| Titel: | Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LIX., S. 365 | 
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                        LIX.
                        Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung 1873;
                           von Professor J. F. Radinger.Aus dem officiellen Ausstellungsbericht über „Dampfkessel“.
                                 55. Heft. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1874.
                                 (Vergleiche die Redactionsnote im ersten Aprilheft S. 8.) D. Red.
                           
                        Mit Abbildungen.
                        Radinger, über Dampfkessel auf der Wiener
                           Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           Die englischen Kessel.
                           Im englischen Kesselhause befanden sich in Thätigkeit: je zwei Kessel von Galloway in Manchester und von Adamson in Manchester; je ein Kessel von Cater
                              und Walker in London und von Howard in Bedford; und außerhalb des Kesselhauses standen ein Kessel von
                              Nicol in Glasgow und drei Economisers.
                           Die ersteren entsprachen den langbekannten weiten Kesselformen, welche die
                              Heizflächen mit behäbiger Dimension und bewährter, höchstens verbesserter
                              Herstellungstechnik erreichen. Die letzteren suchen im engen Raume und mit neuen
                              Verbindungsdetails die Leistung der alten und noch eine Reihe von Vortheilen mehr zu
                              gewinnen, welche die ersteren entbehren. Nirgends standen sich die Extreme so
                              schroff gegenüber als hier, wo der Dampf aus 7 Fuß weiten und aus 9 Zoll weiten
                              Röhren erstand; wo er mit 4 oder (ohne Zwischenglied) mit 10 Atmosphären erzeugt
                              wurde, und dem Gebrauche einer – bei uns wenigstens – vergangenen oder
                              dem einer kommenden Zeit zu dienen bestimmt erschien. Dabei wurde der erstere in
                              hoch expandirende Woolf-Maschinen geleitet und der
                              letztere vor einem simplen Cylinder gedrosselt. Hier fanden wir Kessel ohne alle
                              Blechbordung, wo jede Kante durch Winkeleisen-Einlagen hergestellt wurde, und
                              andere, wo das Feuer keine Nietung sondern nur geschweißte Bleche traf.
                           Wenn so aber auch das zu beharrliche Festhalten an lang Gebrauchtem oder das
                              vielleicht Zuweitgehen in der Richtung der Zukunft mehr die conservative oder die
                              wagende Empirie, als die vorwärtsschreitende und wägende Erkenntniß der englischen
                              Kesselaussteller zeigte – und nirgends so extreme Systeme neben einander
                              standen als hier – so waren doch alle geeinigt und gemeinsam ausgezeichnet
                              durch jene Findigkeit der Detailconstructionen und Solidität der Ausführung, welche
                              ein Grund des Aufschwunges und eine Folge der Concurrenz der englischen Arbeit war
                              und ist.
                           
                           Keiner der englischen Kessel besaß einen Dampfdom, worüber ich mich bei der ersten
                              sich bietenden Gelegenheit in diesem Berichte weiter aussprechen will. Die Speisung
                              geschah bei allen mit direct wirkenden (Stoß-) Dampfpumpen, und die übrige
                              Armatur unterschied sich nur wenig von der bei uns üblichen Form. Die Monometer von
                              Schäffer-Budenberg in Manchester mit
                              englischer Scala (15 Pfund = 1 Atm.) fanden sich nicht nur hier sondern auch auf der
                              Mehrzahl der englischen Locomobile, welche Verbreitung wohl am besten für deren Güte
                              spricht. Auf die Reinhaltung durch periodisches Abblasen wird mehr gesehen als bei
                              uns, und die betreffenden Vorkehrungen sind bequem zur Hand. Die Verhältnisse der
                              Rostfläche zu der Heizfläche gleichen im Allgemeinen den unsrigen; weil aber im
                              Allgemeinen die Kohle besser, so ist die Vergrößerung der Heizfläche durch Vorwärmer
                              (Economisers) dort mehr am Platze. Von allen ausgestellten englischen Kesseln war
                              kein einziger, dessen Längsnäthe einfach genietet waren. Alle trugen dort entweder
                              doppelte Nietung oder waren geschweißt.
                           
