| Titel: | Ueber eine neue Classe von Explosivkörpern, welche während ihrer Fabrikation und Aufbewahrung sowie während ihres Transportes nicht explosiv sind; von Dr. Hermann Sprengel. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LV., S. 323 | 
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                        LV.
                        Ueber eine neue Classe von Explosivkörpern,
                           welche während ihrer Fabrikation und Aufbewahrung sowie während ihres Transportes nicht
                           explosiv sind; von Dr. Hermann Sprengel.
                        Aus dem Journal of the
                                 London Chemical Society durch den American Chemist,
                              November 1873, S. 174.
                        Sprengel, über eine neue Classe von Explosivkörpern.
                        
                     
                        
                           Des Schweden Alfred Nobel wichtige Entdeckung eines
                              Verfahrens, um die Explosion von „Nitroglycerin und anderen analogen
                                 Substanzen“ zu bewirken oder (um seine eigenen, im Jahre 1864
                              ausgesprochenen WorteVergl. Nobel's englisches Patent vom 20. Juli
                                    1864, Nr. 1813. zu gebrauchen) „die Detonation von Explosivkörpern, welche
                                 entweder nicht entzündlich sind oder die ohne Explosion, durch spontane
                                 Zersetzung eines kleinen Antheiles ihrer Masse, mit deren Hilfe eine initiative
                                 Explosion“ (d. i. der Anfang einer Explosion) „eingeleitet
                                 wird, welche sich dann von selbst weiter ausbreitet, entzündet werden
                                 können“, – diese Entdeckung rief eine neue Aera in der
                              Geschichte der Explosivkörper hervor.
                           Die Detonation des Nitroglycerins in der Form von Dynamit, welche „unter
                                 allen Umständen im abgeschlossenen sowie im nicht abgeschlossenen Raume mit
                                 Hilfe einer starken Zündkapsel hervorgebracht wird“,Vergl. Nobel's englisches Patent vom 7. Mai 1867,
                                    Nr. 1345. eine im Jahre 1867 gemachte weitere Erfindung Nobel's, welcher damals darthat, daß „das dieser Detonation zu
                                 Grunde liegende Princip in der plötzlichen Entwickelung eines sehr intensiven
                                 Druckes oder Stoßes besteht,“ ferner die von Abel und Brown im Jahre 1868 zur Ausführung
                              gebrachte glückliche Anwendung dieses Princips zum Detoniren von
                              „Schießpulver, Schießbaumwolle und andere explosive Verbindungen (mit
                                 Ausnahme von Nitroglycerin und Dynamit), sofern dieselben nicht in einem engen
                                 Raume eingeschlossen sind“
                              Vergl. F. A. Abel's und E. O. Brown's englisches Patent vom 10. October 1868,
                                    Nr. 3115. und meine eigenen nach dieser Richtung hin im Jahre 1871 ausgeführten
                              Experimente nebst ihren ErgebnissenVergl. H. Sprengel's englische Patente vom 6.
                                    April 1871, Nr. 921 und vom 5. October 1871, Nr. 2641., – alles dieses kann als die natürliche Entwickelung von Nobel's erster Entdeckung angesehen werden.
                           Die Gesichtspunkte, welche mich bei der Ausführung dieser Experimente leiteten, waren
                              die nachstehenden.
                           
