| Titel: | Ein System der vergleichenden mechanischen Technologie; von Professor W. F. Exner in Wien. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 171 | 
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                        Ein System der vergleichenden mechanischen
                           Technologie; von Professor W. F.
                              Exner in Wien.Als Verfasser am 5. December v. J. im „Oesterreichischen
                                    Ingenieur- und Architekten-Verein“ zu Wien seine
                                 Ansichten über eine Reform des Systemes der mechanischen Technologie
                                 entwickelte, that er dies in der Absicht, die Aufmerksamkeit des Fachpublicums
                                 auf diese wichtige Frage zu lenken und eine Discussion über dieselbe in weiteren
                                 Kreisen anzuregen. Die wesentlichsten Grundzüge einer Reform wurden deshalb auch
                                 in diesem Journal, 1874 214 410 u.s.f. niedergelegt.
                                 Der Erfolg dieser Publication und jenes Vortrages war ein sehr befriedigender
                                 und für den Verfasser in hohem Grade ermunternder. Mehrere hervorragende
                                 Fachmänner gaben schriftlich ihre Beistimmung zu den entwickelten Ansichten zu
                                 erkennen.
                                 Nachträglich wurde Verfasser auch aufmerksam gemacht, daß Professor Friedr. Kick in Prag bereits im November 1873 – also
                                 früher als Verf. in dieser Sache öffentlich aufgetreten ist – in der 4.
                                 Hauptversammlung des deutschen polytechn. Vereins in Prag einen Vortrag:
                                 „Ueber neuere Bestrebungen auf dem Gebiete der Mechanik und
                                    Technologie“ gehalten und als Hauptaufgabe des Technologen
                                 bezeichnet hat, eine Mechanik der Formveränderungen
                                 zu schaffen und auf dieser die Technologie aufzubauen (vergl. Technische
                                 Blätter, 1873 S. 111) – für den Verfasser eine angenehme Bestätigung
                                 seines Ausspruches (a. a. O. S. 412), daß für die Mehrzahl seiner Collegen die
                                 dem neuen Systeme zu Grunde liegende Idee nicht neu sei.Die im Ingenieur-Vereine hervorgerufene Discussion veranlaßte nun den
                                 Verfasser in der Section der Maschinen-Ingenieure (am 23. December v. J.)
                                 einen zweiten Vortrag zu halten, um durch Beispiele – zunächst durch
                                 Darstellung des Gießerei-Begriffes – darzulegen, wie schon
                                 gegenwärtig eine Anordnung des dermaligen Lehrstoffes nach dem System der
                                 vergleichenden Technologie nicht nur möglich sondern auch ersprießlich sei,
                                 indem die neue Methode die noch zu lösenden Aufgaben präcisire und deren
                                 Inangriffnahme anbahne.
                           
                        Exner, über ein System der vergleichenden mechanischen
                           Technologie.
                        
                     
                        
                           Ueber den Arbeitsbegriff:
                                 Gießerei.
                           Einleitung.
                           Gießerei ist derjenige Arbeitsbegriff, welcher auf der
                              Eigenschaft gewisser Körper beruht, aus ihrem tropfbar flüssigen Aggregatzustande
                              oder von ihrer feinen
                              Vertheilung (Suspendirung oder Lösung) in einer tropfbaren Flüssigkeit in den festen
                              Aggregatzustand übergeführt werden zu können und dabei eine vorher beabsichtigte
                              oder sogar genau bestimmte Gestalt und Größe anzunehmen. Nach dieser Definition
                              zerfällt die Gießerei in zwei Arten: A) Gießerei von schmelzbaren Rohstoffen; B)
                              Gießen von in Flüssigkeiten suspendirbaren oder löslichen Rohstoffen.
                           Jedesmal ist das Erstarren einer Flüssigkeit unter gewissen die Gestalt des
                              erstarrten Körpers bedingenden Modalitäten das charakteristische des Verfahrens,
                              „Gießen“ genannt.
                           Die Umwandlung des flüssigen Körpers in einen starren geschieht durch Aenderung des
                              Aggregatzustandes oder aber durch Beseitigung des flüssigen Mengungs- oder
                              Lösungsmittels. Die Eigenschaft des Rohstoffes, auf welcher das Verfahren
                              „Gießen“ beruht, kann also eine zweifache sein und begründet dadurch solche Verschiedenheiten in den
                              Hilfsmitteln des Verfahrens, daß sich zwei Hauptarten der Gießerei unterscheiden
                              lassen. Diese zwei Arten sind gesondert zu behandeln, weil dann bei der wesentlichen
                              Verschiedenheit der Rohstoff-Eigenschaften und den aus ihnen entspringenden
                              Verschiedenheiten bei den Hilfsmitteln leichter die Gesetze, welche diesen
                              Arbeitsbegriff beherrschen, erkennbar werden.
                           
