| Titel: | Das sogenannte Ammoniakverfahren der Sodafabrikation; von Dr. K. List. | 
| Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XCVI., S. 507 | 
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                        XCVI.
                        Das sogenannte Ammoniakverfahren der
                           Sodafabrikation; von Dr. K. List.Vom Hrn. Verfasser gefälligst eingesendeter Separatabdruck aus der Zeitschrift
                                       des Vereines deutscher Ingenieure, 1874 Bd. 18 S. 93.
                           
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        List, über das Ammoniaksodaverfahren.
                        
                     
                        
                           Es liegt in der Eigenthümlichkeit der chemischen Industrie begründet, daß auf ihrem
                              Gebiete manche der wichtigsten Erfindungen sehr lange Zeit gebraucht haben, um sich
                              aus einem im Laboratorium gelungenen Versuche zu einem lebensfähigen
                              Fabrikationszweige zu entwickeln. Das schlagendste Beispiel hierfür liefert wohl die
                              Geschichte der Schwefelsäure. Schon im Jahre 1736 ist in England das in Frankreich
                              von Lefevre und Lemerie
                              angegebene Princip der heutigen Fabrikationsmethode ausgeführt worden, aber erst das
                              Jahr 1810 darf man als den Zeitpunkt ansetzen, von welchem die allgemeine Einführung
                              der englischen Fabrikationsmethode der Schwefelsäure datirt; denn erst nachdem in
                              diesem Jahre Holker in Rouen das System der
                              continuirlichen Verbrennung in Anwendung gebracht hatte, hat sie sich von dort aus
                              über alle Länder verbreitet.
                           Eine so langsame, sich über mehr als 70 Jahre hinschleppende Entwickelung würde nun
                              freilich in unserem rasch lebenden Zeitalter, wo die Industrie jeder Errungenschaft
                              der Wissenschaft geradezu auflauert, wohl nicht möglich sein. Und doch erleben wir
                              heute, daß eine Erfindung, die schon vor 35 Jahren patentirt worden ist, erst jetzt
                              in der chemischen Großindustrie mehrfach eingeführt wird und bestimmt zu sein
                              scheint, einen ihrer wichtigsten Zweige umzugestalten, wenn nicht auf ihrem ganzen
                              Gebiete eine durchgreifende Umwälzung zu verursachen. Auf das sogenannte
                              Ammoniakverfahren der Sodafabrikation – d.h. die Methode, kohlensaures Natron
                              mittels der Zersetzung von Kochsalz durch zweifach kohlensaures Ammoniak
                              darzustellen – ist 1838 von Hemming und Dyar in England ein Patent genommen; 1854 ist es zweimal
                              patentirt, in Frankreich an Türck, und an Th. Schlösing in Paris für Großbritannien und Frankreich.
                              Letzterer richtete 1855 in Gemeinschaft mit E. Rolland
                              eine Fabrik zu Puteaux bei Paris ein, welche aber 1858 schon wieder einging, weil
                              die Salzsteuer keine hinreichend vortheilhafte Production zuließ. Vor weiteren
                              Versuchen im Großen mögen auch wohl die Resultate abgeschreckt haben, welche Heeren 1858 bei der Untersuchung der Reactionen erhielt, welche dem
                              Verfahren zu Grunde liegen. Der Theorie nach müßte ein einfacher Umtausch zwischen
                              je einem Molecül Chlornatrium und einem Molecül zweifach kohlensaurem Ammoniak
                              stattfinden, indem sich Salmiak und zweifach kohlensaures Natron (Bicarbonat)
                              bilden, welches letztere sich dann seiner Schwerlöslichkeit wegen aus der
                              Flüssigkeit ausscheidet; Heeren fand aber bei seinen
                              Versuchen, daß weniger als die Hälfte des Kochsalzes zersetzt wurde, wenn er nicht
                              einen Ueberschuß von Ammoniak anwendete, dessen Wiederverwerthung zu schwierig sei,
                              um nicht leicht beträchtliche Verluste zu verursachen, und seine
                              Rentabilitätsberechnungen ergaben, daß die Darstellung von einfach kohlensaurem Natron nach dem Ammoniakverfahren keinen Gewinn
                              abwerfen könne, während freilich sich die Rechnung für das Bicarbonat günstiger
                              herausstellte. Dessenungeachtet war auf der Pariser Ausstellung 1867 von Ernst Solvay in Couillet nach dem Ammoniakverfahren erzeugte
                              Soda ausgestellt und, während in der Zwischenzeit über weitere Erfolge dieser
                              Methoden Schweigen herrschte, hat man jetzt auf der Wiener Ausstellung gehört, daß
                              sie in mehreren Fabriken seit längerer Zeit schon in regelmäßigem Betriebe ist; daß
                              sie in Couillet täglich 250 bis 500 Ctr. Soda, im Jahre 80,000 Ctr. liefert; in
