| Titel: | Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von Tuchfabriken; von Prof. Dr. Landolt und Prof. Dr. Stahlschmidt in Aachen. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 214 | 
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                        Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von
                           Tuchfabriken; von Prof. Dr. Landolt und Prof. Dr. Stahlschmidt in Aachen.Unter Zusendung eines Schreibens der königl. Regierung zu Frankfurt a. O. vom 6.
                                 December 1872, sowie eines Berichtes der technischen Deputation für Gewerbe vom
                                 31. März 1873 sind die Verfasser von dem hohen Ministerium für Handel, Gewerbe
                                 und öffentliche Arbeiten beauftragt worden, über diejenigen Hilfsmittel Auskunft
                                 zu geben, welche in Verviers und Aachen angewendet werden, um die in den
                                 Tuchfabriken und Wollwäschereien abfallenden Fabrikwässer unschädlich zu machen,
                                 mit der ferneren Weisung, sich gutachtlich über die von der königl. Regierung in
                                 Frankfurt a. O. aufgeworfene Frage zu äußern.
                           
                        Nach den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des
                                 Gewerbefleißes in Preußen, 1874 S. 314.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              V [a/3.4].
                        Landolt und Stahlschmidt, über die Verunreinigung der Gewässer
                           durch Ausflüsse von Tuchfabriken.
                        
                     
                        
                           A. Abfallwässer der Wollwäschereien.
                           In der Müllendorf'schen Wäscherei in Verviers, welche
                              unmittelbar an dem Flusse liegt, kommt die rohe Wolle zuerst in trichterförmige
                              eiserne Gefäße, welche oben circa 1 Meter und unten 0,6 Meter im Durchmesser
                              besitzen und circa 1,6 M. hoch sind. Der Boden der Gefäße ist durchlöchert und so
                              stark gewählt, daß die Wolle fest eingedrückt werden kann. In diesen Gefäßen wird
                              die Wolle einfach mit warmem Wasser übergossen, welches, dieselbe von oben nach
                              unten durchdringend, den löslichen Schweiß, d.h. die Kaliseife, auflöst und unten
                              als braune Brühe abfließt, die dann sofort in gewöhnlichen Abdampfpfannen so weit
                              eingedampft wird, daß sie beim Erkalten eine schmierseifenähnliche Masse bildet,
                              welche an Potaschenfabriken abgegeben und in denselben durch Verbrennen etc. auf
                              Potasche verarbeitet wird. Die so weit gereinigte Wolle gelangt nun in die
                              Leviathans (mehrfache Wollwaschmaschinen; 1869 191 118.
                              1874 212 20) wird in denselben mit verdünnter
                              Potaschenlauge gewaschen und schließlich mit reinem Wasser gespült. Sämmtliche Waschwässer fließen
                              unbenutzt in die Vesder ab in Folge einer dazu ertheilten Concession bei Anlage des
                              Werkes.
                           In der neu eingerichteten Fabrik von Mehlen in Verviers,
                              welche ebenfalls unmittelbar am Flußwege liegt, wird die Wolle zuerst in ovalen
                              eisernen Kästen, welche einen Siebboden haben, mit verdünnter Potaschenlösung unter
                              Dampfzuleitung kurze Zeit unter Umrühren eingeweicht, dann, zwischen Walzen sehr
                              stark ausgepreßt, den Wasch- und Spülmaschinen übergeben. Unter zeitweiligem
                              Zusatz von frischer Potaschenlösung kommt frische rohe Wolle in die
                              Entschweißungskästen, und zwar so oft hintereinander, bis die Lauge eine bestimmte
                              Concentration angenommen hat und nunmehr geeignet ist, ohne erhebliche Kosten durch
                              Abdampfen concentrirt zu werden. Zu dem Ende wird zunächst die Lauge durch einen
                              Hahn abgelassen und alsdann die erdigen Materien, Sand und dergl., welche sich
                              zwischen den beiden Böden abgelagert haben, entfernt, um hierauf die Operation von
                              neuem zu beginnen. Die braune Schweißlösung, welche die ganze Menge der zugesetzten
                              Potasche enthält, wird in eigens construirten Pfannen auf die Weise eingedampft, daß
                              mit Hilfe eines Ventilators die von dem Roste der Feuerung kommenden heißen
                              Verbrennungsgase mehrere Male nach einander durch die Lauge gesaugt werden. Die
                              Besichtigung dieser patentirten Abdampfpfannen, welche nach dem Principe der Woulf'schen Flaschen eingerichtet sein werden, wurde
                              nicht gestattet. Die aus den Leviathans kommenden Waschwässer gelangen, da die
                              Fabrik die Erlaubniß nicht erhalten hat, solche in den Fluß abfließen zu lassen, in
                              gemauerte Bassins und werden daselbst mit verdünnter Schwefelsäure versetzt, wodurch
                              die noch vorhandene Kaliseife unter Abscheidung von Fettsäuren, welche von den
                              übrigen Unreinigkeiten zu einer schmierigen Masse aufgenommen werden, zersetzt wird,
                              unter Bildung von schwefelsaurem Kali, welches in dem Wasser gelöst bleibt. Nachdem
                              die Flüssigkeit sich auf diese Weise geklärt hat, wird sie in die Vesder abgelassen,
                              der schmierige Rückstand jedoch merkwürdiger Weise, wohl wegen seines Kaligehaltes,
                              als Dünger verkauft. Die bei diesem Processe verwendete Säure stammt von der
                              Carbonisation der Wolle her – einem Processe, der jetzt allgemein zum
                              Entfernen der Kletten angewendet wird. (Vergl. 1874 213
                              65.)
