| Titel: | Die chemische Grossindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873: von Professor Dr. A. Bauer. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XCII., S. 481 | 
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                        XCII.
                        Die chemische Grossindustrie auf der Wiener
                           Weltausstellung 1873: von Professor Dr. A. Bauer.
                        (Schluß von S. 414 des vorhergehenden
                           Heftes.)
                        Bauer, über die chemische Großindustrie auf der Wiener
                           Weltausstellung 1873.
                        
                     
                        
                           Ueber den seit der Wiener Weltausstellung durch Solvay und
                              Comp. in Couillet allgemein bekannt gewordenen und
                              vielfach besprochenen Schlösing-Rolland'schen
                              Sodaproceß mittels AmmoniumbicarbonatVergleiche die Mittheilung in diesem Journal Bd. CCXII S. 143. finden wir folgende Angaben:
                           
                              „Zwei Aussteller hatten diesen Ammoniakproceß repräsentirt und zwar der
                                 Deutsche Moriz Honigmann in Aachen und der Belgier
                                 Ernest Solvay in Couillet bei Charleroi. Der letztere
                                 erzeugt täglich im regelmäßigen Betriebe circa 300
                                 Centner Soda nach dem Ammoniakverfahren und scheint daher wirklich alle
                                 Schwierigkeiten überwunden zu haben, welche sich demselben bei früheren
                                 Versuchen entgegenstellten. Die Firma Ernest Solvay
                                 und Comp. hatte übrigens schon in Paris 1867 eine
                                 nach diesem Verfahren dargestellte Soda ausgestellt; allein damals hatten sie
                                 noch keine Fabrikation im großen Maßstabe durchgeführt und wurden nur mit der
                                 Broncemedaille belohnt, während ihnen ihre Leistungen in Wien das Ehrendiplom
                                 eintrugen. Aber nicht der Umstand, daß die allgemeine Aufmerksamkeit in Paris
                                 sich „nicht dieser Sache ihrer Wichtigkeit entsprechend zugewendet
                                    hätte,“ wie es in einem anderen BerichteLieben: Officieller Ausstellungsbericht etc.
                                       Heft 41. heißt, sondern weil damals Solvay
                                 thatsächlich das Verfahren noch nicht im vollen Maße durchgeführt hatte, waren
                                 die Ursachen für die genannte Beurtheilung.
                              
                           
                              Forschen wir in der Geschichte dieser Methode nach, so begegnen wir einer
                                 stattlichen Reihe von Patenten, welche seit dem Jahre 1838 auf dieselbe ertheilt
                                 wurden, und ohne auf Vollständigkeit Anspruch machen zu wollen, führen wir hier
                                 die folgenden Patentnehmer an. Harrison Grey Dyar und
                                 John Hemming am 19 December 1838. Delaunay in Paris am 27. Mai 1839, Henry Watterton 1840, Canning in
                                 Paris 1842, Grimes in Paris 1852, Türck in Nancy 1854, Schlösing in Paris 1854, W. Gossage 1854,
                                 Johnson für Deacon
                                 1855, Corradoux Bellfort 1855, Th. Bell 1857, Schlösing und
                                 Rolland 1858, Ernest Solvay in Brüssel 15. April 1861, 12. September 1863 und 18. Mai 1872,
                                 endlich im Jahre 1872 Jules Boulouvard in Marseille,
                                 J. Young und W. Gossage.
                              
                           
                              Im Jahre 1861 hatte E. Solvay blos eine Versuchsfabrik
                                 errichtet und diese führte im Jahre 1863 zur Gründung einer Gesellschaft und der
                                 Errichtung einer Fabrik in Couillet. Vor dieser Zeit hatten blos Schlösing und Rolland
                                 gelungene Versuche in größerem Maßstabe auf einer Versuchsfabrik bei Paris
                                 gemacht und ihr Verfahren in einer sehr bemerkenswerthen AbhandlungAnnales de Chimie et de Physique IV s., t. XIV, p.
                                       5. beschrieben und erhielten deshalb bei Gelegenheit der Wiener
                                 Weltausstellung ebenfalls das Ehrendiplom. Die Ausführung des neuen Verfahrens
                                 wird in seinen Details selbstverständlich noch geheim gehalten und wir wissen
                                 nur, daß man einen senkrechten Cylinder benützt, der mit Siebböden versehen ist,
                                 und in welchen die Salzlösung mit Ammoniak und Kohlensäure behandelt wird, die
                                 an den entgegengesetzten Enden des Apparates eintreten. Es wird
                                 Natriumbicarbonat gefällt, welches sich auf den Siebböden sammelt. In wie weit
                                 diese Reaction durch Druck unterstützt wird, ist uns nicht bekannt.
                              
