| Titel: | Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung 1873: von Professor A. F. Radinger. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LXXXVII., S. 455 | 
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                        LXXXVII.
                        Dampfkessel auf der Wiener Weltausstellung 1873:
                           von Professor A. F. Radinger.Aus dem officiellen Ausstellungsbericht über „Dampfkessel“.
                                 55. Heft. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1874.
                                 (Vergleiche die Redactionsnote im ersten Aprilheft S. 8.) D. Red.
                           
                        Mit Abbildungen.
                        (Fortsetzung von S. 370 des vorhergehenden
                           Heftes.)
                        Radinger, über Dampfkessel auf der Wiener
                           Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           Kessel von Cater und Walker.
                           Ein bemerkenswerther und in mancher Beziehung von den bisherigen Systemen
                              abweichender Kessel war Cater's Patentkessel von Cater und Walker zu Southwark
                              bei London.
                           Der cylindrische Außenkessel von 4,26 Meter Länge und 2,13 Meter Durchmesser wurde
                              unten vorne von einem 2 Meter langen, 1,22 Meter breiten Rost geheizt. Die Gase
                              strömten am halben Kesselumfange, aber nicht ganz nach hinten; denn 74 Centimeter
                              vom Hinterboden entfernt schnitt quer in den Kessel eine unten und seitlich offene,
                              84 Centimeter hohe, 55 Centimeter breite Umkehrkammer, deren obere Vorderwand 42
                              eiserne Rohre von 95 Millimeter Weite aufnahm, während die Rückwand noch 19
                              Centimeter breit vom Wasser gekühlt blieb. Die Rohre zogen nun mit schwacher
                              Steigung nach aufwärts vornehm und mündeten in eine zweite (55 Centimeter tiefe)
                              Kammer, welche vorne in den Kessel eingeschoben erschien. Diese hatte mit dem
                              Außenkessel im Abstand von 16 Centimeter concentrische Seitenwände, während ihre
                              Höhe von 1 Meter durch ebene Blechflächen begrenzt wurde. Eine zweite Gruppe von 62
                              engeren Rohren (mit 75 Millimeter Weite) zog nun aus der oberen Hälfte dieser Kammer
                              wieder mit schwacher Steigung nach rückwärts und endete an dem Kesselboden, von wo
                              ein Blechschlot zur Esse ging.
                           Die vordere Kammer enthielt drei stehende, die rückwärtige ein liegendes Rohr von je
                              130 und 150 Millimeter Durchmesser eingenietet, welche sowohl die flachen Wände
                              mächtig versteiften, als auch dem Wasser eine gesunde Circulation erlaubten.
                           Die Kesselböden waren auch, und zwar durch je vier obere Eckwinkel versteift; der
                              vordere hatte noch zwei untere Eckwinkel, der rückwärtige aber Stehbolzen, welche
                              ihn mit der hinteren Umkehrkammerwand verbanden. Jeder Kesselboden war aus einem
                              Stücke und aufgebogen; der Hinterboden aber so weit ausgehauen, als es die
                              anstoßenden Rohre verlangten, welche durch ein eigens aufgenietetes Blech mündeten,
                              wie es die Vorsicht einer Reperatur verlangt. Der Außenkessel bestand aus fünf
                              conischen Trommeln aus 16 Millimeter dicken Blechen, deren Langstöße doppelt
                              genietet waren, was δ = 1,5 . Dp + 3 entsprechen würde.
                           In dem Prospecte, welcher für die Ausstellung gedruckt und dort vertheilt wurde,
                              erschien ein Dampfdom auf den Kessel gesetzt; in Wirklichkeit erhielt er aber einen
                              Dampfsammler von 2,6 Meter Länge und 1,2 Meter Durchmesser, welchen der einzige, 40
                              Centimeter weite Verbindungsstutzen balancirend trug. Es scheint also, daß der Dom
                              erst im letzten Augenblicke durch den Sammler verdrängt wurde. Oben am Sammler saß
                              das Dampfventil. Um aber die Bildung eines Wasserkegels unter dem Stutzen zu
                              vermeiden, wurde es nicht in dessen verticale Flucht sondern nach hinten gesetzt,
                              und um den Sammler doch wieder centrisch zu belasten, bog es sich mit einem
                              angegossenen Knierohr über die Mitte, so daß die Griffrad-Spindel horizontal
                              zu liegen kam.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 212, S. 456
                              Maßstab 1 : 100.
