| Titel: | Ueber die gemischte Expansion; von Prof. Gustav Schmidt in Prag. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XIII., S. 92 | 
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                        XIII.
                        Ueber die gemischte Expansion; von Prof. Gustav
                              Schmidt in Prag.Vom Verf. gefälligst mitgetheilter Auszug aus seiner im ersten Hefte der
                                 diesjährigen „Mittheilungen des Architecten- und
                                       Ingenieur-Vereines in Böhmen“ erschienenen bezüglichen
                                 Abhandlung. Die Red.
                           
                        Mit einer Abbildung.
                        Schmidt, über die gemischte Expansion.
                        
                     
                        
                           Die „Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure“ enthält im
                              vorjährigen Jahrgange, Bd. XVII S. 1 u. ff. eine sehr instructive Abhandlung des
                              Hrn. Generalinspectors der österreichischen Staatsbahn August Bochkoltz: „Mittheilungen über Wasserhaltungsmaschinen und über
                                 praktische Resultate des Kraftregenerators“, in welcher Abhandlung
                              der neue Begriff „gemischte
                                    Expansion“ eingeführt wird. Bochkoltz versteht hierunter die
                              Expansion des Dampfes während der Admission in Folge Drosselung des Anlaßventiles.
                              Bei Wasserhaltungsmaschinen mit dem Bochkoltz'schen
                              Kraftregenerator sein sehr großes Pendelgewicht, welches an dem dritten, nach
                              abwärts gerichteten Arme des Contrebalanciers angebracht ist, und sowohl die
                              Ventileröffnung der Pumpen-Druckventile ohne Gestängsüberlast wie
                              insbesondere die bedeutende und gefahrlose Vergrößerung der mittleren Auf-
                              und Niedergangsgeschwindigkeit bewirkt) macht sich die gemischte Expansion in Folge
                              der vom Pendelgewicht bewirkten Kolbenbeschleunigung stark bemerklich. Versuche,
                              welche am 29. Mai 1873 an der Maschine des Engerth-Schachtes in Kladno (Böhmen) ausgeführt wurden, ergaben bei dem
                              Regeneratorgewicht von 57.608 Kilogr., welches mehr als 3mal so groß ist, als zur
                              Eröffnung der Druckpumpen-Ventile nöthig wäre, beim Gestängsaufgang eine
                              durchschnittliche Geschwindigkeit von 1,033 Meter mit dem Maximum (bei 41 Proc. des
                              Kolbenweges) von 1,650 M. und beim Gestängsniedergang eine durchschnittliche
                              Geschwindigkeit von 0,696 M. mit dem Maximum (bei 45 Proc. des Kolbenweges) von
                              1,210 M. pro Secunde, wobei gar kein Schlag der
                              Pumpenventile erfolgte. Hiebei zeigte das Indicator-Diagramm von 0 bis 1/16
                              des 3 Meter betragenden Kolbenweges constante Spannung von 4,17 Atmosphären absolut,
                              beruhend auf der beträchtlichen Dampfmenge zwischen dem Regulirungs- und
                              Admissions-Ventile; dann aber sank die Spannung bis 6/16 des Hubes nach einer
                              Mariotte'schen Linie so, als ob ein schädlicher Raum
                              von 26/16 Cylinderinhalt vorhanden wäre, dagegen gar kein Nachströmen des Dampfes
                              durch das Regulirungsventil erfolgen würde, so daß also bei 6/16 des Hubes die
                              Spannung 27/32 × 4,17 = 3,52 Atmosphären betrug, worauf sie noch weiter
                              langsam sank bis auf 3,39 Atm. bei 0,9 des Hubes, wo der Schluß des
                              Admissions-Ventiles erfolgt. Daß in der zweiten Hälfte des Kolbenweges bei
                              der abnehmenden Kolbengeschwindigkeit nicht wieder eine Steigerung der Spannung
                              eintritt, ist dem Umstande zu danken, daß die Spannung vor dem Anlaß- oder
                              Regulirungsventil bei Wasserhaltungsmaschinen, welche nur in der Periode des
                              Gestängsaufganges Dampf consumiren, sich nicht constant erhält sondern ebenfalls
                              sinkt, wenn der Kolben erhebliche Geschwindigkeit besitzt. Hätte man während der
                              ganzen Admissionsperiode von 0,9 Hub blos die constante Dampfspannung 3,39 Atm.
                              gehabt, so wäre die Leistung bedeutend kleiner, der Dampfverbrauch aber derselbe;
                              daher erscheint die Leistung der gemischten Expansion von 4,17 bis 3,39 gegenüber
                              der constanten Spannung von 3,39 als ein reiner Gewinn.
                           Wendet man bei einer Rotationsmaschine gedrosselten Dampf
                              an, so ist vor Allem wohl zu unterscheiden, ob die Füllung
                                 größer oder kleiner ist als 1/2. Im ersten Falle – z.B. bei einer
                              Fördermaschine oder Locomobile ohne Expansion oder bei einer Woolf'schen Maschine mit voller Füllung im kleinen Cylinder – ist
                              die Drosselung immer sehr nachtheilig, denn die Spannung sinkt dann bis zur Mitte
                              des Kolbenweges, steigt aber bei der abnehmenden Kolbengeschwindigkeit in der
                              zweiten Hälfte des Kolbenweges nahe bis auf den anfänglichen Werth; man erhält also
                              im Cylinder eine kleinere Arbeit als bei constanter Pressung und gleicher
                              Dampfmenge, d. i. bei Vermeidung der Drosselung und kleinerer Kesselspannung.
                           
