| Titel: | Ueber die neuesten Fortschritte in der Soda- und Chlorkalk-Industrie in England; von Dr. Georg Lunge (South-Shields). | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 140 | 
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                        Ueber die neuesten Fortschritte in der
                           Soda- und Chlorkalk-Industrie in England; von Dr. Georg Lunge (South-Shields).
                        (Schluß von Seite 70 des vorhergehenden Heftes.)
                        Lunge, über die neuesten Fortschritte in der Soda- und
                           Chlorkalk-Industrie.
                        
                     
                        
                           Entschieden die größte Umwälzung, welche sich im Gebiete der Sodafabrikation
                              vollzogen hat (denn über die Hargreaves'sche
                              Sulfatdarstellung sind doch die Acten noch nicht vollkommen abgeschlossen), bezieht
                              sich auf deren Nebenzweig, die Darstellung von Chlorkalk.
                              Es ist gar nicht nöthig zu erweisen, daß die alte Methode der Chlordarstellung aus
                              natürlichem Braunstein unrettbar dem Untergange verfallen ist, mit Ausnahme der
                              wenigen Procente, welche zum Ersatze des wiederbelebten Mangansuperoxyds benöthigt
                              werden. Es gereicht eben nicht zum Ruhme der deutschen Sodafabrikation, daß sie auf
                              diesem Gebiete den Engländern so träge nachhinkt, denn es handelt sich hier weder um
                              ein zweifelhaftes Experiment, noch um sehr kostspielige Fabrikationsanlagen,
                              wenigstens beim Weldon'schen Proceß. Die einzige
                              Entschuldigung, welche die deutschen Fabrikanten allenfalls für ihre Zurückhaltung
                              in dieser Beziehung
                              anführen könnten, nämlich die Unentschiedenheit, ob Weldon's oder Deacon's Verfahren vorzuziehen
                              sei, kann man heut noch kaum gelten lassen. Das Urtheil der Engländer ist so
                              entschieden für Weldon ausgefallen, daß man nur sagen
                              kann: wenn auch Deacon's Verfahren theoretisch demjenigen von Weldon weit
                              überlegen ist und vielleicht dasjenige der Zukunft
                              genannt werden kann, so ist es doch sicherlich nicht das der Gegenwart, welchen Rang unbedingt das Weldon'sche beanspruchen kann. Man darf annehmen, daß in diesem Jahre in
                              England 85000 Tonnen Chlorkalk (inclusive des chlorsauren Kalis, welches hier und im
                              folgenden immer auf sein technisches Aequivalent von Chlorkalk berechnet und in
                              dessen Ziffern inbegriffen ist) fabricirt werden. Davon kommen auf:
                           
                              
                                 Das alte Verfahren aus natürlichem Braunstein, excl. des für
                                    Weldon       nöthigen
                                    Zuschusses
                                 10000
                                 Tonnen
                                 
                              
                                 Fabrik von St. Rollox (meistens nach Dunlop's Verfahren
                                    regenerirtes      
                                    Mangansuperoxyd)
                                 10000
                                 „
                                 
                              
                                 Nach Deacon's Verfahren
                                   5000
                                 „
                                 
                              
                                    „    Weldon's Verfahren
                                 60000
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 85000
                                 Tonnen.
                                 
                              
                           Das Dunlop'sche Verfahren ist in Deutschland längst
                              bekannt; es ist in der That sehr geistreich, aber ziemlich complicirt und erfordert
                              ein enormes Anlagecapital. Es hat sich niemals über seine Ursprungsstätte, die
                              berühmte Tennant'sche Fabrik zu St. Rollox bei Glasgow
                              hinaus verbreitet; und diese Firma hat in ihrer neuen großen Fabrik zu Hebburn nicht
                              das Dunlop'sche, sondern das Weldon'sche Regenerationsverfahren eingeführt, eine Thatsache, welche
                              jeden weiteren Commentar unnöthig macht.
                           Für das Verfahren von Deacon
                              Vergl. 1870 198 540. 1871 199 128. 200 398. 1872 206 243. 1873 209
                                    443. sind, so weit ich ermitteln kann (und meine Ziffern, wenn sie auch nicht
                              absolute Genauigkeit beanspruchen können, beruhen auf so sorgfältigen Erkundigungen,
                              daß sie der Wahrheit mindestens sehr nahe kommen werden),
                              zwölf Apparate in England gebaut worden, in
                              Frankreich keine, in Deutschland zwei (in Stolberg bei Aachen und bei Kunheim in Berlin). Ueber die deutschen Anlagen weiß ich
                              nichts näheres, von den englischen kann ich folgendes mittheilen. Im Districte von
                              Lancashire und weiter südlich sind überhaupt acht
                              Apparate nach Deacon gebaut worden, alle berechnet für
                              eine Production von 50 Tonnen Chlorkalk per Woche. Augenblicklich (Anfangs November
                              1874) scheint auch nicht ein einziger davon auch nur entfernt die Hälfte obiger Production zu erreichen; derjenige Apparat,
                              welcher gewöhnlich
                              für den besten in Lancashire gehalten wird, und anfangs 24 Tonnen machte, bringt
                              jetzt nur 13 bis 14 Tonnen wöchentlich fertig. Von den anderen stehen mindestens 4
                              ganz still und 3 (oder 4) haben dem Patentinhaber schon gekündigt. Eine Fabrik
                              mindestens hat den Apparat, trotz seiner enormen Kosten, schon wieder
                              niedergerissen. Von den acht erwähnten Fabriken haben sechs sich entschlossen, zu Weldon's Verfahren
                              überzugehen, und großentheils schon den Apparat dazu hergestellt; einige von ihnen
                              besitzen schon ältere Apparate nach Weldon, so daß drei
                              derselben je zwei und drei
                              Apparate nach Weldon in Thätigkeit stehend oder im Bau
                              haben. Im Tyne-Districte existiren vier Anlagen
                              nach Deacon. Davon ist eine ganz außer Thätigkeit, die drei anderen arbeiten noch,
                              aber sämmtlich nur schwachen Chlorkalk, von etwa 28
                              Proc., also solchen, welcher die im englischen Handel normale Grädigkeit von 35
                              Proc. nicht erreicht. Die eine der Fabriken am Tyne, welche den theuersten und
                              besten existirenden Apparat nach Deacon gebaut hatte
                              (deren Besitzer auf das Höchste dafür eingenommen sind oder doch waren) und welche
                              in der That bessere Resultate als irgend eine andere Fabrik erzielt hatte (sie ist
                              vielleicht die einzige Fabrik, in welcher der Apparat mehr als die Hälfte des Jahres
                              in regelmäßiger Arbeit gewesen ist), welche früher in der Woche bis 24 Tonnen
                              Chlorkalk von 35 Proc. lieferte, kann jetzt nur noch 16 bis 18 Tonnen schwachen Chlorkalk fertig bringen, während der in
                              derselben Fabrik existirende Apparat von Weldon in bester
                              Ordnung arbeitet. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, wenn auch nicht eine
                              einzige Fabrik die Absicht zu haben scheint, das Deacon'sche Verfahren neu einzuführen. Man muß demnach leider sagen, daß
                              dieser so vielversprechende, so geistreich in allen Einzelheiten ausgedachte und von
                              dem Erfinder mit so bewundernswerther Ausdauer und so bedeutenden Geldopfern
                              eingeführte Proceß, in seiner jetzigen Gestalt nicht erfolgreich gewesen ist. So muß
                              ich denn auch dem günstigeren Urtheile meines Freundes Pattinson in seiner kürzlich (Ende October) gehaltenen Antrittsrede in der
                              Newcastle Chemical Society ganz entschieden
                              widersprechen – mit dem Bemerken, daß Pattinson
                              weder praktischer Fabrikant ist, noch die mir zu Gebote stehende, zuverlässige
                              Information befaß. Ich habe von Interessenten theils aus mündlichen Unterhaltungen,
                              theils aus Originalbriefen ein ganz anderes Urtheil gewonnen. Nach Weldon's Verfahren existiren (Anfang November 1874):
                           
                              
                                 Im Betriebe
                                 32
                                 Apparate
                                 mit
                                 54
                                 Oxydationsthürmen
                                 
                              
                                 Im Bau begriffen
                                 15
                                 „
                                 „
                                 23
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                                 
                                 –––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 47
                                 Apparate
                                 mit
                                 77
                                 Oxydationsthürmen.