                              A. Gießen von schmelzbaren Rohstoffen.
                              
                                 I. Die Arbeits-Eigenschaften des
                                    Rohstoffes.
                                 1. Schmelzbarkeit. Die Erhöhung oder Ermäßigung
                                    der Temperatur eines Körpers wird durch eine Zufuhr oder Entnahme von Wärme,
                                    d. i. einer Anzahl von WärmeeinheitenWärmeeinheit ist jene Wärmemenge, welche 1 Kilogrm. reines Wasser bei
                                          Atmosphärendruck von 0° auf 1° C. erwärmt., bewerkstelligt. Die specifische Wärme ist jene Zahl von
                                    Wärmeeinheiten, die zur Erhöhung oder Ermäßigung der Temperatur um 1°
                                    C. von einem Kilogramm einer bestimmten Substanz nothwendig ist. Hierbei
                                    muß zwischen specifischer Wärme bei constantem Drucke und solcher bei
                                    konstantem Volumen unterschieden werden, indem die erstere immer größer als
                                    die letztere ist. Da übrigens die Rohstoffe während des Schmelzprocesses in
                                    der Gießerei bei ihren Volumänderungen keine wesentliche Beeinträchtigung
                                    erfahren, so mag in der folgenden Tabelle nur die specifische Wärme bei
                                    constantem Drucke (c) angeführt werden. Dieselbe
                                    ändert sich nach den Untersuchungen von Regnault,
                                       Wüllner, Dulong und Petit u.a. bei
                                    derselben Substanz mit der Dichtigkeit, dem Luftdruck, der TemperaturInsoferne c sich mit der Temperatur
                                          ändert, also allgemein:ct = c
                                          o + At + Bt² + . . . .ist, kann füglich nicht von der specifischen
                                          Wärme einer bestimmten Substanz schlechthin, sondern nur von deren
                                          mittlerer specifischen Wärme innerhalb eines gegebenen
                                          Temperatur-Intervalles die Rede sein., mit dem Aggregat- und dem eventuellen allotropischen
                                    Zustande. Diese Modifikationen von c können für
                                    die technologische Aufgabe heute noch vernachlässigt werden.
                                 Durch Dulong und Petit
                                    u.a. (vergl. Graham-Otto's Chemie, Wüllner's Physik) ist die specifische Wärme c bestimmt worden.
                                 
                                    
                                       Substanz.
                                       
                                          c
                                          
                                       Autor
                                       Anmerkung.
                                       
                                    
                                       Antimon
                                       0,051
                                       Durchschnitt aus mehreren
                                          Angaben.
                                       
                                    
                                       Blei
                                       0,031
                                       Regnault
                                       
                                       
                                    
                                       Eisen
                                       0,114
                                       „
                                       
                                       
                                    
                                       Gold
                                       0,032
                                       „
                                       
                                       
                                    
                                       Kupfer
                                       0,094
                                       Verschiedene
                                       
                                       
                                    
                                       Nickel
                                       0,109
                                       Regnault
                                       
                                       
                                    
                                       Platin
                                       0,033
                                       Dulong und Petit
                                       0–100°
                                       
                                    
                                       Silber
                                       0,056
                                       Verschiedene
                                       
                                       
                                    
                                       Wismuth
                                       0,031
                                       Regnault
                                       
                                       
                                    
                                       Zink
                                       0,093–0,101
                                       Dulong und Petit
                                       0–100°
                                          0–300°
                                       
                                    
                                       Zinn
                                       0,055
                                       Verschiedene
                                       
                                       
                                    
                                       Stahl
                                       0,1170,086
                                       Regnault„
                                       
                                       
                                    
                                       Messing
                                       0,094
                                       Kopp nach Regnault
                                       
                                       
                                    
                                       Glas
                                       0,177
                                       Dulong und Petit
                                       
                                       
                                    
                                       Glas
                                       0,193
                                       Regnault
                                       
                                       
                                    
                                       Thon
                                       0,185
                                       Kopp nach Regnault
                                       
                                       
                                    
                                       Schwefel
                                       0,180
                                       Regnault
                                       2 Monate n. d. Schmelzen
                                       
                                    
                                       Roheisen
                                       0,127–0,140
                                       Byström
                                       0–300°
                                       
                                    
                                       Gußstahl
                                       0,117–0,132
                                       „
                                       „
                                       
                                    
                                       Reines Eisen
                                       0,111–0,126
                                       „
                                       „
                                       
                                    
                                 Bei einer gewissen für jede Substanz charakteristischen Temperatur geht diese
                                    aus ihrem starren Aggregatzustande in den flüssigen und umgekehrt aus dem
                                    flüssigen in den starren über – vorausgesetzt, daß ihr eine bestimmte
                                    hierzu erforderliche Wärmemenge zugeführt bezieh, entzogen wird. Jene
                                    charakteristische Temperatur heißt Schmelzpunkt und hängt nach den
                                    Untersuchungen von William Thomson, Hopkins und
                                    Bunsen wesentlich von jenem Drucke ab, unter
                                    welchem das Schmelzen oder Erstarren stattfindet; sie ändert sich nicht, so
                                    lange das Schmelzen oder Erstarren dauert, denn die während dieser Zeit
                                    zugeführte oder entzogene Wärmemenge, nach älteren Physikern latente, nach
                                    neueren SchmelzungswärmeVon Deluc beim Eise zuerst nachgewiesen
                                          und von Clausius auch Werkwärme genannt., wird ausschließlich zur Aenderung der Aggregatform verwendet.
                                 Schmelzpunkte (T°
                                    Celsius).
                                 