                              Aachen bei M. Honigmann und auch in Kasan schon seit
                              mehreren Jahren ausgeführt wird. Wenn wir ferner erfahren, daß sie auch schon in
                              England, z.B. in Liverpool und Preston, festen Fuß gefaßt hat, so müssen wir es für
                              vollkommen berechtigt halten, daß die internationale Jury in Wien sowohl Schlösing und Rolland wie
                              Ernst Solvay mit der nur Wenigen zuerkannten höchsten
                              Auszeichnung (Ehrendiplom) geehrt hat. Um aber ihr Verdienst recht zu würdigen und
                              zu begreifen, weshalb von gewichtigen Stimmen der Sodafabrikation eine
                              UmwälzungA. W. Hofmann im amtlichen deutschen
                                    Ausstellungs-Kataloge, S. 98 und R. Wagner
                                    in Dingler's polytechn. Journal, 1873 Bd. CCIX S.
                                    282. durch das Ammoniakverfahren prophezeit ist, müssen wir erörtern, welche
                              Vorzüge sie vor der bis jetzt allgemein angewendeten Methode von Leblanc besitzt.
                           Man hat der letzteren vielfach nachgerühmt, daß sie noch heute in derselben Weise
                              ausgeführt werde, wie Leblanc sie hinstellte, ohne daß
                              man wesentliche Verbesserungen habe auffinden können. Immerhin ist es doch aber eine
                              sehr zweifelhafte Ehre, als unverbesserlich zu gelten, und die zahlreichen Versuche,
                              ein anderes Verfahren zu finden, bezeugen, daß man Mängel an dem allgemein üblichen
                              erkannt hat. Die Bemühungen zielten hierbei vorzüglich darauf hin, die Verwandlung
                              des Chlornatriums in
                              kohlensaures Salz auf directerem Wege zu erreichen, als es bei dem Leblanc'schen Verfahren geschieht. Dieses erfordert ja
                              zuerst die Bereitung von Schwefelsäure aus Schwefel oder Kiesen, dann folgt eine
                              ganz in sich abgeschlossene Fabrikation, die Zersetzung des Kochsalzes durch die
                              Schwefelsäure in Sulfat und Salzsäure, woran sich wieder als besonderer
                              Fabrikationszweig die Umwandlung des Sulfates in rohe Soda und endlich die
                              Auslaugung der letzteren und das Eindampfen der Lauge resp. das Krystallisirenlassen
                              der Soda anreihen. Keines der hierbei entstehenden Nebenproducte kehrt wieder in den
                              Bereich dieser Fabrikation zurück, und die Massen von Abfallstoffen häuften sich
                              in's Unendliche an. Erst seit Einführung der Regeneration des Schwefels hat man
                              begonnen, in der Sodafabrikation einen Kreislauf einzuführen, wie er das Kennzeichen
                              einer wahrhaft rationellen Fabrikationsmethode ist, und wie in dessen möglichst
                              vollkommener Durchführung neben einer directen Umwandlung des Chlornatriums in
                              kohlensaures Salz gerade der Vorzug des Ammoniakverfahrens besteht.
                           Eine concentrirte Lösung von Chlornatrium, meistens erhalten durch Auslaugen von
                              Steinsalz, wird mit Ammoniakgas und Kohlensäure gesättigt, wobei sich unter Bildung
                              von Salmiak kohlensaures Natron als doppeltkohlensaures Salz (Bicarbonat)
                              ausscheidet, wie solches am einfachsten die folgende Gleichung ausdrückt: NaCl + NH₄O, 2CO₂ = NH₄Cl +
                                 NaO, 2CO₂ oder NaCl +
                              NH₄HCO₃ =NH₄Cl + NaHCO₃. Das Bicarbonat wird abfiltrirt,
                              die Flüssigkeit eingedampft und mit Kalk oder Magnesia versetzt, um das zu neuen
                              Mengen von kohlensaurem Ammoniak nöthige Ammoniakgas zu liefern; aus dem Bicarbonat
                              wird durch Erhitzen die Hälfte der Kohlensäure ausgetrieben und tritt ebenfalls in
                              den Kreislauf wieder ein. Wenn bei der Ammoniakentwickelung Magnesia verwendet wird,
                              so läßt sich das hierbei entstandene Chlormagnesium durch Erhitzen mit Wasserdampf
                              in Salzsäure und Magnesia verwandeln, welche nun ebenfalls bei der
                              Ammoniakentwickelung einen Kreislauf möglich macht. Als Nebenproducte bleiben dann
                              nur die Salzsäure, in welcher der Chlorgehalt des angewendeten Kochsalzes sich
                              wiederfindet, und, falls die Kohlensäure durch Glühen von Kalkstein gewonnen wird,
                              gebrannter Kalk übrig, welche beide leicht eine vortheilhafte Verwendung finden. Auf
                              solche Weise wird also das einmal entwickelte Ammoniakgas benützt, um unbegrenzte
                              Mengen von Kochsalz zu zersetzen, und nur durch die in der Praxis unvermeidlichen
                              Verluste wird eine Recrutirung durch geringe Mengen von Salmiak nothwendig gemacht.