                           Eine atmosphärische Luft enthaltende Hohlkugel kann zum Explodiren gebracht werden
                              dadurch, daß man sie unter dem gewöhnlichen atmosphärischen Drucke in ein Vacuum
                              oder in einen erwärmten Raum bringt, vorausgesetzt, daß die auf diese Weise
                              hergestellte Druckdifferenz größer ist als die Widerstandsfähigkeit der Hohlkugel.
                              Wäre es uns möglich, ein Geschütz in einem Raum abzufeuern, dessen Atmosphäre
                              dieselbe Dichtigkeit besäße, wie das durch die Verbrennung des Pulvers erzeugte
                              Gasgemisch, so könnte eine Explosion (im eigentlichen Wortsinne) nicht erfolgen und
                              Pas Projectil würde im Laufe in Ruhe bleiben.
                           Dies zeigt, daß eine Explosion nichts anderes ist als die
                              plötzliche „Auslösung“
                              Vergl. Mohr: Allgemeine Theorie der Bewegung und
                                       Kraft, als Grundlage der Physik und Chemie. (Braunschweig 1869, S.
                                    155.) (H. H.) jener Kraft, welche die Molecüle von gasförmigen Substanzen, die unablässig
                              streben sich gegenseitig abzustoßen und sich gleichsam in unbeschränktem Maße im
                              Raume zu zerstreuen, zusammenhielt oder comprimirte.Vergl. H. Sprengel: Research on the Vacuum im Journal of the
                                       Chemical Society 2. ser. III p. 20 (1865). Der starre und der flüssige Zustand des Stoffes können als die Grenze der
                              Compressibilität (der Zusammendrückbarkeit) angesehen werden und demnach sind Explosivkörper solche starre und flüssige Stoffe, welche
                              sich plötzlich in den gasförmigen Zustand versetzen lassen. In der Regel erweist
                              sich Wärme oder in Wärme umgesetzte gehemmte Bewegung als die Ursache dieser
                              plötzlichen Zersetzungen, welche in den meisten Fällen einfach plötzliche Verbrennungen von Verbindungen sind, die eine solche
                              Zusammensetzung besitzen, daß ihre Verbrennungsproducte entweder gänzlich, oder doch
                              theilweise in gasförmigem Zustande auftreten. Wir kennen jedoch verschiedene, höchst
                              explosive Verbindungen, welche entweder eine so geringe Menge Sauerstoff enthalten, daß ihre
                              Explosibilität sich schwerlich einer plötzlichen Verbrennung als einziger Ursache
                              zuschreiben läßt – wie Howard's Knallquecksilber
                              C₂Hg (NO₂) N, Brodie's Acetylperoxyd,
                              C₄H₆O₄, Berthelot's Acetylenkupfer,
                              (C₂HCu₂) O, Grieß' salpetersaures
                                 Diazobenzol C₆H₄ . HNO₃ u.a.m. – oder aber gar keinen Sauerstoff enthalten, wie Dulong's Chlorstickstoff, Cl₃N, Jodstickstoff, J₂HN u.s.w. Eine Explosion wie die
                              des Jodstickstoffes, welche durch die leise Berührung mit einer Vogelfeder
                              hervorgerufen wird, läßt sich ebenso ansehen, wie das dem Anscheine nach durch ein
                              hineingeworfenes Sandkorn verursachte stürmische Ueberkochen einer überhitzten
                              Flüssigkeit. Jodstickstoff und seine Verwandten müssen bei gewöhnlichen Temperaturen
                              gasförmig sein. Jedenfalls kommt die in einem oder in mehreren ihrer gasförmigen Bestandtheile
                              gefesselte Tension plötzlich zum Ausbruche und die Ursache, welche diese fesselnden
                              Bande lockerte, scheint in den meisten Fällen Wärme oder gehemmte Bewegung zu
                              sein.
                           Das relative Volum des so gebildeten Gasgemisches wird in den erstgedachten
                              Beispielen durch die gänzliche oder theilweise Vergasung des Explosivkörpers, in den
                              der zweiten Reihe von Verbindungen angehörenden Fällen durch den diesen
                              mitgetheilten Temperaturgrad bedingt. Nehmen wir 0,003665 als den durchschnittlichen
                              Expansionscoefficienten der Gase an, so wird ein Temperaturzuwachs von je
                              273° C. eine Expansion im Volumen bewirken, welche der bei 0°
                              gemessenen Gesammtmenge des entwickelten Gases gleich ist. Daher ist es, so weit es
                              den Druck anbelangt, ganz dasselbe, ob ein Explosivstoff eine größere Gasmenge und
                              weniger Wärme oder ob er eine verhältnißmäßig geringere Gasmenge und mehr Wärme
                              entwickelt. Sowohl die durch diese plötzlichen Verbrennungen erzeugte Gasmenge, als
                              die durch dieselben verursachte Temperaturerhöhung werden in nicht unbeträchtlichem
                              Maße von der chemischen Zusammensetzung des Brennstoffes bedingt und können beide
                              durch Berücksichtigung dieser Thatsache verstärkt oder abgeschwächt werden z.B.
                              dadurch, daß man mittels derselben Gewichtsmenge Sauerstoff Kohlenwasserstoffe von
                              verschiedener elementarer Zusammensetzung verbrennt.Vergl. Bunsen: Gasometrische Methoden; deutsche
                                    Originalausgabe, S. 247 u. ff. ( „Verbrennungserscheinungen der
                                       Gase“.) Das denkbare Maximum sowohl von Gasmenge als auch von Temperaturerhöhung
                              läßt sich indessen in der Praxis nicht erreichen und zwar aus dem Grunde, weil wir
                              nicht im Stande sind, dem zu verbrennenden Explosivkörper reinen oder elementaren
                              Sauerstoff – so wenig in starrer, als in flüssiger Form – zuzuführen.
                              Wir sind sonach genöthigt, zu einer Form unsere Zuflucht zu nehmen, in welcher der
                              Sauerstoff bereits mit einem anderen Elemente oder mit einer Gruppe von Elementen
                              verbunden, aber so lose mit ihnen vereinigt ist, daß ihr gegenseitiges Adhäriren
                              plötzlich aufgehoben wird durch eine anfängliche, in der Gegenwart von Wasserstoff
                              oder Kohlenstoff eingeleitete Explosion von Elementen, welche in Folge ihrer
                              Billigkeit sowie deshalb, weil ihre Oxydationsproducte zu den am wenigsten
                              schädlichen gehören, die für praktische Zwecke am besten geeigneten Brennstoffe
                              bilden, welche angewendet werden können. Indessen müssen diese Sauerstoffträger,
                              selbst wenn sie nach der Verbrennung Gasform haben, aus dem Grunde zurückgewiesen
                              werden, weil sie nur selten Wärmegeneratoren sind, sonach die übrigen
                              Verbrennungsproducte abkühlen. Die aus einer derartigen chemischen Reaction sich
                              ergebende, potentielle Energie oder Arbeitsfähigkeit
                              S. Tyndall: „Die
                                          Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung“. Deutsch
                                    von Helmholtz und Wiedemann. (Braunschweig, 1867.) H. H. hängt offenbar ab von der Plötzlichkeit der Verbrennung, ferner von der
                              relativen Verschiedenheit des Gehaltes der anzuwendenden Hydrocarbone an Kohlenstoff
                              und Wasserstoff, von der Dichtigkeit oder dem specifischen Gewichte des so
                              zusammengesetzten Explosivmittels und speciell von der Menge
                                 des für die Umwandlung des Wasserstoffes und des Kohlenstoffes zu Wasser und zu
                                 Kohlensäure verfügbaren Sauerstoffes.
                           Eine Umschau auf dem Gebiete der (mit dem hier in Rede stehenden Gegenstande mehr
                              oder weniger nahe verknüpften) Sauerstoffverbindungen führte zur Aufstellung der
                              nachfolgenden Tabelle, in welcher, einerseits ihr Gesammtgehalt an Sauerstoff,
                              andererseits die in ihnen enthaltene Menge des für die oben gedachte Verbrennung
                              verfügbaren Sauerstoffes in Procenten angegeben ist.
                           
                              
                                 Bezeichnung der Verbindung
                                 Zusammensetzung
                                    derVerbindung
                                 GesammtgehaltanSauerstoff
                                 Gehalt an fürdie Verbrennungverfügbarem
                                    Sauerstoff.
                                 
                              
                                 Wasserstoffsuperoxyd
                                 H₂O₂
                                 94,1
                                 47,0
                                 
                              
                                 Wasser
                                 H₂O
                                 88,8
                                 –
                                 
                              
                                 Salpetersäure
                                 HNO₃
                                 76,2
                                 63,5
                                 
                              
                                 Salpetersäureanhydrid
                                 N₂O₅
                                 74,0
                                 74,0
                                 
                              
                                 Kohlensäureanhydrid
                                 CO₂
                                 72,0
                                 –
                                 
                              
                                 Lithiumsuperoxyd?
                                 Li₂O₂
                                 71,1
                                 35,5
                                 
                              
                                 Oxalsäure
                                 H₂C₂O₄
                                 71,1
                                 –
                                 
                              
                                 Stickstofftetroxyd
                                 NO₂
                                 69,5
                                 69,5
                                 
                              
                                 Tetranitromethan
                                 C (NO₂)₄
                                 65,3
                                 65,3
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 H₂SO₄
                                 65,3
                                 ?
                                 
                              
                                 Ueberchlorsäure
                                 HClO₄
                                 63,6
                                 55,7
                                 
                              
                                 Trinitroglycerin
                                 C₃H₅
                                    (NO₂)₃O₃
                                 63,4
                                   42,3?
                                 
                              
                                 Salpetersaures Ammoniak
                                 NH₄NO₃
                                 60,0
                                   50,0?
                                 
                              
                                 Schießbaumwolle
                                 C₆H₇
                                    (NO₂)₃O₅
                                 59,3
                                   32,3?
                                 
                              
                                 Salpetersaures Natrium
                                 NaNO₃
                                 56,4
                                 47,0
                                 
                              
                                 Trinitroacetonitril
                                 C₂ (NO₂)₃N
                                 54,5
                                 54,5
                                 
                              
                                 Acetylperoxyd
                                 C₄H₆O₄
                                 54,2
                                  13,5?
                                 
                              
                                 Essigsäure
                                 C₂H₄O₂
                                 53,3
                                 ?
                                 
                              
                                 Glycerin
                                 C₃H₈O₃
                                 52,2
                                 ?
                                 
                              
                                 Kieselsäureanhydrid
                                 SiO₂
                                 51,9
                                 –
                                 
                              
                                 Salpetersaurer Harnstoff
                                 H₄N₂CO, HNO₃
                                 51,4
                                 32,5
                                 
                              
                                 Cellulose
                                 C₆H₁₀O₅
                                 49,4
                                 ?
                                 