                                    
                                       Schmiedeisen
                                       1600
                                       Zink
                                       423
                                       
                                    
                                       Stahl
                                       1400–1300
                                       Blei
                                       334
                                       
                                    
                                       Roheisen grau
                                       1200–1100
                                       Wismuth
                                       270
                                       
                                    
                                             „      weiß
                                       1100–1050
                                       Zinn
                                       235
                                       
                                    
                                       Gold
                                       1200
                                       Schwefel
                                       115
                                       
                                    
                                       Kupfer
                                       1090
                                       Stearinsäure
                                       70
                                       
                                    
                                       Silber
                                       1000
                                       Bienenwachs
                                       69
                                       
                                    
                                       Bronze
                                         900
                                       Stearin (+ 50)
                                       60
                                       
                                    
                                       Antimon
                                         425
                                       Talg
                                       33
                                       
                                    
                                 In Ziurek's Tabellen findet sich eine
                                    Zusammenstellung ohne Angabe der Autoren, die wir anders angeordnet und mit
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                                       Platin
                                        2534
                                       Fichtenharz
                                         135
                                       
                                    
                                       Wolfram
                                        1700
                                       Schwarzes Pech
                                         100
                                       
                                    
                                       Nickel
                                        1600
                                       Dammarharz
                                       73
                                       
                                    
                                       Kobalt
                                        1400
                                       Stearinsäure
                                       70
                                       
                                    
                                       Messing
                                        1015
                                       Palmwachs
                                       70
                                       
                                    
                                       Emailfarben
                                         963,5
                                       Palmitinsäure
                                       62
                                       
                                    
                                       Glas
                                       900
                                       Paraffin
                                       55
                                       
                                    
                                       Bernstein
                                       280
                                       Drachenblut
                                       55
                                       
                                    
                                       Kautschuk
                                       125
                                       Wallrath
                                       44
                                       
                                    
                                       Rohrzucker amorph.
                                       90–100
                                       Rindstalg
                                       33
                                       
                                    
                                               „        krystallisirt
                                       160
                                       Laurostearinsäure
                                       42–44
                                       
                                    
                                       Newton's Metall (3Sn. 5Pb, 8Bi)
                                        94,5
                                       Palmitin
                                          37,5
                                       
                                    
                                       Rose's Metall (1Sn, 1Pb, 2Bi)
                                         93,75
                                       Palmöl
                                       29
                                       
                                    
                                       Schellack
                                        93,2
                                       Leinöl
                                       27
                                       
                                    
                                       Oxalsäure
                                       98  
                                       Cocosnußöl
                                       22
                                       
                                    
                                 In Kerl's Eisenhüttenkunde findet sich folgende
                                    Tabelle.
                                 
                                 
                                    
                                       Substanz.
                                       Dichte
                                       
                                          c
                                          
                                       
                                          T
                                          
                                       Aequivalent.
                                       
                                    
                                       Antimon
                                         6,718
                                         0,0508
                                         512
                                         120,3
                                       
                                    
                                       Blei
                                       11,380
                                       0,314
                                         334
                                         103,5
                                       
                                    
                                       Eisen
                                         7,840
                                         0,1138
                                       1900–2100
                                           28,0
                                       
                                    
                                       Gold
                                       19,320
                                       0,324
                                       1202
                                       197
                                       
                                    
                                       Kupfer
                                       8,95
                                       0,095
                                       1173
                                            31,7
                                       
                                    
                                       Schwefel
                                       1,97–2,07
                                         0,2143
                                         111
                                         16
                                       
                                    
                                       Silber
                                       10,550
                                       0,057
                                       1023
                                       108
                                       
                                    
                                       Wismuth
                                         9,760
                                       0,030
                                         249
                                       210
                                       
                                    
                                       Zink
                                            7,2
                                       0,095
                                         411
                                       326
                                       
                                    
                                       Zinn
                                            7,3
                                       0,056
                                         230
                                       590
                                       
                                    
                                 Die Schmelzwärme W beträgt in Wärmeeinheiten nach Untersuchungen von Person für 1 Kilogramm
                                 
                                    
                                       Schwefel
                                         9,368
                                       Zink
                                       28,130
                                       
                                    
                                       Kalisalpeter
                                       47,371
                                       Silber
                                       21,070
                                       
                                    
                                       Natronsalpeter
                                       62,975      
                                       Legirung
                                       
                                       
                                    
                                       Zinn
                                       14,251
                                           3Bi, 2Pb, 2Sn
                                         4,496
                                       
                                    
                                       Wismuth
                                       12,640
                                           2Bi, 1Pb, 2Sn
                                         4,687
                                       
                                    
                                       Blei
                                         5,369
                                       
                                       
                                       
                                    
                                 Mit Hilfe dieser Zahlen und der durch sie verkörperten Begriffe kann man die
                                    Wärmemenge rechnen, welche gewissen schmelzbaren Rohstoffen zugeführt werden
                                    muß, um sie von der mittleren Temperatur (15°) in den völlig
                                    flüssigen Zustand zu überführen.
                                 Die gesammte Wärmezufuhr (w) von 0°
                                    Temperatur bis zum vollständigen Schmelzen für 1 Kilogrm. eines beliebigen
                                    Rohstoffes beträgt, wenn wie vorher c die
                                    mittlere specifische Wärme, T der Schmelzpunkt
                                    und W die Schmelzungs- oder Werkwärme ist:
                                 w = cT +
                                    W                    (1)
                                 Hat man einen Körper von der Temperatur τ
                                    und nicht von 0° vor sich, wie dies in der Praxis des
                                    Gewerbebetriebes zumeist der Fall ist, so hat vorstehende Formel zu
                                    lauten
                                 w = c (T – τ)
                                    +
                                    W.            (2)
                                 Da aber ein eben völlig geschmolzener Körper noch nicht zum Gießen geeignet
                                    ist, weil er im nächsten Augenblicke wieder zu erstarren beginnt, so muß die
                                    geschmolzene Masse noch um t° über T hinaus erhitzt werden. Man gießt niemals eine
                                    Substanz von der ihr beim Schmelzen eigenthümlichen Temperatur, sondern bei
                                    der Temperatur T + t. Kennt man die specifische Wärme der geschmolzenen Substanz c', so ist also außer w noch eine weitere Wärmezufuhr von c't Wärmeeinheiten erforderlich, um ein Kilogramm Gießstoff in die
                                    zum Gießen geeignete Verfassung zu bringen.
                                 