                           In der Streichgarnspinnerei von Bockmühl in Düsseldorf
                              wird die rohe Wolle gleich mit Seifenlauge auf die beschriebene Weise eingeweicht,
                              dann zwischen Walzen ausgedrückt und hierauf gewaschen. Die braune
                              Schweißflüssigkeit wird aber hier nicht direct eingedampft, sondern in großen
                              eisernen Pfannen von 1,5 M. Tiefe mit Schwefelsäure versetzt und erwärmt. Dadurch
                              wird die Kaliseife der Wolle sowohl, als auch die zum Waschen der Wolle zugesetzte Seife unter
                              Abscheidung der Fettsäuren zersetzt, welche letzteren sich oben ansammeln und
                              abgeschöpft werden. Die wässerige Lauge, welche sauer reagirt, wird in Schlinggruben
                              abgelassen. Die resultirenden schmutzigen Fettsäuren werden in großen Kastenpressen
                              von den mechanischen Unreinigkeiten befreit und bilden alsdann eine
                              hellchocoladenfarbige dickflüssige Masse, welche verkauft wird. Man benützt dieselbe
                              zu Wagenschmiere und statt Degras zum Fetten des gewöhnlichen Leders. Dieselben auf
                              Stearinsäure, resp. feste Fettsäure mit Hilfe der Destillation zu verarbeiten, ist
                              nicht lohnend, da die Ausbeute an festen Säuren nur durchschnittlich 10 Proc.
                              beträgt.
                           Das Verfahren in der Wollwäscherei des Commercienrathes Waldthausen in Essen ist dem beschriebenen ähnlich; man wäscht die Wolle
                              jedoch nicht mit Seife, sondern mit Sodalösung, und zersetzt das resultirende
                              Schweißwasser mit Schwefelsäure und Salzsäure. Das abgeschiedene Fett, welches
                              gerade in der Neuzeit schwer verkäuflich ist, wird dann, wie beschrieben,
                              gereinigt.
                           Die Wollwäscherei von Watteau und Comp. in Antwerpen liegt unterhalb Antwerpen in unmittelbarer Nähe der
                              Schelde und ist also in der glücklichen Lage, diejenigen Waschwässer, welche nicht
                              verarbeitet werden sollen, in dieselbe abzulassen. Das Waschen der Wolle geschieht
                              in schon erwähnter Weise mit Potasche und Seife. Die concentrirten Waschwässer
                              werden in Pfannen eingedampft und die resultirende eingedickte Masse schließlich in
                              gewöhnlichen Flammöfen zum Trocknen gebracht und in diesen calcinirt. Die
                              rückständige rohe Potasche wird zum Theil wieder zur Wollwäsche gebraucht und der
                              überschüssige Theil als rohe Potasche in den Handel gebracht. Wie hieraus
                              hervorgeht, unterscheidet sich die Zugutemachung der Waschwässer in dieser Fabrik in
                              nichts von derjenigen der Wäscherei von Mehlen in
                              Verviers, und kann hinsichtlich der neuen Einrichtung und der vortrefflichen
                              Apparate, welche wir in Brügge bei G. Fernau und Comp. gefunden haben, nicht in Vergleich gezogen werden.
                              In dieser Fabrik, deren Besichtigung uns ausnahmsweise von dem Besitzer auf das
                              eingehendste gestattet wurde, fanden wir zu unserer Befriedigung auch den früher
                              schon genannten Abdampfofen, welcher uns jedoch in Verviers, wie wir dieses
                              erwähnten, nicht gezeigt wurde.
                           In der Wollwäscherei von G. Fernau und Comp. in Brügge wird die rohe
                              Wolle in fünf eisernen Ständern von circa 1,5 Meter Höhe und 0,6 M. unterem und 1 M.