                              
                                 Pikrinsäure
                                 C₆H₃
                                    (NO₂)₃O
                                 48,9
                                 41,9
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kalium
                                 KNO₃
                                 47,5
                                 39,6
                                 
                              
                                 Chlorsaures Kalium
                                 KClO₃
                                 39,2
                                 39,2
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 Bezeichnung der Verbindung
                                 Zusammensetzung
                                    derVerbindung
                                 GesammtgehaltanSauerstoff
                                 Gehalt an fürdie Verbrennungverfügbarem
                                    Sauerstoff.
                                 
                              
                                 CyansäureCyanursäureCyamelidFulminursäure
                                 CNHOC₃N₃H₃O₃CnNnHnOnC₃H₃N₃O₃
                                 
                                    
                                    
                                 37,2
                                 ?
                                 
                              
                                 Mangansuperoxyd
                                 MnO₂
                                 36,7
                                 18,3
                                 
                              
                                 Salpetersaures Diazobenzol
                                 C₆H₄N₂,
                                    HNO₃
                                 28,7
                                 23,9
                                 
                              
                                 Nitrobenzol
                                 C₆H₃ (NO₂)
                                 26,2
                                 26,2
                                 
                              
                                 Jodsäureanhydrid
                                 I₂O₃
                                 23,9
                                 23,9
                                 
                              
                                 Phenol
                                 C₆H₆O
                                 17,1
                                 ?
                                 
                              
                                 Knallquecksilber
                                 C₂Hg (NO₂) N
                                 11,2
                                 11,2
                                 
                              
                                 Holzkohle
                                 CmHnOp
                                 10,0
                                 ?
                                 
                              
                           Diese Tabelle lehrt uns, daß der Gesammtgehalt einer Verbindung an Sauerstoff
                              keineswegs ein Kriterium ihres Gehaltes an für die Verbrennung verfügbarem
                              Sauerstoff bildet. Die Entscheidung bezüglich dieser letzteren Sauerstoffmenge ist
                              in manchen Fällen zweifelhaft, namentlich wenn wir die Verfügbarkeit des
                              constitutionellen Sauerstoffes in organischen Verbindungen, wie in der Cellulose, im
                              Glycerin, in der Essigsäure, Holzkohle u.s.w. in Betracht zu ziehen, oder wenn wir
                              mit Fällen von Isomorie, wie dieselben durch die Cyanursäure und die Fulminursäure
                              (Isocyanursäure) vertreten worden, zu thun haben. Nimmt der in ihnen enthaltene
                              Sauerstoff oder ein Theil desselben an der Verbrennung Antheil? Wenn die Explosion
                              der Schießbaumwolle und des Nitroglycerins lediglich in der auf Kosten des von drei
                              Molecülen Stickstofftetroxyd gelieferten Sauerstoffes erfolgenden plötzlichen
                              Verbrennung des Kohlenstoffes und Wasserstoffes besteht, so werden sich Gemische oder Gemenge
                              zusammensetzen lassen, welche (mit Bezug auf die vorstehende Tabelle) mehr für die Verbrennung verfügbaren Sauerstoff
                              enthalten, als die genannten, so außerordentlich kräftigen Explosivmittel und
                              dieselben sonach in ihrer Wirkungsfähigkeit übertreffen müssen.
                           Von der Betrachtung ausgehend, daß eine Explosion (in der Regel) eine plötzliche
                              Verbrennung ist, ließ ich auf zahlreiche Gemische oder Gemenge von oxydirenden und
                              verbrennbaren Substanzen die heftige Erschütterung einer Zündkapsel wirken. Diese
                              Gemische wurden unter Beobachtung solcher Mengenverhältnisse der einzelnen
                              Bestandtheile zusammengesetzt, daß ihre gegenseitige Oxydation und Desoxydation der
                              Theorie nach vollständig erfolgen mußte. Bei meinen sämmtlichen Versuchen benützte
                              ich die in Abel's und Brown's
                              Patent beschriebene Zündkapsel. Dieselbe besteht aus einem conischen Metallröhrchen von
                              der Stärke ungefähr eines Gänsekieles und 5,6 Centim. Länge, welches mit 0,65 Grm.
                              Knallquecksilber gefüllt ist. Eine solche Kapsel wurde auf das Ende einer
                              Sicherheitszündschnur, wie dieselben beim Bergbau gebräuchlich sind, aufgesteckt und
                              das mit dieser Kapsel versehene Ende der Schnur entweder frei, oder mit einem dünnen, an einem Ende geschlossenen Glasrohre von 10
                              Centimeter Länge umgeben, in die Mitte des auf seine Explosibilität zu prüfenden
                              Gemisches eingeführt. Durch Anzünden des anderen, aus der Ladung heraushängenden
                              Endes der Zündschnur wurde das Knallquecksilber zum Detoniren gebracht, wodurch
                              seine Hülle heftig erschüttert und seine Energie (oder Kraftäußerung) auf die in
                              einer offenen, weitmundigen, je 20 bis 100 Grm. enthaltenden Glasflasche befindliche
                              Explosivladung übertragen.
                           Ein Blick auf die Tabelle wird dem Leser zeigen, daß unter allen sauerstoffhaltigen
                              Verbindungen das Wasserstoffsuperoxyd am meisten Oxygen
                              enthält, während das Salpetersäureanhydrid (wasserfreie
                              Salpetersäure) derjenige Körper ist, welcher den größten Gehalt an für die
                              Verbrennung verfügbarem Sauerstoff enthält. Da aber diese Verbindung gleich den
                              beiden nächstfolgenden, Stickstofftetroxyd
                              (Untersalpetersäure) und Tetranitromethan, wegen ihrer
                              chemischen Beschaffenheit und der Schwierigkeit ihrer Darstellung gegenwärtig
                              lediglich chemische Merkwürdigkeiten sind, so richtete sich meine Aufmerksamkeit in
                              ganz natürlicher Weise auf den vierten der in der Tabelle aufgeführten Körper, die
                              Salpetersäure, einen billigen und leicht zu
                              beziehenden Handelsartikel. So fand ich denn, daß (unter gewissen Bedingungen), eine Anzahl von verschiedenen organischen Substanzen, in
                                 Salpetersäure von etwa 1,50 spec. Gewichte gelöst, durch Detonation
                                 explodiren.
                           Die Classe der Kohlenwasserstoffe liefert uns die passendsten verbrennbaren
                              Substanzen, welche sich durch Salpetersäure auflösen lassen; da sie aber bei ihrer
                              Behandlung mit der letzteren zu einer heftigen chemischen Reaction und einer
                              bedeutenden Wärmeentwickelung Anlaß geben, bedingt durch die Entstehung von
                              Nitroverbindungen, so ist es vorzuziehen, diese letztere selbst in Salpetersäure
                              aufzulösen. Fügt man z.B. ohne die Beobachtung der gehörigen Vorsichtsmaßregeln
                              Phenol zu Salpetersäure, so steigt die Temperatur des Gemisches bedeutend, bis zum
                              Entzündungspunkte, wohingegen bei Anwendung von Trinitrophenol an Stelle des
                              ersteren die Temperatur so beträchtlich sinkt, daß ein Gemisch vom letzteren mit
                              Salpetersäure als ein sehr wirksames Kältegemisch benützt werden kann.
                           