                        
                           Adamson-Kessel.
                           Die zwei Dampfkessel von Daniel Adamson and Comp. in Hyde Junction bei Manchester hatten dieselben
                              Außendimensionen als die Galloway-KesselDerselbe ist von dem Hrn. Berichterstatter vorhergehend ausführlich
                                    besprochen; wir beschränken uns jedoch hier auf die Mittheilung der noch
                                    weniger bekannten neuartigen Constructionen. Die Red. nämlich 7,30 Met. Länge und 2,13 Met. Durchmesser. Die zwei Feuerrohre
                              gingen fast der ganzen Länge nach cylindrisch durch und nur die vorletzte
                              Innentrommel war conisch und verkleinerte den Durchmesser von 837 auf 762
                              Millimeter.
                           Einer der beiden Kessel bestand aus Eisenblech, der andere aus Stahlblech; der
                              Außenkörper eines jeden war aus acht cylindrischen Trommeln mit je zwei Tafeln im
                              Umfange angefertigt; beim Eisenkessel waren die Längsreihen der 13 Millimeter
                              starken Bleche doppelt, die Rundstöße einfach genietet, während der Stahlkessel an
                              seinen 10 Millim. dicken Platten durchwegs doppelte Vernietung trug.
                           Die Innenrohre bestanden gleichfalls aus je acht Trommeln, deren Enden durchwegs
                              flanschenartig aufgebogen und immer mit einem Zwischenringe vernietet waren, um das
                              Verstemmen möglich zu machen. Die Langnäthe derselben waren geschweißt, mit Ausnahme
                              der zwei ersten unmittelbar den Feuerherd umschließenden Ringe, welche aus
                              Stahlblech gefertigt und an den Längsfugen (unterhalb des Rostes) doppelt genietet
                              erschienen. Die
                              rückwärtigen Trommeln enthielten dann noch je eine bis zwei conische (Galloway-) Röhren eingeschweißt, deren in jedem
                              Feuerrohre acht in gekreuzter Lage vorkamen. Eine solche Röhre lag zur Ansicht im
                              Kesselhause, deren Schweißstellen kaum zu finden waren; nach Schluß der Ausstellung
                              fand ich aber am gebrauchten Kessel an der conischen Trommel hinten beim Flansch
                              eine Schweißstelle, mehrere Centimeter lang sehr deutlich sichtbar.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 367
                              Die beiden Böden waren je aus einem Stück, und der hintere mit eingebogenen,
                                 abgedrehten Rändern in den Außenkessel genietet, während die aufgebogenen
                                 Flanschenenden der Feuerrohre an die auf der Drehbank herausgestochenen
                                 Oeffnungen stießen.
                              Die Böden waren mit je fünf oberen und zwei unteren Eckversteifungen versehen,
                                 welche sich abwechselnd an die erste und zweite Außentrommel schlossen, und
                                 hatten außerdem noch einen Kreiswinkel zwischen Rohrmündungen und Außenrand
                                 aufgenietet. Wo die Rohre mündeten, waren aber auch deren aufgebogene Flanschen,
                                 oder vielmehr deren Kreiskanten, mit einem sich einschmiegenden Winkelringe
                                 umgeben, welcher mit an den Boden und das Rohr genietet, jene durch die
                                 Rohrspannung auf Biegung beanspruchten Kanten und Flächen steif hielt und so der
                                 Corrosion vorbeugen sollte, die sonst an ähnlichen Stellen zu erwarten steht.
                                 Aber auch das Dichthalten wird erleichtert, wo unbiegsame Stöße aufeinander
                                 treffen.
                              
                           Die anderen Feuerrohr-Flanschen erschienen aber mit großen Halbmessern
                              gekrümmt, und ihre bedeutende Anzahl mag wohl jene Verlängerung gestatten, welche
                              solche Rohre verlangen; überdies werden mit dieser Verbindungsart auch sämmtliche
                              Nietköpfe und Materialhäufungen der Wirkung des ersten Feuers entzogen, wie dies
                              schon lange bekannt, wenn auch der Kostspieligkeit halber nicht sehr verbreitet
                              ist.
                           Die sämmtlichen Nietlöcher wurden angeblich mit den eigens zu diesem Zwecke
                              construirten Bohrmaschinen nach dem Biegen der Platten gebohrt, wodurch die Bolzen die nicht verzogenen, sondern genau runden
                              Löcher aufs beste ausfüllen können, wie man aus einer durchschnittenen Nietung
                              ersah, die im Kesselhause auslag. Nur waren dort Kupfernieten statt der eisernen
                              eingesetzt, um durch die Farbendifferenz geleitet desto besser zu erkennen, was
                              Niete war und was Blech.
                           An bemerkenswerthen Armaturstücken waren diese Kessel mit je einem Dampfventile
                              versehen, welches ganz so wie bei den Galloway-Kesseln mit dem geschlitzten Sammelrohre ins Innere reichte;
                              dann mit zwei
                              getrennten, direct belasteten Sicherheitsventilen nach jener bekannten Zeichnung des
                              Manchester Kesselvereines, wo das Ventil am oberen Ende eines ziemlich hohen Rohres
                              sitzt, und welches von einem Bügel niedergedrückt wird, an dem die (9)
                              Belastungsscheiben, das Rohr umgebend, hängen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 368
                              