                           
                              Ich habe mich durch Versuche in meinem Laboratorium davon überzeugt, daß sich
                                 eine wässerige Lösung von Salmiak mit einer solchen von Natriumcarbonat auch bei
                                 niedriger Temperatur im Ammoniumcarbonat und Chlornatrium umsetzt – eine
                                 Reaction, welche sehr rasch und vollständig erfolgt, wenn man beide Substanzen
                                 in wässeriger Lösung erhitzt.
                              
                           
                              Die Gegenwart von viel Salmiak in der Flüssigkeit gegen Ende des Processes wirkt
                                 daher wohl störend und mag vielleicht die Bildung von Natriumbicarbonat hindern.
                                 Jedenfalls lernen wir aber aus dem Gesagten, daß alle Ursachen, welche die
                                 Zersetzung des einmal gebildeten und abgeschiedenen Bicarbonates befördern, also
                                 z.B. die Temperaturerhöhung, sorgfältig gemieden werden müssen, während rasches
                                 Entfernen des erhaltenen Productes und die Anwendung eines höheren Druckes ohne
                                 Temperaturerhöhung, wodurch die Flüssigkeit befähigt wird Kohlensäure
                                 zurückzuhalten, den Proceß unterstützen mag.
                              
                           
                              Da immer nur jene Menge von Soda gewonnen werden kann, welche aus dem unlöslich
                                 abgeschiedenen Natriumbicarbonat resultirt und der in Lösung gebliebene Rest,
                                 schon der obenerwähnten Rückbildung durch Salmiak wegen, nicht gewonnen werden
                                 kann, so dürfte es auch kaum möglich sein den Ammoniakproceß auf Chlorkalium
                                 (oder direct auf Carnallit) anzuwenden, um Potasche zu bekommen, da das
                                 Kaliumbicarbonat viel leichter löslich ist als das entsprechende Natriumsalz. In
                                 der That habe ich bei diesbezüglichen Versuchen, welche ich schon vor einigen
                                 Jahren mit Hrn. B. Babel in meinem Laboratorium
                                 ausführte, nur ungenügende Resultate erhalten. Die Bildung des
                                 Kaliumbicarbonates aus Chlorkalium-Lösung durch Ammoniak und Kohlensäure
                                 erfolgte zwar leicht, jedoch nur bei Anwendung eines Ueberdruckes von circa 1/2 Atmosphäre und die erhaltene Menge von
                                 Kaliumcarbonat entsprach nur 22 Procent der angewendeten Quantität von
                                 Chlorkalium.
                              
                           
                              Der Ammoniak-Sodaproceß erinnert übrigens an den von Weldon
                                 Dingler's polytechn. Journal, 1866 Bd. CLXXXI
                                       S. 77. gemachten Vorschlag Natriumbicarbonat (und Soda) aus
                                 Kochsalz-Lösung durch Kohlensäure und Magnesia darzustellen. Es bildet
                                 sich Magnesiumbicarbonat, welches nur in Lösung existiren kann und das Kochsalz
                                 unter Abscheidung von schwerlöslichem Natriumbicarbonat und löslichem
                                 Chlormagnesium zersetzt. Weldon schlug vor, das
                                 erhaltene Chlormagnesium durch Erhitzen in Magnesia und Salzsäure zu zerlegen
                                 und glaubte, daß die erhaltene Salzsäure allein die Gesammtkosten für das ganze
                                 Verfahren zu decken vermöge!
                              