                           Sehr instructiv ist ein näheres, vergleichendes Studium der elementaren
                              Zusammensetzung dieser Gemische gleichzeitig mit demjenigen anderer bekannter
                              Explosivkörper, wie der Schießbaumwolle und des Nitrolgycerins. Wir lassen hier
                              einiges über diesen Gegenstand folgen:
                           
                              
                                 1.
                                 Nitrobenzol
                                 C₆H₅ (NO₂)
                                 =
                                 28,08
                                 
                              
                                 
                                 Salpetersäure
                                 5( HNO₃)
                                 =
                                 71,92
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           
                              
                                 Elementare Zusammensetzungvor der
                                    Explosion
                                 Muthmaßliche Zusammensetzungnach der
                                    Explosion
                                 
                              
                                 C
                                 =
                                 16,4
                                 CO₂
                                 =
                                   60,27
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                   2,28
                                 H₂O
                                 =
                                   20,55
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 18,18
                                 N
                                 =
                                   19,18
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 62,10
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00   
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                              
                                 2.
                                 Trinitrophenol
                                 C₆H₃ (NO₂)₃O
                                 =
                                 58,3
                                 
                              
                                 
                                 Salpetersäure
                                 2 3/5 (HNO₃)
                                 =
                                 41,7
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           
                              
                                 Elementare Zusammensetzungvor der
                                    Explosion
                                 Muthmaßliche Zusammensetzungnach der
                                    Explosion
                                 
                              
                                 C
                                 =
                                 18,33
                                 CO₂
                                 =
                                   67,20
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                   1,43
                                 H₂O
                                 =
                                   12,83
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 19,97
                                 N
                                 =
                                   19,97
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 60,27
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00   
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           3. Schießbaumwolle C₆H₇
                              (NO₂)₃O₅.
                           
                              
                                 Elementare Zusammensetzungvor der
                                    Explosion
                                 Muthmaßliche Zusammensetzungnach der
                                    Explosion
                                 
                              
                                 C
                                 =
                                 24,24
                                 CO₂
                                 =
                                 55,52
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                   2,36
                                 H₂O
                                 =
                                 21,24
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 14,14
                                 N
                                 =
                                 14,14
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 59,26
                                 C
                                 =
                                   9,10
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00   
                                 
                                 
                                 100,00   
                                 
                              
                           4. Trinitroglycerin C₃H₅
                              (NO₂)₃O₃.
                           
                              
                                 Elementare Zusammensetzungvor der
                                    Explosion
                                 Muthmaßliche Zusammensetzungnach der
                                    Explosion
                                 
                              
                                 C
                                 =
                                 15,85
                                 CO₂
                                 =
                                 58,18
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                   2,20
                                 H₂O
                                 =
                                 19,80
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 18,50
                                 N
                                 =
                                 18,50
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 63,45
                                 O
                                 =
                                   3,52
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00   
                                 
                                 
                                 100,00.  
                                 
                              
                           Diese Analysen liefern den Nachweis, daß meine Gemische keine nutzlosen Reste
                              zurücklassen, weder Kohlenstoff wie Schießbaumwolle, noch Sauerstoff wie Nitroglycerin,
                              obschon in der Wirklichkeit die Zersetzungen selbstverständlich nicht so einfach
                              verlaufen, wie es hier dargestellt worden ist. Es liegt indessen klar auf der Hand,
                              daß man die elementare Zusammensetzung von Gemengen und Gemischen mannigfach zu
                              modificiren vermag, während die elementare Zusammensetzung chemischer Verbindungen
                              unveränderlich und starr ist. Durch Vermehrung oder Verminderung der Gewichtsmenge
                              des Kohlenwasserstoffes sind wir im Stande, allen für die Verbrennung verfügbaren
                              Sauerstoff zur Verwerthung zu bringen und entweder Kohlenoxyd oder Kohlensäure, oder
                              ein Gemenge von diesen beiden Gasen mit einem Worte, mehr Gas und weniger Wärme oder
                              aber weniger Gas und mehr Wärme zu erzeugen, wie dies z.B. durch quantitative
                              Abänderung des Zusatzes von Holzkohle in gewöhnlichem Schießpulver möglich ist.
                           Das Gemisch von Nitrobenzol mit Salpetersäure von der oben angegebenen Zusammensetzung explodirt, wenn es
                              mittels eines Detonationszünders entzündet wird, mit intensiver Heftigkeit.
                              Nitrobenzol löst sich in Salpetersäure reichlich und wird durch Verdünnen des
                              Lösungsmittels mit Wasser bis zu dem specifischen Gewichte 1,42 aus demselben wieder
                              abgeschieden. Beim Zusammenmischen beider Substanzen entwickelt sich anfänglich
                              einige Wärme; daher erfordert die Verarbeitung größerer Mengen die Anwendung von
                              Kühlvorrichtungen. Beim Vermischen von 25 Kub.-Cent. beobachtete ich ein
                              Steigen des Thermometers auf 50° C. Bei Anwendung von Dinitrobenzol würde
                              sich die Temperatur wahrscheinlich erniedrigen. Das Gemisch zeigt das Ansehen der
                              Salpetersäure, wenngleich der Zusatz von 28 Procent Nitrobenzol zur Säure diese
                              letztere weniger flüchtig und weniger hygroskopisch zu machen scheint. Mit
                              Infusorienerde versetzt und innigst gemengt, verbrennt das Gemisch mit einer blassen
                              Flamme wie Dynamit, doch weniger lebhaft. Ein Anzeichen von Explodirbarkeit wurde
                              beim Verbrennen nicht beobachtet. Ich fand es als sehr schwierig, es durch
                              Concussion zum Explodiren zu bringen, als ich kleine Kügelchen desselben, in
                              Stanniol eingeschlagen, auf einen Ambos brachte. Schießbaumwolle und Nobel's Dynamit, in gleicher Weise behandelt, explodirten
                              in Folge eines weit schwächeren Schlages. Die Explosion von 35 Grm. der in einer
                              offenen, und auf einer Schmiedeisenplatte von 6,5 Millim. Stärke stehenden
                              Glasflasche befindlichen Flüssigkeit brachte einen tiefen Riß mit zackigen Rändern
                              in der Platte hervor, während die Explosion einer gleichfalls 35 Grm. schweren
                              Scheibe von comprimirter Baumwolle an einer anderen Stelle derselben Eisenplatte
                              einen weniger tiefen und nicht zackigen Einriß verursachte. Gleiche Mengen (35 Grm.)
                              von dem Nitrobenzolgemisch, von Schießbaumwolle und von Nitroglycerin, auf 7,6 Centim.
                              starken Fichtenbrettern zum Explodiren gebracht, riefen in allen drei Fällen fast
                              ganz gleiche Wirkungen hervor; das Holz wurde durchgeschlagen und zersplittert. Es
                              ist sehr zu bedauern, daß eine exacte Methode zur Vergleichung der Kraft
                              detonirender Explosivkörper bis jetzt noch nicht existirt.
                           Die nachstehenden Betrachtungen führten mich zu der Annahme, daß meine sauren
                              Explosivstoffe in Bezug auf Kraft alle übrigen bisher bekannten, dieser Classe
                              angehörenden Körper übertreffen müssen.
                           Da wir von dem in dem Nitrobenzolpräparate enthaltenen Sauerstoffe fünf Aequivalente
                              als nicht verfügbar für die Verbrennung oder als bereits mit dem Wasserstoffe der
                              Salpetersäure in Form von Wasser verbunden anzusehen haben, und da wir drei
                              Aequivalente des in dem Nitroglycerin enthaltenen Sauerstoffes, nämlich den vom
                              Glycerin (einem dreiatomigen Alkohol) herrührenden, in gleichem Sinne betrachten
                              können, so finden wir, daß in dem Nitrobenzolgemische 52,97 Procent und im
                              Nitroglycerin 42,3 Procent für die Verbrennung verfügbarer Sauerstoff zurückbleiben,
                              wovon indessen aus Mangel an Brennstoff nur 38,77 Procent verwerthet werden können.
                              Da die potentielle Energie (oder die Arbeitsfähigkeit) mit der während einer
                              Verbrennung oder eines Verbrennungsprocesses entwickelten Wärme und der dabei
                              verbrauchten Sauerstoffmenge in Wechselseitiger Beziehung steht, so bin ich
                              vielleicht dazu berechtigt, die oben angegebenen Zahlen als einen, wenn auch nur
                              rohen Maßstab für die Kraft der beiden in Rede stehenden Explosivmittel anzusehen.
                              Demnach nehme ich an, daß die Kraft des Nitroglycerins zu der des sauren
                              Nitrobenzolgemisches sich verhält wie
                           