                                 
                              
                           
                           deren Production, wenn fertig, auf 80000 Tonnen jährlich
                              beabsichtigt ist, aber auf 150000 Tonnen ausgedehnt werden könnte.Nach neuester Information (datirt 10. November 1874) von Hrn. Weldon beträgt die Anzahl der fertigen Apparate
                                    33 mit 56 Oxydationsthürmen und die der im Bau begriffenen oder bestellten
                                    15 mit 30 Thürmen. Außerdem sind noch 10 Fabriken projectirt. In Frankreich sind von den vier
                              größten Sodafabriken drei im Bau, die vierte in diesbezüglichen Unterhandlungen. In
                              Deutschland arbeitet die Silesia in Saarau schon einige
                              Jahre nach Weldon, eine andere Fabrik (in Pommern) soll
                              ebenfalls damit beschäftigt sein. In Belgien existirt eine Fabrik und in Norwegen
                              ist eine im Bau.
                           Woher kommt es nun, daß das Weldon'sche Verfahren sich
                              eine bleibende Stätte im Kreise der Sodafabrikation erkämpft hat, während das Deacon'sche nicht erfolgreich gewesen ist?
                           Wenn das Deacon'sche Verfahren erfolgreich gewesen wäre,
                              so hätte es in der That einen der glänzendsten Triumphe neuerer Wissenschaft in
                              ihrer Anwendung auf die Technik dargestellt, und sämmtliche Chlorkalkfabrikanten,
                              selbst diejenigen welche für Weldon schwärmen, müssen
                              innig bedauern, daß sie nicht im Stande sind, ein Verfahren anzuwenden, welches
                              theoretisch und, wie es eine Zeit lang schien, selbst praktisch so große Vorzüge vor
                              dem Weldon'schen besaß. Bei letzterem muß man doch die
                              Salzsäure in hergebrachter Weise condensiren, und das Chlor desselben erst durch
                              natürlichen oder regenerirten Braunstein isoliren, wenn auch die Arbeit mit dem
                              letzteren viel einfacher und besser als bei dem alten Verfahren ist. Dann muß man
                              die Manganlösung wieder auf frisches Mangansuperoxyd verarbeiten, wobei sich doch
                              Verluste nicht vermeiden lassen, und einen bedeutenden Theil der Salzsäure geradezu
                              zur Neutralisirung des nothwendig zugesetzten Ueberschusses von Kalk verschwenden.
                              Zu der Operation des Oxydirens sowohl als zum Führen der Chlorentwickelung und zum
                              Neutralisiren der Manganlaugen sind geschickte und zuverlässige Arbeiter
                              erforderlich, und doch kommen namentlich beim Oxydiren manchmal Fehlgriffe vor,
                              wodurch „rothe“ oder „steife“ Chargen
                              entstehen, welche sehr viel Salzsäure brauchen und sehr wenig Chlor ausgeben.
                              Freilich ist der Weldon-Proceß mit allen diesen
                              Schattenseiten den englischen Sodafabriken jetzt ebenso geläufig und handgerecht als
                              irgend ein anderer Zweig ihrer Fabrikation. Der Deacon-Proceß dagegen verspricht viel mehr. Während beim Weldon-Proceß im besten Falle zu einer Tonne
                              35procentigem Chlorkalk 56 Centner Kochsalz gebraucht werden, bei alleiniger
                              Anwendung der Pfannengase sogar 69 Centner, sollte man nach Deacon aus dem
                              Pfannengase allein eine Tonne Chlorkalk auf 32 Centner Kochsalz, mindestens aber die Hälfte des Gewichtes an Chlorkalk von
                              dem angewendeten Salze erhalten, also 20 Centner Chlorkalk auf 40 Centner Salz. Man
                              gebraucht ferner keinen Braunstein, sondern durch bloßen Contact mit den mit
                              Kupfervitriol imprägnirten Thonkugeln unter Einwirkung einer bestimmten Temperatur
                              sollte sich das Salzsäuregas mit dem Sauerstoff der Luft in Chlor und Wasser
                              umsetzen. Die Salzsäure ist dabei keiner vorherigen Condensation unterworfen,
                              sondern wird gasförmig angewendet, wie sie aus der Sulfatpfanne entweicht. Das
                              Chlorgas wird gleich nach seiner Entwickelung gekühlt, gewaschen und getrocknet und
                              dann von einer dünn ausgebreiteten Kalkschicht absorbirt, so daß man an einem Ende
                              des Apparates Kochsalz und Schwefelsäure einträgt, und am anderen Ende fertigen
                              Chlorkalk auszieht – leider nicht in infinitum.
                              Endlich last, not least – statt daß bei der
                              gewöhnlichen und mindestens eben so bei der Weldon'schen
                              Chlorentwickelung ein Druck des Gases nach außen stattfindet, wodurch ein Entweichen
                              von Gas und gelegentliche Belästigung der Nachbarschaft sehr leicht hervorgerufen
                              werden, ist bei dem Deacon-Proceß eine saugende
                              Kraft am Ende des ganzen Apparates thätig, welche die Bewegung der Gasfäule bewirkt
                              und das Entweichen von Chlor in die atmosphärische Luft völlig ausschließt. Sobald
                              also nur eine hinreichende Absorptionsfläche geboten und ein Entweichen von
                              unabsorbirtem Chlor am Ende des Apparates vermieden ist, kann ein Gasverlust und
                              eine Belästigung der Nachbarschaft durchaus nicht stattfinden. Nach Deacon sollte übrigens auch die bei der Chlorbildung in
                              seinem Apparate frei werdende Wärme so groß sein, daß nur sehr wenig Brennmaterial
                              erfordert würde, um den Apparat in Thätigkeit zu erhalten, im Gegensatz zu dem
                              Bedarfe der Gebläsemaschinen, Pumpen, Rührer etc. in Weldon's Apparat. Alles schien auf Seiten Deacon's zu sein; viel größere Ausbeute, Einfachheit des Processes,
                              Ersparung an Arbeitslohn und Kohlen und Vermeidung aller Gasverluste. Kein Wunder,
                              daß eine ganze Anzahl von englischen Fabrikanten selbst durch die enormen
                              Anlagekosten und die hohe Patentgebühr (£ 500 jährlich) nicht
                              zurückgeschreckt wurden, das Deacon'sche Verfahren
                              einzuführen. In den meisten Fällen waren sie anfangs ganz entzückt davon, und man
                              hörte nichts als lobende Aeußerungen darüber; jetzt ist das ganz anders, und mit
                              wenigen Ausnahmen machen sie wenig Hehl aus ihrer Enttäuschung. Es wird wohl die
                              deutschen Fabrikanten interessiren, wenn ich ein wenig auf den Grund dieser
                              Sinnesänderung eingehe.
                           
                           Die Anlagekosten selbst spielen in der Regel bis zu einer gewissen Grenze keine
                              Rolle, wenn die Vortheile im Betriebe auch nur halb so sehr in die Augen springend
                              sind, als dies nach dem obigen bei dem Deacon-Processe der Fall zu sein schien. Die Anlagekosten eines Deacon'schen Apparates betrugen jedoch mindestens
                              £ 8000 oder 160000 Mark in einem hier
                              allbekannten Falle £ 11000 (man spricht sogar von
                              £ 14000); der höheren Ziffer wird geradezu
                              die entschieden bessere Leistung des Apparates zugeschrieben. Ein solcher Apparat
                              sollte ursprünglich 50 Tonnen Chlorkalk pro Woche liefern, indem man annahm, daß man
                              zwei Sulfatkessel gewöhnlicher Leistung (8 1/2 Tonnen Salz täglich, 50 Tonnen pro
                              Woche von 6 Tagen) damit versorgen könnte. Es hat sich aber sehr bald
                              herausgestellt, daß nicht mehr als eine Pfanne in den
                              Apparat geleitet werden darf, wodurch die Leistungsfähigkeit sofort auf ein Maximum
                              von 25 Tonnen pro Woche herabfällt. Ferner hat sich gezeigt, daß gerade einer der
                              kostspieligsten Theile des Apparates, die mit Kupfervitriol imprägnirten Thonkugeln
                              gefüllten Eisenröhren, nach einiger Zeit unwirksam wird; man muß dann die Röhren
                              entleeren, die Thonkugeln wieder frisch imprägniren und einfüllen, wodurch fast die
                              Hälfte der ganzen Arbeitszeit verloren geht, während dessen die Salzsäure in
                              gewöhnlicher Art condensirt werden und fortlaufen muß. Selbstredend ist eine solche
                              sich regelmäßig wiederholende Arbeitsunterbrechung ganz unerträglich, und kann nur
                              dadurch vermieden werden, daß man die betreffenden Theile des Apparates doppelt
                              anlegt, um immer den einen in Arbeit zu haben, während der andere ruht. Dadurch
                              werden die Kosten aber wieder ganz bedeutend erhöht, so daß man einen solchen, zum
                              Theil duplicirten Apparat von wirklich effectiver Construction nicht unter £ 15000 (300000 Mark) per Sulfatpfanne herstellen
                              kann. Diese enorme Summe contrastirt stark mit den Anlagekosten des Weldon'schen Apparates, welche für zwei Pfannen etwa £ 3000 und für fünf Pfannen £ 6000 in mir
                              genau bekannten Beispielen betragen haben. Die Verzinsung der obigen großen Summe
                              macht denn doch einen nicht unbedeutenden Posten in der Kostenrechnung für den
                              Chlorkalk aus.