                              Dieses ergibt sich auf klare Weise aus den Angaben, welche M. Honigmann über die zum Betriebe nöthigen Materialien gemacht hat. Er gibt für die Erzeugung
                              von täglich 100 Ctr. Soda einen Verbrauch von nur 5 Ctr. Salmiak an, während doch,
                              wenn das Ammoniak nur einmal wirkte, zur Production von
                              100 Ctr. Soda auch 100 Ctr. Salmiak erforderlich wären.
                           Da von der praktischen Ausführung dieses in mehrfacher Hinsicht so interessanten
                              Processes weiter keine näheren Angaben bekannt geworden sind, so habe ich im
                              folgenden zunächst das Wesentlichste von dem zusammengestellt, was in Solvay's englischen Patenten darüber mitgetheilt ist.
                           E. Solvay hat sich zweimal ein Patent für sein Verfahren
                              geben lassen. In der Specification vom J. 1863 sind sämmtliche dabei verwendete
                              Apparate beschrieben; 1872 ist nur eine verbesserte Einrichtung des zur Absorption
                              der Kohlensäure dienenden Apparates und der zur Entwässerung resp. Umwandlung des
                              Bicarbonates in Soda dienenden Vorrichtungen patentirt und beschrieben.
                           Die Umwandlung des Kochsalzes in Bicarbonat geschieht in drei zusammenhängenden
                              Apparaten, von denen der erste zur Bereitung der concentrirten Salzlösung, der
                              zweite zum Sättigen dieser Lösung mit Ammoniak und der dritte zur Zersetzung der
                              ammoniakalischen Flüssigkeit durch Kohlensäure dient.
                           Die Bereitung der Salzlösung geschieht in einem niedrigen Reservoir aus Eisen, Stein
                              oder Holz, welches durch senkrechte Scheidewände in sechs oder mehr Abtheilungen
                              getheilt ist, von denen jede mit der benachbarten so communicirt, daß das in die
                              erste eingelassene Wasser in Schlangenwindungen bis in die letzte gelangt. Dieses
                              Reservoir wird mit Salz gefüllt und Wasser durch eine Oeffnung eintreten gelassen,
                              welche sich dicht über dem Boden in einer der Ecken befindet, und in welche ein Rohr
                              einmündet, das von dem Boden eines daneben stehenden, mit Wasser gefüllten Kastens
                              kommt. Dieser ist ebenfalls durch eine Scheidewand in zwei Abtheilungen getheilt; in
                              die erste – dem Auslaugebassin zugewendete – fließt aus einem mit Hahn
                              versehenen Rohre beständig Wasser; da nun die Scheidewand nicht höher ist als die
                              Scheidewände im Auslaugebassin, so wird die Flüssigkeit in beiden stets in gleicher
                              Höhe erhalten. Das über die Scheidewand im Wasserkasten überfließende Wasser fließt
                              aus der zweiten Abtheilung durch ein Rohr wieder ab. Auf dem Wege durch die
                              verschiedenen Abtheilungen des Auslaugebassins verwandelt sich das Wasser in eine
                              gesättigte Salzsoole. Da eine solche etwas zu stark ist, so läßt man in die letzte
                              Abtheilung einen constanten Wasserstrahl einfließen, der sie von 25 Grad des
                              Aräometers auf 23 bis 24 Grad bringt. Die letzte Abtheilung ist geräumiger als die übrigen und
                              enthält eine Filtrirvorrichtung, welche die Unreinigkeiten der Salzsoole zurückhält,
                              wenn sie in den Apparat übergeht, in welchem sie mit Ammoniak gesättigt wird. Dieser
                              ist ein mehr hohes als weites (cylindrisches?) Gefäß aus verzinntem Eisenblech oder
                              aus Blei mit einer Bekleidung von Holz; es steht tiefer als das Auflösungsbassin und
                              communicirt mit dessen letzter Abtheilung mittels eines Rohres, welches von dem
                              Boden des einen zu dem Boden des anderen führt. Hierdurch ist bewirkt, daß die
                              Niveaus der Flüssigkeiten in beiden sich nach dem Gesetze der communicirenden Röhren
                              richten müssen. Das zweite Gefäß hat einen durchlöcherten Boden, unterhalb dessen
                              das Ammoniakgas einströmt, welches nun durch die Löcher in viele einzelne Blasen
                              zertheilt, leicht von der Salzsoole absorbirt wird. Hierbei nimmt die Flüssigkeit
                              bedeutend an Volumen zu, während ihre Dichtigkeit von 23 bis 24 Aräometergraden bis
                              auf 13 bis 16 Grade abnimmt; da nun nach dem Gesetz der communicirenden Gefäße in
                              demselben Verhältniß das Niveau steigt, so bietet dieses Verhalten ein einfaches
                              Mittel, um den Gang so zu reguliren, daß auch aus dem zweiten Apparate nur eine mit
                              Ammoniak hinreichend gesättigte Flüssigkeit austreten kann. Es ist hierbei nur
