                              Weltausstellung. Die Expansion zwischen 0 und 85 Proc. Füllung wird durch eine Meyer-Steuerung der gewöhnlichen Anordnung
                              bewerkstelligt, wobei nur zu bemerken ist, daß – um für beide
                              Bewegungsrichtungen der Maschine gleiche Dampfvertheilung zu erhalten – das
                              Expansions-Excenter mit 90 Grad Voreilen, also diametral der Kurbel gegenüber
                              aufgekeilt ist. Die Umsteuerung geschieht mittels Stephenson'scher Coulissen und wird durch einen eigenen Steuercylinder in
                              einfacher Weise besorgt.
                           Die Coulissen hängen mittels der Stangen I (Figur 5) an den
                              Hebeln h, welche an den beiden Enden einer quer unter
                              dem Maschinenbette durchgehenden Welle w befestigt sind;
                              an derselben Welle befindet sich ein zweiter Arm h',
                              welcher das Balancegewicht Q trägt, und endlich ein
                              aufrechter Hebelsarm H, welcher an seinem oberen Ende
                              mit dem Kreuzkopfe K des Steuerkolbens verbunden ist und
                              von demselben hin und her bewegt wird. Der Steuercylinder S liegt in der Längsachse der Maschine zwischen den beiden Dampfcylindern
                              angeordnet und bewirkt die Dampfvertheilung durch eine eigenthümlich angeordnete
                              Doppelschieber-Steuerung auf folgende Weise.
                           Für den Ruhezustand sind die beiden auf einander gleitenden Schieber immer in
                              derselben relativen Lage zu einander derart, daß der Rückenschieber den Dampfzutritt
                              durch den Vertheilungsschieber absperrt. Wird aber der innere Schieber mittels des
                              Steuerhebels a unter dem Rückenschieber hinweg
                              verschoben, so öffnet sich entweder der vordere oder der rückwärtige Dampfcanal;
                              Kolben und Kreuzkopf bewegen sich zurück oder vorwärts und die Coulissen steigen,
                              durch die angedeutete Hebelverbindung bewegt, hinab oder hinauf. Gleichzeitig mit
                              dem Hebel H bewegt sich aber auch der mit demselben
                              durch den Hebel p und die Schieberstange s verbundene Rückenschieber und zwar in demselben Sinne
                              und Uebersetzungsverhältniß wie der Grundschieber, so daß wenn der Arm H dieselbe Winkelbewegung gemacht hat wie der
                              Steuerhebel a, auch der Rückenschieber genau wieder
                              seine ursprüngliche Position zum Grundschieber angenommen hat, – das ist
                              diejenige, bei welcher der Dampfzutritt abgesperrt ist und die ganze Umsteuerungsvorrichtung stehen bleibt.
                              Hierdurch können also mit großer Sicherheit und ohne jede Anstrengung die
                              bedeutenden Widerstände des Steuerungsmechanismus bewältigt werden.
                           Eine Woolf'sche Maschine derselben Firma ist gleichfalls
                              an dieser Stelle zu besprechen. Dieselbe hatte zwischen dem Hoch- und
                              Niederdruckcylinder ein gemeinsames, auf zwei geneigten Gleitflächen arbeitendes
                              Schiebergehäuse, welches in Figur 6 im Querschnitte,
                              in Fig. 7 und
                              8 im
                              Längsschnitte nach AB beziehungsweise CD dargestellt ist.
                           Man ersieht daraus, wie der Vertheilungsschieber für den Hochdruckcylinder auf seinem
                              Rücken zwei Expansionsplatten trägt, welche durch Schraube und Griffrad gegen
                              einander verstellt werden können und dadurch eine veränderliche Füllung des
                              Hochdruckcylinders zwischen den Gränzen 16 bis 75 Procent gestatten.
                           Die bis jetzt besprochenen Dampfmaschinen mit Meyer-Steuerung beschränken sich darauf die Regulirung des Ganges
                              entweder – wie bei den meisten Walzwerks- und ähnlichen Maschinen
                              – nur durch den Maschinisten vornehmen zu lassen, oder es erfolgt diese
                              Regulirung mittels der automatischen Wirkung des Regulators auf ein Drosselventil
                              – eine Anordnung, welche, obwohl principiell gänzlich zu verwerfen, doch in
                              den meisten Fällen und besonders bei regelmäßiger Inanspruchnahme nicht allzu
                              schädlich wirkt und jedenfalls sehr sicher functionirt.