                           Dazu kommen noch die ganz enormen Reparaturkosten, welche sich von selbst ergeben,
                              wenn man bedenkt, daß der wesentlich wirksame Theil des Deacon-Apparates ein System von gußeisernen Röhren ist, welche auf
                              dunkle Rothglut erhitzt sind. Daß diese Röhren, deren Eisengewicht bei ihrer großen
                              Dimension und Anzahl sehr bedeutend ist, nach verhältnißmäßig kurzem Betriebe
                              unbrauchbar werden müssen, liegt auf der Hand. Viel ernster ist aber der oben schon
                              erwähnte Uebelstand, daß
                              die imprägnirten Thonkugeln nach kurzer Zeit nicht mehr so gut arbeiten; daß die
                              Production von Chlor und mithin von Chlorkalk regelmäßig abnimmt und schließlich
                              (fast immer nach höchstens vier Monaten) so gut wie ganz aufhört. Allem Anschein
                              nach rührt dies von einer Verflüchtigung von Kupfersalz als Kupferchlorid,
                              vielleicht auch theilweise von einer Incrustation mit Eisenchlorid, Ruß, Flugstaub
                              etc. her, was nicht ganz zu vermeiden ist, selbst wo kein directes Feuer
                              durchstreicht. Den ersteren Uebelstand hat Deacon dadurch
                              zu vermeiden gesucht, daß er ein Doppelsulfat von Natrium und Kupfer anwendete; dies
                              hat sich jedoch ganz und gar nicht bewährt und hat wieder aufgegeben werden müssen.
                              Es bleibt eben nichts anderes übrig, als den Apparat außer Betrieb zu stellen, zu
                              entleeren und die Thonkugeln wiederum mit Kupfervitriollösung zu tränken. Nach
                              glaubwürdigen Angaben betragen die Kosten dieser Operation immer mehrere hundert
                              Pfund und keinesfalls weniger als ein Pfund Sterling auf die Tonne des vorher
                              überhaupt producirten Chlorkalkes. Dazu kommt noch, daß während des Stillstandes von
                              8 bis 14 Wochen jährlich gar kein Chlorkalk gemacht werden kann, und doch Zinsen,
                              Patentgebühr etc. fortlaufen. Der letztgenannte Nebelstand würde sich eben nur durch
                              die, meines Wissens noch nirgends versuchte Verdoppelung
                              des Apparates heben lassen; die Ausgabe von £ 1
                              (20 Mark) pro Tonne Chlorkalk für Wiederimprägnirung bleibt dagegen immer noch
                              bestehen. Wie es aber scheint, arbeitet der Apparat außerdem nach dem
                              Wiederimprägniren fast ausnahmslos nicht mehr so gut wie das erstemal (vielleicht in
                              Folge einer Verstopfung der Poren durch Ruß, Staub, Eisensalze etc.); ja in manchen
                              Fällen hat er seine Function ganz verloren. So erreichte
                              man z.B. in einer Fabrik am Tyne, welche die besten Resultate unter allen aufweist,
                              anfangs wöchentlich bis 24 Tonnen Chlorkalk von 35 Proc., jetzt nur 16 bis 18 Tonnen
                              von höchstens 30 Procent.
                           Eine der größten Verlegenheiten für die nach Deacon
                              Arbeitenden wird gerade durch diejenige Eigenthümlichkeit des Verfahrens
                              hervorgerufen, welche in mancher Beziehung die bestechendste desselben ist –
                              nämlich, daß in dem ganzen Apparate nicht ein höherer, sondern ein niedrigerer Druck
                              als Atmosphärendruck herrscht, und daß mithin ein Entweichen von Chlorgas und eine
                              Belästigung der Umgebung unmöglich ist. Leider ist dadurch das Gegentheil um so mehr
                              erleichtert, nämlich das Einströmen von atmosphärischer Luft und von Feuergasen
                              durch irgend welche Undichtheiten in den unzähligen Fugen der eisernen Röhren für
                              die Thonkugeln, der thönernen Kühl- und Verbindungsröhren, der verschiedenen
                              Condensations- und Trockenapparate und der vielfächerigen Absorptionskammern. Die dadurch
                              miteingeführte Kohlensäure wird natürlich mit Begierde von dem Absorptionskalk
                              gebunden, und das Resultat ist, daß in der großen Mehrheit der Fälle der erhaltene
                              Chlorkalk nur schwachgrädig (28 bis 30 Proc.) ist; manchmal soll er bis 8 Proc.
                              kohlensauren Kalk enthalten. Auch ist es ganz natürlich, daß bei frisch in Betrieb
                              gesetzten Anlagen sich dieser Uebelstand weniger zeigt als bei älteren, wo durch die
                              kleinsten Senkungen von Fundamenten etc. Undichtheiten in den Fugen hervorgebracht
                              werden, denen schließlich gar nicht mehr nachzuspüren und noch weniger abzuhelfen
                              ist. Man will auch behaupten, daß der nach Deacon
                              erzeugte Chlorkalk bei längerer Verschiffung viel mehr an bleichendem Chlor verliert
                              als gewöhnlicher; doch ist früher gerade das Gegentheil behauptet worden, und die
                              Reihe von aufgezählten Schattenseiten ist ohnehin schon lang genug. Ich kann jedoch
                              nicht verschweigen, daß schließlich auch die genaue Regulirung der Temperatur in den
                              Thonkugel-Röhren oft Schwierigkeiten darzubieten scheint, und die Function
                              des Apparates manchmal auch aus diesem Grunde theilweise versagt; doch ist dieses
                              jedenfalls ein zu überwindendes Hinderniß.
                           Ich glaube mehr als genügende Motive zu meinem abfälligen Urtheile über Deacon's Verfahren beigebracht zu haben. Es ist unnöthig
                              zu versichern, daß ich durchaus objectiv vorgegangen bin und so sehr wie irgend
                              Jemand bedaure, daß die Bestrebungen von Deacon (wobei
                              auch seines Chemikers, Dr. F. Hurter, nicht vergessen werden darf) nicht mit größerem Erfolge gekrönt
                              worden sind. Es ist zu wünschen, daß es Deacon selbst
                              noch gelingen möge, schließlich solche Modificationen zu treffen, welche sein
                              Verfahren zu einem brauchbareren machen würden; in meiner Berichterstattung kann ich
                              jedoch nur mit Thatsachen, nicht mit Möglichkeiten der Zukunft rechnen.
                           Um nun zu Deacon's glücklicherem Vorgänger und
                              Nebenbuhler, Weldon, überzugehen, so beweisen schon die
                              oben von mir über die Verbreitung seines Verfahrens in England angeführten (ganz und
                              gar authentischen) Ziffern meine Behauptung, daß dieses Verfahren ein völlig
                              gelungenes und in dem Kreise der Sodafabrikation ein den übrigen Zweigen
                              ebenbürtiges geworden ist. Es ist nicht meine Sache, für dasselbe Propaganda zu
                              machen, und muß ich dies dem ungemein rührigen Erfinder des Verfahrens selbst
                              überlassen. Auch die technischen Details der Construction des Apparates wird jeder
                              sich dafür Interessirende leicht von Weldon selbst
                              erfahren, und die allgemeinen Grundzüge des Apparates sowohl als des Verfahrens sind
                              ja auch in diesem Journal oft beschrieben worden.Vergl. 1867 186 129. 1869 194 51. 1870 198 227. 1871 199 272. 201 354. 1872
                                    203 501. 209 279
                                    443. Meine heutige Aufgabe sei nur die, über die factischen Resultate des
                              Verfahrens und die Kosten desselben zu referiren. Die zu erzielende Ausbeute richtet
                              sich im Wesentlichen nach der Menge der condensirten Salzsäure, in viel geringerem
                              Grade nach der Vollständigkeit der Neutralisation in den Chlorentwickelungströgen,
                              welche bis auf 1/2 Proc. Salzsäure gehen kann und nicht leicht über 1 Proc. steigt.