                              erforderlich, ein seitliches Ausflußrohr in der Höhe anzubringen, bis zu welcher die
                              Flüssigkeit steigt, wenn ihre Dichtigkeit bis zu 16 Grad abgenommen hat. Diese
                              Anwendung der verschiedenen Dichtigkeiten zur Selbstregulirung nimmt Solvay ausdrücklich als seine Erfindung in Anspruch.
                           Da bei der Absorption des Ammoniakgases eine bedeutende Erwärmung eintritt, so geht
                              die gesättigte Lösung zunächst in ein Kühlgefäß, um durch kaltes Wasser, welches
                              durch ein Schlangenrohr fließt, abgekühlt zu werden, dann aber in den
                              „Absorber“, in welchem die Zersetzung durch Kohlensäuregas
                              stattfindet, welches letztere auf beliebige Weise, durch Brennen von Kalk oder durch
                              Zersetzen kohlensaurer Salze durch Salzsäure erzeugt werden kann.
                           Dieser Absorber war nach Solvay's erstem Patent ein aus
                              drei übereinander befindlichen Abtheilungen bestehender Kasten aus inwendig
                              verzinntem Eisen. In diesen waren horizontale Platten lose eingelegt, welche mit so
                              viel Löchern durchbohrt waren, daß die Summe ihrer Querschnitte nicht ganz den
                              Querschnitt des Rohres erreicht, durch welches das Kohlensäuregas eintrat. Die drei
                              Abtheilungen waren durch seitliche verticale Rohre so in Verbindung gesetzt, daß die
                              ammoniakalische Soole zuerst in die mittlere Abtheilung eintrat, sich über die
                              horizontalen Platten ergoß und, wenn diese Abtheilung ganz gefüllt war, in die obere
                              stieg und aus dieser schließlich in die untere gelangte. Während sie sich auf diesem weiten Wege
                              langsam fortbewegte, kam ihr von unten die Kohlensäure mit leichtem Druck entgegen,
                              wurde durch die Löcher in unzählige Blasen zertheilt und unter solchen Umständen
                              leicht absorbirt. Solvay hat sich später von der
                              Unvollkommenheit dieses Apparates überzeugen müssen, und wendet statt seiner
                              gegenwärtig einen Cylinder a von 10 bis 16 Meter Höhe
                              und geringer Weite an, der in Figur 20 und 21 dargestellt
                              ist. In diesem Cylinder liegt eine Anzahl fein durchlöcherter Platten b, b . . . „von der Gestalt eines
                                 Kugelsegmentes“ und ebenfalls eine Anzahl von Platten c, c . . . mit einem oder nur wenigen Löchern, welche
                              nur eben dem Gase und der gesättigten Lösung den Durchgang gestatten, ohne daß sich
                              die frisch eintretende Flüssigkeit mit der am Boden befindlichen, nahezu gesättigten
                              vermischen kann. Am Rande der durchlöcherten Platten werden zweckmäßig Zähne z ausgeschnitten, damit die Flüssigkeit und das Gas
                              durch die Lücken passiren können, wenn sich die Löcher zum Theil verstopft haben.
                              Dieser Absorber wird immer mit Flüssigkeit beinahe angefüllt erhalten, während
                              Kohlensäure mittels einer Compressionspumpe unten durch das Rohr d hineingetrieben wird. Hierdurch wird das Gas nicht nur
                              in sehr innige Berührung mit einer sich ihm entgegen bewegenden Flüssigkeitssäule
                              gebracht, sondern verrichtet auch, indem es expandirt, eine bedeutende mechanische
                              Arbeit und nimmt hierbei eine so große Menge von Wärme in Anspruch, daß eine
                              Erhitzung der Flüssigkeit verhindert wird, wie sie sonst durch die Absorption der
                              Kohlensäure durch das Ammoniak hervorgebracht würde und welche nach Solvay's Erfahrung nur schwer auf andere Weise vermieden
                              werden kann. Die Flüssigkeit tritt in ungefähr halber Höhe des Cylinders durch ein
                              Rohr e ein, in welches sie aus einem Troge f einfließt, so daß ihr Niveau immer in gleicher Höhe,
                              etwa 3 Meter unter dem oberen Ende des Cylinders erhalten wird. Der Trog ist
                              geschlossen und steht mit dem oberen Ende des Cylinders durch ein Rohr in
                              Verbindung, welches in beiden gleichen Druck erhält (in der Zeichnung nicht
                              angegeben). Derselbe Trog kann mehrere Absorber speisen. Auf diese Weise wird nur in
                              der oberen Hälfte die Flüssigkeit erneuert; sie sinkt nur sehr langsam nieder und
                              ist, da sie bald mit Kohlensäure gesättigt ist, geeignet, alles Ammoniakgas
                              aufzunehmen, welches das Gas aus dem unteren Theile des Absorbers mit fortreißen
                              könnte. Die Absorber müssen so hoch sein, daß wenigstens die Hälfte der unten
                              eintretenden Kohlensäure absorbirt, und zugleich alles in der Flüssigkeit enthaltene
