| Titel: | Ueber alte und neue chemische Formeln. | 
| Autor: | Ferd. Fischer | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XXIII., S. 145 | 
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                        XXIII.
                        Ueber alte und neue chemische
                           Formeln.
                        Fischer, über alte und neue chemische Formeln.
                        
                     
                        
                           Die neuen chemischen Formeln und Benennungen sind rascher, als es wohl den Anschein
                              hatte, zur allgemeinen Geltung gekommen, so daß sie in rein wissenschaftlichen
                              Zeitschriften und Lehrbüchern schon fast ausschließlich gebraucht werden. Auch von
                              den technischen Zeitschriften, welche aus Rücksicht auf die Mehrzahl der Leser die
                              alten chemischen Formeln noch beibehalten, sind die neuen Anschauungen nicht mehr
                              gänzlich zurückzuweisen. Es dürfte daher für diejenigen der zahlreichen Leser dieses
                              Journals, welche diesem durchgreifenden Umschwunge der chemischen Theorien nicht
                              folgen mochten oder wegen Mangel an Zeit nicht folgen konnten, eine kurze
                              Zusammenstellung der neuen und alten Formeln nicht ganz unwillkommen sein.
                           Nachdem schon Bergmann, Wenzel und Richter gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gezeigt hatten, daß alle
                              chemischen Verbindungen nach bestimmten Gewichtsverhältnissen erfolgen, stellte 1804
                              Dalton seine atomistische Hypothese auf. Er führte
                              aus, daß die Erklärung der Cohäsion, des Aggregatzustandes, der Spaltbarkeit und
                              anderer Eigenschaften der Materie für die Physik die Annahme nothwendig mache, daß
                              alle Körper aus einer unendlichen Zahl kleinster Theilchen bestehen, daß die
                              chemische Analyse und Synthese nur bis zur Trennung und Wiedervereinigung dieser
                              kleinsten Theilchen gehen. Da diese Atome eines einfachen Körpers unter sich gleich
                              groß und schwer seien, chemische Verbindungen durch Aneinanderlagerung der Atome
                              entstehen sollten, so folgte daraus die Unveränderlichkeit der chemischen
                              Zusammensetzung von selbst.
                           
                           Da selbstverständlich das absolute Gewicht dieser Atome nicht bestimmt werden konnte,
                              so veröffentlichte schon Dalton die relativen
                              Atomgewichte, bezogen auf Wasserstoff als Einheit. Berzelius bezog seine Atomgewichte auf Sauerstoff = 100, Wollaston seine Aequivalentgewichte auf Sauerstoff = 10.
                              Dalton wählte stets das möglichst einfache atomistische Verhältniß und so erhielt Sauerstoff das
                              Atomgewicht = 8, Wasserstoff = 1 oder aber Sauerstoff = 100, Wasserstoff = 12,5 und
                              Wasser die Formel HO.
                           Im Jahre 1805 zeigten A. v. Humboldt und Gay-Lussac, daß sich 2 Volumina Wasserstoff und 1
                              Vol. Sauerstoff zu 2 Vol. Wasserdampf verdichten. Letzterer dehnte die Untersuchung
                              der Volumen-Verhältnisse weiter aus und gelangte zu dem Ergebniß, daß die
                              Volumina der sich verbindenden Gase in einem einfachen Verhältniß zu einander und zu
                              dem Product-Volumen stehen. So geben z.B.
                           
                              
                                 1
                                 Liter
                                 Wasserstoff
                                 + 1 L. Chlor = 2 L. Chlorwasserstoff HCl
                                 
                              
                                 2
                                 „
                                 „
                                 + 1 L. Sauerstoff = 2 L. Wasserdampf H₂O
                                 
                              
                                 3
                                 „
                                 „
                                 + 1 L. Stickstoff = 2 L. Ammoniak H₃N u.s.f.
                                 