                              oberem Durchmesser auf die Weise ausgelaugt, daß die wässerigen Lösungen von einem
                              Apparate zum anderen übersteigen können, wodurch stets eine ganz concentrirte Lauge
                              erhalten wird. Die
                              ausgelaugte Wolle wird nun noch mit Potaschenlösung und Kaliseife gewaschen und
                              nachher mit Wasser gespült. Während man das Spülwasser fließen läßt, gelangen
                              sämmtliche concentrirte sowohl wie verdünnte Laugen in große unterirdische Bassins,
                              um aus diesen durch Pumpen in die Abdampfapparate befördert zu werden. Die erste
                              Lauge, welche in Auslauge-Apparaten gewonnen wird, setzt nach kurzer Zeit den
                              der Wolle mechanisch anhaftenden unlöslichen Schmutz ab, welcher durch Kescher
                              ausgeschöpft und als Dünger verkauft wird.
                           Das Zugutemachen der Laugen geschieht nun in zwei nebeneinander gebauten Flammöfen,
                              welche durch die Skizzen in Fig. 23 und 24 [a/3.4] veranschaulicht werden.
                           Die Laugen gelangen zunächst durch das Zuflußrohr d in
                              den links gelegenen Flammofen, dessen Abdampfraum durch die Zunge g in zwei Theile A und B getheilt ist. Die Zunge g
                              geht so tief herunter, daß sie 10 Cm. tief in die Lauge eintaucht, wodurch die von
                              der Feuerung F kommenden heißen Feuergase gezwungen
                              werden, die Lauge zu durchstreichen – vorausgesetzt, daß der Exhaustor E, welcher 2 M. hoch ist und 0,3 M. Weite hat, in
                              Thätigkeit gesetzt wird. Von B gelangen die Feuergase
                              mit den Wasserdämpfen durch a, a, a in den Canal C und aus diesem in den senkrechten, circa 0,6 M. weiten
                              Canal D, in welchen oben das Saugrohr des Exhaustors
                              einmündet.Das Princip dieses Ofens stimmt vollkommen mit dem von V. Werotte patentirten Siedeapparat (Eindampfofen)
                                    mit directer Verwendung der Feuergase überein (vergl. 1872 212 196).D. R. v. D. p. J. Nachdem in AB die Lauge bis zur dünnen
                              Syrupconsistenz eingedickt ist, wird sie nach dem Calcinirofen H gebracht und in diesem bis zur vollständigen Trockene
                              abgedampft; die Gase und Dämpfe gelangen durch b, b, b
                              zu einer nahe gelegenen Esse F'. Nachdem aus der Masse
                              in H sämmtliches Wasser entfernt ist, fängt dieselbe des
                              hohen Fettgehaltes wegen an zu brennen, weshalb von diesem Zeitpunkte ab die dadurch
                              entwickelten heißen Verbrennungsgase durch i nach AB geleitet und daselbst in Gesellschaft mit den
                              Feuerungsgasen zum Abdampfen der dünnen Laugen gebraucht werden. Hört nun
                              schließlich in H die Verbrennung auf, so wird die
                              glühende Masse durch q, q entfernt und in einen
                              viereckigen gemauerten Behälter gebracht, in welchem sie drei Wochen liegen bleibt
                              und während dieser Zeit vollständig ausglimmt. Im ausgebrannten Zustande sieht sie
                              wie hart gewordener Mörtel aus und bildet so die rohe Potasche, welche theilweise in
                              der Fabrik wieder zur Wäsche benützt, der übrige Theil aber verkauft wird. (Vergl.
                              1874 214 174.)
                           Obgleich uns zu Anfang der Eintritt in die Fabrik verweigert wurde, so erklärte sich Hr. Fernau doch später, als er überzeugt war, daß wir im
                              höheren Auftrage gekommen waren, sogar bereit, auf etwaige Anfragen der betreffenden
                              Industriellen diesen mit Rath und Zeichnungen seiner Anlage behilflich sein zu
                              wollen. Nach seinen Mittheilungen würde sich seine Methode der Eindampfung von
                              Waschwässern nicht für jede kleine Tuchfabrik rentiren, wohl aber, wenn sich mehrere
                              Tuchfabrikanten zu einer gemeinschaftlichen Anlage vereinigten. Die Fernau'schen Einrichtungen, welche auf täglich 8000 bis
                              10.000 Kilogrm. Wolle basiren, kosten in runder Summe 24.000 Mark und liefern nicht
                              allein Potasche für die eigene Wäsche, sondern muß noch ein sehr erhebliches Plus
                              für den Verkauf – besonders dann, wenn Buenos-Ayres- und
                              Montevideo-Wollen verarbeitet werden. Die besprochene Anlage hat sich nach
                              der Aussage des Besitzers binnen einem halben Jahre bezahlt gemacht. Auf uns hat die
                              ganze Einrichtung einen sehr günstigen Eindruck hervorgebracht, so daß wir nicht
                              anstehen, dieselbe als eine gemeinschaftliche Einrichtung kleineren Fabrikanten zu
                              empfehlen, wobei wir noch besonders hervorheben, daß das Waschen der Wolle mit
                              Potasche, wie es bei diesem Verfahren geschieht, nach allgemeinem Dafürhalten der
                              hiesigen großen Wollwäscher demjenigen mit Soda vorzuziehen ist.
