| Titel: | Ueber Ultramarin; von E. Büchner. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 164 | 
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                        Ueber Ultramarin; von E. Büchner.
                        Büchner, über Ultramarin.
                        
                     
                        
                           Verfasser theilt die Resultate einiger Untersuchungen über die Bildungsweise des
                              Ultramarins mit, welche durch die Versuche von Unger
                              (vergl. 1872 206 371. 1874 212
                              224. 301), der das färbende Princip im Ultramarin dem Stickstoff zuschreibt,
                              angeregt wurden.
                           Da man aber über das blaufärbende Princip im Ultramarin noch nicht ganz ins Klare
                              gekommen ist, und da früher einmal die Behauptung aufgestellt wurde, daß man auch
                              ohne Kieselsaure Ultramarin darstellen könne, so suchten Büchner's Versuche in erster Linie hierüber Gewißheit zu erhalten. Da ihm
                              nun Natron und Thonerde als unbedingte Basen für die Ultramarinbildung erschienen,
                              so bediente er sich zu diesen Versuchen des Natriumaluminats, welches zu diesem
                              Zwecke aus der chemischen Fabrik von E. de Haën in
                              List vor Hannover bezogen wurde. Verf. stellte sich nun nach folgender Formel zwei Mischungen dar und ließ
                              dieselben, in Papiersäcke gepackt, in einem gewöhnlichen Ultramarinofen den üblichen
                              Brand mitmachen.
                            I. Mischung: Al₂Na₆O₆ + 6S + 3C
                           II. Mischung: Al₂Na₆O₆ + 2SiO₂ + 6S +
                              3C.
                           Ist nun eine Kieselsäure zu der Blaubildung wesentlich nöthig, so kann nur Mischung
                              II nach dem Brennen eine blaue Farbe zeigen, während I unverändert bleiben muß. Das
                              Resultat war, daß Mischung II richtig ein tiefes Blau zeigte, während aber auch
                              auffallender Weise I eine hellblaue Farbe zeigte. Da aber nicht mehr zu zweifeln
                              war, daß ein Kieselsäuregehalt Haupterforderniß zur Blaubildung sei, so suchte Verf.
                              den Grund der schwachen Blaufärbung bei I in einem Kieselsäuregehalt des
                              angewendeten Natriumaluminats. Diese Vermuthung bestätigte sich auch, denn die
                              Analyse des Aluminats ergab:
                           
                              
                                 SiO₂
                                 10,56
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Al₂O₃
                                 25,40
                                 „
                                 
                              
                                 Na₂O
                                 41,05
                                 „
                                 
                              
                                 CO₂
                                 15,45
                                 „
                                 
                              
                                 H₂O
                                   8,02
                                 „
                                 
                              
                           Die Analyse dieser beiden so erhaltenen Ultramarine ergab folgende Zahlen:
                           
                              
                                 Ausgewaschene
                                 Na₂SO₄ (NaO,
                                       SO₃) Menge.
                                 
                              
                                 I.
                                 43,70
                                 Proc.
                                 
                              
                                 II.
                                 27,45
                                 „
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 SiO₂
                                 80,95
                                 46,15
                                 
                              
                                 Al₂O₃
                                 15,01
                                 25,35
                                 
                              
                                 Na₂O
                                   1,18
                                 20,07
                                 