                              Je nach dem Bau der Sulfatöfen und der größeren oder geringeren Vollkommenheit der
                              Condensationseinrichtungen ist die Ausbeute von Salzsäure in verschiedenen Fabriken
                              sehr ungleich, und kann deshalb eine Fabrik mehr oder weniger Ausbeute an Chlorkalk
                              haben, ohne daß dies direct mit der besseren oder schlechteren Manganregenerirung
                              zusammenhängt. Freilich ist auch die letztere von ganz entscheidender Wichtigkeit,
                              und je nach der Leitung des Regenerationsprocesses wird dieselbe Menge Salzsäure
                              viel oder wenig Chlorkalk liefern. Wo alles zusammentrifft: möglichst gute
                              Condensation der Salzsäure, Anwendung von Muffelöfen, welche die Verwendung auch der
                              Ofensäure gestatten, und gute Leitung des Regenerationsprocesses, kommt man selbst
                              dahin, eine Tonne = 20 Centner 35proc. Chlorkalk (welcher vor dem Verpacken 36 bis
                              37 Proc. zeigen muß) auf 56 1/2 bis 58 Centner zersetztes Kochsalz (von 93 Proc.
                              Chlornatriumgehalt) zu produciren. Dies ist das beste mir bekannt gewordene
                              durchschnittliche Resultat, und zwar wird es von einer Dubliner Fabrik erhalten.
                              Eine andere recht gut geleitete Fabrik in Lancashire, deren Resultate mir vorliegen,
                              bedarf im Durchschnitt 59 Centner Salz für 1 Tonne Chlorkalk. Von den Fabriken
                              dagegen, welche das Sulfat in Flammöfen calciniren und die Ofensäure nicht zur
                              Chlordarstellung verwenden, wird das beste mir bekannte Resultat (1 Tonne Chlorkalk
                              auf 69 Centner Kochsalz) gerade in derjenigen Fabrik erreicht, welche auch im Deacon-Proceß immer das beste geleistet hat.Ich erfahre nachträglich ein noch besseres Durchschnittsresultat, nämlich 41
                                    Tonnen Chlorkalk per Woche aus der Pfannensäure von 118 Tonnen Salz. Viele, wenn nicht die meisten Fabriken bleiben jedoch Hinter diesen
                              Resultaten zurück, meist eben in Folge unzweckmäßiger Condensationseinrichtungen,
                              z.B. zu großen Verlustes von Säure in dem Waschthurm; man kann jedoch selbst bei
                              alleiniger Anwendung von Ofensäure mindestens eine Durchschnittsausbeute von 1 Theil
                              stärksten Chlorkalk auf 4 Theile gewöhnliches 93proc. Kochsalz annehmen.
                           Ein anderes in Betracht kommendes Moment ist der Zuschuß von natürlichem Braunstein,
                              welcher zum Ersatze der Verluste von Manganlaugen erforderlich ist. Auch in dieser
                              Beziehung differiren die Fabriken sehr, doch kann man annehmen, daß dieser Zuschuß
                              sich immer mehr verringern wird, wenn man noch sorgfältiger arbeiten lernt, da
                              Fabriken, welche früher 5 Proc. Zusatz gebrauchten, jetzt mit nur 2 1/2 Proc.
                              auskommen, wie ich bestimmt versichern kann. Wer sorglos arbeitet, kann freilich
                              selbst 10 Proc. nöthig haben. Abgesehen von rein mechanischen, auf directe
                              Unreinlichkeit zurückzuführenden Laugenverlusten ist namentlich zu berücksichtigen,
                              daß so wenig Manganchlorür als möglich in dem nach dem Neutralisiren mit
                              kohlensaurem Kalk sich absetzenden Schlamme zurückbleibt. Je besser man die Lauge
                              schon in den Chlortrögen mit regenerirtem Manganschlamm selbst neutralisirt, um so
                              weniger kohlensaurer Kalk wird nachher in dem äußeren Behälter erforderlich sein.
                              Manche Fabriken lassen den Neutralisationsschlamm nicht sofort weglaufen, sondern
                              waschen ihn aus, wodurch der Manganverlust vermindert, die Flüssigkeit aber verdünnt
                              wird. Eine zu große Verdünnung derselben ist für den Proceß schädlich; eine Anzahl
                              Fabriken erwärmt deshalb den Mangansuperoxydschlamm vor dem Einlaufen in die
                              Chlorblase durch directes Feuer, um das Zuführen von Dampf in die Blase selbst
                              möglichst zu beschränken, wodurch zugleich die Arbeit beschleunigt wird. Noch mehr
                              geschieht dies und beseitigt zugleich die Uebelstände eines schlecht gebrannten
                              (kohlensäurehaltigen) Kalkes, wenn man den Manganschlamm, ehe er in die Chlorblase
                              kommt, erst in Rührapparaten mit verdünnter Salzsäure behandelt, bis fast aller
                              kohlensaure und Aetzkalk (resp. die in dem Weldon'schen
                              Calcium-Manganit und Mangan-Manganit – CaMnO₃ oder MnMnO auftretende
                              „Basis“ ) gesättigt ist, was geschieht, ehe MnO₂ selbst angegriffen wird; jedoch wird meines
                              Wissens nur in zwei Fabriken dieses von dem Erfinder selbst für unnöthig gehaltene
                              complicirte Verfahren angewendet.
                           Die Auflösung des regenerirten Manganschlammes in heißer Salzsäure in dem
                              Chlorentwickelungstroge ist eine fast augenblickliche, und die Arbeit damit im
                              ganzen von einem Arbeiter gewöhnlicher Intelligenz und nur einigermaßen
                              zuverlässiger Sorgsamkeit unschwer zu erlernen. Die Hauptsache bei dem Weldon-Proceß bleibt immer die Arbeit in dem
                              Oxydationsthurme, in welchem das genau neutralisirte und zugleich von Eisen und
                              Thonerde befreite Manganchlorür mit überschüssigem Kalk behandelt und durch Anblasen
                              von Luft mittels einer kräftigen Gebläsemaschine zum großen Theile (etwa 4/5) in
                              Mangansuperoxyd verwandelt wird. Die Manganchlorürlösung muß so gut wie möglich
                              geklärt sein; suspendirt gebliebener Schlamm, großentheils kohlensaurer Kalk oder
                              auch Eisenoxyd und Thon, verschwendet nicht nur später Salzsäure, sondern bewirkt auch leicht
                              während des Oxydirens ein Ueberschäumen des Thurminhaltes. Diese unangenehme
                              Erscheinung erfolgt merkwürdigerweise im übrigen nicht, wenn das Gebläse zu stark
                              geht, wie man a priori erwarten sollte, sondern dann,
                              wenn die Geschwindigkeit der Gebläsemaschine unter ein
                              gewisses Minimum herabgeht; vielleicht beruht dieses auf einer mehr oder weniger
                              vollkommenen Zertheilung der Schaumblasen bei verschiedener Stärke des Luftstromes.
                              Ferner ist ein möglichst reiner, namentlich von Magnesia möglichst freier Kalk erforderlich, welcher hinreichend gut gebrannt sein
                              muß, um nur noch ein Minimum (nicht über 2 Proc.) von Kohlensäure zu enthalten, und
                              doch nicht so überhitzt ist, um sich nicht leicht und vollständig zu löschen. Die
                              Nachtheile des unvollkommenen Brennens liegen auf der Hand; die des partiellen
                              Todtbrennens bestehen darin, daß die erzielte Kalkmilch, auch nach dem Seihen durch
                              feines Drahtgewebe und dgl., wie es ja immer vorgenommen wird, noch eine Menge
                              feiner Körnchen von ungelöschtem und mithin chemisch unwirksamem Kalk enthält,
                              welcher die Operation im Oxydationsthurm nicht befördern kann, als schädliche
                              „Basis“ zurückbleibt und später zu unnützem Säureverbrauch
                              führt. Man erkennt den richtigen Zustand der Kalkmilch bei einiger Uebung schon an
                              deren gleichmäßigem Ansehen und Anfühlen und an der Abwesenheit harter Körnchen
                              darin. Der schädliche Einfluß der Magnesia ist sehr groß. Während nämlich der größte
                              Theil des Kalkes während der Operation in Chlorcalcium übergeht, und dessen Lösung,
                              so weit sie sich klar absetzt, decantirt wird, bleibt sämmtliche Magnesia als Theil
                              der „Basis“ in dem Manganschlamm zurück, verwandelt sich dann
                              in den Chlorblasen in Chlormagnesium, und im Oxydationsthurm wieder in Magnesia,
                              zugleich mit derjenigen, welche aus dem Kalk frisch dazu kommt. So häuft sich die
                              Magnesia fortwährend in den Flüssigkeiten an, macht den Schlamm immer
                              „basischer“ und kann ihn ganz verderben. Jedoch tritt
                              dieser äußerste Uebelstand nur dann ein, wenn der Kalk mehrere Procent Magnesia
                              enthält. Die Magnesia scheint sich während des Oxydationsprocesses durchaus nicht
                              als nützliche Basis, d.h. als manganigsaures Salz (nach
                              Weldon's Auffassung) zu betheiligen; so lange noch
                              ungefälltes Chlormagnesium vorhanden ist, also während des ersten Kalkzusatzes,
                              bleibt alles Chlormagnesium in Lösung; aber die erste Action des zweiten
                              Kalkzusatzes ist sofort die Fällung sämmtlicher Magnesia, welche sich nunmehr
                              zugleich mit der aus dem Kalk hinzugekommenen im freien Zustande befindet, und, so
                              lange noch Kalk im Ueberschusse vorhanden ist (was ja der Fall sein muß) durchaus
                              nicht (auf dem nassen Wege) mit dem MnO₂ in
                              Verbindung eintritt. Nur das Chlormagnesium, welches in der „Beendigungslauge“
                              enthalten ist, wird als solches unschädlich entfernt, da diese Lauge nur mit dem
                              schon combinirten Kalk (in dem bis dahin gebildeten Manganschlamm) zusammen kommt,
                              und dadurch nur ihr Manganchlorür nicht aber ihr Magnesiumchlorür zersetzt wird.