                              
                                   38,77
                                 :
                                   52,97 oder wie
                                 
                              
                                 100
                                 :
                                 136,6.
                                 
                              
                           Nimmt man 1 Aequivalent oder 2 Gewichtstheile Binitrobenzol und 4 Aequivalente oder 3
                              Gewichtstheile Salpetersäure, so steigt die Menge des in dem Gemische enthaltenen,
                              für die Verbrennung verfügbaren Sauerstoffes auf 53,3 Procent.
                           Wie dieses oder die anderen Präparate sich verhalten, wenn sie nach dem Vermischen
                              ihrer Bestandtheile längere Zeit aufbewahrt werden, bin ich nicht im Stande
                              anzugeben, da ich die Explosionsversuche mit ihnen stets bald nach dem Mischen
                              ausführte. Ihre Explodirbarkeit scheint durch den Zusatz einer geringen Menge Wasser
                              zerstört zu werden. Es gelang mir wenigstens nicht, das Nitrobenzolgemisch unter den
                              oben angegebenen Bedingungen zum Explodiren zu bringen, sobald die zur Darstellung
                              desselben verwendete Salpetersäure weniger als 25 Procent von dem Monohydrat
                              enthielt. Die Einschließung der Ladung in einen engen Raum und die Benützung
                              einer kräftiger wirkenden Zündkapsel dürften vielleicht eine stärkere Verdünnung mit
                              Wasser ermöglichen. Die hohe specifische und latente Wärme des Wassers, durch welche
                              die durch die Explosion des Detonators entwickelte, anfänglich frei werdende Wärme
                              absorbirt wird, mag zur Erklärung dieses Mangels an Explodirfähigkeit dienen. Ich
                              kann wenigstens nicht umhin die merkwürdige Explodirfähigkeit des Knallquecksilbers
                              mit der Thatsache in Verbindung zu bringen, daß die specifische Wärme des
                              Quecksilbers dreißigmal geringer ist als die des Wassers. Das Knallquecksilber aber
                              enthält 70 Procent Quecksilber.
                           Bunsen (Gasometrische Methoden, S. 258) machte, als er
                              explosive Gasgemische gradweise mit unverbrennlichen Gasen verdünnte, die
                              Beobachtung, daß die Explodirbarkeit oder Entzündlichkeit dieser Gemische an einer
                              sehr scharfen Grenze ganz plötzlich aufhörte.
                           Pikrinsäure ist (zu 58,3 Theilen) in einer äquivalenten
                              Menge Salpetersäure (in 41,7 Theilen) leicht löslich. Während des Lösungsvorganges
                              sinkt die Temperatur, wie schon oben bemerkt wurde, so tief, daß das Glas, in
                              welchem das Gemisch bereitet wird, bald gefriert. Gleich dem vorigen Gemische
                              explodirt auch dieses Präparat mit sehr großer Heftigkeit, wenn es mit Hilfe eines
                              Detonators entzündet wird.
                           Nach Ausschluß des sechsten Theiles vom Sauerstoffgehalte der Salpetersäure und des
                              vom Phenol herrührenden Sauerstoffes bleiben noch 50,92 Procent an für die
                              Verbrennung verfügbarem Oxygen.
                           Es möge hier die Bemerkung Platz finden, daß die Pikrinsäure selbst eine
                              Sauerstoffmenge enthält, welche dazu hinreicht, daß sie für sich allein, ohne die
                              Beihilfe anderer Oxydationsmittel, eine kräftige Explosivsubstanz bildet, wenn sie
                              mit Hilfe eines Detonators entzündet wird. Bei ihrer Explosion findet fast gar keine
                              Rauchbildung statt.
                           Zum Beweise für die intensive Hitze, welche durch die Verbrennung dieser Gemische
                              erzeugt wird, will ich hier nachstehendes Factum mittheilen. Eine auf der Maschine
                              gepreßte messingene Patronenhülse von 4,8 Centim. Länge, 1,3 Centim. Durchmesser und
                              11,4 Grm. Gewicht wurde theilweise mit 0,65 Grm. Jagdpulver, theilweise mit 1,3 Grm.
                              Sand, welcher mit der (knapp 0,65 Grm. wiegenden) Lösung von Pikrinsäure in
                              Salpetersäure angefeuchtet worden war, so geladen, daß der Sand auf dem Pulver lag.
                              Die dann mit einer Kugel versehene Patrone wurde sogleich in das kalte Rohr eines
                              gezogenen Martini-Henry'schen Hinterladergewehres
                              eingeschoben und letzteres abgefeuert. Beim Herausziehen der Hülse zeigte sich, daß
                              die obere Hälfte derselben ihre Form vollständig verloren hatte; das Metall war
                              geschmolzen und die in der Patrone zurückgebliebenen Sandtheilchen erschienen
                              zusammengesintert wie durch einen Blitzschlag.
                           Es liegt auf der Hand, daß sich anstatt der beiden oben erwähnten, noch zahlreiche
                              andere verbrennliche Substanzen anwenden lassen. Obgleich es, um ein möglichst
                              inniges und gleichmäßiges Gemisch zu erhalten, vorzuziehen ist, daß eine
                              vollständige Auflösung stattfindet, so ist dies augenscheinlich doch nicht
                              unumgänglich nöthig, da mir die Herstellung eines Explosivpräparates auf dem Wege
                              gelang, daß ich
                           