                                 Die Gesammtwärme W, welche also erforderlich ist,
                                    um einen starren Körper in die zum Gießen geeignete Beschaffenheit
                                    überzuführen, berechnet sich nach der Formel
                                 W = c (T – τ)
                                    + W + c't.                      (3)
                                 Wir können von dieser Formel leider vorläufig keinen Gebrauch machen, da wir
                                    für T in der Regel nur schwankende, für die
                                    durchschnittliche specifische Wärme c unsichere,
                                    für t sehr unzuverlässige, für W nur wenige und
                                    für c' fast gar keine Daten besitzen. Gegenüber
                                    dieser Thatsache kann man auf eine schärfere analytische Formel mit
                                    Rücksicht auf AnmerkungInsoferne c sich mit der Temperatur
                                          ändert, also allgemein:ct = c
                                          o + At + Bt² + . . . .ist, kann füglich nicht von der specifischen
                                          Wärme einer bestimmten Substanz schlechthin, sondern nur von deren
                                          mittlerer specifischen Wärme innerhalb eines gegebenen
                                          Temperatur-Intervalles die Rede sein. (S. 173) um so mehr verzichten.
                                 Beispiel. Für Blei ist
                                    annäherungsweise
                                 
                                    
                                       
                                          c
                                          
                                       =
                                       0,031
                                       
                                    
                                       
                                          T
                                          
                                       =
                                          334, τ = 15,
                                       
                                    
                                 daher die nothwendige Wärmezufuhr bis zum
                                    Schmelzpunkt
                                 
                                    
                                       
                                       0,031 (334–15)
                                       =   9,889 Wärmeeinheiten
                                       
                                    
                                       hierzu Schmelzwärme
                                                       
                                          W
                                       =  
                                          5,369          „
                                       
                                    
                                       
                                                     
                                          –––––
                                       –––––––––
                                       
                                    
                                       
                                                         w
                                       = 15,258
                                       
                                    
                                 c' ist unbekannt, daher W nicht zu ermitteln.
                                 Jede Wärmeeinheit entspricht aber nach der mechanischen Wärmetheorie ca.
                                    423,5 Kilogrm.-Meter mechanischer Arbeit. Man kann und muß daher die
                                    Vorbereitung des Rohstoffes zum Gießen – seine unerläßliche
                                    Formveränderung – im Wege der Wärmezufuhr als eine mechanische Arbeit
                                    A auffassen und nach der Näherungsformel
                                 A = 423,5 W                    
                                    (4)
                                 berechnen.
                                 In dem obigen Beispiele wäre, um 1 Kilogrm. Blei von der
                                    gewöhnlichen Temperatur (τ = 15°)
                                    bis zum Schmelzen zu bringen:
                                 
                                    
                                       A
                                       =
                                       423,5 × 15,258
                                          Kilogrm.-Meter
                                       
                                    
                                       
                                       =
                                       86 Pferdestärken.
                                       
                                    
                                 Die Größe w (Formel 1 oder 2), welche von der
                                    specifischen Wärme der starren Substanz, dem Schmelzpunkte und der
                                    Schmelzungswärme abhängig ist und nur mit 423,5 multiplicirt zu werden
                                    braucht, um das gesammte Erforderniß an mechanischer Arbeit darzustellen,
                                    welche einen Rohstoff zum Gießen geeignet macht, bestimmt in erster Linie
                                    die Eignung der Rohstoffe zur Gießerei und beeinflußt die Hilfsmittel des
                                    Verfahrens.
                                 Wir construiren daher eine Reihe aus allen jenen Stoffen vorläufig nach w, für welche c, T
                                    und W bekannt, da wir auf eine nur annähernde Bestimmung von W verzichten
                                    müssen.
                                 
                                    
                                       Natronsalpeter
                                       149,294      
                                       Schwefel
                                       30,068
                                       
                                    
                                       Kalisalpeter
                                       128,053
                                       Zinn
                                       27,176
                                       
                                    
                                       Silber
                                         77,070
                                       Wismuth
                                       21,010
                                       
                                    
                                       Zink
                                         70,853
                                       Blei
                                       15,723
                                       
                                    
                                 
                                 Nach W, T oder c
                                    geordnet, würde sich die Reihe anders herausstellen, und zwar:
                                 
                                    
                                       nach W:
                                       Natronsalpeter
                                       Zinn
                                       
                                    
                                       
                                       Kalisalpeter
                                       Wismuth
                                       
                                    
                                       
                                       Zink
                                       Schwefel
                                       
                                    
                                       
                                       Silber
                                       Blei;
                                       
                                    
                                       nach T:
                                       Silber
                                       Natronsalpeter
                                       
                                    
                                       
                                       Zink
                                       Wismuth
                                       
                                    
                                       
                                       Kalisalpeter
                                       Zinn
                                       
                                    
                                       
                                       Blei
                                       Schwefel;
                                       
                                    
                                       nach c:
                                       Natronsalpeter
                                       Silber
                                       
                                    
                                       
                                       Kalisalpeter
                                       Zinn
                                       
                                    
                                       
                                       Schwefel
                                       Wismuth
                                       
                                    
                                       
                                       Zink
                                       Blei.
                                       