                              
                           Will man diesen Volumverhältnissen Rechnung tragen, so muß die Formel für Wasser
                              nicht HO sondern H₂O sein, also das Atomgewicht des Sauerstoffes = 100, des
                              Wasserstoffes = 6,25 (Berzelius) oder aber H = 1, O = 16
                              u.s.f.
                           Nun drängt aber das Verhalten der Gase und Dämpfe gegen Druck und
                              TemperaturveränderungenDas Volumen der Gase verhält sich umgekehrt wie der Druck (Boyle und Mariotte)
                                    und der Ausdehnungscoefficient derselben für 1° ist 0,003665. Vergl.
                                    Ferd. Fischer: Leitfaden der Chemie und
                                       Mineralogie nach den neuesten Ansichten der Wissenschaft. (Hannover
                                    1873, Hahn'sche Hofbuchbandlung.) zu der Annahme, daß in gleichen Raumtheilen derselben eine gleiche Anzahl
                              kleinster, physisch nicht mehr theilbarer Theilchen enthalten sind, welche nach Avogadro's Vorschlag Molecüle genannt werden.
                           Chlorwasserstoff besteht aber aus Chlor und Wasserstoff, das Molecül Chlorwasserstoff
                              muß demnach chemisch theilbar sein. Diese letzten Theile der Molecüle nennen wir nun
                              Atome. Aber nicht blos das Molecül der zusammengesetzten Körper besteht aus Atomen,
                              sondern auch das der einfachen. Wenn in 1 Liter Wasserstoff n Wasserstoffmolecüle vorhanden sind, so müssen auch in 1 Liter Chlor n Chlormolecüle und in 2 Liter Chlorwasserstoff 2n Salzsäuremolecüle enthalten sein. Jedes Molecül
                              Chlorwasserstoff muß aber wenigstens ein Atom Cl und ein Atom H enthalten; 2n Mol. also wenigstens 2n
                              At. Cl und 2n At. H. Diese sind aber von n Mol. H und n Mol. Cl
                              geliefert; 1 Mol. Wasserstoff besteht demnach aus 2 At. Wasserstoff und 1 Mol. Chlor aus
                              2 At. Chlor. Da diese Theile von Molecülen einzeln nicht denkbar sind, so können
                              Atome nicht im freien Zustande bestehen, wir nennen daher
                           Atom: die kleinste Gewichtsmenge eines einfachen Körpers,
                              welche sich bei chemischen Verbindungen und Zersetzungen betheiligen kann;
                           Molecül: die kleinste Gewichtsmenge eines Körpers, welche
                              im freien Zustande bestehen kann (physische Atome).
                           Wenn sich also die Elemente nur in bestimmten Gewichts-
                                 und Volumverhältnissen chemisch verbinden, so muß offenbar der Quotient Gewicht/VolumenVolumen/Gewicht, also das specifische Gewicht oder Volumgewicht (Wasserstoff = 1) in einem
                              einfachen Verhältniß zum Atom- und Moleculargewicht stehen z.B.
                           
                              
                                 Alte Aequ.-Gew.
                                 Jetzige At.-G.
                                 Vol.-G.
                                 Mol.-G.
                                 
                              
                                 H
                                      1
                                 1
                                      1
                                   2
                                 
                              
                                 Cl
                                    35,5
                                  35,5
                                    35,5
                                 71
                                 
                              
                                 O
                                      8
                                          16
                                    16
                                 32
                                 
                              
                                 S
                                    16
                                          32
                                    32
                                 64
                                 
                              
                                 N
                                    14
                                          14
                                    14
                                 28
                                 
                              
                                 HCl
                                    36,5
                                 –
                                    18,25
                                 36,5
                                 
                              
                                 H₂O
                                      9
                                 –
                                      9
                                 18
                                 
                              
                                 H₃N
                                    17
                                 –
                                      8,5
                                 17
                                 
                              
                                 H₄C
                                      8
                                 –
                                      8
                                 16 u.s.f.
                                 
                              
                           Es folgt daraus, daß das Atomgewicht der gasförmigen Elemente gleich dem
                              Volumgewicht, daß das Volumgewicht aller dampfförmigen Elemente und Verbindungen
                              gleich dem halben Moleculargewicht ist.
                           Das specifische Gewicht (Luft = 1) des Wasserstoffes ist bekanntlich 0,0091 = 1/14,47
                              und 1 Liter Wasserstoff wiegt in Berlin 0,089392Mittheilungen des Gewerbevereines für Hannover 1873 S. 54., 14,47 abgerundet 0,0894 oder für gewöhnlich hinreichend genau 0,09 Gramm =
                              1 Krith (A. W. Hofmann.)A. W. Hofmann: Einleitung in die moderne Chemie
                                    (Braunschweig, Vieweg und Sohn.)
                              