                           Ist aber die Füllung kleiner als 1/2, so ist die Drosselung
                                 unter allen Umständen vortheilhafter als die constante Admissionsspannung
                              bei gleicher Füllung, wiewohl eine thunlichst kleine Füllung mit constanter
                              Admissionsspannung immer noch ökonomisch vortheilhafter ist als die Drosselung bei
                              höherer Füllung.
                           Die Praxis kennt längst den Erfahrungssatz, daß die von den meisten Heizern beliebte
                              Methode mit möglichst geringer Kesselspannung und weit geöffnetem Anlaßventile zu
                              arbeiten, durchaus verwerflich sei, sondern daß man im Gegentheile bei allen
                              Maschinen, welche nicht mehr als halbe Füllung haben, die möglichst hohe Kesselspannung anwenden und das Anlaßventil entsprechend
                              stark drosseln soll, um so wenig als möglich Dampf und Kohle zu verbrauchen. Aber
                              den Erklärungsgrund für diese anerkannte Thatsache suchte man wohl allgemein nur
                              darin, daß man durch die Drosselung einen trockenen Dampf
                              erhält, indem sich die große äußere Bewegungsarbeit (lebendige Kraft) des Dampfes in
                              der engen Durchgangsöffnung durch die hinter dem Ventil erfolgende Wirblung in
                              innere Bewegungsarbeit (moleculare lebendige Kraft) oder Wärme umsetzt, und
                              hierdurch die mitgerissenen Wassertheilchen verdampfen. Der Grund liegt aber, wie
                              man nun aus nachstehendem Holzschnitt erkennen wird, viel näher.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 94
                              Atmosphärische Linie;
                                 Vacuum-Linie.
                              