                              Ammoniak in Bicarbonat übergeführt wird. Eine Höhe von 11 bis 16 Meter, wobei das
                              Gas mit einem Druck von 1 1/2 bis 2 Atmosphären eingetrieben werden muß, gibt die
                              besten Resultate. Zweckmäßig ist, das Gas nicht als continuirlichen Strom eintreten zu lassen, weil
                              die unregelmäßige Bewegung verhindert, daß sich das ausgeschiedene Bicarbonat an
                              irgend einer Stelle absetzt. Dennoch werden sich die kleinen Löcher der Platten von
                              Zeit zu Zeit durch eine harte Kruste verstopfen; alsdann wird der Absorber entleert,
                              mit Wasser gefüllt. Dampf eingeleitet und, wenn die Krusten vollständig gelöst sind,
                              die Lösung herausgelassen und der Absorber mit der Flüssigkeit aus einem anderen
                              Absorber gefüllt und mit dieser weiter gearbeitet.
                           Die mit Kohlensäure gesättigte Flüssigkeit läßt man am besten portionenweise alle 30
                              Minuten auslaufen; das darin suspendirte Bicarbonat wird am zweckmäßigsten auf einem
                              Vacuumfilter gesammelt und mit einer sehr geringen Menge kalten Wassers gewaschen.
                              Zugleich kann es hier schon den zum Verkauf erforderlichen Grad von Trockenheit
                              erhalten, indem Luft oder ein anderes Gas von etwa 50° C. hindurch geleitet
                              wird. Auch in einfach kohlensaures Natron kann es in den Vacuumfiltern verwandelt
                              werden dadurch, daß überhitzter Dampf oder die Gase aus den Kalköfen hindurch
                              geleitet werden; doch ist sowohl für das Trocknen als für die Umwandlung in Soda der
                              folgende Apparat vorzuziehen.
                           In einem verticalen Cylinder g (Fig. 22 und 23) befinden
                              sich in passender Entfernung übereinander eine Anzahl runder Platten h mit Oeffnungen am Umfange und in der Mitte. Eine
                              verticale Welle i geht durch den Deckel und Boden des
                              Cylinders und trägt Arme k, k . . . mit Schabmessern l, l . . ., welche die auf den Platten liegende Masse
                              abwechselnd nach der Peripherie der einen und nach der Mitte der folgenden Platte
                              fortschieben, so daß sie allmälig von der obersten Platte bis auf den Boden des
                              Cylinders gelangt. Die Platten selbst sind hohl und werden durch Einlassen von Dampf
                              oder heißen Gasen von irgend welcher Abstammung aus dem Rohre m, m erhitzt. Das Bicarbonat wird mittels eines Apparates n oberhalb des Cylinders aufgegeben, welcher dem Rumpfe
                              einer Mahlmühle ähnlich ist und dessen Arme o sich
                              langsam bewegen; er wird immer angefüllt erhalten, damit hier die Kohlensäure nicht
                              entweicht. Die getrocknete Masse kommt am Boden des Cylinders bei p in feingemahlenem Zustande zum Verpacken fertig
                              heraus. Die beim Trocknen ausgetriebenen Gase treten durch ein Rohr r im Deckel heraus.
                           Wenn man nicht hohle Platten anwenden will, kann auch das heiße Gas direct durch den
                              Cylinder geleitet werden.
                           Ein anderer für die Bereitung von Soda anwendbarer Trockenapparat besteht aus einem
                              eisernen Kessel s (Fig. 24), der mit einem
                              Deckel verschlossen
                              ist, durch welchen in einer Stopfbüchse eine verticale Welle v geht. Letztere trägt unten Arme mit Schabemessern w, durch welche das eingefüllte Bicarbonat umgerührt wird, während der
                              Kessel durch ein darunter befindliches Feuer bis auf die erforderliche Temperatur
                              erhitzt wird.
                           Das in einem dieser beiden Apparate ausgetriebene Gas wird durch eine Luftpumpe in
                              einen Waschapparat gebracht, worin alles darin enthaltene Ammoniak zurückgehalten
                              wird; wenn Soda erzeugt wurde, so wird die ausgetriebene Kohlensäure wieder den
                              Absorbern zugeführt.
                           Es bleibt nun nur noch die Darstellung der Wiedergewinnung des Ammoniaks aus dem in
                              den Absorbern entstandenen Salmiak übrig. Da das Kochsalz in den Absorbern nach Solvay vollständig zersetzt wird, so ist die von dem
                              Bicarbonat abgelaufene Flüssigkeit im Wesentlichen nur eine Lösung von Salmiak,
                              welche etwas freie Kohlensäure enthält (und soviel doppelt kohlensaures Natron, als
                              unter den Umständen löslich ist. Ls.); sie braucht also zur Ammoniakentwickelung nur
                              durch Kalk zersetzt zu werden. Für diesen Zweck hat Solvay in seinem ersten Patente einen eigenthümlichen Apparat beschrieben,