                           Das specifische Gewicht aller gasförmigen Körper ist
                              demnach Volumengewicht/14,47, abgerundet Volumengewicht/14,5 das absolute Gewicht
                              eines Liters aller Gase und Dämpfe gleich dem
                              Volumgewicht in Krithen. Das Moleculargewicht in Krithen ist also gleich dem Gewicht
                              von 2 L. Dampf; das
                              Mol.-G. in Gramm nimmt den Raum von 2/0,09 = 32,2 L. ein, in Kilogr. = 22,2
                              Kubikmeter.
                           Wie bequem diese einfachen Beziehungen zwischen Moleculargewicht (= Summe der
                              At.-G. einer Verbindung) Volum-Gewicht, spec. Gewicht (Luft = 1) und
                              absolutem Gewicht auch für die praktische Chemie sind, mögen zwei Beispiele
                              zeigen.
                           10 Kilogr. Zink werden in verdünnter Schwefelsäure gelöst; man will wissen, wie viel
                              Kubikmeter Wasserstoff dabei entwickelt werden.
                           
                              
                                 (Zn
                                 + HO, SO₃
                                 =
                                 ZnO, SO₃
                                 + H)
                                 
                              
                                 Zn
                                 + H₂ . SO₄
                                 =
                                 Zn . SO₄
                                 + H₂.
                                 
                              
                                 65
                                 98
                                 
                                 161
                                 2
                                 
                              
                           
                              
                                 65
                                 Grm. Zink und 98 Grm. Schwefelsäure geben also
                                 
                              
                                 
                                 2 Grm. oder 22,2 L. Wasserstoff oder
                                 
                              
                                 65
                                 Kg. Zink und 98 Kg. Schwefelsäure geben
                                 
                              
                                 
                                 2 Kg. = 22,2 Kub.-M. Wasserstoff.
                                 
                              
                           Folglich ergeben sich:
                           
                              
                                 65 : 10
                                 = 22,2
                                 : x; x
                                 = 3,415 Kub.-M. Wasserstoff und
                                 
                              
                                 65 : 10
                                 = 98
                                 : x; x
                                 = 15,08 Kg. Schwefelsäure.
                                 
                              
                           Es sollen 100 L. Sauerstoff hergestellt werden; wieviel chlorsaures Kalium ist dazu
                              erforderlich?
                           
                              
                                 (KO, ClO₅
                                 =
                                 
                                    KCl
                                    
                                 + 6O)
                                 
                              
                                 2K . Cl O₃
                                 =
                                 2KCl
                                 + 3O₂.
                                 
                              
                                 245
                                 
                                 149
                                 96
                                 
                              
                           245 Grm. chlorsaures Kalium geben also 96 Grm. oder 66,6 L. Sauerstoff; demnach
                           66,6 : 100 = 245 : x; x = 368 Gr. KClO₃.
                           Bei Elementen und Verbindungen, welche nicht unzersetzt flüchtig sind, deren
                              Atom- und Molecular-Gewicht demnach nicht durch die Dampfdichte
                              bestimmt werden kann, sind die chemischen Analogien maßgebend, namentlich
                              Krystallform und Wärmecapacität.
                           Mitscherlich machte 1809 auf den Zusammenhang der äußeren
                              Krystallform und der chemischen Zusammensetzung aufmerksam, daß z.B. KNO₃
                              (KO . NO₅) und BaCO₃ (BaO . CO₂), ferner
                              NaNO₃ (NaO . NO₅) und CaCO₃ (CaO . CO₂) isomorph sind. (Gesetz des
                              Isomorphismus.)
                           Die Zahl, welche angibt, wie viel mal mehr Wärme ein Körper gebraucht, um von
                              0° auf 1° erwärmt zu werden, als die gleiche Gewichtsmenge Wasser,
                              wird bekanntlich seine specifische Wärme genannt. Wird
                              diese mit dem Atomgewicht multiplicirt, so ergibt sich, daß diese Atomwärme
                              annähernd die Zahl 6,4 ausmacht; z.B.:
                           
                           
                              
                                 
                                 Spec. Wärme
                                 At.-G.
                                 At.-Wärme
                                 
                              
                                 J
                                 0,0541
                                 127
                                 6,87
                                 
                              
                                 S
                                 0,2026
                                   32
                                 6,48
                                 
                              
                                 P
                                 0,1887
                                   31
                                 5,85
                                 
                              
                                 As
                                 0,0814
                                   75
                                 6,11
                                 
                              
                                 Hg
                                 0,0320
                                 200
                                 6,40
                                 
                              
                                 Sn
                                 0,0562
                                 118
                                 6,64
                                 
                              
                                 Ag
                                 0,0560
                                 108
                                 6,05
                                 
                              
                                 Pb
                                 0,0310
                                 207
                                 6,42.
                                 