                           Man erhält nämlich ohne Drosselung eine Indicatorlinie ABC, mit Drosselung dagegen DEF so zwar,
                              daß die schraffirten Flächen gleich groß sind, woraus folgt, daß im Momente der
                              Absperrung, also bei gleichem Volumen, die Spannung BG größer ist als EG, daher auch bei ganz geöffnetem
                              Anlaßventil und der kleinen Kesselspannung das verbrauchte Dampfgewicht größer ist
                              als bei Anwendung der Drosselung und der thunlichst hohen Kesselspannung. Jederzeit
                              ist aber das ökonomisch vortheilhafteste, bei gegebener Maschine und gegebener
                              Leistung die thunlichst hohe Kesselspannung mit der thunlichst kleinsten Füllung
                              wirken zu lassen, also bei so weit geöffnetem Anlaßventil zu arbeiten, daß constante
                              Admissionsspannung erzielt wird. Dies ist, wie Völckers
                              hervorgehoben hat, der Fall bei den Corliß-Maschinen, deren auf die Hälfte verringerter schädlicher
                              Raum den Vortheil der kleinen Füllung gegenüber größerer Füllung und kleinerer
                              Spannung auch noch bemerklicher macht, als bei gewöhnlichen Maschinen.
                           Es dürfte nicht überflüssig sein, den diesbezüglichen Unterschied durch ein Beispiel
                              zu erläutern. Bezeichnet
                           D den Kolbendurchmesser in Meter,
                           O den nutzbaren Kolbenquerschnitt einer doppelt
                              wirkenden Dampfmaschine in Quadratmeter,
                           S den Kolbenhub in Meter,
                           s₁ den Weg während der Admission,
                           m den Coefficienten des schädlichen Raumes,
                           bei gewöhnlichen Maschinen m = 0,05
                              und
                           bei Corliß-Maschinen m = 0,025,
                           p₁ die absolute Admissionsspannung in
                              Atmosphären,
                           p₂ = 0,95p₁
                              die Spannung bei Beginn der Expansion,
                           pm die mittlere Spannung
                              des wirksamen Dampfes, oder die Hinterdampfspannung in Atmosphären,
                           pv die mittlere Spannung
                              des in die Atmosphäre oder in den Condensator entweichenden Dampfes, oder die
                              Vorderdampfspannung,
                           pi = pm – pv die indicirte
                              Spannung in Atmosphären,
                           n die Anzahl Spiele pro
                              Minute,
                           N die Pferdestärke,
                           σ₂ das Gewicht von 1 Kubikmeter Dampf bei
                              der Spannung p₂,
                           Q₂ das Gewicht des Dampfes vom Volumen V₂ im Cylinder pro
                              einfachen Kolbenhub bei Beginn der Expansion, in Kilogramm, Q₃ das Gewicht des bei Beginn der Gegendampfperiode im schädlichen
                              Raum befindlichen comprimirten Vorderdampfes vom specifischen Gewicht σ₃,
                           Q' = n/30 (Q₂ – Q₃) das nützlich verbrauchte Dampfgewicht pro Secunde in Kilogrm.,
                           
                           Q'' nach Völckers = 0,131 D √pi den Dampfverlust pro Secunde in Kilogrm.,
                           K = 3600(Q' + Q'')/N Consumverhältniß, d.
                              i. den Dampfverbrauch in Kilogrm. pro Pferdekraft und
                              Stunde,
                           so ist nach der jetzt herrschenden Theorie der
                              Dampfmaschinen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 96
                              
                           Tabelle des Coefficienten f.
                           
                              
                                 s₁/S,
                                 Gewöhnl.Maschine
                                 s₁/S
                                 Gewöhnl.Maschine
                                 Corliß-Maschine
                                 s₁/S
                                 Gewöhnl.Maschine
                                 Corliß-Maschine
                                 
                              
                                 0,912
                                 0,992
                                 0,400
                                 0,764
                                 0,757
                                 0,150
                                 0,467
                                 0,445
                                 
                              
                                 0,800
                                 0,972
                                 0,333
                                 0,702
                                 0,693
                                 0,125
                                 0,425
                                 0,400
                                 
                              
                                 0,700
                                 0,941
                                 0,300
                                 0,667
                                 0,657
                                 0,100
                                 0,379
                                 0,351
                                 
                              
                                 0,600
                                 0,897
                                 0,250
                                 0,609
                                 0,596
                                 0,075
                                 0,329
                                 0,297
                                 
                              
                                 0,500
                                 0,849
                                 0,200
                                 0,543
                                 0,526
                                 0,050
                                 0,275
                                 0,237
                                 
                              
                           Hiemit wird
                           pi =
                              fp₁ – pv
                              
                           und die indicirte Pferdestärke
                           Ni =
                              4,593 nOSpi
                              
                           Die effective Pferdestärke beim Wirkungsgrad η ist
                              sodann N = η Ni.
                              
                           Bei kleinen Maschinen sinkt η bis 0,65, bei
                              größeren ist η = 0,7 bis 0,75 und bei sehr gut
                              gehaltenen großen Maschinen steigt η bis 0,85 bei
                              der vollen Leistung, für welche sie bestimmt sind, nämlich beim günstigsten
                              Füllungsgrad.
                           Ist die Füllung kleiner als im ökonomisch günstigsten Gang, so sinkt η herab bis 0 beim Leergang.
                           Nehmen wir für eine Condensationsmaschine des Corliß-Systemes: D = 0,5 Meter, S = 1 Meter, n = 45, O = 0,193 Quadratmeter, womit
                           4,593 nOS = 40
                           ist, so folgt mit p₁ = 4
                              und pv = 0,2 Atm. und
                              unter der Annahme, daß für den Leergang pi = 0,4 Atm., also Ni = 40 × 0,4 = 16 Pferdestärken ist, und daß
                              die zusätzliche Reibung 10 Proc. von N beträgt, folglich
                              allgemein (für die angenommene Maschine) N = (Ni – 16)/1,1 ist,
                              die folgende Tabelle:
                           