                           Diese Belastungsweise hat aber, abgesehen von der
                              Unbequemlichkeit des Abnehmens und des leicht möglichen Excentrischwirkens der
                              Ringscheiben den Hauptnachtheil, daß das Probelüften desto schwerer wird, je weiter
                              der Dampfdruck von seiner Grenze entfernt ist. Unter dem rückwärtigen Ventile befand
                              sich noch im Innern des Kessels ein Hebel, an dessen langem Arm ein balancirter
                              Schwimmer hing und dessen Uebergewicht die Ventilplatte mittels einer Druckstange
                              heben sollte, falls das Zutiefsinken des Wasserstandes denselben trocken legte. Auch
                              dies ist eine wahrscheinlich oft versagende Complication.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 368
                              Ferner trug jedes Feuerrohr ein Messing-Rohrstück
                                 oben auf der zweiten Trommel, auf welches ein Messinghütchen mit schmelzbarem
                                 Deckpfropfen geschraubt war, um das Feuer schon bei einem Tiefwasser zu löschen,
                                 welches immerhin noch einige Centimeter ober den Rohren steht.
                              
                           Die Schaum- und die Speisewechsel mündeten hier gerade so wie bei den Galloway-Kesseln vorne, symmetrisch zu beiden
                              Seiten, an der Stirnplatte oben in der Mittel-Wasserhöhe, und jeder war im
                              Innern mittels eines horizontalen Rohres fortgesetzt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 368
                              Das Speiserohr hatte der Kesselachse zugekehrte Schlitze
                                 und sollte beim Speisen den Wasserschaum, der die Oberfläche deckt, zur
                                 entgegensetzten Langseite des Kessels stoßen, hinfegen.
                              
                           Dort lag aber das Entschaumrohr, welches den beistehenden
                              Querschnitt hatte und 90 Centimeter lang war. Dessen obere Rinne mündete mittels
                              drei enger Löcher an das untere 55 Millimeter weite Rohr und dieses an das
                              außenstehende Schaumventil, auf welchem die Inschrift den Wärter aufforderte,
                              täglich zwei Mal je zwei Zoll des Kesselwassers auszublasen. Ein unterer
                              Ablaß- oder
                              Schlammwechsel, der sich mit einem Trichter-Gußknie an den Kessel schloß,
                              erlaubte dann noch die Wegschaffung der schwereren Niederschläge durch theilweises
                              Abblasen oder das gänzliche Entleeren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 369
                              
                           Diese Kessel waren ganz gleich mit dem Galloway-Kessel mit je einem oberen und unteren Mannloche versehen,
                              deren oberes rund und mit circa 20 Schrauben
                              aufgeschraubt war, während das untere soweit nach einwärts gedrückt erschien, daß
                              eine Schutzplatte vor die Bügel kommen konnte, wodurch der Kessel eine ebene
                              Stirnansicht bot.
                           Die Feuerung der Kessel fand vorne innen, auf den je 1,85 Meter langen Rosten statt
                              und die Gase fielen dann in den unteren Canal, dessen Länge sie nach vorne gemeinsam
                              durchzogen, nachdem durch eine kurze (50 Centimeter lange) Zunge ihr
                              Nebeneinandströmen eingeleitet war. Vorne mußten sie sich wieder trennen, um in den
                              zwei Seitenzügen nach rückwärts und zur Esse zu gelangen. Jeder dieser beiden
                              Seitenzüge hatte seine gesonderte Drehklappe zur Regelung seines Zuges, welche mit
                              Kegelrädern, Welle und Kurbel von vorne stellbar war. Ich kann mir keinen anderen
                              Grund dieser abweichenden Einmauerung denken, als daß vielleicht dem Entschäumen
                              durch Concentrirung des Feuers auf einer Kesselseite Vorschub geleistet werden
                              sollte. Diese Vermuthung wird durch die Querschnitts-Verhältnisse der Züge
                              unterstützt, welche im gemeinsamen unteren Canal 0,60 Quadratmeter, in jedem
                              Seitencanale aber 0,40 und bei den Drehklappen 0,55 Quadratmeter Fläche besaßen.
                           Die Heizfläche berechnet sich auf circa 65 Quadratmeter,
                              die Rostfläche auf 2,9 Quadratmeter und 1/22 der Heizfläche, während der Zug 1/5 der
                              Rostfläche einnahm, was völlig richtige und reichliche Verhältnisse sind.
                           Die Kessel waren für 4 1/2 Atmosphären höchsten Druck bestimmt, und die doppelt
                              genieteten Eisenbleche scheinen nach der Formel δ
                              = 1,0 . Dp + 3 Millimeter (vergl. erstes Aprilheft
                              S. 10) bemessen zu sein.
                           
                           Der Eisenkessel wog 10.500 und der Stahlkessel 10.000 Kilogrm.; sie waren complet
                              sammt aller Armatur zu Ende der Ausstellung um 625 und 670 Pfund Sterling,
                              unverzollt und loco Ausstellung verkäuflich.
                           
                        
                           
                              (Fortsetzung folgt.)