                              
                           Die specifische Wärme verhält sich demnach umgekehrt wie das Atomgewicht. Das Product
                              aus Atomgewicht und specifische Wärme, d. i. die Atomwärme ist
                                 eine constante Zahl. (Dulong und Petit.)
                           Das Atomgewicht der Elemente wird dadurch annähernd bestimmt, daß 6,4 durch die
                              specifische Wärme dividirt wird. Die spec. Wärme des Antimons ist = 0,0508; das
                              Atomgewicht also 6,4 : 0,0508 = 125. Nun ergibt die Analyse des Antimonchlorürs
                              SbCl₃, daß hier ein Atom Chlor mit 40,67 Antimon verbunden ist. Da sich die
                              Elemente nur nach Atomen oder Multipla derselben vereinigen, so kann das Atomgewicht
                              des Antimon nur 40,67 81,34 122,01 162,68 u.s.w. sein. 122 × 0,0508 = 6,2.
                              Das Atomgewicht des Antimon ist demnach 122.
                           Die specifische Wärme wird gefunden durch Division der Atomwärme 6,4 durch das
                              Atomgewicht der betreffenden Elemente. Das Atomgewicht des Nickel ist z.B. 58, die
                              specifische Wärme desselben also 6,4 : 58 = 0,11.
                           Dieselbe Regelmäßigkeit zeigt die Wärmecapacität der Verbindungen.
                           
                              
                                 
                                 Mol.-G.
                                 spec. W.
                                 Mol.-W.
                                 Mol.-W./n
                                 
                              
                                 KCl
                                   74,5
                                 0,1730
                                 12,90
                                 6,45
                                 
                              
                                 Ag₂S
                                 248,0
                                 0,0746
                                 18,50
                                 6,17
                                 
                              
                                 PbCl₂
                                 278,0
                                 0,0664
                                 18,46
                                 6,15
                                 
                              
                                 KClO₃
                                 122,5
                                 0,2096
                                 25,68
                                 5,14
                                 
                              
                           u.s.f.
                           Die Molecular-Wärme (spec. W. × Mol. G.) dividirt durch die Anzahl n der im Molecül enthaltenen Atome gibt also annähernd
                              die Zahl 6,4 und die Molecular-Wärme dividirt durch 6,4 annähernd die Anzahl
                              der im Molecül enthaltenen Atome.
                           In der folgenden Tabelle sind diese neuen Atomgewichte und die alten
                              Aequivalentgewichte der wichtigsten Elemente zusammengestellt:
                           
                           
                              
                                 Wasserstoff = H = 1.
                                 Neu
                                 Alt
                                 
                              
                                 
                                 Atom
                                 Aequivalent
                                 
                              
                                 Namen der Elemente.
                                 Zeichen
                                 Gewicht
                                 Zeichen
                                 Gewicht
                                 
                              
                                 Aluminium
                                     Al
                                       27,5
                                     Al
                                       13,7
                                 
                              
                                 Antimon (Stibium)
                                     Sb
                                     122
                                     Sb
                                     122
                                 
                              
                                 Arsen
                                     As
                                       75
                                     As
                                       75
                                 
                              
                                 Barium
                                     Ba
                                     137
                                     Ba
                                       68,5
                                 
                              
                                 Blei (Plumbum)
                                     Pb
                                     207
                                     Pb
                                     103,5
                                 
                              
                                 Bor
                                     B
                                       11
                                     B
                                       11
                                 
                              
                                 Brom
                                     Br
                                       80
                                     Br
                                       80
                                 
                              
                                 Calcium
                                     Ca
                                       40
                                     Ca
                                       20
                                 
                              
                                 Chlor
                                     Cl
                                       35,5
                                     Cl
                                       35,5
                                 
                              
                                 Chrom
                                     Cr
                                       52,5
                                     Cr
                                       26,2
                                 
                              
                                 Eisen (Ferrum)
                                     Fe
                                       56
                                     Fe
                                       28
                                 
                              
                                 Fluor
                                     F
                                       19
                                     F
                                       19
                                 
                              
                                 Jod
                                     J
                                     127
                                     J
                                     127
                                 
                              
                                 Kalium
                                     K
                                       39
                                     K
                                       39
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                     C
                                       12
                                     C
                                         6
                                 
                              
                                 Kupfer (Cuprum)
                                     Cu
                                       63,5
                                     Cu
                                       31,7
                                 
                              
                                 Magnesium
                                     Mg
                                       24
                                     Mg
                                       12
                                 
                              
                                 Mangan
                                     Mn
                                       55
                                     Mn
                                       27,5
                                 