                           Versucht man aber, wie es von einer vollkommenen Steuerung verlangt werden muß, die
                              Meyer-Steuerung für selbstthätige Veränderung
                              der Expansion mittels des Regulators einzurichten, so bietet sich ein äußerst
                              schwieriges Problem dar, dessen Lösung zwar bei verschiedenen Ausstellungsmaschinen
                              versucht, aber nur bei den wenigsten derselben glücklich durchgeführt ist.
                           Die einfachste Lösung, statt des von Hand bewegten Stellrades die Drehung der
                              Expansionsschieberstange mittels einer vom Regulator ausgehenden Zugstange zu
                              bewirken, hat jedenfalls den Uebelstand, daß hiermit höchstens eine Vierteldrehung
                              rationell erreichbar ist, wodurch die Nothwendigkeit einer sehr steil ansteigenden
                              Schraube, daraus folgende Ungenauigkeit und Vermehrung der ohnedies schon so
                              bedeutenden Widerstände bedingt wird, was die vollkommene Unempfindlichkeit des
                              Regulators zur Folge haben muß. Eine derartige Construction war an einer mit Meyer-Steuerung versehenen Locomobile der Reading Iron Works in England angewendet und ist in Figur 9
                              deutlich genug skizzirt.
                           
                           Nachdem aber diese Maschine, wie alle Ausstellungs-Locomobilen, nicht im
                              Betriebe war, ist ein thatsächliches Urtheil über die Wirksamkeit dieser Vorrichtung
                              nicht ermöglicht worden.
                           Statt dieser Anordnung ist es entschieden rationeller, die Drehung der
                              Schieberspindel durch ein eigenes Schaltwerk besorgen zu lassen, wobei dem Regulator
                              nur die Function der Ein- und Auslösung desselben zufällt.
                           Diese Lösung war außer bei einem ziemlich ungeschickten ModelleHanson's selbstthätig variable
                                    Expansions-Steuerung, bei welcher die Drehung der Schieberstange
                                    mittels einer Zahnstange erfolgen soll, deren Bewegung durch einen eigenen,
                                    vom Regulator gesteuerten Dampfcylinder vermittelt wird. in der englischen Abtheilung nur bei einer, von der Görlitzer Maschinenbauanstalt- und
                                 Eisengießerei-Actiengesellschaft (vormals Carl Körner) in Görlitz ausgestellten Woolf'schen
                              Maschine zur Steuerung des Hochdruckcylinders angewendet. Die Cylinderdurchmesser
                              dieser Maschine betragen 310 und 580, der Hub 800 Millimeter; beide Kolbenstangen
                              greifen an einem gemeinsamen Kreuzkopfe an, mit welchem die gegabelte Schubstange
                              verbunden ist. Der dem kleinen Cylinder entströmende Dampf gelangt durch einen
                              unterhalb beider Cylinder ziehenden Quercanal (Figur 10) in den
                              Schieberkasten des Niederdruckcylinders, wo die Dampfvertheilung durch einen
                              einfachen Muschelschieber besorgt wird. Die Steuerung des Hochdruckcylinders, mit
                              Füllungen von 10 bis 90 Procent, erfolgt durch eine Meyer-Steuerung, deren
                              Variirung durch den jetzt mit Hilfe der Figuren 11 und 12 zu
                              beschreibenden Mechanismus stattfindet.
                           Die Figur 11
                              zeigt im Querschnitte die Schieberstangen a und b des Vertheilungs- und des Expansionsschiebers;
                              mit b ist ein Schneckenrad c
                              durch Feder und Nuth verbunden derart, daß dasselbe an der fortschreitenden Bewegung
                              der Schieberstange nicht theilnimmt, wohl aber derselben eine Drehung mitzutheilen
                              im Stande ist. Dieses Schneckenrad c steht mit der auf
                              der Welle d aufgekeilten Schnecke im Eingriff und ist
                              mittels derselben bei Drehung des Griffrades g von Hand
                              zu verstellen, wodurch die Füllung in bekannter Weise regulirt werden kann. Durch
                              das auf derselben Welle d befestigte Zahnrad f kann aber auch die automatische Veränderung der
                              Expansion erfolgen, sobald dasselbe mit einem der beiden in einander greifenden und
                              durch die Schnurscheibe s mittels der Stirnräder k, k' continuirlich angetriebenen Zahnräder i oder i' in Eingriff kommt
                              (Fig.