                           Es liegt auf der Hand, daß solche Kalksorten, welche sich schlecht brennen, und
                              welche über 1 Proc. Magnesia oder viele andere Verunreinigungen enthalten, für den
                              Weldon-Proceß überhaupt nicht tauglich sind.
                              Man loscht den dafür bestimmten Kalk nicht in der sonst gewöhnlichen Weise zu
                              Hydrat, sondern at gefunden, daß eine viel bessere und chemisch activere Kalkmilch
                              erzeugt wird, wenn man den gebrannten Kalk direct in heißes Wasser einträgt. Dies
                              geschieht in einem cylinderförmigen Gefäße mit Rührwerk; eine Art Seihekorb (aus
                              gelochten gußeisernen Platten) ist im oberen Theile des Gefäßes angebracht, in
                              welchen der Kalk eingetragen wird, so daß schon dort Steine und andere gröbere
                              Unreinigkeiten zurückbleiben, während das kreisende Wasser die feineren Theile
                              auswäscht; beim Auslaufen in das Vorrathsgefäß passirt die Kalkmilch noch einen
                              Seiher aus fein gelochtem Zinkblech oder Drahtgewebe; in größeren Fabriken ist
                              dieser Seiher ein geneigter rotirender Cylinder, an dessen unterem Ende die gröberen
                              Körner austreten, während die feine Milch durch die fein gelochten Wände des
                              Cylinders ausfließt. Die geseihte Kalkmilch soll so stark als nur irgend möglich
                              sein; ich finde sie von 320 bis 355 Grm. Aetzkalk per Liter enthaltend.
                           In der Voraussetzung, daß man gut geklärte Manganchlorürlauge und richtig zubereitete
                              Kalkmilch in Vorrath habe, füllt man den Oxydationsthurm etwa zur Hälfte mit der
                              Manganlösung, von welcher man aber noch eine größere Menge in einem hinreichend hoch
                              gelegenen Behälter in Reserve halten muß. Bei normalen Verhältnissen wird die
                              Manganlösung etwa so stark sein, daß sie per Liter 50 Grm. MnO₂ entspricht, alles Mangan als MnO₂ gedacht. Man erwärmt sie durch Anblasen von Dampf auf etwa
                              55° und läßt nun Kalkmilch einfließen, wobei das Gebläse langsam zu arbeiten
                              anfängt. Die Kalkmilch muß in einem graduirten Behälter enthalten sein, und man muß
                              ihren Anfangsstand genau beachten. Sobald man nahezu an den Punkt gekommen ist, wo
                              sämmtliches Mangan ausgefällt ist, probirt man fortwährend und stellt den Kalkzufluß
                              ganz ein, sobald der richtige Punkt erreicht ist. Das Probiren geschieht mit einer
                              einem kleinen Probirhahne entnommenen Menge der durch das Blasen gemischten
                              Flüssigkeit, indem man dieselbe filtrirt und das Filtrat mit rothem Lackmuspapier
                              auf alkalische Reaction prüft, wodurch überschüssiger Kalk mit großer Schärfe angezeigt wird. Das
                              Filtrat darf ferner, mit starker Chlorkalklösung versetzt, keine Spur von dunkler
                              Färbung (von entstehendem MnO₂) mehr zeigen. Daß
                              ein sorgfältiger Arbeiter dazu angestellt sein muß, den Neutralisationspunkt
                              möglichst genau zu ermitteln, ist selbstredend. Man liest nun die Menge der
                              verbrauchten Maßeinheiten von Kalkmilch ab, und läßt dann noch ein Viertel bis ein
                              Drittel der verbrauchten Menge zulaufen. Es liegt auf der Hand, daß ein
                              Ueberschreiten des Ausfällungspunktes in dem ersten Zusatze dem drei- bis
                              vierfachen Irrthum in dem zweiten Zusatze entspricht. In manchen Fabriken geht man
                              selbst nur bis ein Fünftel Zusatz. Dies hängt von der Natur des Kalkes, der Stärke
                              der Flüssigkeiten und anderen noch nicht ganz aufgeklärten Umständen ab; unter
                              gleichen Verhältnissen aber braucht man immer den gleichen Ueberschuß, wovon man
                              sich leicht durch die Quantität der nöthig werdenden
                              „Beendigungslauge“ (worüber später mehr) überzeugt. Wenn
                              man übrigens mit Laugen von natürlichem Braunstein arbeitet, was in der Regel nur
                              bei der ersten Inbetriebsetzung des Verfahrens erfolgen kann, darf man den zweiten
                              Zusatz von Kalk nicht auf einmal, sondern nur in mehreren Absätzen mit etwa
                              viertelstündigen Zwischenpausen machen, weil sonst leicht eine
                              „steife“ Charge entsteht. Sobald übrigens der zweite Zusatz
                              von Kalk gemacht wird, also so schnell als möglich nach der Präcipitation des
                              Mangans als Oxydul, wird das Gebläse mit voller Stärke angesetzt und darauf
                              gehalten, sonst entsteht leicht eine „steife“ Charge, wie
                              umgekehrt eine „rothe“ Charge, wenn man schnell bläst, ehe der
                              Kalk in der Flüssigkeit ist. Ich werde auf diese Erscheinungen noch
                              zurückkommen.
                           Angenommen nun, daß man den richtigen Kalkzusatz gemacht habe, so fährt man einfach
                              fort, Luft einzublasen, bis die Bildung von Mangansuperoxyd so weit getrieben ist,
                              als es praktisch scheint. Die anfangs hellgelbe Farbe des dünnen Breies verwandelt
                              sich in Braun und bald in tiefes Schwarz. Je nach dem Verhältniß der eingeblasenen
                              Luftmenge zu dem Volumen der behandelten Masse geht die Oxydation mehr oder weniger
                              schnell vor sich; es ist jedoch eine allgemeine Erfahrung, daß das Endresultat viel
                              günstiger ist, wenn man einen so kräftigen Luftstrom als möglich anwendet, und daß
                              die längere Anwendung eines weniger kräftigen Luftstromes, auch bei gleichem Volumen
                              der schließlich durchgepreßten Luft, nicht so gut wirkt.
                              Man wendet daher jetzt viel stärkere Gebläsemaschinen als früher an – in
                              großen Fabriken gewöhnlich zu zweien gekuppelt. Die Construction solcher Maschinen
                              für den Weldon-Proceß ist eine Specialität einiger
                              englischer Maschinenfabriken. Wenn man das Verfahren zuerst in Gang setzt, so muß
                              man einigemal während
                              der ganzen Operation alle halbe Stunden in später zu beschreibender Weise Probiren,
                              ob die MnO₂-Bildung noch fortgeht;
                              späterhin ist dies nicht nöthig, da man dann schon weiß, wie lange man blasen muß.
                              Bei meinem Apparate ist z.B. die Grenze nach 3 Stunden erreicht; aber es kann bei
                              anderen Apparaten 2 Stunden oder auch 5 Stunden lang dauern, je nach den
                              Verhältnissen; 3 bis 4 Stunden ist die Durchschnittszeit. Die alkalische Reaction
                              (auf welche man immer in dem Filtrate der gezogenen
                              Proben prüfen muß) soll mindestens noch eine Stunde nach dem Anfang des Blasens
                              deutlich, nachher schwächer sein und gegen das Ende der ersten Periode ganz
                              aufhören. Wenn sie zu früh aufhört, so ist dies ein Zeichen, daß der zweite
                              Kalkzusatz zu gering, – wenn sie gar nicht aufhört, daß derselbe zu groß war.
                              Jedoch kann man dem letzteren Uebelstande häufig noch in der jetzt folgenden
                              Schlußperiode durch vermehrten Zusatz von „Beendigungslauge“
                              abhelfen. Es ist eben angeführt worden, daß man unter allen Umständen noch einen
                              Vorrath von klarer Manganchlorürlösung in hinreichender Druckhöhe reserviren muß.