                           
                              
                                 s₁/S
                                 fp₁
                                 
                                    p
                                    i
                                    
                                 
                                    N
                                    i
                                    
                                 
                                    N
                                    
                                 
                                    η
                                    
                                 
                              
                                 0,400
                                 3,028
                                 2,828
                                 113,12
                                 88,29
                                 0,781
                                 
                              
                                 0,333
                                 2,772
                                 2,572
                                 102,88
                                 78,98
                                 0,768
                                 
                              
                                 0,300
                                 2,628
                                 2,428
                                   97,12
                                 73,69
                                 0,759
                                 
                              
                                 0,250
                                 2,384
                                 2,184
                                   87,36
                                 64,87
                                 0,743
                                 
                              
                                 0,200
                                 2,104
                                 1,904
                                   76,16
                                 54,69
                                 0,718
                                 
                              
                                 0,150
                                 1,780
                                 1,580
                                   63,20
                                 42,91
                                 0,679
                                 
                              
                                 0,125
                                 1,600
                                 1,400
                                   56,00
                                 36,36
                                 0,649
                                 
                              
                                 0,100
                                 1,404
                                 1,204
                                   48,16
                                 29,24
                                 0,607
                                 
                              
                                 0,075
                                 1,188
                                 0,988
                                   39,52
                                 21,38
                                 0,541
                                 
                              
                                 0,050
                                 0,948
                                 0,748
                                   29,92
                                 12,65
                                 0,423
                                 
                              
                           Hiebei ist p₂ = 3,8 Atm., also nach Zeuner's Tabelle σ₂ = 2,1255 und im schädlichen Raum von 0,005 Kubikmeter Volumen
                              eine Spannung von etwa 0,3 Atm., also σ₃ =
                              0,1945, daher Q₃ = 0,001 Kilogrm., somit
                           
                              
                                 s₁ /S
                                 
                                    N
                                    
                                 V₂
                                 
                                    
                                       Q₂–Q₃ 
                                       Q₂–
                                       
                                    
                                 Q'
                                 Q''
                                 
                                    K
                                    
                                 
                              
                                 0,400
                                 88,29
                                 0,08220
                                 0,17371
                                 0,2606
                                 0,1101
                                 15,12
                                 
                              
                                 0,333
                                 78,98
                                 0,06933
                                 0,14636
                                 0,2195
                                 0,1050
                                 14,79
                                 
                              
                                 0,300
                                 73,69
                                 0,06290
                                 0,13270
                                 0,1991
                                 0,1021
                                 14,70
                                 
                              
                                 0,250
                                 64,87
                                 0,05325
                                 0,11218
                                 0,1683
                                 0,0968
                                 14,71
                                 
                              
                                 0,200
                                 54,69
                                 0,04360
                                 0,09167
                                 0,1375
                                 0,0904
                                 15,00
                                 
                              
                                 0,150
                                 42,91
                                 0,03395
                                 0,07116
                                 0,1067
                                 0,0823
                                 15,86
                                 
                              
                                 0,125
                                 36,36
                                 0,02913
                                 0,06091
                                 0,0914
                                 0,0775
                                 16,72
                                 
                              
                                 0,100
                                 29,24
                                 0,02430
                                 0,05065
                                 0,0760
                                 0,0719
                                 18,21
                                 
                              
                                 0,075
                                 21,38
                                 0,01949
                                 0,04043
                                 0,0606
                                 0,0651
                                 21,16
                                 
                              
                                 0,050
                                 12,65
                                 0,01465
                                 0,03014
                                 0,0452
                                 0,0566
                                 28,96
                                 