                           
                              Uebrigens hat ja Hugo Müller
                                 Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1870 S. 40. nachgewiesen, daß sogar Kohlensäure allein das Kochsalz zu zerlegen
                                 vermag, wenn sich letzteres in Lösung befindet.“
                              
                           Uebergehend auf die Chlorbereitung im Großen finden wir
                              die Regeneration des Braunsteins aus den Manganlaugen nach Weldon und den Deacon'schen
                              Chlorerzeugungsproceß ausführlicher behandelt.
                           Ueber Weldon's
                              Dingler's polytechn. Journal, 1869 Bd. CXCIV S.
                                    51. Methode der Wiedergewinnung des Braunstein wird gesagt:
                           
                              „Diese kann als eine wesentliche Modification der in der großen Tennant'schen Fabrik zu Glasgow ausgeführten Dunlop'schen Methode angesehen werden, und während
                                 diese die Umsetzung des Manganchlorürs mit kohlensaurem Kalk und Wasserdampf von
                                 mehreren Atmosphären Spannung und Erhitzen der gebildeten Mangancarbonate auf 400° C.
                                 durchführt, fällt Weldon die durch Zusatz von
                                 kohlensaurem Kalk gereinigte Manganlauge mit einem Ueberschuß von Kalk und
                                 oxydirt den erhaltenen Niederschlag durch einen Luftstrom, wodurch sich das zur
                                 Chlorentwickelung geeignete Calciummanganit bildet.Dingler's polytechn. Journal, 1871 Bd. CCI S.
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                              Nach der Ansicht Weldon's hat das Calciummanganit die
                                 Zusammensetzung MnO₂CaO und bei Zersetzung desselben durch Salzsäure,
                                 behufs der Chlorentwickelung, liefert dasselbe neben Chlor und Wasser,
                                 Manganchlorür und Chlorcalcium (6 HCl + MnO₂CaO = MnCl₂ +
                                 CaCl₂ + Cl₂ + 3 H₂O oder MnO₂, CaO + 3 HCl = MnCl +
                                 CaCl + Cl + 3 HO). Werden diese Chlorverbindungen neuerdings durch das
                                 Regenerationsverfahren in den Kreis der Fabrikation einbezogen und mit Kalk
                                 gefällt, so geht das ganze gebundene Chlor als Chlorcalcium in eine Lauge, für
                                 welche bisher keine genügende Verwendung existirt. Diese gebundene Menge von
                                 Chlor beträgt jedoch, wie obige Gleichung zeigt, 2/3 des in der angewendeten
                                 Salzsäure-Menge enthaltenen Chlors und obgleich man hofft, durch
                                 Anwendung von Magnesia anstatt des Kalkes diesem Verluste vorzubeugen, da das an
                                 Stelle des Chlorcalciums erhaltene Chlormagnesium wieder in Chlor und Magnesia
                                 zerlegt werden könnte, fordert diese Thatsache doch eine sorgfältige Erwägung
                                 des Kostenpunktes und des Säureverbrauches. Hierbei kann jedoch nicht unerwähnt
                                 bleiben, daß die Zersetzung des Mangansuperoxyd-Schlammes
                                 (Calciummanganit) durch Salzsäure viel weniger Arbeit und Brennmaterial
                                 erfordert als die des nativen Superoxydes (Braunstein), welches übrigens immer
                                 mehr oder weniger fremde Oxyde enthält, die ebenfalls einen Theil der Salzsäure
                                 consumiren.
                              
                           
                              Nach Weldon's Ansicht braucht man für eine Tonne
                                 Chlorkalk nach seiner Methode arbeitend 170 Kubikfuß Salzsäure von 24 Grad Tw.
                                 oder 2832 Pfund reiner Chlorwasserstoffsäure.
                              