                                    
                                 Die letzte dieser Reihen hat die meiste Aehnlichkeit mit der nach w gebildeten Reihe.
                                 Wenn man bedenkt, daß zwei dieser Glieder (Natron- und Kalisalpeter)
                                    keinen Belang für die Gießerei haben, daß also diese Reihe jetzt nur aus
                                    sechs Gliedern bestehend angesehen werden kann, so muß man Zugeben, daß die
                                    bisherigen Untersuchungen in dieser Richtung sehr unvollständig sind. Ganz
                                    besonders fällt es auf, daß hier Roheisen, Gußstahl, Bronze, Stearinsäure
                                    u.a.m. fehlen.Allerdings läßt sich nach der von Person
                                          aufgestellten Theorie die Schmelzungswärme der Metalle und
                                          Nichtmetalle mit ziemlicher Sicherheit rechnen; doch ist der Werth
                                          solcher gerechneten Daten noch immer ein so problematischer, daß
                                          selbst, wenn alle für diese Calculation nöthigen Daten sicher
                                          erhoben wären, man es doch noch immer zu überlegen hätte, sie einer
                                          weiteren Speculation zu Grunde zu legen. Uebrigens sind die
                                          theoretischen Arbeiten Person's
                                          namentlich seine Theorie des Schmelzprocesses höchst bemerkenswerth.
                                          (S. Wüllner: Wärmelehre S. 499.) In der
                                          Person'schen Formel erscheint die
                                          specifische Wärme der geschmolzenen Substanzen (c'), welche, wie oben erwähnt, nicht
                                          experimentell ermittelt ist.
                                    
                                 Als Beweis aber, daß von verschiedenen Seiten die
                                    Wichtigkeit des Begriffes W erfaßt wird, mag
                                    folgendes Beispiel gelten. In der berg- und hüttenmännischen Zeitung,
                                    1870 S. 195 u.s.f. (Kerpely's Jahresbericht über
                                    die Fortschritte der Eisenhüttenkunde im J. 1870) findet sich eine
                                    theoretische Beurtheilung der Apparate zum
                                       Einschmelzen von Roheisen; von Dr. E.
                                    F. Dürre. Es wird dort W – allerdings mit Außerachtlassung von W – berechnet, und zwar nach der
                                    Formel
                                 W = c (T + t)
                                 wobei c die
                                    specifische Wärme bei einer über den Schmelzpunkt hinausgehenden Temperatur
                                    und (T + t) die
                                    Temperatur des geschmolzenen Eisens bedeutet. Für T nimmt Dürre 1175°, für c von
                                    0 bis T nach Schinz
                                    0,134, nach Weisbach 0,129, – bei
                                    1500° aber (d. i. T + t) steigt c auf
                                    0,146. Es ist demnach (mit Vernachlässigung von W)
                                 W = 0,146 × 1500 = 219
                                    Wärmeeinheiten,
                                 alles auf 1 Pfund bezogen.
                                 Und nun berechnet Dürre die für
                                    das Schmelzen von 100 Pfd. Roheisen nöthige Wärmemenge aus dem wirklich in
                                    verschiedenen Vorrichtungen verbrauchten Brennstoff.
                                 
                                 Bei Tiegelguß von 100 Pfd. Roheisen werden verbraucht: 80
                                    Pfd. Coaks = 64 Pfd. reinem Kohlenstoff, welcher zu Kohlenoxyd nur verbrannt
                                    64 × 2400 = 153600 Wärmeeinheiten liefern müßte. Nachdem aber das
                                    wirkliche Erforderniß an Wärme nur 220 × 100 = 22000 beträgt, so
                                    ergibt sich ein Verlust von 153600 minus 22000 =
                                    131600.
                                 In ähnlicher Weise berechnet Dürre den Wärmeverbrauch in der Praxis bei anderen Vorrichtungen
                                    und den Verlust an Wärme. Hier folgt eine Zusammenstellung der Resultate,
                                    welche trotz der unrichtigen Aufstellung von W
                                    dennoch für einen Vergleich der Schmelzapparate nicht ohne Werth ist.
                                 Für 100 Pfd. Roheisen wird zum Schmelzen verbraucht an
                                    Wärmemenge im
                                 
                                    
                                       Tiegelofen
                                       153600
                                       daher Verlust gegenüber W
                                       131600
                                       
                                    
                                       Schachtofen:
                                       
                                       
                                       
                                       
                                    
                                           a. Cupolofen für
                                          kleineren    Betrieb, mit zwei
                                          Düsen
                                       89500
                                       „
                                       67500
                                       
                                    
                                           b. Ireland-Ofen
                                       56100
                                       „
                                       34100
                                       
                                    
                                           c. Krigar-Ofen
                                       41600
                                       „
                                       19600
                                       
                                    
                                       Flammofen
                                       372400
                                       „
                                       350400
                                       