                              
                                   17,4   Theile
                                 Naphthalin zu ungefähr
                                 
                              
                                   82,6      
                                    „
                                 Salpetersäure
                                 
                              
                                 –––––––––
                                 
                                 
                              
                                 100,00
                                 
                                 
                              
                           von dem oben angegebenen Concentrationsgrade hinzufügte. Das
                              auf diese Weise erhaltene Gemisch besitzt in Folge des Umstandes, daß in ihm ein
                              mikrokrystallinischer Niederschlag suspendirt ist, eine halbflüssige Consistenz.
                           Derselbe Grund, welcher mich veranlaßte, das Nitrobenzol dem Benzol vorzuziehen,
                              spricht auch für die Anwendung theilweis oxydirter Verbindungen aus der Reihe der
                              Alkohole und der Fettsäuren. Ich bedaure, daß ich in Bezug auf diesen Punkt zuverlässige
                              experimentelle Resultate nicht mitzutheilen habe.
                           Ein aus Essigsäure und Salpetersäure zusammengesetztes Explosivpräparat würde
                              bestehen müssen aus:
                           
                              
                                 Essigsäure
                                 C₂H₄O₂
                                 =
                                 37,3
                                 
                              
                                 Salpetersäure 
                                 1 3/5 (HNO₃)
                                 =
                                 62,7
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           
                              
                                 Elementare
                                    Zusammensetzungvor der Explosion
                                 Muthmaßliche Zusammensetzungnach der
                                    Explosion
                                 
                              
                                 C
                                 =
                                 14,92
                                 CO₂
                                 =
                                   54,84
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                   3,47
                                 H₂O
                                 =
                                   31,23
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 13,93
                                 N
                                 =
                                   13,93
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 67,68
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00   
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Sollte sich ein Gemisch von Essigsäure und Salpetersäure als nicht explosiv erweisen,
                              so würde diese Thatsache einen interessanten Beweis zu Gunsten der Wichtigkeit der
                              Anordnungsweise der Molecüle in einer explosiven Verbindung abgeben. Ich will hier
                              daran erinnern, daß Brodie's Acetylperoxyd (Philos. Transact. 1863 t.
                              CLIII) eine der am heftigst wirkenden bekannten Explosivsubstanzen ist. Die
                              Zusammensetzung und die nahe Verwandtschaft der Essigsäure und des
                              Acetylperoxyds
                           
                           
                              
                                 Essigsäure =
                                 C₂H₃O          
                                    H
                                 
                                    
                                    
                                 O      
                                 Acetylperoxyd
                                 = C₂H₃OC₂H₃O
                                 
                                    
                                    
                                 O₂
                                 
                              
                                 C
                                 =
                                   40,0
                                 C =
                                   40,7
                                 
                                 
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                     6,6
                                 H =
                                     5,0
                                 
                                 
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                   53,4
                                 O =
                                   54,3
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                                 
                                 
                              
                           gibt zu der Erwartung Anlaß, daß eine mechanische Beimengung
                              von für die Verbrennung verwerthbarem Sauerstoff der Essigsäure die Explodirbarkeit
                              ihres überoxydirten Radicales mittheilen wird.
                           Die Auswahl unter den oxydirenden Agentien ist weit beschränkter als die unter den
                              verbrennbaren Stoffen mögliche, namentlich wenn wir eine vollständige Vergasung der
                              Verbindung beanspruchen. Unter ihnen ist das salpetersaure
                                 Ammoniak (Ammoniumnitrat) (NH₄NO₃) der nächste Körper,
                              welcher unsere Aufmerksamkeit fesseln muß, indem er zusammengesetzt ist aus:
                           
                              
                                 N
                                 =
                                 35
                                 entsprechend
                                 N
                                 =
                                 35
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                 5
                                 „
                                 H₂O
                                 =
                                 45
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 60
                                 „
                                 O
                                 =
                                 20
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100
                                 
                                 
                                 
                                 100.
                                 
                              
                           Es ist zu bedauern, daß diese Substanz hygroskopisch ist; andernfalls würde sie mit
                              Vortheil als ein Zusatz oder als ein Ersatzmittel für den Kalisalpeter beim
                              gewöhnlichen Schießpulver (Schwarzpulver) verwendet werden können. Diese
                              Schwierigkeit dürfte wohl gehoben werden können durch Anwendung luftdichter Patronen
                              und durch das Incorporiren eines nicht flüchtigen Kohlenwasserstoffes als
                              Brennmaterial für diejenigen 20 Procent Sauerstoff, welche nicht von dem
                              Wasserstoffe des Ammoniums zur Verbrennung in Anspruch genommen werden.
                           Ich fand, daß durch einen Zusatz von Ammoniumnitrat zu Jagdpulver die
                              Anfangsgeschwindigkeit der Projectile in nachstehender Weise vermehrt wird:
                           
                              
                                 GewichtsmengedesJagdpulvers
                                 
                                 Gewichtsmengedes
                                    zugesetztenAmmoniumnitratpulvers
                                 GewichtdesProjectils
                                 AnfangsgeschwindigkeitproSecunde
                                 
                              
                                 4,92 Grm.
                                 
                                 –
                                 31,49 Grm.
                                   410 Meter
                                 
                              
                                 3,69  
                                    „    
                                 +
                                 1,23 Grm. (a)
                                 31,49  
                                    „    
                                 431,5    „
                                 
                              
                                 2,46  
                                    „    
                                 +
                                 2,46    „    (b)
                                 31,49  
                                    „    
                                 452,2    „ 
                                 
                              
                           
                              
                                 (a)
                                 bestand aus
                                 100
                                 NH₄NO₃
                                 +   7,5 Kienruß,
                                 
                              
                                 (b)
                                       
                                    „       „
                                 80
                                 „
                                 + 15,0 Kohle vom Holze des rothen Hartriegels (Cornus sanguinea L.)
                                 
                              
                           Das Ammoniakpulver wurde (vor dem Füllen der Patrone) mit dem Jagdpulver sorgfältig
                              gemengt; von dem letzteren wurde eine geringe Menge zurückbehalten und um die Percussionskapsel
                              herumgeschüttet. Die Geschwindigkeiten der Geschosse wurden mit Hilfe von Le Boulengé's Chronograph (beschr. in diesem
                              Journal Bd. CLXXIX S. 30) bestimmt.
                           Als ich salpetersauren Harnstoff (mit Kalisalpeter
                              versetzt) anstatt des ihm verwandten salpetersauren Ammoniaks anwendete, beobachtete
                              ich keine Beschleunigung der Geschwindigkeit des Projectils. Ich erinnere daran, daß
                              salpetersaurer Harnstoff kein Krystallisationswasser enthält und ein völlig
                              stabiles, nicht hygroskopisches Salz ist.
                           Nitroglycerin kann gleichfalls als oxydirendes Agens zur
                              vollständigen Vergasung betrachtet werden. Da es einen Sauerstoffüberschuß von 3,52
                              Procent enthält, so ist anderweitigVergl. Dr. H. Sprengel's englisches Patent vom 5. Oct. 1871, Nr. 2642; sowie Berthelot: „Sur
                                          la force de la poudre et des matières
                                          explosives“ in den Annales de
                                       Chimie er de Physique, 1871 t. XXIII
                                    p. 265. empfohlen worden, diesen Sauerstoff durch den Zusatz einer äquivalenten
                              Menge Brennmaterial zu verwerthen. So erfordern
                           
                              
                                 100 Theile
                                 Nitroglycerin
                                 1,156 Naphthalin oder
                                 
                              
                                 100      „
                                 „
                                 8,03    Pikrinsäure,
                                 
                              
                           um in N, H₂O und CO₂ zu zerfallen; oder
                           
                              
                                 100
                                 Theile
                                 Nitroglycerin
                                 erfordern
                                   14,09 Naphthalin oder
                                 
                              
                                 100
                                 „
                                 „
                                 „
                                 706,16 Pikrinsäure respect.
                                 