                           
                              Es ergibt sich nun zunächst die Frage, wie viel Kochsalz in den Sodafabriken
                                 verbraucht wird, um diese Menge von Salzsäure zu erzeugen? Bei Beantwortung
                                 derselben wird nicht so sehr die größere oder geringere Reinheit des Salzes in
                                 Betrachtung kommen, als vielmehr die richtig durchgeführte Zersetzung desselben
                                 im Sulfatofen und die vollständige Condensation der entwickelten Salzsäure, bei
                                 welcher es sich wieder nicht so sehr um eine vollständige Condensation handelt
                                 – – die ja unter allen Umständen möglich ist – als um eine
                                 derartige Durchführung des Condensationsprocesses, daß möglichst viel
                                 concentrirte, direct zur Chlorentwickelung geeignete Säure erhalten werde und
                                 nur wenig in den Waschthürmen als verdünnte Säure niedergeht. Diese Aufgaben
                                 werden durch das Weldon'sche Verfahren wesentlich
                                 dadurch unterstützt, daß zur Zersetzung des regenerirten Braunsteines eine mäßig
                                 concentrirte Salzsäure genügt.
                              
                           
                              Wären alle Materialien chemisch rein und gingen die Processe ganz glatt, den
                                 theoretisch berechneten Zahlen entsprechend, vor sich, so wäre zur Darstellung
                                 der obengenannten für eine Tonne Chlorkalk nöthigen Menge von 2832 Pfund reiner
                                 Chlorwasserstoff-Säure 45 Centner 38 Pfund Chlornatrium nöthig. Die
                                 Condensation der Säure wurde in Folge der Alkali-Acte in England so
                                 verbessert, daß sich die Verluste an dieser Säure gegenwärtig in gut geleiteten
                                 Fabriken nur auf Bruchtheile von Procenten veranschlagen lassen, und nach C. Clapham ist kaum zu zweifeln, daß die oben angeführte
                                 Menge von 2832 Pfd. reiner Chlorwasserstoff-Säure „von je 46
                                    Centner zersetzten Kochsalzes verdichtet wird.“ Nach Weldon ist aber die in Sodafabriken condensirte Säure
                                 mit Ausnahme von 2 bis 3 Procent vollkommen geeignet, um in die
                                 Chlorbereitungs-Blasen gebracht werden zu können. Die Menge von 2832 Pfd.
                                 Salzsäure, welche als zur Bereitung von einer Tonne Bleichkalk nothwendig
                                 angegeben wurde, ließe sich übrigens wohl um eine beträchtliche Summe
                                 vermindern, da immer eine große Menge von freier Salzsäure aus den Blasen
                                 abfließt, welche dann später durch einen Ueberschuß von Kalk neutralisirt werden
                                 muß. Weldon selbst gibt an, daß viele Fabrikanten
                                 Englands, nach seinem Verfahren arbeitend, für je 56 Centner zersetzten
                                 Kochsalzes eine Tonne Bleichkalk erzeugen, was obigen berechneten Zahlen
                                 entsprechend nur einen ganz geringen Mehrbedarf erfordert, der übrigens zum
                                 Theil auf Rechnung der Feuchtigkeit und der Verunreinigung des Kochsalzes zu
                                 setzen ist.
                              
                           
                              Weldon's Verfahren gestattet somit einen geringeren
                                 Verbrauch von Salzsäure, beziehungsweise eine bessere Ausnützung der als
                                 Nebenproduct der Sulfatbereitung fallenden Säure, allein das erste Ziel Weldon's war doch die Ersparniß an Braunstein und in
                                 dieser Beziehung gibt er folgendes an.
                              
                           
                              Die Kosten, welche gegenwärtig die für eine Tonne Bleichkalk nöthige Menge von
                                 natürlichem Braunstein in England verursachen, betragen 5 Pfund Sterling 12
                                 Shilling und sinken bei Anwendung des Regenerationsverfahrens auf 1 Pfd. 10
                                 Shilling bis 2 Pfd. Sterling. Der thatsächliche Verlust an Mangansuperoxyd,
                                 welcher beim Regenerationsverfahren beobachtet wird, beträgt bei sehr
                                 sorgfältiger Arbeit höchstens 3 Procent. Im Durchschnitte jedoch gegenwärtig 7
                                 Proc., d.h.: wenn 100 Tonnen Bleichkalk dargestellt werden, sind sieben davon durch das mit
                                 neuem nativem Braunstein erzeugte Chlor dargestellt. Die Menge von Kohle, welche
                                 verbraucht wird, beziffert sich auf 12 Centner per
                                 Tonne Bleichkalk und die Menge von Kalk ebenfalls auf 12 Centner und von
                                 Kalkstein auf 4 Centner.
                              