                              
                                 S
                                   4,15
                                   9,25
                                 
                              
                           Nach der angewendeten Mischung berechnet, fand sich bei II, abgesehen von einem
                              geringen Verluste an Natrium, die angewendete Menge an SiO₂ und
                              Al₂O₃ und Na₂O fast genau wieder. Von dem Schwefel fand sich
                              ungefähr die Hälfte der angewendeten Menge, inclusive des Schwefels, welcher sich
                              aus dem Sulfat berechnet. Auffallend dagegen gestaltet es sich bei I. Der Gehalt an
                              SiO₂ erscheint zu hoch, dagegen die Menge an Al₂O₃ und
                              Na₂O zu gering. Von dem Schwefel ist ebenfalls ungefähr die Hälfte in
                              Reaction getreten. Den zu hohen Gehalt an SiO₂ suchte Verf. dadurch zu
                              erklären, daß der Rückstand nach dem Zersetzen des Ultramarins mit Salzsäure
                              wahrscheinlich noch Thonerde-Natron enthalten muß. Deshalb wurde dieser
                              Rückstand mit Flußsäure behandelt und auch beträchtliche Mengen von
                              Thonerde-Natron darin gefunden. Diese Untersuchung wurde nur qualitativ
                              ausgeführt, da zu einer
                              quantitativen Untersuchung nicht mehr genügend Substanz zu Gebote stand. Woher es
                              kommt, daß sich der erhaltene Ultramarin aus Mischung II mit concentrirter Salzsäure
                              vollständig aufschloß, und dies trotz gleicher Behandlung bei I nicht stattfand,
                              kann Verf. nur durch die Wirkung der Kieselsäure bei den: Brennen erklären. Die
                              freie Kieselsäure bei II wirkte auf das Natrium-Aluminat gewissermaßen
                              zersetzend ein, verband sich zuerst mit der darin enthaltenen Kieselsäure und dann
                              mit der nöthigen Menge Thonerde und Natron zu dem Doppelsilicat.
                           Bei I dagegen scheint sich eine Art Natronfeldspath gebildet zu haben.
                           Dieser Versuch zeigt aber deutlich, wie unbedingt nothwendig die Kieselsäure für
                              Ultramarinbildung ist; er zeigt ferner, daß durch einen höheren Kieselsäuregehalt
                              eine kleinere Menge Sulfat bedingt wird, und folglich hieraus, daß der Schwefel zu
                              der Kieselsäure in näherer Beziehung steht als zu der Thonerde und dem Natron. Ueber
                              die Ultramarinanalyse selbst ist noch kurz folgendes zu bemerken. Die Zersetzung des
                              Ultramarins mit concentrirter Salzsäure ist keine vollständige; in. dem Rückstande
                              kann man in den meisten Fällen unter dem Mikroskop noch unzersetztes Ultramarin
                              auffinden. Die vollständige Zersetzung findet nur bei mehrmaliger Behandlung mit
                              concentrirter Schwefelsäure statt. Zur Oxydirung des Schwefels bediente sich Verf.
                              mit bestem Erfolge des Kaliumpermanganats.
                           Bei weiteren Versuchen, welche noch erwähnt werden sollen, kam es darauf an, die
                              Bildungsweise von Ultramarin mittels Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoff zu
                              studiren, indem sich Verf. die in der Natur vorkommenden Ultramarinverbindungen auf
                              die Weise entstanden denkt, daß das zu Grunde liegende
                              Natron-Thonerde-Silicat in der Hitze mit Dämpfen von
                              Schwefelkohlenstoff resp. Schwefelwasserstoff zusammen kam.
                           Es wurde daher eine Mischung von Thon und Soda – und zwar im Verhältniß, wie
                              es auch in der Ultramarinfabrikation in Anwendung kommt, gemacht. Diese Mischung
                              wurde in zwei Theile getheilt; der eine Theil in einer Porzellanrohre in
                              Schwefelwasserstoff und der andere Theil auf gleiche Weise im
                              Schwefelkohlenstoffdampf erhitzt. Das Resultat war bei beiden Versuchen ziemlich
                              dasselbe; die Masse hatte eine grüne Farbe angenommen, welche im Luftstrome erhitzt
                              in Blau überging, ebenso beim Erhitzen mit Schwefel; beim Erhitzen mit Salmiak war
                              das Blau jedoch von hellerer Nüance. Die Einwirkung selbst ging beim
                              Schwefelwasserstoff schneller vor sich als beim Schwefelkohlenstoff; doch ist die
                              Darstellungsweise mit ersterem schwieriger, da die Temperatur nur eine gemäßigte
                              sein darf, während bei der Einwirkung mit Schwefelkohlenstoff die Temperatur eine lang
                              andauernde Weißglut sein muß. Als deshalb bei einem letzten Versuch eine Blaubildung
                              aus dem Natrolith auf gleiche Art erzeugt werden sollte, bediente sich Verf. des
                              Schwefelkohlenstoffes, um eine höhere Temperatur anwenden zu können. Der Natrolith
                              steht nämlich in seiner Zusammensetzung, betreffs seines Gehaltes an SiO₂,
                              Al₂O₃ und Na₂O, von allen natürlich vorkommenden
                              Doppelsilicaten dem Ultramarin am nächsten.
                           Fein zertheiltes Natrolithpulver wurde in einer zum Glühen erhitzten Porzellanröhre
                              Schwefelkohlenstoffdämpfen ausgesetzt. Nach längerer Einwirkung hatte die Masse eine
                              schwarze Farbe angenommen, und unter dem Mikroskop erkannte Verf. die Abscheidung
                              von Kohle, gleichzeitig aber auch eine grüne Färbung einzelner Partikelchen. Um nun
                              das Verbrennen der Kohle und gleichzeitig eine Einwirkung von Schwefel zu erzielen,
                              würde die Masse jetzt in einem Strome von Schwefligsäuregas erhitzt. Das Resultat
                              war jetzt, daß die Masse viele, schon dem bloßen Auge erkennbare, blaue Theilchen
                              zeigte, und bei fortgesetzter Einwirkung von Schwefligsäuregas wäre die Blaubildung
                              gewiß eine durchgreifende geworden.
                           Aus diesem letzten Versuch nun möchte der Verfasser schließen, daß das natürliche
                              Ultramarin – der Lasurstein – aus dem Natrolith entstanden ist, da die
                              Zusammensetzung beider eine ziemlich gleiche ist, wie dies folgende Analyse zeigen
                              möge.
                           