                              der aus einem langen eisernen Cylinder ähnlich einem Dampfkessel besteht, dessen
                              eines Ende von kochendem Wasser erhitzt wird; in der Mitte wird fein zermahlener
                              Kalk durch eine mechanische Vorrichtung eingestreut und entwickelt aus dem Salmiak
                              Ammoniakgas, welches dann an dem anderen Ende durch das letzteres umgebende kalte
                              Wasser abgekühlt und von einem großen Theil des Wasserdampfes befreit wird, um
                              endlich aus einem Rohre zu entweichen, welches in den Apparat führt, worin es von
                              der Salzsoole absorbirt wird. In dem neuen Patente von 1872 findet sich nur die
                              Angabe, daß Solvay zur Wiedergewinnung des Ammoniaks aus
                              der von dem Bicarbonate getrennten Flüssigkeit sich „der gewöhnlichen
                                 bekannten Methoden“ bedient, aber an Orten, wo Salzsäure einen hohen
                              Preis hat, hierzu Magnesia oder basisches Chlormagnesium benützt. Die nach der
                              Ammoniakentwickelung zurückbleibende Lösung von Chlormagnesium wird zur Trockne
                              eingedampft und der Rückstand in Wasserdampf erhitzt, bis keine Salzsäure mehr
                              entweicht; letztere wird condensirt oder direct zur Chlorbereitung verwendet.
                              Hierbei bleibt Magnesia zurück, welche von Neuem ausgewaschen wird und dann zur
                              Zersetzung der Salmiaklösung dient u.s.w. Hierbei wird auch das der Zersetzung etwa
                              entgangene Kochsalz wieder nutzbar gemacht.
                           In solcher Weise hat Solvay bei seinem Verfahren den
                              Vorzug einer directen Umwandlung des Chlornatriums in kohlensaures Natron mit den
                              Vortheilen eines fortwährenden Kreislaufes der angewendeten Materialien vereinigt und sowohl
                              die Einwirkung der Gase und Flüssigkeiten aufeinander durch Entgegenbewegung und
                              Vermehrung des Druckes benützt, wie auch eine Selbstregulirung des richtigen Niveaus
                              der Flüssigkeiten zu erreichen gewußt.
                           Dem in Vorhergehendem über das Solvay'sche Verfahren
                              Mitgetheilten können wir nur noch Weniges über die Ausführung des Ammoniakverfahrens
                              in Deutschland hinzufügen. Die Erfolge, welche dasselbe bei uns gehabt hat, hüllen
                              sich in tiefes Geheimniß, und die Schweigsamkeit derer, welche darüber berichten
                              könnten, ist in diesem Falle nur zu berechtigt, da sie in unseren
                              Patentverhältnissen begründet ist. Allgemein bekannt geworden sind nur die Angaben,
                              welche von M. Honigmann in Aachen, der gegenwärtig in
                              Verbindung mit M. Gerstenhöfer die Einführung des
                              Ammoniakverfahrens zu seinem Berufe gemacht hat, über die bei seiner Einrichtung
                              nöthigen Mengen der Rohmaterialien gemacht sind.Ueber die Einrichtung selbst haben wir nur erfahren können, daß zur
                                    Absorption der Kohlensäure nicht hohe Flüssigkeitssäulen wie in Solvay's Absorbern angewendet werden. In einer Annonce der Kölnischen, Straßburger u.a. Zeitungen hat Honigmann angegeben, daß die Anlagekosten einer Fabrik,
                              welche täglich 100 Ctr. calcinirter Soda von 90 Procent liefert, 30. 000 Thlr.
                              betragen und daß zu 100 Ctr. Soda 200 Ctr. Steinsalz, 200 Ctr. Kohle, 150 Ctr.
                              Kalkstein, 10 Ctr. Schwefelsäure von 50° Baumé und 5 Ctr. Salmiak
                              erforderlich sind. Hierbei mußte auffallen, daß die Menge des Steinsalzes etwa
                              doppelt so groß angegeben ist, als nöthig wäre, wenn es vollständig in kohlensaures
                              Salz umgewandelt würde, wie solches Solvay angibt, denn
                              der Theorie nach sind ja zur Darstellung von 106 Theilen reinem kohlensauren Natron
                              117 Theile Chlornatrium erforderlich. Wir werden hierdurch an das erinnert, was wir
                              eingangs über die Untersuchungen von Heeren mitgetheilt
                              haben. Es hätte aus diesem Umstande geschlossen werden können, daß das Verfahren Honigmann's von dem Solvay'schen wesentlich abwiche; Hr. M. Honigmann
                              hat mir aber in einer gütigen Mittheilung über diesen Punkt als Grund angegeben, daß
                              mit dem Natronbicarbonat zugleich doppelt kohlensaures Ammoniak niederfalle. Wenn
                              eine gesättigte Kochsalzlösung mit der äquivalenten Menge kohlensauren Ammoniaks
                              oder auch Ammoniak versetzt und Kohlensäure hindurch geleitet werde, bestehe die
                              sich ausscheidende feste Masse aus
                           