                           
                              Der mit Chlor durch Weldon's Calciummanganit erhaltene
                                 Chlorkalk ist angeblich reiner und hochgradiger als bei Anwendung von nativem
                                 Braunstein, da das Chlor selbst reiner und frei von Kohlensäure ist. Das neue
                                 Verfahren wird in England bereits für die jährliche Erzeugung von 50. 000 Tonnen
                                 Chlorkalk verwendet und soll bald für weitere 25. 000 Tonnen in Betrieb
                                 treten.“
                              
                           Zu Deacon's allgemein bekannter Methode der Chlorgasbereitung
                              Dingler's polytechn. Journal, 1870 Bd. CXCVIII S.
                                    540. sei auf nachfolgende statistische Daten und Angaben verwiesen:
                           
                              „Deacon's Verfahren ist in acht oder neun
                                 englischen und zwei deutschen Fabriken in Anwendung und liefert, nach des
                                 Erfinders Angabe, etwas mehr als 1 Tonne 35procentigen Chlorkalk für je 1 1/2
                                 Tonnen des im Sulfatofen zersetzten Salzes, unter Anwendung von 1 Tonne
                                 Kohlenklein. Ein kleiner Theil der angewendeten Säure geht aus bisher nicht
                                 bekannten Ursachen verloren. Allein der allgemeinen Einführung des Verfahrens in
                                 der Industrie stellten sich, nach derselben Angabe, bisher blos technische
                                 Schwierigkeiten, welche in der Construction der Apparate liegen, entgegen. Der
                                 Erfinder hat in jüngster Zeit die wichtige Wahrnehmung gemacht, daß der Zusatz
                                 von Salzen, wie Natriumsulfat und Kaliumsulfat zum Kupfervitriol, die
                                 Verflüchtigung des Kupferchlorides innerhalb der einzuhaltenden
                                 Temperaturgrenzen hindert und den Vorgang der Zersetzung der Salzsäure
                                 erleichtert. Diese Modification wurde im Laufe des September 1873 in der
                                 chemischen Fabrik des Erfinders zu Widneß (Lancashire) in größerem Maßstabe
                                 eingeführt.“
                              
                           Der specielle Theil des Berichtes ist nach Ländern
                              geordnet und bringt Angaben über jene Fabrikationszweige der chemischen
                              Großindustrie und jene Firmen, welche auf der Ausstellung vertreten waren. Wir
                              finden da die hervorragendsten Etablissements eingehend besprochen und statistische
                              Daten mitgetheilt, die mit vieler Mühe und Fleiß zusammengestellt sind. Wer über
                              einzelne Fabrikationszweige nähere statistische Aufschlüsse sucht, dem sei dieser
                              Theil des Berichtes anempfohlen. Wir heben nur die Notiz über die interessante
                              Verwerthung eines Abfallproductes der Eisenverhüttung hervor.
                           
                              „Die Fabrik chemischer Producte von Carl Rademacher und Comp. in Prag zeichnete sich
                                 namentlich durch die Ausstellung von phosphorsauren Salzen aus, die aus solchen Phosphaten
                                 dargestellt waren, welche bei dem Entphosphoren der Eisenerze nach Jul. Jacoby's Verfahren in Kladno entstehen.
                              
                           
                              Dieses VerfahrenVergl. Dingler's polytechn. Journal, 1871 Bd.
                                       CCI S. 245. besteht darin, daß die Erze mit einer Säure des Schwefels, und zwar am
                                 besten und billigsten mit schwefliger Säure behandelt werden, wodurch die
                                 vorhandenen unlöslichen basischen Phosphate in saure löslich Phosphate
                                 übergeführt werden und in Lösung gehen. Aus der erhaltenen Lösung wird durch
                                 bloßes Erhitzen ein Theil der vorhandenen Thonerde und Eisenphosphate
                                 abgeschieden, oder es wird die Lösung mit Kalk versetzt und der hierbei
                                 entstandene Niederschlag der Landwirthschaft oder der chemischen Industrie
                                 zugeführt.
                              