                              
                                 Natrium
                                     Na
                                       23
                                     Na
                                       23
                                 
                              
                                 Nickel
                                     Ni
                                       58
                                     Ni
                                       29
                                 
                              
                                 Phosphor
                                     P
                                       31
                                     P
                                       31
                                 
                              
                                 Platin
                                     Pt
                                     197,5
                                     Pt
                                       98,7
                                 
                              
                                 Quecksilber (Hydrargyrum)
                                     Hg
                                     200
                                     Hg
                                     100
                                 
                              
                                 Sauerstoff (Oxygenium)
                                     O
                                       16
                                     O
                                         8
                                 
                              
                                 Schwefel (Sulfur)
                                     S
                                       32
                                     S
                                       16
                                 
                              
                                 Silber (Argentum)
                                     Ag
                                     108
                                     Ag
                                     108
                                 
                              
                                 Silicium
                                     Si
                                       28
                                     Si
                                       14
                                 
                              
                                 Stickstoff (Nitrogenium)
                                     N
                                       14
                                     N
                                       14
                                 
                              
                                 Strontium
                                     Sr
                                       88
                                     S
                                       44
                                 
                              
                                 Wasserstoff (Hydrogenium)
                                     H
                                         1
                                     H
                                         1
                                 
                              
                                 Wismuth (Bismuthum)
                                     Bi
                                     208
                                     Bi
                                     208
                                 
                              
                                 Zink
                                     Zn
                                       65
                                     Zn
                                       32,5
                                 
                              
                                 Zinn (Stannum)
                                     Sn
                                     118
                                     Sn
                                       59
                                 
                              
                           Wie schon erwähnt, vermag 1 At. Chlor 1 At. Wasserstoff, 1 At. Sauerstoff 2 At.,
                              Stickstoff dagegen 3 At. Wasserstoff zu binden oder zu vertreten. Das Vermögen der
                              verschiedenen Elemente andere zu binden oder zu ersetzen ist demnach verschieden,
                              der „Werth“ (Valenz, Sättigungscapacität) von Sauerstoff ist
                              zweimal, von Stickstoff dreimal so groß als der von Wasserstoff oder Chlor. Der
                              chemische Werth gibt demnach an, wie vielmal das Aequivalentgewicht des betreffenden
                              Elementes in seinem Atomgewicht enthalten ist vorausgesetzt, daß man unter Aequivalentgewicht nicht die bisher fälschlich so
                              genannten, sondern diejenigen Gewichtsmengen der Elemente und Verbindungen versteht,
                              welche die gleiche chemische Wirkung ausüben oder auch
                              diejenigen Quantitäten, welche einem Atom Wasserstoff gleichwertig sind. Hiernach sind
                           
                              
                                 1
                                 werthig:
                                 H, Cl, Br, J, F, K, Na, Ag u.s.w.
                                 
                              
                                 2
                                 „
                                 O, S, Se, Ca, Sr, Ba, Mg, Zn, Cu, Hg u.s.f.
                                 
                              
                                 3
                                 „
                                 B, Bi, Au (N, P, As, Sb)
                                 
                              
                                 4
                                 „
                                 C, Si, Sn, Pt, Fe, Mn, Cr, Al u.a.
                                 
                              
                                 5
                                 „
                                 N, P, As, Sb, V u.s.w.
                                 
                              
                                 6
                                 „
                                 W, Mo.
                                 
                              
                           Von einigen Seiten wurde behauptet, diese Sättigungscapacität sei veränderlich, Cl
                              sei z.B. 1-, 3-, 5- und 7werthig. Es wurde dabei übersehen, daß
                              eine vermittels beliebiger Annahme durchgeführte willkürliche Deutung nicht für
                              einen wissenschaftlichen Erklärungsversuch gelten kann.L. Meyer: die modernen Theorien der Chemie und
                                    ihre Bedeutung für die chemische Statik. S. 244. (Breslau 1872.)
                              
                           Auch die Begriffe für Säuren, Salze u.s.w. sind geändert.
                           Säuren sind Verbindungen von Wasserstoff mit einem
                              einfachen oder zusammengesetzten (elektronegativen) Radical, deren Wasserstoff durch
                              Metalle vertreten werden kann. (Radicale sind Atomgruppen, welche ohne zu zerfallen
                              aus einer chemischen Verbindung in eine andere übergeführt werden können.) Z.B.
                           HCl, H . NO, (HO, NO₅)
                              H₂ . SO₄ (HO, SO₃) H₃ .
                              SbS₄ (3 HS, SbS₅).
                           Die Oxysäuren und Sulfosäuren werden auch aufgefaßt als Wasser oder
                              Schwefelwasserstoff, in denen die Hälfte Wasserstoff durch ein Säureradical
                              vertreten ist, also
                           
                              
                                 HO . NO₂,
                                 HOHO
                                 
                                    
                                    
                                 SO₂ = (HO)₂ SO₂, (HS), SbS.
                                 