                              
                                 Natriumbicarbonat
                                 94 Proc.
                                 
                              
                                 Ammoniumbicarbonat
                                   6    „
                                 
                              
                           
                           und die Flüssigkeit enthalte ungefähr
                           
                              
                                 Ammoniumbicarbonat
                                   4 Proc.
                                 
                              
                                 Chlorammonium
                                 20    „
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                 12    „
                                 
                              
                           Es werde um so mehr Ammoniumbicarbonat ausgefällt, je weniger Kochsalz vorhanden ist.
                              Wenn etwas mehr als 1 Aequivalent genommen werde, so sei das Bicarbonat nach dem
                              Trocknen fast frei von Ammoniak. Für praktisch zweckmäßig erklärt er die 1/2 fache
                              Menge Kochsalz. Die in der erwähnten Annonce angegebenen Zahlen seien jedoch nicht
                              als für die Calculation maßgebend anzusehen, sondern bedeutend zu hoch gegriffen,
                              weil Honigmann
                              „die Garantie der Einhaltung derselben mit den gelieferten Apparaten und
                                 sofort nach Inbetriebnahme übernehme“. Die Zahlen, welche als den
                              bisherigen Erfahrungen entsprechend angegeben sind, stellen wir in Folgendem (unter
                              III) mit den Angaben der Annonce in der Kölnischen Zeitung und Straßburger Zeitung
                              (I) und den in einer im Kladderadatsch veröffentlichten (II) zusammen. Es werden
                              verlangt für die Production von 100 Ctr. Soda:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 
                              
                                 
                                 bei 90 Proc.
                                 bei 95 Proc.
                                 bei 98 Proc.
                                 
                              
                                 
                                 Na₃CO₂
                                 Na₃CO₂
                                 Na₃CO₂
                                 
                              
                                 Steinsalz
                                 200
                                 190
                                 175
                                 
                              
                                 Steinkohle
                                 200
                                 156
                                 150
                                 
                              
                                 Kalkstein
                                 150
                                 140
                                 130
                                 
                              
                                 Schwefelsäure von 50° Baumé
                                   10
                                     8
                                     6
                                 
                              
                                 Salmiak
                                     5
                                     4
                                     3
                                 