                                    
                                 Nebst der Eigenschaft und der Temperatur der geschmolzenen Masse kommt für
                                    die Befähigung oder Eignung der Rohstoffe zur Gießerei noch an
                                    Arbeitseigenschaften in Betracht: die Volumsveränderung beim Schmelzen und
                                    Erstarren; die Consistenz, Beweglichkeit der Molecüle (Dick- und
                                    Dünnflüssigkeit); das specifische Gewicht und dessen Aenderungen beim
                                    Schmelzen und Erstarren; das Verhalten der Masse beim Erstarren; die
                                    Adhäsion der geschmolzenen Rohstoffe zu dem Materiale, aus welchem die
                                    Gußformen hergestellt sind; Veränderungen der mechanischen Beschaffenheit
                                    der Substanz durch das Gießen.
                                 2. Volumsänderung. Die Wärme dehnt die Körper aus
                                    und das Volumen eines Körpers v₁ bei der
                                    Temperatur t kann aus seinem Volumen v₀ bei 0° berechnet werden, wenn
                                    der Ausdehnungscoefficient α bekannt
                                    ist.
                                 v₁ = v₀ (1 + αt)                    (5)
                                 Dieser Formel entsprechend müßte ein geschmolzener Rohstoff immer ein
                                    größeres Volumen, also auch eine geringere Dichtigkeit haben als der starre.
                                    Beim Eise, Eisen, Zink, Wismuth und Antimon ist aber gerade das
                                    entgegengesetzte der Fall. Das in einem geschlossenen und vollgefüllten
                                    Gefäße enthaltene Wasser dehnt sich beim Gefrieren, Erstarren, mit solcher
                                    Kraft aus, daß das vollgefüllte, geschlossene Gefäß mitunter zersprengt
                                    wird. Starres Eisen, Zink, Wismuth schwimmen auf den geschmolzenen Massen
                                    derselben Stoffe – ein Beweis, daß erstere specifisch leichter sind
                                    und daher ein relativ größeres Volumen besitzen als letztere. Schon diese
                                    Erscheinungen haben darauf hingewiesen, daß obiges Gesetz (5) bei Aenderung des
                                    Aggregatzustandes für manche Substanzen nicht mehr gelten wird.
                                 G. A. Ermann (Poggendorff's Annalen, Bd. 9) hat das ganz eigenthümliche
                                    Verhalten des Rose'schen Metalles nachgewiesen
                                    und dasselbe graphisch dargestellt. Bei 44° hört die Legirung auf,
                                    dem Gesetze (5) zu folgen, hat das Maximum des Volumens, also das Minimum
                                    der Dichte erreicht, um bei rapider Abnahme respective Zunahme bei nahezu
                                    60° die Dichte und das Volumen von 0° wieder zu erlangen, bei
                                    69° die höchste Dichte zu erreichen, dann wieder im Sinne der
                                    ursprünglichen Bewegung mit steigender Temperatur sich auszudehnen.
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 215, S. 179
                                    
                                 Bei 93° geschmolzen, erlangt sie mit
                                    100° wieder die Regelmäßigkeit in ihrem Verhalten. Unterhalb
                                    44° und oberhalb 100° ist also die Ausdehnung normal, zwischen
                                    diesen beiden Grenzen anormal. Kopp setzte diese
                                    Untersuchungen fort. Der Phosphor, Schwefel und die Stearinsäure nehmen in
                                    der Nähe des Schmelzpunktes sehr erhebliche, man könnte sagen, stürmische
                                    Volumsvergrößerungen an. Sehr sonderbar ist das Verhalten des letzteren
                                    Körpers, und erklärt es sich vielleicht nur durch die chemische
                                    Zusammensetzung des Stoffes.
                                 Ein für die Gießerei dienliches Verhalten zeigen Gußeisen, Zink, Wismuth und
                                    Antimon, welche als Ausnahme von der Regel im Momente des Erstarrens sich
                                    ausdehnen, also alle Höhlungen einer Form auszufüllen im Stande sind, sich
                                    in dieselben hineinzwängen. Der regelmäßige Fall jedoch ist, daß der
                                    geschmolzene Körper beim Eintritte in die Gußform das größte Volumen besitzt
                                    und mit zunehmender Abkühlung, Erstarrung und weiterer Abkühlung, immer
                                    kleiner wird.Wenn sich ein Stoff im Momente des Erstarrens sehr stark
                                          zusammenzieht, so beeinträchtigt dies sehr die Eignung zum Gießen.
                                          Das Wachs, welches überdies noch eine sehr große Zähigkeit und
                                          Adhäsion zu den Formen zeigt, ist deshalb zum Gießen fast völlig
                                          ungeeignet. Findet dies gesetzmäßig statt, so kann man die Größe dieser
                                    Contraction berechnen, falls der Coefficient α gegeben ist. Man nennt dieses Verhalten der Gußstücke:
                                    Schwinden. Dieselbe Erscheinung tritt auch beim Brennen des Thones, der
                                    Porzellan-, Steingut- und Fayence-Masse und beim
                                    Trocknen des Holzes auf und heißt auch da Schwinden. Das Verhältniß der
                                    ganzen linearen Verkürzung einer Dimension zu dieser heißt das Schwindmaß
                                    (s). Ueber die Größe des Schwindmaßes sind
                                    Daten gesammelt worden, welche Karmarsch, wie
                                    folgt, zusammenstellt.
                                 
                                    
                                       
                                       Durchschnittlich
                                       Grenzwerthe
                                       
                                    
                                       Glockenmetall
                                       1/63
                                       
                                       
                                       
                                       
                                    
                                       Messing
                                       1/65
                                       1/80
                                       –
                                       1/50
                                       
                                    
                                       Zink
                                       1/80
                                       1/97
                                       –
                                       1/65
                                       
                                    
                                       Blei
                                       1/92
                                         1/104
                                       –
                                       1/86
                                       
                                    
                                       Gußeisen
                                       1/97
                                       1/98
                                       –
                                       1/95
                                       
                                    
                                       Statuenbronze
                                         1/120
                                       hellgraues
                                       
                                       dunkelgraues
                                       
                                    
                                       Kanonenmetall
                                         1/130
                                       1/70
                                       –
                                       1/72
                                       
                                    
                                       Zinn
                                         1/147
                                         1/173
                                       –
                                         1/120
                                       