                              
                           Tritt aus einer Säure sämmtlicher Wasserstoff mit der nöthigen Menge Sauerstoff oder
                              Schwefel als H₂O oder H₂S heraus, so bleibt das Anhydrid, wird nur ein
                              Theil des Wasserstoffes entfernt, eine Anhydrosäure zurück; z.B.
                           
                              
                                   H₂
                                 . SO₄
                                 –   H₂O
                                 = SO₃ Schwefelsäureanhydrid.
                                 
                              
                                 2Hg
                                 . SbS₄
                                 – 3H₂S
                                 = Sb₂S₅ Antimonpentasulfid.
                                 
                              
                                   H₃
                                 . PO₄
                                 –   H₄O
                                 = H . PO₃ Metaphosphorsäure.
                                 
                              
                           Die Anzahl der durch Metalle vertretbaren Wasserstoffatome oder auch der Wasserreste
                              HO gibt an, „wie viel basisch“ die Säure ist. H . NO₃
                              ist also einbasisch, H₂ . SO₄ zweibasisch u.s.f. Das
                              Aequivalentgewicht einer Säure ist die Gewichtsmenge derselben, welche denselben
                              chemischen Werth hat als 1 Mol. HCl (Mol.-G.: Bas.). Das Molecülgewicht der
                              Schwefelsäure ist z.B. = 98, das Aeq.-G. = 49, das Mol.-G. und
                              Aeq.-G. der Salpetersäure – 63. (Vergl. Dingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCX S. 297.)
                           Wird in einer Säure der Wasserstoff ganz oder theilweise durch ein Metall vertreten
                              so entsteht ein Salz; z.B.
                           
                              
                                 Fe + 2HCl
                                 = FeCl₂ + H₂
                                 
                              
                                 (Fe +   HCl
                                 = FeCl  + H)
                                 
                              
                                 Fe + H₂ . SO₄
                                 = Fe . SO₄    + H₂
                                 
                              
                                 (Fe + HO, SO₃
                                 = FeO, SO₃ + H)
                                 
                              
                                  2Na . OH  +   H₃ .
                                    PO₄
                                 = Na₂H .
                                    PO₄        +
                                    2H₂O
                                 
                              
                                 (3HO, PO₅ + 2(NaO, HO)
                                 = 2NaO, HO, PO₅ + 4HO).
                                 
                              
                           Statt dieser rationellen Formeln werden auch zuweilen die empirischen Molecularformeln
                              Die sog. genetisch-rationellen Formeln,
                                    z.B. für Alaun: K₂O, SO₃, Al₂O₃, 3SO₃,
                                    für Salpeter: K₂O, N₂O₅, Kalkspath: CaO, CO₂
                                    stimmen nicht mit dem Gesetze der Isomorphie und Wärmecapacität, stellen
                                    demnach nicht, wie die modernen Formeln, ein
                                       Molecül dar. Vergl. H. Kopp: Theoretische
                                       Chemie S. 368. (Braunschweig, Vieweg und
                                    Sohn.) angewendet, welche nur die Art und Anzahl der Atome in einer Verbindung
                              ausdrücken, z.B. Alaun: K₂Al₂S₄O₁₆ für
                              Al₂K₂ (SO₄)₄, Bariumnitrat: BaN₂O₆ für Ba
                              (NO₃)₂, namentlich früher auch wohl die typischen Formeln (Gerhardt u.a.), welche die
                              bekannteren Verbindungen auf die vier „Typen“ HCl, H₂O,
                              H₃N und H₄C bezogen, deren Wasserstoff durch ein anderes Element oder
                              ein zusammengesetztes Radical vertreten wurde, z.B.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 152
                              
                           Da nach diesen Anschauungen Salpeter = K . NO₃ als Salpetersäure aufzufassen
                              ist, deren Wasserstoff durch Kalium vertreten ist, also nicht als eine Verbindung
                              von Kaliumoxyd mit Salpetersäureanhydrid, so wird derselbe salpetersaures Kalium
                              genannt, Soda = Na₂ . CO₃ kohlensaures Natrium u.s.f.
                           