                              
                                 
                                 Natrolith.
                                 Lasurstein.
                                 
                              
                                 SiO₂
                                 47,47
                                 45,70
                                 
                              
                                 Al₂O₃
                                 26,33
                                 25,34
                                 
                              
                                 Na₂O
                                 14,42
                                 10,55
                                 
                              
                           Schließlich berührt Büchner kurz noch zwei Punkte –
                              zunächst den von Scheffer erwähnten rothen und gelben
                              Ultramarin (vergl. 1874 211 137). Derselbe betrachtet
                              beide Producte als eine „unterdrückte“ Ultramarinbildung, während Büchner diese Producte als Zersetzungsproducte des Ultramarins bei höherer
                              Temperatur ansieht, da er bei früheren Versuchen gefunden hat, daß wenn man
                              Ultramarin im Sauerstoffstrome erhitzt, diese beiden Producte ebenfalls auftreten,
                              bevor die völlige Zersetzung, also das Weiß- oder Grauwerden eingetreten ist.
                              – Der andere Punkt betrifft die Frage, ob der Ultramarin ein krystallinischer
                              Körper sei oder nicht. Dr. Reinhold Hoffmann will den Ultramarin kristallinisch erkannt
                              haben; er sagt in seiner Abhandlung (Ueber Ultramarin, Notizen für die Jury der
                              Weltausstellung in Wien 1873, S. 88): „Untersucht man weißen Ultramarin
                                 und die daraus beim Abbrennen mit Schwefel entstehenden Producte bis zum fertigen
                                 Blau unter dem Mikroskop, so findet man für alle eine ganz bestimmt
                                 ausgesprochene und gleichbleibende Form, nämlich rundliche von vielen Flächen
                                 begrenzte Körper.“ Später will Hoffmann
                              dann wohl charakterisirte Krystallformen nachgewiesen haben.
                           Beide Fälle nun hat auch Büchner beobachtet, und zwar
                              konnte er unter dem Mikroskop die Krystallformen ∞ P.
                                 P deutlich erkennen; manchmal glaubt er auch eine Zwillingsbildung
                              wahrgenommen zu haben. Untersucht man aber unter dem Mikroskop den angewendeten Thon
                              und den Ultramarinnickstand (nach dem Zersetzen des Ultramarins mit Säure), so
                              findet man genau dieselben Formen wieder. Da diese Formen
                              aber der Kieselsäure (resp. dem Quarz) zukommen, so kann man diese krystallinischen
                              Fragmente nicht als Ultramarinkrystalle betrachten, sondern als Quarzkryställchen,
                              an welche der blaue Farbstoff angeheftet ist. Würden die Ultramarinkrystalle
                              wirklich existiren, so müßten diese Krystalle mit der Zerstörung des blauen
                              Farbstoffes ebenfalls zerstört werden.
                           Verfasser schließt, indem er die Hoffnung ausspricht, daß der von dem deutschen
                              Ultramarinfabrikanten-Verein ausgesetzte Preis (s. 1874 213 88) für die beste Arbeit, in welcher Weise der Schwefel im Ultramarin
                              gebunden ist, Anlaß zu recht vielen eingehenden und sorgfältigen Untersuchungen über
                              diesen Gegenstand geben möge, damit man über die eigentliche Constitution des
                              Ultramarins endlich einmal Gewißheit erlange. (Nach den Berichten der deutschen chemischen
                                    Gesellschaft, 1874 S. 989.)