                              Man läßt nun, nach Beendigung der Anfangsperiode, d.h. wenn das MnO₂ in der Mischung nicht mehr zunimmt, unter
                              fortwährender Wirkung des Gebläses etwas frische Manganchlorürlösung zulaufen,
                              welche man eben „Beendigungslauge“ (final liquor) nennt. Der Zweck davon ist der, auf den zu einer guten
                              Oxydation durchaus nöthigen Ueberschuß von Kalk zu wirken und die
                              „Basis“ möglichst herabzudrücken. Im ersten Augenblicke
                              wird natürlich das Filtrat des Gemenges mit Chlorkalklösung die braune Reaction auf
                              gelöstes Mangan geben; aber häufig hört schon nach wenigen Minuten diese Reaction
                              wieder auf, indem sich alles gelöste Mangan niedergeschlagen hat. Man setzt dann
                              wieder etwas mehr „Beendigungslauge“ zu, bläst weiter, bis das
                              Filtrat mit Chlorkalk hell bleibt, und fährt fort bis man aus der zu lange dauernden
                              Zeit des Ausblasens abnimmt, daß man der Grenze nahe ist; man bläst dann noch immer
                              etwas weiter, bis das Filtrat entschieden ganz klar bleibt, und läßt nun den ganzen
                              Inhalt des Oxydationsthurmes in einen der Absatzkästen ablaufen. Diese Schlußperiode
                              der Behandlung mit „Beendigungslauge“ lasse ich regelmäßig 1
                              1/2 Stunden, anhalten, so daß die ganze Operation vom Anfange des eigentlichen
                              Blasens bis zum Auslaufen 4 1/2 Stunden dauert. Wenn man schon die erste
                              „Beendigungslauge“ nicht leicht klar ausblasen kann, so ist
                              dies ein Zeichen von zu geringem Kalkzusatz; wenn man dagegen sehr viel zusetzen
                              muß, so hat man zu viel Kalk zugegeben und muß sich danach bei der nächsten
                              Operation richten. Der Totalgehalt an MnO₂ per
                              Kubikfuß etc. wird durch
                              die Schlußperiode nicht immer vermehrt, manchmal sogar durch Verdünnung der
                              Flüssigkeit herabgedrückt; dagegen wird die „Basis“ immer
                              vermindert.
                           Zur Erläuterung des Fortschreitens der Oxydation will ich anführen, daß in meinem
                              Apparate, wenn ich mit einer Manganlauge anfange, die bei völliger Oxydation 50 Grm.
                              MnO₂ im Liter enthalten würde, welche aber
                              durch den Wasserdampf und die Kalkmilch etwa um 1/4 verdünnt wird, für gewöhnlich
                              folgende Erscheinungen eintreten: Der Gehalt des Gemenges an MnO₂ nach einer Stunde Blasen ist 16 Grm. im Liter; nach 1 1/2
                              Stunden 25 – nach 2 Stunden 29 bis 32 – nach 2 1/2 Stunden 32 bis 36
                              Grm. – nach 3 Stunden ungefähr ebensoviel. Die „Basis“
                              ist jetzt ungefähr 0,8 bis 0,9. Jetzt erfolgt der Zusatz von
                              „Beendigungslauge“, wovon im normalen Falle nicht viel mehr
                              oder weniger als 1/50 der ursprünglich angewendeten Manganchlorürlauge gebraucht
                              wird; nach 4 1/2 Stunden ist der Gehalt an MnO₂
                              35 bis 35 Grm. per Liter, „Basis“ 0,67. Unter 0,6 Basis wird
                              man nicht leicht kommen; über 0,75 ist die Arbeit entschieden schlecht. Der obige
                              Gehalt wird ungefähr 80 Proc. von dem vorhandenen Mangan als MnO₂ entsprechen, wobei die übrigen 20 Proc. als MnO vorhanden sind. Alles was nun noch übrig bleibt, ist
                              die Concentration des Manganschlammes, welcher ja ohne diese bald in das Unendliche
                              verdünnt werden würde (durch die Säure, Kalkmilch etc.). Unter normalen Umständen
                              scheidet sich das aus dem Oxydationsthurme auslaufende Gemenge, der dünne
                              Manganschlamm, schon nach wenigen Stunden in eine ganz klare Lösung von Chlorcalcium
                              und einen dickere:: Schlamm; man erreicht nicht viel mehr, wenn man statt dessen
                              mehrere Tage wartet, was außerdem auch sehr viel mehr Apparate und Raum beanspruchen
                              würde. Die klare Lösung wird durch ein um ein Gelenk im Inneren der Absatzkästen
                              drehbares Knierohr abgezogen, welches sich durch die Wand nach außen fortsetzt; bei
                              aufrechter Stellung fließt nichts aus, und durch allmälige Senkung kann man die
                              klare Chlornatriumlösung ohne alles Aufstören des Bodensatzes ablassen. Der dickere
                              Schlamm nimmt höchstens die Hälfte des Ganzen ein, enthält also mindestens das
                              doppelte an MnO₂, ungefähr 65 bis 75 Grm. im
                              Liter. Er ist immer noch dünn genug, um durch Schieberventile und Röhren von etwa
                              100 Millim. Weite selbst auf Hundert Meter fortgeleitet werden zu können, was nöthig
                              werden kann, wenn man die Chlorentwickelungströge wegen localer Verhältnisse in
                              einiger Entfernung anlegen muß.
                           Es mögen nun einige Worte über die beiden Erscheinungen eingeschaltet werden, welche
                              hin und wieder bei der Oxydation eintreten und zum Verderben einer Charge führen. Man kennt dieselben
                              hier als „rothe Chargen“ (red oder
                              foxy batches) und „steife
                                 Chargen“ (thick oder stiff batches).
                           Eine „rothe Charge“ ergibt sich, wenn das Gemenge, statt
                              schwarz, braunroth wird. Die Analyse hat mir, wie auch sonst bekannt, ergeben, daß
                              in diesem Falle so gut wie sämmtliches Mangan als Mn₃O₄ vorhanden ist, was sich,
                              wenn man will, so ausdrücken läßt, daß nur 25 Proc. von Mangan als MnO₂ vorhanden sind, das übrige als MnO gedacht, wie man dies gewöhnlich thut. Diese
                              Erscheinung tritt nun ein, wenn man das Gebläse mit voller Heftigkeit arbeiten läßt,
                              ehe irgend welcher Kalk oder ehe die hinreichende Menge desselben in der Flüssigkeit
                              vorhanden ist. Ist die Charge einmal roth geworden, so kennt man bisher noch kein
                              Mittel, um sie wieder in Ordnung zu bringen; man mag auch noch so lange blasen, der
                              Gehalt an MnO₂ nimmt nicht zu; man muß sie daher
                              ablassen und auflösen, was viel Salzsäure kostet und sehr wenig Chlor abgibt. Die
                              Ursache dieser Erscheinung, welche mir nur einmal vorkam, ist noch nicht aufgeklärt,
                              obwohl es ganz gut bekannt ist, unter welchen Umständen sie eintritt.
                           Die andere Betriebsstörung, die „steife Charge“, tritt meist
                              unter entgegengesetzten Umständen ein, nämlich wenn das Gebläse nicht stark genug
                              arbeitet; manchmal jedoch unter ganz unbekannten und unerklärten Umständen. Sie
                              zeigt sich daran, daß die Gebläsemaschine plötzlich mit größter Schwierigkeit
                              arbeiten muß; der Druck im Manometer steigt außerordentlich, und die Maschine bleibt
                              schließlich ganz stehen. Selten kommt dies anders als im Anfange der Operation vor;
                              wie es scheint, wenn zu viel Kalk zugesetzt wird, mehr als sich mit dem Mangan
                              verbinden oder austauschen kann, oder mehr als der Kraft des Gebläses entspricht.
                              Auch kommt es öfter bei Laugen aus natürlichem Braunstein, also bei Inbetriebsetzung
                              vor, wo man an und für sich mehr Kalk gebraucht; aus diesem Grunde soll man in
                              diesem Falle den zweiten Kalkzusatz nur absatzweise
                              vornehmen, was bei Laugen aus regenerirtem Braunstein weder nöthig noch räthlich
                              ist. Eine fernere Ursache von steifen Chargen liegt darin, daß die Manganlauge vor
                              dem Kalkzusatze zu stark erwärmt worden ist. Mir kam es z.B. vor, als sie durch ein
                              Versehen des Arbeiters bis auf 77° gebracht worden war; oben ist schon
                              55° als ausreichend angegeben worden, und über 65° sollte man nie
                              gehen. Ohnehin erhöht sich die Temperatur während des Blasens um einige Grade in
                              Folge der Oxydation, trotz der bedeutenden Abkühlung durch die Gebläseluft. Das
                              Aussehen einer steifen Charge ähnelt dem steifen Kalkbrei, welchen man in manchen
                              Gegenden zum Einsumpfen anfertigt. Dies kann so weit gehen, daß man die ganze Operation einstellen, die
                              steife Masse aus dem Thurme mit Spaten ausstechen und aus den Röhren mit Säure
                              auflösen muß. Zum Glück ist dieses Stadium nur höchst selten und nur anfangs in
                              einigen Fabriken vorgekommen, ehe man noch wußte, wie man sich beim Steifwerden der
                              Chargen zu benehmen hätte. Das einzige Mittel dagegen ist dieses, daß man allen
                              Dampf, welchen man nur irgend erhalten kann, auf die Gebläsemaschine wirken, und
                              zugleich frische Manganchlorürlauge in den Thurm einfließen läßt, welche den
                              überschüssigen Kalk aufnimmt, so lange bis die Maschine wieder ganz frei arbeitet.