                           In neuerer Zeit wird noch eine andere Bezeichnung angewendet, entsprechend der in
                              England und Frankreich gebräuchlichen, welche in Lehrbüchern und Zeitschriften immer
                              mehr Eingang findet. Man hängt nämlich unmittelbar an den Namen des Metalles (wie
                              bisher schon -oxyd, -chlorid) für schwefelsaure Verbindungen das Wort
                              -sulfat, für schwefligsaure -sulfit, kohlensaure -carbonat,
                              ferner -borat, -phosphat, -silicat u.s.f. Soll zugleich die
                              quantitative Zusammensetzung der Verbindung angedeutet werden, so schiebt man die
                              Zahlwörter „mono“, „bi“,
                              „tri“, „tetra“ u.s.w. ein; z.B.
                              SbCl₃ = Antimontrichlorid, Sb₂S₅ = Antimonpentasulfid, NaH .
                              CO₃ = Natriumbicarbonat. Bildet ein Metall zwei verschiedene Reihen Salze, so
                              fügt man bei den Minimum-(Oxydul-) Verbindungen ein o, bei den
                              Maximum-(Oxyd-) Verbindungen ein i an den Namen des Metalles; z.B.
                              FeSO₄ = Ferrosulfat, Fe₂ (SO₄)₃ = Ferrosulfat u.s.f.
                           Folgende Zusammenstellung einiger technisch wichtigen Verbindungen möge die hier nur
                              kurz angedeuteten modernen Ansichten erläutern; im Uebrigen muß auf die bereits
                              erwähnten trefflichen Werke von Hofmann, J. Kopp und L. Meyer, sowie auf
                              die chemischen Lehrbücher von Büchner und Gorup-Besanez (Braunschweig, Vieweg und Sohn)
                              verwiesen werden.Selbstverständlich bleibt es jedem Mitarbeiter dieses Journals überlassen,
                                    welcher Formeln und Bezeichnungen er sich bedienen will. Um aber Irrthümer
                                    möglichst zu vermeiden und das gegenseitige Verständniß der neuen und alten
                                    Formeln zu erleichtern, werden künftig die alten Aequivalentformeln mit
                                    Cursiv- (schräger) Schrift und die neuen Atomformeln mit
                                    Antiqua-(stehender) Schrift bezeichnet, sowie den in Abhandlungen
                                    vorkommenden alten oder neuen Formeln die entsprechenden Molecular-
                                    resp. Aequivalentformeln in Klammern beigefügt, um dergestalt den Anhängern
                                    beider Schreibweisen gerecht zu werden. Die
                                    Redaction.
                              
                           
                              
                                 Aequivalentformeln.
                                 
                                 Molekularformeln.
                                 
                              
                                 Natronhydrat
                                 
                                    NaO, HO
                                    
                                          
                                 Na, OH = Natriumhydroxyd-Natriumhydrat.
                                 
                              
                                 Kalihydrat
                                 
                                    KO, HO
                                    
                                 
                                 K . OH = Kaliumhydroxyd-, Kaliumhydrat.
                                 
                              
                                 Bleioxydhydrat
                                 
                                    PbO, HO
                                    
                                 
                                 Pb (OH)₂ = H₂PbO₂ = Bleihydrat.
                                 
                              
                                 Chlorbarium
                                 
                                    BaCl
                                    
                                 
                                 BaCl₂ = Blariumchlorid.
                                 
                              
                                 Jodkalium
                                 
                                    KJ
                                    
                                 
                                 KJ = Kaliumjodid.
                                 
                              
                                 Arsenige Säure
                                 AsO₃
                                 
                                 As₂O₃ = Arsenigsäureanhydrid-Arsentrioxyd.
                                 
                              
                                 Arsensäurehydrat
                                 3HO, AsO₅
                                 
                                 H₃AsO₄ = Arsensäure.
                                 
                              
                                 Chromgelb-chromsaures Bleioxyd
                                 PbO . CrO₃
                                 
                                 Pb . CrO₄ = Chromsaures Blei, Bleichromat.
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 CO₂
                                 
                                 CO₂ = Kohlensäureanhydrid-Kohlendioxyd.
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                                 
                              
                                 Kohlensaures Natron, Soda
                                 NaO, CO₂
                                 
                                 Na₂ . CO₃=
                                    (NaO)₂CO Kohlensaures Natrium-Natriumcarbonat.
                                 