                              
                           Die für den Salmiakverbrauch berechnete Menge soll dazu dienen, den unvermeidlichen
                              Verlust an Ammoniak zu decken. Die Schwefelsäure wird verwendet, um den
                              Ammoniakgehalt der Feuerungsgase zurückzuhalten, welche mit der Ammoniaklösung in
                              Berührung gewesen sind.
                           Aus obigen Zahlenreihen geht unzweifelhaft hervor, daß das angewendete Verfahren sich
                              noch in einer Entwickelungsperiode befindet. Hierauf deuten auch die Vorgänge auf
                              dem Etablissement der Gesellschaft „Chemische Industrie“ zu
                              Schalke bei Gelsenkirchen hin, auf welche die Erklärung Honigmann's in der Kölnischen Zeitung vom 12. Februar 1872 aufmerksam
                              gemacht hat, die aber von zu privater Natur ist, um hier mehr als erwähnt werden zu
                              dürfen. Jedenfalls sind aber jene Zahlen wohl geeignet, das Interesse der
                              Sodafabrikanten für das Ammoniakverfahren rege zu erhalten; berechnen sie doch nach
                              der Columne III, mit Berücksichtigung der Verzinsung des Anlagecapitals und Kosten
                              für Instandhaltung und Arbeitslohn, die Productionskosten für den Centner Soda zu
                              nur 3 Thaler, gegenüber dem gegenwärtigen Verkaufspreise der calcinirten Soda von 4 bis 6
                              Thaler! Da aus diesem Grunde die Einrichtung nach Honigmann an mehreren Orten theils in Betrieb gesetzt ist, theils in
                              Vorbereitung sich befindet, so ist zu erwarten, daß sich bald ein bestimmteres
                              Urtheil über dieselbe herausbilden wird. Es sei hier nur noch bemerkt, daß sie schon
                              seit längerer Zeit zu Nagy-Bocsko in der Marmoroz mit gutem Erfolge in
                              Betrieb sein soll, wie mir von unparteiischer Seite versichert ist.
                           Die enthusiastische Begrüßung, welche die Erfolge des Ammoniakverfahrens aus Anlaß
                              der Wiener Ausstellung fanden, hat übrigens in den industriellen Kreisen keinen
                              vollen Widerhall gefunden. Der Stimmung der Sodafabrikanten Englands hat G. Lunge Ausdruck in einer Rede gegeben, welche er als
                              Präsident der chemischen Gesellschaft von Newcastle on Tyne beim Jahresanfang
                              gehalten hat, indem er äußerte, daß die internationale Jury in Wien wohl
                              „zu sanguinisch“ glaube, daß das Ammoniakverfahren
                              wahrscheinlich die Methode Leblanc's verdrängen werde. Da
                              ebendort ausgesprochen ist, daß jetzt erst eine einzige Firma den Sodaproceß in
                              Betrieb habe oder wenigstens vorbereite, so muß es dieselbe sein, von der wir
                              erfahren haben, daß dort die Einübung der Arbeiter auf die ungewohnte systematische
                              Behandlung der Flüssigkeiten, sowie die Arbeit mit den Compressionspumpen die
                              größten Schwierigkeiten verursacht haben. Auch unter den deutschen Sodafabrikanten
                              scheint die Ansicht vorzuherrschen, daß für das Ammoniakverfahren nur da die
                              Aussichten günstig sind, wo die Verhältnisse der Ausführung der Leblanc'schen Methode Schwierigkeiten bereiten, und
                              dagegen für das Ammoniakverfahren besonders günstige Umstände vorliegen. Zu
                              letzteren gehört vor Allem das Vorhandensein einer besonders billigen gesättigten
                              Salzsoole, also namentlich einer gesättigten natürlichen Soolquelle. Eine solche hat
                              in Northwich die Veranlassung zu der Errichtung einer Fabrik nach Solvay's Patent gegeben. In Deutschland würden aus diesem
                              Grunde sich hierzu vor Allem die Soolen aus den Soolwerken des Salzkammerguts und
                              Berchtesgaden's empfehlen, sowie auch die weniger bekannte Soolquelle bei Göttingen.
                              Auch an Kalkstein ist an diesen Localitäten kein Mangel.
                           Schließlich muß noch hervorgehoben werden, daß eine größere Verbreitung des
                              Ammoniakprocesses eine Steigerung im Preise des Salmiaks zur natürlichen Folge haben
                              würde, für welche keineswegs eine größere Production von Salmiak das Gegengewicht
                              bilden würde, da ja schon jetzt durch die Fabrikation von Düngmitteln und die
                              Verwendung des Salmiakgeistes in den Eismaschinen die Quellen für
                              Ammoniakverbindungen in
                              größeren: Maße als zu früheren Zeiten in Anspruch genommen werden.
                           Jedenfalls wird die fernere Geschichte des Ammoniakverfahrens der Sodafabrikation ein
                              allgemeines Interesse behalten, indem sie uns den Kampf einer der Theorie nach
                              vortrefflichen Methode mit den Schwierigkeiten der praktischen Ausführung
                              vorführt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