                              In der Regel wird es freilich nicht gelingen, die betreffende Charge in normaler
                              Güte beendigen zu können; sie wird meist sehr hohe Basis (1 und darüber) und
                              geringen MnO₂-Gehalt (20 Grm. u. dgl. per
                              Liter) zeigen. Bei hinreichend starkem Gebläse und einigermaßen sorgfältiger
                              Behandlung des Kalkzusatzes kommen „steife Chargen“ überhaupt
                              nicht vor.
                           Wenige Worte genügen zur Beschreibung der Arbeit mit dem regenerirten Manganschlamme.
                              Die Steintröge dafür sind in der Regel 2,1 bis 2,5 Meter weit (quadratisch oder
                              achteckig) und 3 Meter hoch. Man füllt erst etwa 0,6 Meter Salzsäure ein – je
                              wärmer sie von den Condensationsthürmen kommt, desto besser – und läßt dann
                              den Manganschlamm durch ein Schieberventil in solcher Stärke zufließen, daß der
                              Chlorstrom, welcher augenblicklich entsteht, nicht zu stark ist und das Wasser nicht
                              aus den hydraulischen Verschlüssen bläst. Schon oben ist erwähnt worden, daß einige
                              wenige Fabriken den Manganschlamm erst mit verdünnter Salzsäure zur Entfernung der
                              „Basis“ behandeln, und mehrere ihn vor dem Einlaufen in die
                              Chlorblasen erwärmen; die Mehrzahl der Fabriken thut keines von beiden und kann
                              dafür nur nicht so viel Arbeit mit einer und derselben Blase liefern. Das Einlaufen
                              von Manganschlamm dauert fort bis die dunkle Färbung der Flüssigkeit (aus einem
                              Probirhahn entnommen) zeigt daß man genug daran habe; man bläst dann (und wohl schon
                              vorher) Dampf ein, worauf die Flüssigkeit sich klärt, wenn noch Säure vorhanden ist.
                              Man hat die Grenze erreicht, wenn die Flüssigkeit bei hinreichendem Wärmegrade zwar
                              klar, aber kaffeebraun ist (hellgelbe Farbe zeigt Säureüberschuß), und auf
                              kohlensauren Kalk gegossen, kein starkes Aufbrausen
                              zeigt. Besser ist es natürlich – wenn thunlich – direct auf freie
                              Säure zu prüfen, was am einfachsten durch Eintropfen von titrirter Natronlauge bis
                              zum Eintreten eines bleibenden Niederschlages geschieht. 1/2 Proc. freie Säure ist
                              normal, 1 Proc. entschieden zu viel. Zu weit soll man aber auch mit dem Sättigen der
                              Säure nicht gehen, denn dann bleibt sicher ungelöster Manganschlamm zurück, welcher
                              sich mit dem Neutralisationsschlamm absetzt und verloren geht.
                           An dem richtigen Punkte angekommen, läßt man den Blaseninhalt in den tiefer liegenden
                              Neutralisationsbrunnen ablaufen und setzt sofort gemahlenen Kalkstein oder Kreide zu
                              (Stücke bedecken sich zu schnell mit einer Rinde) unter Umrühren durch ein
                              mechanisches Rührwerk, bis die Flüssigkeit weder mit Kalkstein braust, noch blaues
                              Lackmuspapier röthet. Die trübe Lauge wird hierauf in die höher als der
                              Oxydationsthurm liegenden Absetzkästen gepumpt und beginnt den Kreislauf von Neuem.
                              Die Behandlung des sich hier absetzenden, werthlosen Schlammes ist schon oben
                              beschrieben worden. Er besteht wesentlich aus kohlensaurem Kalk, bei Laugen von
                              natürlichem Braunstein auch aus Eisenoxyd, Thonerde etc. Wenn die Salzsäure stark
                              schwefelsäurehaltig ist, so ist natürlich auch mehr oder weniger Gyps darin. Alles
                              Eisenoxyd wird übrigens im Anfange durch den kohlensauren Kalk nicht ausgefällt, und
                              vermutlich hauptsächlich aus diesem Grunde ist die Operation mit Laugen aus
                              natürlichem Braunstein schwieriger als mit regenerirtem.
                           Ich habe im Vorhergehenden, wie sich ja an und für sich ganz klar ergibt,
                              ausschließlich von dem älteren Weldon'schen
                              Regenerationsverfahren, demjenigen mit Kalk, geredet. Bekanntlich existirt nun aber
                              auch ein neues Weldon'sches Verfahren, in welchem statt
                              Kalk Magnesia angewendet und die Salzsäure durch Calciniren des Chlormagnesiums
                              wieder gewonnen wird, so daß man aus 14 Centner Salz eine Tonne Chlorkalk von 35
                              Proc. gewinnen soll. Das Verfahren ist auch im Detail ungemein interessant und
                              sinnreich ausgeführt, aber es scheint um so weniger am Platze diese ohnehin schon
                              sehr lange Abhandlung durch näheres Eingehen darauf noch mehr auszudehnen, als der
                              Erfinder selbst (wie er mir schreibt) zunächst nicht erwartet, dasselbe praktisch
                              durchgeführt zu sehen, nachdem die Furcht vor Deacon's
                              Concurrenz geschwunden ist. Es existirte in der That schon ein wirklicher
                              Fabrikapparat dafür, mit welchem beinahe 100 Tonnen Chlorkalk erzeugt wurden;
                              derselbe zeigte aber noch verschiedene Fehler, welche unbedingt zu einer
                              Reconstruction wichtiger Theile führen mußten. Die Besitzer dieser Fabrik zogen es
                              daher vor, statt dessen einen gewöhnlichen Apparat nach Weldon's Kalkverfahren zu bauen. Weldon ist
                              fest überzeugt, daß das Magnesiaverfahren völlig glatt arbeitend gemacht werden
                              kann; das wird aber noch bedeutende Geld- und Zeitopfer erfordern, und so
                              steht es vorderhand noch nicht in naher Aussicht.
                           Ich will schließlich noch die analytischen Methoden beschreiben, welche ich im
                              Betriebe des Weldon-Processes anwende, und welche
                              zum Theile Modificationen von Weldon's eigenen Vorschriften sind.
                              Die rohen Methoden zum Probiren der Chlorblasen-Laugen und der
                              Oxydationsthurmflüssigkeit habe ich schon im Laufe meiner Beschreibung des Processes
                              angeführt; es bleibt mir aber noch übrig die Methode zur genaueren Untersuchung des
                              regenerirten Manganschlammes auf MnO₂, auf
                              „Basis“ und auf totalen Mangangehalt anzuführen. Die
                              Reagentien, deren man benöthigt, sind folgende:
                           Eine starke, filirirte Chlorkalklösung (nicht titrirt).
                           Eine Lösung von ungefähr 100 Grm. kryst. Eisenvitriol per
                              Liter.
                           Eine Lösung von übermangansaurem Kali (Chamäleon); am bequemsten
                              aus reinen Krystallen bereitet und halbnormal gemacht, also 1 Kubikcentimeter
                              entsprechend 0,004 Grm. Sauerstoff oder 0,02175 Grm. MnO₂. – Ich bestimme ihren Titer mit Normal-Oxalsäure,
                              welche ihrerseits mit chemisch reinem kohlensaurem Natron geprüft ist.
                           Eine normale Lösung von Oxalsäure.
                           Eine normale Lösung von Aetznatron.
                           Zum Probiren auf MnO₂ pipettirt man 20 K. C. der
                              Eisenlösung in ein Becherglas, verdünnt mit kaltem Wasser auf 100 bis 200 K. C.,
                              setzt etwas reine Schwefelsäure zu und stellt den Titer mit Chamäleon fest; einmal
                              genügt für den ganzen Tag. Ferner werden 20 K. C. Eisenlösung verdünnt, angesäuert
                              und mit 10 K. C. des Manganschlammes versetzt. Man entnimmt diesen der gut
                              umgeschüttelten Probeflasche mit einer Pipette, spritzt dieselbe außen ab, läßt
                              ihren Inhalt in die Eisenlösung laufen und wäscht den inwendig hängen bleibenden
                              Schlamm mit der Spritzflasche nach. Der Schlamm löst sich in wenigen Secunden beim
                              Umschwenken des Becherglases, worauf man sofort mit der Chamäleonlösung austitrirt.