                              
                                 14,16
                                 „
                                 „
                                 „
                                 100                „
                                 
                              
                           um zu N, H₂O und CO zu zerfallen.
                           Da ein Zurückbleiben von Säure in Nitroglycerin als muthmaßliche Ursache sehr
                              unerwünschter, nicht vorherzusehender Explosionen auf das sorgfältigste zu vermeiden
                              ist, so kann der Zusatz von einer organischen Base wie z.B. von Anilin, welches in Nitroglycerin leicht löslich ist, dem
                              zweifachen Zwecke entsprechen, jede etwa in Folge einer langsamen Zersetzung
                              entstandene Spur von Säure zu neutralisiren und gleichzeitig den im Nitroglycerin
                              enthaltenen Ueberschuß von Sauerstoff zu verbrennen.
                           Indem wir jetzt den Versuch, eine vollständige Vergasung zu erzielen, verlassen,
                              wenden wir uns wieder zu denjenigen Explosivkörpern, welche mit dem gewöhnlichen
                              Schießpulver (Schwarzpulver) insofern nahe verwandt sind, als die ihre oxydirenden
                              Bestandtheile ausmachenden Agentien Salze einer nicht flüchtigen Basis sind.
                           Von den letzteren ziehen wir zunächst das chlorsaure
                                 Kalium in Betracht. Dieses Salz gibt, wenn mit
                                 beinahe allen organischen Substanzen gemengt, explosible Compositionen.
                           
                           Ich wenigstens machte diese Erfahrung, als ich geringe Mengen derartiger Gemische der
                              Concussion zwischen Eisen und Eisen unterwarf. Da das Mengen des chlorsauren Kaliums
                              mit verbrennlichen Substanzen – wenigstens mit starren Körpern dieser Art
                              – eine anerkannt sehr gefahrvolle Operation ist, so
                                 verwendete ich, um Reibung zu vermeiden, verbrennbare Flüssigkeiten, welche mit
                                 porösen Kuchen oder Stücken von chlorsaurem Kali in Berührung gebracht, von
                                 denselben ruhig und gefahrlos absorbirt werden. Diese würfel- oder
                              kuchenförmigen Salzstücke erhält man durch Pressen des mit Wasser schwach
                              angefeuchteten Salzpulvers in geeigneten Formen; nach dem Trocknen besitzen sie die
                              Cohärenz des Hutzuckers und der Grad ihrer Porosität wird von der größeren oder
                              geringeren Feinheit des Salzpulvers sowie von dem größeren oder geringeren Drucke
                              bedingt, welchem das letztere beim Pressen in Formen unterworfen wurde. Beide
                              Eigenschaften regulirt man der Menge des flüssigen Brennstoffes entsprechend,
                              welcher der Salzmasse durch Absorption einverleibt werden soll.
                           Als ich auf derartige Kuchen die Detonation von 0,65 Grm. Knallquecksilber einwirken
                              ließ, explodirten sie nicht sondern nur dann, wenn die der Salzmasse einverleibte
                              Flüssigkeit eine gewisse Menge von Schwefel oder einer Nitroverbindung enthielt. So
                              z.B. explodirten sie
                           
                              
                                 sehr heftig
                                 bei
                                 einem
                                 Zusatze
                                 von
                                 Schwefelkohlenstoff,
                                 
                              
                                 ebenso
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Nitrobenzol,
                                 
                              
                                 heftig
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1/2 Benzol + 1/2 Schwefelkohlenstoff,
                                 
                              
                                 ebenso
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Schwefelkohlenstoff der mit Naphthalin
                                    gesättigt      worden,
                                 
                              
                                 sehr gut
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Phenol, in Schwefelkohlenstoff aufgelöst,
                                 
                              
                                 gut
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 3/4 Petroleum + 1/4 Schwefelkohlenstoff,
                                 
                              
                                 nicht gut
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 mit Schwefel gesättigtem Petroleum,
                                 
                              
                                 ebenso
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 mit Schwefel gesättigtem Benzol.
                                 
                              
                           Das einfache Benzolgemenge (ohne Schwefel) exploderte gar nicht.
                           Schwefel scheint in Kohlenwasserstoffen nur wenig löslich zu sein; doch gibt es
                              Ausnahmen und zu diesen gehört das Naphthalin, in welchem er sich leichter löst.
                              Wenn die Zersetzung des Schwefelkohlenstoffgemenges in der der folgenden
                              Gleichung:
                           2 (KClO₃) + CS₂ = 2KCl + CO₂ +
                              2SO₂
                           entsprechenden Weise vor sich ginge, so würden 100 Theile
                              chlorsaures Kalium 31 Th. Schwefelkohlenstoff erfordern. Ich machte indessen die
                              Beobachtung, daß ich durch Anwendung einer geringeren Menge des letzteren (von 15
                              bis zu 20 Theilen CS₂) bessere Resultate erhielt, indem sich dann bei der
                              Zersetzung Schwefelsäure bildete.
                           