                                    
                                 Diesen Daten entsprechend hat Glockenmetall das größte, Zinn das kleinste,
                                    Gußeisen ein mittleres Schwindmaß. Ein genaues Uebereinstimmen von s mit α
                                    findet nicht statt; doch ist ein Schluß aus letzterem im Allgemeinen auf
                                    ersteres zulässig. Genaue Untersuchungen für das lineare Schwindmaß fehlen
                                    fast gänzlich für die Gießereistoffe; besonders aber mangelt die Kenntniß
                                    darüber, wie viel von dem Schwindmaß auf den Moment der Aggregatänderung und
                                    wie viel auf die Contraction im starren und flüssigen Zustande zu rechnen
                                    ist.
                                 Der Betrag der Flächenschwindung und jener der Körperschwindung rechnet sich
                                    aus dem Schwindmaß s mit hinlänglicher
                                    Genauigkeit für die Bedürfnisse der Praxis, wenn man ersteren = 2 s, letzteren = 3 s
                                    setzt (Karmarsch).Nach einem Artikel über Zinn von Kerl in
                                          Muspratt's Chemie ist die kubische
                                          Ausdehnung der Metalle pro 1° C. zwischen 9 und 72°
                                          folgende:Cadmium0,000094Kupfer0,000051Blei0,000089Wismuth0,000040Zink0,000089Eisen0,000037Zinn0,000069Antimon0,000033
                                    
                                 Auf das Schwinden muß stets Bedacht genommen werden – in besonderem
                                    Grade dann, wenn von dem Gußstücke eine genau bestimmte Größe, die ohne auf
                                    den Guß folgendes Nacharbeiten erzielt werden soll, gefordert wird, wie bei
                                    gewissen Maschinenbestandtheilen. Wenn ja ein Nacharbeiten bei gegossenen
                                    Maschinentheilen stattfindet, so ist dasselbe oft nur in einem wenig
                                    ausgiebigen Maße gestattet.
                                 Bei hohlen Gußstücken hat die Gußform einen die innere Höhlung des Gußstückes
                                    bestimmenden Theil, den Kern. Dieser Kern bildet ein Hinderniß für die
                                    Schwindung, Zusammenziehung der ringförmigen, hohlen Gußwaare. Damit
                                    dieser Kern nicht das Gelingen des Gusses vereitelt, muß er entweder
                                    rechtzeitig entfernt oder verkleinert werden, oder hinlänglich
                                    zusammendrückbar sein.
                                 Mit dem Schwinden, einer in der Natur des Verfahrens begründeten, daher
                                    unvermeidlichen Eigenthümlichkeit, sind nicht zu verwechseln jene Fehler,
                                    die beim Guß häufig vorkommen, und welche durch das verschiedenzeitige
                                    Eintreten des Schwindens und Erstarrens entstehen können. Hierher gehören:
                                    das Saugen, concave Stellen der Oberfläche, welche durch die Form nicht
                                    gegeben sind; Hohlräume in der cohärenten Gußmasse; Ziehen, Verziehen oder
                                    Werfen, Abweichungen des Gußstückes von der Gußform durch unregelmäßige
                                    Schwindung und das Zusammensinken der Gußwaare. Zu dem erstgenannten Fehler
                                    neigt sich am meisten das Zinn, am wenigsten das graue Gußeisen.
                                 3. Specifisches Gewicht. Auf die specifische
                                    Schwere des geschmolzenen Rohstoffes muß Rücksicht genommen werden beim Bau
                                    der Gußform. Die Größe des Seiten- und Bodendruckes ist der Dichte
                                    der Flüssigkeit gerade proportional, – und die Gußform hat ja
                                    statisch nichts anderes zu leisten, als diese Drücke auszuhalten, welche
                                    nebst dem specifischen Gewichte nur noch durch die Druckhöhen der
                                    Flüssigkeit bedingt sind.
                                 4. Consistenz (Zähigkeit) der Rohstoffe im geschmolzenen Zustande. Jene, welche
                                    dünnflüssig sind, erfüllen leichter die feineren Theile der Form als die
                                    dickflüssigen. Verläßliche Daten, namentlich ziffermäßige, fehlen.Die Untersuchung könnte durch Messung der Zeit, in welcher ein
                                          Gegenstand in Flüssigkeiten untersinkt, geführt werden, da bei
                                          Flüssigkeiten von gleichem specifischen Gewichte und gleicher
                                          Adhäsion zum Sinkkörper diese Zeit von der Zähigkeit abhangt; doch
                                          sind die hohen Temperaturen der geschmolzenen Massen ein Hemmniß für
                                          die Untersuchung. Die Praxis kennt im Allgemeinen die in Rede
                                          stehende Eigenschaft. Das weiße Gußeisen ist im geschmolzenen
                                          Zustande zähe und daher für Gußstücke mit vielen scharfen Kanten und
                                          zarten Formen nicht geeignet.
                                    
                                 5. Art des Erstarrens. Manche Rohstoffe, die sich
                                    sonst recht gut zur Gießerei verwenden ließen, schließen sich durch die
                                    eigenthümliche Art des Erstarrens aus, so z.B. das Kupfer, welches sich
                                    blasig zusammenzieht. Die Verwendung dieses Rohstoffes in der Gießerei würde
                                    an dieser Eigenschaft gänzlich scheitern und seine äußeren Vorzüge würden
                                    für die auf dem Gießen fußenden Industrien verloren gehen, wenn man nicht
                                    durch seine Vereinigung mit anderen Metallen (zu sogenannten Legirungen) ein
                                    Auskunftsmittel gefunden hätte.
                                 Nebst dem Kupfer zeichnen sich auch reines Silber und Bessemermetall nicht sehr
                                    vortheilhaft in dieser Richtung aus, wenn sie auch weniger schwierig sind
                                    als Kupfer.Der weiche Stahl, also auch der Bessemerstahl, steigen beim Eingießen
                                          in die Formen unter lebhafter Entwickelung von Kohlenoxydgas in die
                                          Höhe, und bilden dann eine blasige Masse. Als Gegenmittel wird
                                          „Abkühlen“ des geschmolzenen Stoffes
                                          empfohlen. Sehr bemerkenswerthe Beobachtungen über die Dichtheit des
                                          Gußes veröffentlichte unlängst der Hüttenmeister in Gröditz, A. Ledebur. (S. Deutsche
                                          Industrie-Zeitung, 1874 Nr. 50 bis 52).
                                    