                              
                                 Kohlensaures Natron, saures
                                 Na, CO₂+ HO, CO₂
                                 
                                 NaH . CO₃ =
                                 HONaO
                                 
                                    
                                    
                                 CO Natriumbicarbonat
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kali-Pottasche
                                 KO, CO₂
                                 
                                 K₂ . CO₃ = Kohlensaures
                                    Kalium-Kaliumcarbonat.
                                 
                              
                                 Kohlensaurer Kalk-Kalkspath
                                 CaO, CO₂
                                 
                                 Ca . CO₃ = Kohlensaures Calcium-Calciumcarbonat.
                                 
                              
                                 Salpetersäure
                                 NO₅
                                 
                                 N₂O₅ =
                                    Salpetersäureanhydrid-Stickstoffpentoxyd.
                                 
                              
                                 Salpetersäurehydrat
                                 HO, NO₅
                                 
                                 H . NO₃ = HO . NO₂ = Salpetersäure.
                                 
                              
                                 Salpetersaures Silberoxyd
                                 AgO, NO₅
                                 
                                 Ag . NO₃ = Salpetersaures Silber-Silbernitrat.
                                 
                              
                                 Salpetersaures Bariumoxyd
                                 BaO, NO₅
                                 
                                 Ba . (NO₃)₂ = Salpetersaures
                                    Barium-Bariumnitrat.
                                 
                              
                                 Salpetrigsaures Kali
                                 KO, NO₃
                                 
                                 K . NO₂ = Salpetrigsaures Kalium-Kaliumnitrit.
                                 
                              
                                 Chlorsaures Kali
                                 KO . ClO₅
                                 
                                 K . ClO₃ = Chlorsaures Kalium-Kaliumchlorat.
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 SO₃
                                 
                                 SO₃ = Schwefelsäureanhydrid-Schwefeltrioxyd.
                                 
                              
                                 Schwefelsäurehydrat
                                 HO, SO₃
                                 
                                 H₂ . SO₄ = (HO)₂ SO₂ =
                                    Schwefelsäure.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Eisenoxydul
                                 FeO, SO₃
                                 
                                 Fe . SO₄ = Ferrosulfat.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Magnesiumoxyd
                                 MgO, SO₃
                                 
                                 Mg . SO₄ = Schwefelsaures
                                    Magnesium-Magnesiumsulfat.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Natron-Glaubersalz
                                 NaO, SO₃
                                 
                                 Na₂ . SO₄ = Schwefelsaures
                                    Natrium-Natriumsulfat.
                                 
                              
                                 Schwefligsaures Natron
                                 NaO, SO₂
                                 
                                 Na₂SO₃ = Schwefligsaures
                                    Natrium-Natriumsulfit.
                                 
                              
                                 Unterschwefligsaures Natron
                                 NaO, S₂O₂
                                 
                                 Na₂S₂O₃ = Natriumhyposulfit.
                                 
                              
                                 Uebermangansaures Kali
                                 KO, Mn₂O₇
                                 
                                 K . MnO₄ = Uebermangansaures
                                    Kalium-Kaliumpermanganat.
                                 
                              
                                 Holzgeist
                                 C₂H₃O,
                                       HO
                                 
                                 CH₃ . HO.
                                 
                              
                                 Alkohol
                                 C₄H₅O,
                                       HO
                                 
                                 C₂H₅ . OH = CH₃ . CH₂ . O . H.
                                 
                              
                                 Aether
                                 C₄H₅O
                                 
                                 (C₂H₅)₂O = C₂H₅ . O .
                                    C₂H₅.
                                 
                              
                                 Essigsäure
                                 HO, C₄H₃O₃
                                 
                                 H . C₂H₃O₂ = HO .
                                    C₂H₃O.
                                 
                              
                                 Essigsaures Natron
                                 NaO, C₄H₃O₃
                                 
                                 NaO . C₂H₃O = Na . C₂H₃O₂ =
                                    Natriumacetat.
                                 
                              
                                 Glycerin
                                 C₆H₈O₆
                                 
                                 C₃H₅ (OH)₃.
                                 
                              
                                 Oxalsäure
                                 HO, C₂O₃
                                 
                                 H₂ . C₂O₄ = (HO)₂ .
                                    C₂O₂.
                                 
                              
                                 Benzin
                                 C₁₂ H₆
                                 
                                 C₆H₆ = C₆H₅ . H.
                                 
                              
                                 Phenol (Carbolsäure)
                                 C₁₂ H₅O, O
                                 
                                 C₆H₅ . OH.
                                 
                              
                           Ferd. Fischer.