                           
                              Die Zusammensetzung des durch Erhitzung ausgeschiedenen Niederschlages, wie ihn
                                 Rademacher's Fabrik auf Alaun verarbeitet, ist
                                 nicht constant und die folgenden Analysen geben einen Anhaltspunkt zur
                                 Beurtheilung derselben.
                              
                           
                              100 Theile dieses Niederschlages enthielten, bei mehreren Versuchen:
                              
                           
                              
                                 
                                    Phosphorsäure
                                    20,74
                                    22,72
                                    24,20
                                    22,12
                                    
                                 
                                    Thonerde
                                    22,72
                                    25,03
                                    25,34
                                    27,15
                                    
                                 
                                    Eisenoxyd
                                      1,56
                                      1,78
                                      2,96
                                      2,82
                                    
                                 
                                    Unlösliches
                                      7,07
                                      4,59
                                      3,74
                                      4,20
                                    
                                 
                                    Wasser
                                    38,06
                                    36,19
                                    35,79
                                    33,16
                                    
                                 
                                    Schwefelsäure
                                      9,51
                                      9,11
                                      8,89
                                    10,08
                                    
                                 
                              
                           
                              Seit Beginn der Verarbeitung der Kladnoer Phosphate am Anfang des Jahres 1873
                                 wurden bis September desselben Jahres etwa 1800 Centner Kalialaun aus denselben
                                 dargestellt und die hierbei gewonnene Lösung von Phosphorsäure, welche circa 25 procentig war, auf Kalksuperphosphat mit 21
                                 bis 23 Procent Phosphorsäuregehalt verarbeitet. Der Alaun wird größtentheils als
                                 krystallisirter Alaun in den Handel gebracht und nur ein kleiner Theil davon als
                                 gebrannter Alaun zum Klären von Flüssigkeiten verkauft.
                              
                           
                              Dieselbe Firma beschäftigt sich auch mit der Darstellung von schwefelsaurer
                                 Thonerde aus Kryolith. Diese Industrie wurde von derselben im Jahre 1863 in
                                 Oesterreich eingeführt, und obwohl es anfangs schwer war dem Producte Bahn zu
                                 brechen, hat es jetzt, wenigstens in den Papierfabriken, allgemeineren Eingang
                                 gefunden. Rademacher erzeugt jährlich circa 15.000 Centner schwefelsaure Thonerde aus
                                 Kryolith, mit einem constanten Gehalte von 14,75 Proc. wasserfreier Thonerde und
                                 frei von Eisen und freier Schwefelsäure.“
                              
                           
                           Zum Schluß noch das interessante historische Factum, daß schon im Jahr 1838 in einem
                              chemischen Etablissement bei Feldkirch Rohsoda erzeugt
                              wurde. Der Bericht theilt nämlich mit:
                           
                              „Die chemische Fabrik von J. E. Ebenhoch in Levis bei Feldkirch (Vorarlberg) wurde im
                                 Jahre 1824 von Xaver Fidel Ebenhoch gegründet und
                                 erzeugte ursprünglich in einem kleinen Bleikammer-System Schwefelsäure,
                                 dann Salz- und Salpetersäure, Glaubersalz, Zinnsalz und Kupfergrün. Im
                                 Jahre 1836 wurde die ganze Fabrik, namentlich auch das Bleikammer-System
                                 vergrößert, und im Jahre 1838 ein Sodaofen und Chlorkalk-Kammern
                                 aufgestellt. Bis zum Beginn der fünfziger Jahre waren Chlorkalk, Sulfat und
                                 Rohsoda (für Seifensieder) die Hauptproducte. Zur Darstellung der letzteren
                                 bediente man sich des Kochsalzes von Hall in Tirol, welches in Levis auf 7 2/3
                                 fl. südd. Währung pro Centner zu stehen kam, was mit
                                 ein Grund war, daß die Fabrikation bald wieder aufgegeben wurde. Später wurde
                                 die Darstellung des Alaunes aus Thon, sowie die Destillation des Holzes, nebst
                                 Gewinnung holzessigsaurer Salze eingeführt, welche neben
                                 Schwefelsäure-Erzeugung, dann Bereitung von Pariser- und
                                 Mineralblau etc. auch heute noch betrieben werden.“
                              
                           
                              St.