                                 6. Adhäsion der geschmolzenen Stoffe zu anderen
                                       Substanzen. Die Adhäsion der Rohstoffe zu den Substanzen, aus denen
                                    Gußformen bestehen, spielt eine nicht unwichtige Rolle im Gießereiverfahren,
                                    da sowohl die erstarrte Masse weder an der Form, noch bei Herstellung der
                                    Formen gewisse Theile an einander haften dürfen. Die Kenntniß dieser
                                    Adhäsionsverhältnisse führte zu der Nothwendigkeit gewisser Zwischenmittel
                                    – Stoffe, mit denen man die Form überzieht, um sie von der
                                    Schmelzmasse zu trennen.Versuche über Adhäsion liegen wenige vor. Allerdings hat Guyton-Morveau die Adhäsion
                                          verschiedener Körper gegen das Quecksilber untersucht und bestimmt.
                                          Auch Muschenbrock hat eine Reihe von
                                          Versuchen bekannt gemacht, welche die Adhäsion verschiedener Körper
                                          unter sich selbst, z.B. Platten von Silber zu Silber,
                                          nachwiesen.Es wäre indessen ungerechtfertigt, aus den Muschenbrock'schen Resultaten auf die Adhäsion der
                                          geschmolzenen Körper zu den festen aus derselben Materie einen
                                          Schluß zu ziehen. Wir lassen übrigens hier die Resultate folgen,
                                          welche etwa doch interessiren könnten.VerhältnißziffernVerhältnißziffernAdhäsion vonEisenzu259Adhäsion vonWismuthzu109        
                                                „      
                                                „Blei„234        
                                                „      
                                                „Glas„  89        
                                                „      
                                                „gehärt. Stahl„184        
                                                „      
                                                „Silber„  84        
                                                „      
                                                „Kupfer„159        
                                                „      
                                                „Zinn„  59        
                                                „      
                                                „Messing„109        
                                                „      
                                                „Zink„  59 Diese Zwischenmittel dienen in manchen Fällen auch als schlechte
                                    Wärmeleiter. Solche Stoffe sind Graphit, Ruß (also feinvertheilte Kohle),
                                    Lehmtünche, feiner Sand, Stärke und dergleichen.
                                 7. Veränderung der mechanischen Beschaffenheit der
                                    Materie durch die beim Erstarren eintretende größere oder geringere
                                    Raschheit der Temperaturveränderung. Ist die Form aus einem
                                    gutwärmeleitenden Stoffe, so findet eine rasche Temperaturveränderung d.h.
                                    eine rasche Abkühlung statt. Der nasse Formsand kühlt rascher als trockene
                                    Sandformen (Masseformen). Noch viel rascher als bei ersterem findet die
                                    Abkühlung bei metallenen Formen (Schalenformen) statt, und dies geschieht in
                                    um so höherem Grade, wenn die Metallform dick, nach Außen frei und nicht
                                    etwa dünn und außen von einem schlechten Wärmeleiter umgeben ist. Man hat es
                                    also in der Hand, einen gewissen Grad der Raschheit der Abkühlung
                                    herbeizuführen. Dieser Umstand hat aber einen Einfluß auf die nachherige
                                    materielle Beschaffenheit der Gußwaare.Die Raschheit der Abkühlung hängt daher von der
                                          Wärmeleitungsfähigkeit der Substanz ab, welche die Form bildet. Das
                                          Eisen hat eine hohe Wärmeleitungsfähigkeit.Dieselbe fürGold = 1000gesetzt,ist sie nachDespretz            
                                                fürSilber973fürZinn363            
                                                „Kupfer898„Blei   179,6            
                                                „Eisen374„Antimon   179,6            
                                                „Zink363„Wismuth   179,6Nach Kerl (vergl. Muspratt's Chemie, Artikel Zinn) würde das
                                          Wärmeleitungsvermögen abnehmen nach folgender Reihe: Silber, Gold,
                                          Kupfer, Quecksilber, Aluminium, Zink, Cadmium, Eisen, Zinn, Stahl,
                                          Platin, Natrium, Gußeisen, Blei, Antimon, Wismuth. Eisen z.B. hat die Eigenschaft durch rasches Abkühlen während der
                                    Erstarrung – also durch beschleunigtes Erstarren – einen
                                    besonderen Grad von Härte und Sprödigkeit an den der Oberfläche zunächst
                                    gelegenen Stellen anzunehmen. Diese harte, spröde Haut des Gußstückes ist um
                                    so dicker, je intensiver und je rascher die Abkühlung war, und ist der
                                    Gegenstand dünn, so kann die ganze Masse jene materielle Beschaffenheit
                                    erlangen. Diese Eigenschaft der Rohstoffe findet nun ihre Beachtung in der
                                    Gießerei und wird entweder ausgenützt oder bekämpft durch die dem Verfahren
                                    dienenden Hilfsmittel.
                                 
                                    
                                       (Fortsetzung folgt.)