                              Die Anzahl der gebrauchten Kubikcentimeter, abgezogen von der für das Eisen allein
                              gebrauchten, entspricht dem MnO₂ und ergibt
                              dessen Menge per Liter sofort durch Multiplication mit 2,175. In England ist es
                              gebräuchlich, das MnO₂ in Pfunden (à 453,5 Grm.) per Kubikfuß (à 28,315 Liter) anzugeben. Man benützt dazu
                              gewöhnlich eine Pipette, welche 1/2 oder 1 Kubikzoll faßt, und kann dann folgende
                              Formel anwenden:
                           MnO₂ = (0,02175 ×
                              1728)/453,5 x = 0,0830 x,
                           wo x die Anzahl Kubikcentimeter
                              der halbnormalen Chamäleonlösung bedeutet, welche man durch Subtraction der zum
                              Rücktitriren gebrauchten von dem Titer der Eisenlösung gefunden hat.
                           Als „Basis“ bezeichnet man, wie schon bemerkt, alle die
                              Bestandtheile des Manganschlammes, welche Säure neutralisiren, mit Zurücklassung von
                              reinem
                              MnO₂ Man wird sich erinnern, daß nach 
                              Weldon's Ansicht das MnO₂ wirklich die Rolle einer Säure (welche er manganige Säure nennt)
                              spielt, und daß er gerade in der Bildung von Salzen dieser Säure den Grund sieht,
                              warum man ohne Zusatz von Kalküberschuß (über die zum Ausfällen des Mangans nöthige
                              Menge) Mn₂O₃
                              erhält, nämlich MnO, MnO₂. Bei weiterem
                              Kalkzusatz erhält man aber den größten Theil des Mangans als CaO, MnO₂. In diesem Falle, selbst wenn der Kalküberschuß ganz
                              genau bemessen ist, müßte die „Basis“ immer mindestens zum MnO₂ im Verhältnisse von 1 : 1 stehen, und
                              praktisch immer höher sein, weil eben immer mehr Kalk vorhanden ist. Im Kleinen kann
                              man auch darüber nicht hinwegkommen; im Großen jedoch ist factisch, mit Ausnahme von
                              fehlerhaften Operationen (rothen und steifen Chargen), die Basis viel niedriger, im
                              Durchschnitt Wohl 0,7 : 1; manchmal kommt sie bis 0,55 : 1, jedoch nie darunter.
                              Hieraus geht mit ziemlicher Sicherheit hervor, daß sich im Großen ein saures
                              Manganit bildet, jedoch nie ganz vollständig, da man 0,50
                              nie erreicht. Die Basis des Manganits kann Kalk,
                              Eisenoxyd, Magnesia oder Mangan selbst sein; das gegenseitige Mengenverhältniß
                              dieser Körper beeinflußt selbstverständlich weder die analytische Operation noch die
                              abstumpfende Wirkung auf die Salzsäure in der Chlorblase; man sucht daher in der
                              Regel nur nach der „Basis“ insgesammt, und zwar in folgender
                              Weise. Man verdünnt 25 K. C. (bei sehr hoher Basis ist dies zu wenig)
                              Normal-Oxalsäure auf etwa 100 K. C., setzt etwas Schwefelsäure zu und erwärmt
                              auf etwa 60 bis 80°, setzt 10 K. C. Manganschlamm unter den oben
                              beschriebenen Vorsichtsmaßregeln des Auswaschens der Pipette u.s.w. zu, und fährt
                              fort zu erwärmen, bis der Niederschlag rein weiß geworden
                              ist (ohne einen Stich ins Gelbe), was meist in weniger als einer Minute geschieht.
                              Alsdann titrirt man mit Normal-Natronlauge zurück, um die Anzahl der
                              verbrauchten K. C. Oxalsäure zu erfahren; jedoch hat die genaue Ermittelung des
                              Neutralisationspunktes einige Schwierigkeit, weil die Indication mit Lackmustinctur,
                              selbst bei bedeutendem Zusatze desselben, in diesem Falle nicht sehr scharf ist. Den
                              Angaben des englischen Fabrikchemiker über ihre Weldon-Basis ist daher nicht immer zu trauen. Man kommt viel genauer
                              und nicht viel langsamer zum Ziele, wenn man das Ganze auf 202 K. C. verdünnt (wovon
                              2 K. C. dem Volumen des Niederschlages entsprechen) durch ein trockenes Filter
                              gießt, und von dem Filtrat 100 K. C. mit Natronlauge zurücktitrirt, wo denn bei der
                              Abwesenheit eines Niederschlages die Indication mit Lackmus viel schärfer ist. Die
                              Oxalsäure wirkt folgendermaßen. Einmal zersetzt sie sich mit sämmtlichem MnO₂ in MnO und CO₂; es wird also für jeden oben verbrauchten K.
                              C. von halbnormalem
                              Chamäleon 1/2 K. C. Normal-Oxalsäure zu diesem Zwecke verbraucht. Genau die
                              gleiche Menge wird aber gleichzeitig verwendet, um mit dem Manganoxydul oxalsaures
                              Salz zu bilden, und eine fernere Menge wird zur Saturation des über MnO₂ hinaus vorhandenen MnO, CaO, MgO, Fe₂O₃ etc.
                              verwendet. Das letztere ist es gerade, dessen Menge man wissen will, und man erfährt
                              sie nach Obigem ganz einfach, wenn man von der verbrauchten Anzahl K. C. der
                              Oxalsäure die bei dem Titriren auf MnO₂ gefundene
                              Anzahl K. C. Chamäleon geradezu abzieht; der Rest der Oxalsäure ist gleich der
                              Basis, und das gewünschte Verhältniß zu MnO₂ wird
                              gefunden, wenn man in diesen Rest mit der halben
                              Chamäleonmenge (da die Oxalsäure normal, das Chamäleon nur halbnormal ist)
                              dividirt.
                           Man habe z.B. den Titer der Eisenlösung = 28,0 Chamäleon gefunden. Man habe nach
                              Einführung von 10 K. C. Manganschlamm nur noch 11,5 K. C. Chamäleon gebraucht, also
                              x = 16,5, oder der Gehalt des Schlammes = 35,88 Grm.
                              per Liter.
                           10 K. C. des Schlammes, mit 25 K. C. Normal-Oxalsäure erwärmt, auf 202 K. C.
                              gebracht; davon 100 K. C. abfiltrirt, verbrauchen 1,6 K. C. Normal-Natron.
                              Dies verdoppelt = 3,2, und von 25 abgezogen = 21,8 entspricht der Totalconsumption
                              von Oxalsäure. Davon abgezogen 16,5 (das obige x) für
                              MnO₂, bleibt 5,3 für die Basis. Die
                              Proportion (1/2 × 16,5 =) 8,25 : 5,3 = 1 : 0,642 ergibt in der letzten Zahl
                              (0,642) das, was man im Weldon-Verfahren als
                              „Basis“ bezeichnet.
                           Den Totalmangangehalt des Schlammes sucht man für gewöhnlich nur hin und wieder
                              festzustellen. Man thut das meist nicht regelmäßig, weil diese Operation einmal
                              nicht ganz so schnell wie die eben beschriebenen ausgeführt werden kann, und
                              zweitens, weil es lange nicht so wichtig ist zu wissen, wie viel Mangan noch als MnO vorhanden ist, als wie viel Totalbasis, d.h. MnO, CaO, Fe₂O₃ etc. Sehr interessant ist diese Bestimmung immerhin, und muß
                              jedenfalls zeitweilig vorgenommen worden. Man kocht 10 K. C. des Manganschlammes mit
                              Salzsäure bis zur Vertreibung von sämmtlichem Chlor, neutralisirt die freie Säure
                              mit Natronlauge recht genau und bringt wieder zum Kochen, worauf man klare
                              (filtrirte) Chlorkalklösung zusetzt, bis die Flüssigkeit eine röthliche Färbung
                              zeigt, durch Bildung einer Spur übermangansauren Salzes. Abgesehen von dieser ganz
                              unwesentlichen Spur befindet sich jetzt sämmtliches
                              Mangan im Zustande eines Niederschlages von MnO₂;
                              man bringt denselben auf ein Filter, wäscht ihn vollkommen aus, bis das Filtrat mit
                              Jodkalium durchaus keine Reaction mehr gibt und löst nun den Niederschlag in der
                              angesäuerten Lösung von Eisenvitriol auf, mit Zurücktitrirung durch Chamäleon, ganz
                              wie bei der oben beschriebenen Bestimmungsmethode des im Schlamme schon fertig
                              enthaltenen Mangansuperoxydes.
                           South-Shields, 13. November
                              1874.
                           
                              
                                 (Nachtrag folgt.)