                              
                           Hiernach ist der ökonomisch-günstigste Füllungsgrad 0,3 und die Leistung der
                              Maschine hiebei 73 Pferdekraft mit etwa 2 Kilogrm. guter Kohle per Pferdekraft und Stunde. Mit Rücksicht auf die
                              Anlagskosten wäre sogar etwa 0,35 als der ökonomisch günstigste Füllungsgrad zu
                              bezeichnen. Gewöhnlich und irrthümlich läßt man solche Maschinen nur mit 0,2 Füllung
                              arbeiten und würde sie auch nur als 50pferdig bezeichnen.
                           Dies ist nur insofern gerechtfertigt, als man allerdings in den meisten Fällen darauf
                              bedacht sein muß, in späteren Jahren die Pferdestärke erheblich zu vergrößern, ohne
                              Beischaffung einer neuen Maschine. Dann sollte aber auch für den Zubau eines Kessels
                              von vorneherein gedacht werden, oder aber bei der Kesselanlage für die nominell
                              50pferdige Maschine 100 Quadratmeter Heizfläche gegeben werden, damit die spätere
                              Forcirung der Kessel auf 80 Pferdekraft keinem Anstande unterliege.
                           
                           Lassen wir nun den günstigsten Füllungsgrad 0,3 ungeändert und vermindern wir die Kesselspannung zur Herabsetzung der Leistung, so ist
                              f constant = 0,657, das Volumen V₂ constant = 0,06290 und es ergibt sich das
                              Consumverhältniß K' größer als das frühere K. Das Ersparniß durch variable Expansion statt
                              Herabsetzung der Kesselspannung bei constanter Füllung von 0,3 beträgt:
                           
                              
                                 
                                 0
                                 4,7
                                 9,4
                                 14,0
                                 16,4
                                 18,6
                                 20,9
                                 22,9 Procent
                                 
                              
                                 bei
                                 3/10
                                 1/4
                                 1/5
                                 3/20
                                 1/8
                                 1/10
                                 3/40
                                 1/20 Füllung.
                                 
                              
                           Führt man dieselbe Rechnung für eine gewöhnliche Condensationsmaschine gleicher Größe
                              und gleicher Tourenzahl mit m = 0,05 durch, so ergibt
                              sich zunächst das auffallende Resultat, daß das Consumverhältniß der Corliß-Maschine nur bis 0,15 Füllung günstiger ist
                              als jenes der gewöhnlichen Maschine, dagegen von 1/8 Füllung nach abwärts ungünstiger nämlich größer wird als jenes der
                              gewöhnlichen Maschine. Dieses im ersten Augenblick überraschende Resultat erklärt
                              sich aber sehr leicht dadurch, daß die Corliß-Maschine eben wegen des kleineren schädlichen Raumes einer
                              größeren Füllung für den Leergang bedarf als die gewöhnliche Maschine.
                           Die Anomalie fällt gleich weg, wenn man die Corliß-Maschine mit der gewöhnlichen Maschine nicht bei gleicher
                              Füllung sondern bei gleicher Pferdestärke vergleicht,
                              wobei sich immer der Vortheil auf Seite der Corliß-Maschine ergibt.
                           Bei der gewöhnlichen Maschine beträgt das Ersparniß an Dampf oder Kohle bei
                              verstellter Expansion gegenüber verminderter Kesselspannung bei constanter Füllung
                              von 0,3 nur
                           
                              
                                 
                                 0
                                 4,5
                                 8,8
                                 13,0
                                 15,1
                                 17,0
                                 18,8
                                 20,5 Procent
                                 
                              
                                 bei
                                 3/10
                                 1/4
                                 1/5
                                 3/20
                                 1/8
                                 1/10
                                 3/40
                                 1/20 Füllung,
                                 
                              
                           also etwas weniger als bei der Corliß-Maschine.
                           In Wirklichkeit wird aber bei einer rationellen Construction und Handhabung einer
                              gewöhnlichen Maschine nicht die Kesselspannung sondern ein von einem großen
                                 Regulator bethätigtes Regulirungsventil in
                              seiner Stellung variirt, d.h. bei verlangter kleiner Leistung selbstthätig mehr
                              gedrosselt. Man erhält also in der Admissionsperiode nicht eine constante geringere
                              Kesselspannung, sondern man erhält die volle Mehrwirkung der gemischten Expansion, weshalb das Ersparniß durch variable Expansion
                              gegenüber der Drosselung auch nur etwa halb so groß
                              angenommen werden darf, als es die früheren Resultate zeigen. Wir dürfen daher für
                              die gewöhnliche Maschine mit Drosselung bei 0,3 Füllung folgende Werthe von K annehmen und mit jenen der Corliß-Maschine vergleichen:
                           
                           
                              