                                 12).
                           Dieses geschieht, indem der Regulator – ein gewöhnlicher Watt'scher Kugelregulator, dessen bewegliche Hülse den Endpunkt des Hebels
                              H
                              erfaßt – das
                              Gehäuse M, welches in den festen Ständer T gelagert ist, noch rechts oder links dreht, wie dies
                              aus Figur 12
                              deutlich ersichtlich ist. So lange dabei der Regulator über oder unter seiner
                              mittleren Stellung bleibt, findet bei Eingriff des Rades f mit i oder i'
                              ein Aufdrehen beziehungsweise ein Zudrehen der Expansionsspindel statt; sobald aber
                              die normale Geschwindigkeit der Maschine wieder erreicht ist und der Regulator in
                              seine mittlere Stellung zurückkommt, wird der Eingriff ausgelöst und die Expansion
                              bleibt constant für den neuen Beharrungszustand. Es erfüllt somit diese Construction
                              gleichzeitig die Leistung eines vollkommen astatischen Regulators – ein
                              Vorzug, welchen dieselbe übrigens mit allen durch Schaltwerk bewegten
                              Regulirungsvorrichtungen gemein hat.
                           Von den Constructions-Details sei schließlich noch auf die aus Figur 10 zu entnehmende
                              Anordnung der Expansionsplatten aufmerksam gemacht.
                           Um nämlich ein Verklemmen des Schiebers oder ungleiche Ausnützung der Muttern
                              hintanzuhalten, ist die Expansions-Schieberstange b so angebracht, daß ihr Mittel mit der Gleitfläche des
                              Expansionsschiebers, – d. i. der Ebene des zu überwindenden Widerstandes
                              – zusammenfällt; zu diesem Zwecke mußte der Grundschieber die entsprechende
                              Vertiefung erhalten.
                           Die Maschine war leider nicht in Betrieb; es ist aber auch ohne directe Erprobung
                              augenscheinlich, daß die hier angewendete Art der Expansions-Regulirung jeden
                              gewünschten Grad der Empfindlichkeit erreichen läßt. Die ganze Anordnung ist
                              verhältnißmäßig einfach und sehr gelungen durchgeführt und es unterliegt keinem
                              Zweifel, daß sie sich in der Praxis bestens bewähren wird.
                           Die mit dieser oder einer ähnlichen selbstthätigen Expansions-Vorrichtung
                              versehene Meyer-Steuerung muß ohne Frage unter die
                              besten und vollkommensten Steuerungsmechanismen gerechnet werden; ja sie ist
                              vielleicht wegen ihrer vielseitigen Anwendbarkeit und soliden, einfachen
                              Construction, welche ebensowohl für die gute Ausführung als lange Dauer Gewähr
                              bietet, allen anderen bis jetzt bekannten Systemen der
                              Dampfmaschinen-Steuerung vorzuziehen.
                           Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Meyer-Steuerung noch eine gewisse Finesse in der Dampfvertheilung
                              erreichen läßt, welche wohl in den meisten Fällen zu wenig berücksichtigt wird. In
                              Folge der Neigung der Schubstange wird nämlich bei einem einfachen, auf gleiches
                              lineares Voreilen adjustirten Schieber der Schluß des Dampfeintrittes auf der
                              vorderen, der Kurbelwelle zugewendeten Seite des Dampfkolbens schon nach einem kürzeren Kolbenwege
                              erfolgen als auf der hinteren Seite des Kolbens; dieser Uebelstand läßt sich auch
                              hier, ohne ungleiches lineares Voreilen zu erhalten, überhaupt nicht vermeiden.
                           Bei der Meyer-Steuerung hingegen erhält man das
                              constante lineare Voreilen durch entsprechende Justirung des Grundschiebers und die
                              gleichmäßige Dauer der Admission auf beiden Seiten des Kolbens durch eine kleine
                              Verschiedenheit in der Distanz y der mit einander
                              arbeitenden Kanten, welche durch verschiedene Ganghöhe der beiden entgegengesetzt
                              geschnittenen Schrauben nahezu richtig für alle Expansionsgrade erzielt werden
                              kann.
                           
                        
                           
                              (Fortsetzung folgt.)
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