                           Als ein solches Gemenge in Granitbrüchen (bei Tagebauten) zum Sprengen verwendet
                              wurde, erwies sich dasselbe als ungefähr viermal so wirksam, wie eine gleiche
                              Gewichtsmenge gewöhnliches Sprengpulver (Schwarzpulver).
                           Obgleich das einfache (schwefelfreie) Benzolgemenge unter den angegebenen Bedingungen
                              nicht explodirte, so läßt doch die große Aehnlichkeit zwischen Concussion und
                              Detonation vermuthen, daß alle Substanzen, welche sich durch Concussion zum
                              Explodiren bringen lassen, auch durch Detonation dazu gebracht werden können, falls
                              die letztere genügend stark ist. Ich fand nun auch wirklich,
                                 daß, wenn ich die Percussionskapsel mit einer Hülle von Schießbaumwolle umgab,
                                 die auf diese Weise verstärkte oder vervielfältigte Detonationskraft der
                                 ersteren in höchst befriedigender Weise das Explodiren von Gemengen aus
                                 chlorsaurem Kalium, welche weder Schwefel, noch eine Nitroverbindung enthielten,
                                 wie z.B. von Benzol-, Petroleum- und Phenolgemengen bewirkte.
                              Derartige Gemenge in Form von 80 Grm. schweren Kuchen explodirten mit großer
                              Kraftäußerung, sobald ich die Detonation von 15 Grm., 8 Grm. und 7 Grm.
                              Schießbaumwolle auf sie einwirken ließ, nachdem sie frei auf eine Unterlage gelegt
                              worden waren.
                           Die praktische Bedeutung dieser Thatsache liegt klar auf der Hand.
                           Wir verdanken Abel die Entdeckung der interessanten
                              Thatsache (Philos. Transact. 1869 t. CLIX), daß nicht allein die Quantität, sondern auch die Qualität, d. i.
                              die chemische Beschaffenheit des Detonationsmittels bei der Fortpflanzung einer
                              Explosion eine wichtige Rolle spielt. Zukünftige Experimente werden den Nachweis
                              liefern, daß das Unterbringen des Explosivkörpers in einem abgeschlossenen Raum im
                              Verein mit der Quantität und gleichzeitig der Qualität des Detonators die Explosion
                              von Gemengen zu bewirken vermag, welche bisher als nicht explosiv galten.
                           Die zwischen chlorsaurem Kalium und Benzol stattfindende Reaction läßt sich in ihrer
                              einfachsten Form in nachstehender Weise vergegenwärtigen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 337
                              Zusammensetzung vor der Explosion;
                                 Muthmaßliche Zusammensetzung nach der Explosion; Moleculargewichte; starr;
                                 gasförmig.
                              
                           Ich bemerkte keine Neigung zum Explodiren, als die oben gedachten Kuchen, mit der
                              brennbaren Flüssigkeit imprägnirt, entzündet wurden.
                           
                           Gleichwie bei den sauren Gemischen, so sind auch bei diesen Gemengen sehr viele
                              Abänderungen möglich und zulässig. Das chlorsaure Kalium kann theilweise (vielleicht
                              gänzlich) durch salpetersaures Kalium oder salpetersaures Natrium ersetzt werden.
                              Anstatt der oben erwähnten Kohlenwasserstoffe kann man theilweise oder gänzlich
                              nicht flüchtige Hydrocarbüre verwenden; ferner lassen sich Fette, Bitumen, Harze
                              oder andere starre Kohlenwasserstoffe benützen, welche einen so niedrigen
                              Schmelzpunkt haben, daß es praktisch ausführbar ist, die Kuchen der oxydirend
                              wirkenden Salze mit ihnen zu durchtränken, während sie in geschmolzenem Zustande
                              sich befinden. Da der Kohlenstoff in der Form von Holzkohle, von Graphit und von
                              Diamant sehr verschiedene Affinitätsgrade zum Sauerstoffe zeigt, so wird auch hier
                              durch die Benützung eines schwierig zu entflammenden
                              Kohlenwasserstoffes oder irgend eines anderen flüssigen Brennstoffes die den mit
                              chlorsaurem Kalium dargestellten Zusammensetzungen eigene Tendenz zum Explodiren
                              vermindert werden.
                           Am Schlusse dieser einleitenden Untersuchungen möchte ich noch vom Standpunkte der
                              Praxis aus über den in den vorstehenden Mittheilungen abgehandelten Gegenstand
                              einige Bemerkungen machen. Es lassen sich allerdings gegen die Anwendung einiger der
                              besprochenen Explosivmittel Einwürfe machen. Die sauren Explosivgemische sind
                              hygroskopisch und in Folge der ätzenden Eigenschaften der Salpetersäure schwierig zu
                              handhaben. Ferner ist es nicht leicht ein zur Anfertigung der für ihre Aufnahme
                              bestimmten Patronen geeignetes Material zu finden. Wir haben die Wahl zwischen Glas,
                              Steinzeug, Eisen und (bei Anwendung der dieser Classe angehörenden Explosivkörper in
                              der Form von Dynamit) vielleicht Papier. Doch bleibt noch die Aufgabe übrig, zu
                              untersuchen, ob die aus der Anwendung jener sauren Explosivsubstanzen sich
                              ergebenden Vortheile diese Uebelstände nicht aufzuwiegen im Stande sind. In Bezug
                              auf Billigkeit, Wirkung, Sicherheit und Zuverlässigkeit stellen sie sich anderen,
                              gegenwärtig angewendeten Explosivmitteln vortheilhaft gegenüber. Die oxydirend
                              wirkenden, in Kuchenform oder in gekörntem Zustande
                              anzuwendenden Substanzen sind, nachdem sie mit den öligen Flüssigkeiten imprägnirt
                              worden, gegen die nachtheilige Einwirkung des Wassers geschützt. Man hat zu
                              berücksichtigen, daß neun Zehntheile sämmtlicher Explosivstoffe (einschließlich des
                              gewöhnlichen Schwarzpulvers) zu Sprengzwecken Verwendung finden und daß die
                              werthvollen Eigenschaften des gemeinen Schießpulvers als forttreibendes Mittel für
                              bergmännische Arbeiten nicht erforderlich sind. Hier bedürfen wir (mit wenigen
                              Ausnahmen) der stärksten und zugleich billigsten Kraft.
                              Darauf gründet sich
                              mein Glauben an eine Zukunft der in den vorstehenden Mittheilungen besprochenen
                              Explosivkörper.
                           Die im Laufe der letzten Jahre in der Chlorfabrikation gemachten bedeutenden
                              Fortschritte lassen eine Erniedrigung der Preise für die Chlorsäuresalze hoffen und
                              Salpetersäure wird und muß stets billiger sein als Nitroverbindungen.
                           Endlich – und dies dürfte nicht der geringste Vorzug der neuen Explosivstoffe
                              sein – können wir, zur Vermeidung der Gefahr
                              freiwilliger Explosionen dieser Verbindungen während ihrer Fabrikation, ihrer
                              Aufbewahrung und ihres Transportes, den oxydirend wirkenden
                                 Bestandtheil getrennt von dem verbrennbaren Agens halten bis zu dem Augenblicke,
                                 in welchem ihre chemische Verbindung, unserm Willen gehorchend, vor sich gehen
                                 soll. Ich weiß sehr wohl, daß ein solcher Weg schon früher eingeschlagen
                              und als unpraktisch wieder verlassen worden ist; allein damals waren die zur
                              Herstellung der Explosivstoffe verwendeten oxydirenden sowohl als auch der dazu
                              nöthige verbrennbare Bestandtheil Körper von starrem Molecularzustande. Jetzt aber
                              haben wir mit zwei Flüssigkeiten oder doch mit einer Flüssigkeit und einem starren
                              Körper zu thun, deren Vermischung weit leichter ausführbar ist.
                           Auf diesen Punkt einiges Gewicht zu legen, fühle ich mich um so mehr berechtigt, als
                              dies meiner Ansicht nach der einzige Weg ist, welcher uns durch die zur Erzeugung
                              und Anwendung dieser gefährlichen Explosivkörper erforderlichen Operationen mit absoluter Sicherheit hindurchführen.
                           
                              H. H.