                                 
                                    N
                                    
                                 
                                    K
                                    
                                 
                                    K
                                    
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Gewöhnliche  Maschine
                                 Corliß-Maschine
                                 
                                    Δ K
                                    
                                 Procent
                                 Bei derFüllung
                                 
                              
                                 73,69
                                 15,21
                                 14,70
                                 0,51
                                   3,3
                                 0,300
                                 
                              
                                 64,87
                                 15,60
                                 14,71
                                 0,89
                                   5,7
                                 0,250
                                 
                              
                                 54,69
                                 16,37
                                 15,00
                                 1,37
                                   8,4
                                 0,200
                                 
                              
                                 42,91
                                 17,74
                                 15,86
                                 1,88
                                 10,6
                                 0,150
                                 
                              
                                 36,36
                                 19,01
                                 16,72
                                 2,29
                                 12,0
                                 0,125
                                 
                              
                                 29,24
                                 21,14
                                 18,21
                                 2,93
                                 13,9
                                 0,100
                                 
                              
                                 21,38
                                 25,20
                                 21,16
                                 4,04
                                 16,0
                                 0,075
                                 
                              
                                 20,00
                                 26,07
                                 21,90
                                 4,17
                                 16,0
                                 0,071
                                 
                              
                           Es reducirt sich daher in Folge des günstigen Einflusses der gemischten Expansion der Vortheil der Corliß-Maschinen gegenüber
                              einer gewöhnlichen Maschine mit fixer Füllung von 0,3 und einem großen auf
                              Drosselung wirkenden Regulator auf circa 6 Proc.
                              Dampfersparniß bei 1/4 Füllung, und 12 Proc. bei 1/8 Füllung der Corliß-Maschine, und er wird noch geringerer, wenn
                              der Centrifugal-Regulator nicht in so weiten Grenzen wirken muß, sondern die
                              Expansion der gewöhnlichen Maschine im Gang verstellbar ist (Meyer'sche Expansion), so daß der Regulator nur die mäßigeren Variationen
                              der Maschinenleistung zu bewirken hat. Wenn eine Maschine, welche bei 1/3 Füllung 80
                              Pferdekraft leistet, herabgesetzt werden soll auf 20 Pferdekraft bei gleicher
                              Tourenzahl, so braucht sie jedenfalls pro
                              Pferdekraft und Stunde um 50 Proc. mehr Dampf, jedoch mit Corliß-Schieber
                              um 4 Proc. weniger als mit Meyer'scher Expansion und um
                              16 Proc. weniger als eine Maschine mit fester Füllung von 0,3 und Drosselung.
                              Außerdem muß die gewöhnliche Maschine zur Erzielung derselben Anfangsspannung im
                              Cylinder eine höhere Kesselspannung besitzen, und zwar empfiehlt es sich für die
                              gewünschte absolute Cylinderspannung von 4 Atmosphären,
                              den Kessel mindestens auf 4 1/2 Atmosphären Ueberdruck
                              prüfen zu lassen. Der Kohlenaufwand ist pro 1 Kilogrm.
                              Dampf ganz derselbe, ob die Kesselspannung 3 1/2 oder 4 1/2 Atmosphären beträgt;
                              aber der Kessel bekommt natürlich für die höhere Spannung ein größeres Gewicht, also
                              ist die Kesselanlage der gewöhnlichen Maschine theuerer.
                           Die Corliß-Maschine kann also
                                 jedenfalls als ein Fortschritt bezeichnet werden, nur ist der Vortheil
                              derselben bei weitem nicht so groß, als vielfach
                              behauptet und vielfach geglaubt wird.
                           