                              
                           Dieser Kessel stellte ein System dar, welches für den Transport ganz prächtig
                              geeignet ist, indem das Mauerwerk aus einem einfachen Bett für die Lagerung des
                              Kesselkörpers besteht, von jeder Stichflamme verschont bleibt und keine weitere
                              Anforderung an dasselbe herantritt. Die vordere Kammer hat zwei Aufschlagthüren, um
                              die Rohre durchfahren zu können, und eine Putzthüre hinten, welche die Umkehrkammer
                              zugänglich macht.
                           Armirt war der Kessel in gewöhnlicher Art. Er besaß zwei Wasserstandsgläser vorne,
                              ein Manometer oben (letzteres war zu Anfang der Ausstellung so angebracht, daß
                              es der Heizer von unten nicht sehen konnte) und zwei Sicherheitsventile am
                              Paarstutzen vorne mit Hebelbelastung. Eines der letzteren war in einem geschlossenen
                              Gehäuse untergebracht, welches in der Nähe der Ventilplatte vergittert erschien. Der
                              Kessel trug drei Aufsätze, einen für die Ventile, einen für den Dampfsammler und
                              einen für das Mannloch; alle drei waren mit aufgebogenem Rand geschmiedet und
                              aufgenietet. Der Mannloch-Deckel konnte, je nachdem es dem Heizer gefallen
                              mochte, als aufgeschraubt oder vorgelegt behandelt werden, indem die aufgeschraubte
                              Blechplatte einen elliptischen Mannloch-Deckel aus versteiftem Blech mittels
                              zweier Bügel hielt. Vorne unten am Kesselboden war noch ein zweites Mannloch mit
                              Vorlegdeckel angebracht, durch welches man in den Raum unter den Rohren
                              gelangte.
                           Der Betriebsdruck sollte im Maximum nicht mehr als vier Atmosphären betragen; die
                              Heizfläche stellte sich auf ca. 105 Quadratmeter, die
                              Rostgröße auf 2,4 Quadratmeter, d. i. 1/44 der ersteren. Die unteren Rohre gaben
                              0,30, die oberen 0,37 Quadratmeter Querschnitt, was 1/8 und 1/9 der Rostfläche
                              gleichkommt.
                           Man sieht daraus, daß der Rost gegenüber den Rohrquerschnitten schon ungewöhnlich
                              groß, gegenüber der Heizfläche aber zu klein erscheint. Dieses Mißverhältniß wird
                              auch durch den Umstand noch weiter klar gemacht, daß der Kessel laut Angabe für 50
                              Pferde Dampf liefert oder normal 50 Kubikfuß englisch (1,4 Kubikmeter) Wasser per Stunde verdampft. Daher entfallen per Quadratmeter Heizfläche nur 13 Kilogrm. (per Pferd 2,1 Quadratmeter Heizfläche), was ungefähr die
                              Hälfte dessen ist, was man von anderen guten Kesseln erhält, deren Querschnitte aber
                              nicht so unglücklich klein ausfallen wie hier. Ein zeitweiliges Forciren wird bei
                              diesem Kessel unmöglich sein, da schon für den normalen Betrieb ein stark ziehender
                              Kamin nöthig ist, um die Gase durch die drosselnden Rohre und über die scharfen
                              Biegungen zu führen.
                           Die als vorsichtig bekannten Reading Iron Worcks nahmen dieses Kesselsystem
                              empfehlend in ihren Katalog. In der Londoner Ausstellung 1862 waren drei solche
                              Kessel; der Wiener Kessel zeigte die Fabriksnummer 340; er wog 12.500 Kilo und war
                              zu Ende der Ausstellung um 650 Pfund Sterling feil.