                           Ganz verfehlt ist die oft vorkommende Woolf'sche Maschine
                              mit Corliß-Steuerung beim kleinen Cylinder, wenn
                              der große Cylinder das vierfache Volumen des kleinen hat; denn man kommt da schon
                              bei 1/3 Füllung des kleinen Cylinders auf die ganz ungünstige 12fache Expansion,
                              wobei auch die Corliß-Maschine 20 Kilogrm. Dampf
                              pro Stunde und Pferdekraft benöthiget. Wenn man
                              trotzdem einen sehr geringen Brennmaterialbedarf erzielt, so ist dies vielmehr der
                              Anwendung sehr großer Kesselheizfläche zuzuschreiben.
                           Wie die vorliegende Berechnung zeigt, soll bei dem Corliß-Woolf-Systeme der große Cylinder nicht mehr als das 1
                              1/2 fache Volumen des kleinen haben, damit man bei 0,4
                              Füllung des kleinen Cylinders auf 2/3 × 0,4 = 0,267 Füllung reducirt auf den
                              großen Cylinder kommt. Ja man darf überdies sagen, daß die jetzt allgemein beliebt
                              gewordene Anwendung der Federn statt der Gewichte zum Schließen der Corliß-Schieber keineswegs unbedingt von Vortheil
                              ist, sondern daß eine Corliß-Woolf-Maschine
                              alter Construction mit gebremsten Fallgewichten, welche sogar 0,48 Füllung liefern
                              kann, bei dieser Füllung ein wesentlich günstigeres
                              Verhältniß zwischen Kohlenaufwand und Pferdestärke haben wird als bei 1/3 Füllung
                              oder noch weniger, sobald der große Cylinder mehr als ein
                                 doppeltes Volumen des kleinen besitzt, vorausgesetzt, daß der Kraftbedarf
                              so groß geworden sei, daß bei 0,48 Füllung des kleinen Cylinders keine Drosselung
                              des Anlaßventiles erforderlich ist. Die mit den Fallgewichten zugleich auftretende
                              gemischte Expansion darf man heute nicht mehr als
                              einen so großen Uebelstand ansehen, wie es bisher Gepflogenheit war. Bei einer
                              gewöhnlichen Maschine reducirt sich in Folge der gemischten Expansion der Vortheil
                              der verstellbaren Expansion gegenüber Drosselung sehr bedeutend. Man findet für
                              diese Maschine:
                           
                              
                                 
                                 
                                    K
                                    
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                    N
                                    
                                 mitDrosselung
                                 mit verstellterExpansion
                                 
                                    ΔK
                                    
                                 Procent
                                 Bei derFüllung
                                 
                              
                                 75,20
                                 15,15
                                 15,15
                                 0
                                 0
                                 0,300
                                 
                              
                                 66,76
                                 15,48
                                 15,13
                                 0,35
                                   2,3
                                 0,250
                                 
                              
                                 57,16
                                 16,11
                                 15,37
                                 0,74
                                   4,6
                                 0,200
                                 
                              
                                 46,11
                                 17,27
                                 16,07
                                 1,20
                                   7,0
                                 0,150
                                 
                              
                                 40,00
                                 18,16
                                 16,70
                                 1,46
                                   8,0
                                 0,125
                                 
                              
                                 33,31
                                 19,72
                                 17,89
                                 1,83
                                   9,3
                                 0,100
                                 
                              
                                 26,04
                                 22,25
                                 19,94
                                 2,31
                                 10,4
                                 0,075
                                 
                              
                                 18,18
                                 27,22
                                 24,12
                                 3,10
                                 11,4
                                 0,050
                                 
                              
                           
                           Der Vortheil der veränderlichen Füllung gegenüber der Drosselung ist also nicht sehr
                              bedeutend, sobald man nicht von der vollen Füllung der
                              Maschine – sondern von ihrer günstigsten Füllung
                              ausgeht – ein Umstand, welchen zuerst Ingenieur Jentsch in seinem Tabellenwerk „Berechnung der
                                 Dampfmaschinen“ Seite 99 deutlich hervorgehoben hat.
                           Schließlich bemerke ich, daß längst schon praktisch die gemischte Expansion in
                              ausgedehntem Grade zur Ausnützung gekommen ist bei den Locomotiven. Statt den Regulator (Anlaßschieber) ganz zu öffnen und 4 bis
                              5 Atmosphären Kesselspannung anzuwenden, hat man hier auf ebener Strecke den
                              Regulator sehr verengt und wendet 8 bis 10 Atmosphären Kesselspannung an. Diese
                              starke Drosselung macht sich im Diagramm natürlich so stark bemerklich, daß die
                              gemischte Expansionscurve in die wahre Expansionscurve ganz unvermerkt übergeht. Die
                              Arbeit, welche der ersteren Curve entspricht, gegenüber constanter Spannung bis zum
                              Beginn der wahren Expansion, ist reiner Gewinn, und es ist gerade die hohe Ausnützung der gemischten Expansion als die wahre
                              Ursache anzusehen, warum die Locomotiven pro Stunde und
                              Pferdekraft nicht mehr Kohle benöthigen, als stationäre
                              Condensations-Maschinen.