                           
                        
                           B. Abfallwässer der Tuchfabriken.
                           Hierher gehören die Walkwässer und die ersten Spülwässer, welche außer Seife
                              sämmtliche lösliche Substanzen enthalten, die bei der Färberei und Weberei den
                              Tuchen einverleibt und von diesen nicht in unlöslicher Form, z.B. als Farbstoffe
                              zurückgehalten sind; außerdem sind denselben noch mechanisch Wollfasern beigemengt.
                              Je nach der Farbe der gewalkten Tuche sind auch die Walkwässer mehr oder weniger
                              gefärbt, von hellgrau bis blauschwarz. Wenn dieselben längere Zeit sich selbst
                              überlassen bleiben, so reagiren sie sauer, und es tritt unter Zersetzung derselben
                              ein höchst unangenehmer Geruch, vornehmlich nach Schwefelwasserstoff auf. (Vergl.
                              1874 211 205.)
                           Der Verfahrungsweisen, welche in der Aachener Gegend angewendet werden, um die
                              Walkwasser zu Gute zu machen, sind zwei. Man kann sie zweckmäßig bezeichnen als:
                           1. das Säurefahren und 2. das Kalkverfahren.
                           Das Säureverfahren, der Einfachheit wegen wohl am meisten angewendet, wird von den
                              Tuchfabrikanten selbst nicht ausgeübt, vielmehr ist die Verwerthung der Wässer in
                              die Hände besonderer Stearinsäurefabrikanten gelegt, welche die in den Tuchfabriken
                              vorläufig abgeschiedenen Massen in besonderen Etablissements weiter verarbeiten. Bei
                              diesem Processe wird das
                              Walkwasser in den Tuchfabriken in Fässern, hölzernen Kästen von verschiedener, aber
                              immerhin geringer Größe aufgefangen und durch Schwefelsäure zersetzt. Die
                              abgeschiedene, schwarze, sehr verunreinigte Wollfasern einschließende
                              Fettsäurenmasse wird abgeschöpft und in Fässern nach den Stearinsäurefabriken
                              gefahren; die schmutzige, salzhaltige Flüssigkeit jedoch in den Fluß abgelassen. In
                              den Stearinsäurefabriken wird die Fettmasse zunächst abgepreßt, wodurch Wollhaare
                              und dergl. zurückbleiben und hierauf in eisernen Blasen durch directes Feuer unter
                              Beihilfe von überhitztem Wasserdampf der Destillation unterworfen, wodurch ein
                              Gemenge von Oleïnsäure und festen Fettsäuren erhalten wird. Dasselbe wird
                              durch kaltes und nachheriges warmes Pressen in Oleïnsäure und feste
                              Fettsäuren geschieden, welche letztere direct zum Kerzengießen verwendet werden.
                           Das Kalkverfahren, welches schon vielfach zur Ausführung gekommen ist, jedoch
                              scheinbar ohne besonderen Erfolg, beruht auf der Unlöslichkeit der Kalkseife und
                              demnach in der Zersetzung der Seifenwässer durch Aetzkalk oder Chlorcalcium.
                              Dasselbe ist hier in Aachen von dem Fabrikanten Schwamborn zuerst und zwar mit großem Erfolg ohne nennenswerthe Kosten
                              eingeführt worden und erfreut sich einer stets wachsenden Aufnahme. Die
                              Schwierigkeit der Ausführung lag anfangs in der Trennung der Kalkseife von der
                              Flüssigkeit und in der Ueberführung der nassen Kalkseife in ein trockenes
                              verwerthbares Product; beides ist jetzt auf einfache Weise erreicht. Die Walkwässer
                              fließen in der Schwamborn'schen Fabrik zunächst in ein
                              gemauertes Sammelbassin von 250 Kubikmeter Inhalt, welches durchschnittlich alle 14
                              Tage gefüllt ist. Aus diesem Behälter wird die Flüssigkeit durch eine Abflußrinne in
                              ein tiefer gelegenes, gleich großes Bassin abgelassen; gleichzeitig aber aus einer
                              Bütte die nöthige Kalkmilch in Form eines dünnen Strahles in die Abflußrinnen
                              zugegeben. Der Boden des Zersetzungsbehälters ist aus drei Lagen Ziegelsteinen
                              gebildet, von denen die unterste flach liegt, die mittlere auf die hohe Kante
                              gestellt und die oberste wieder flach gelegt ist. Die beiden unteren Lagen
                              Ziegelsteine sind durch einfaches Aneinanderlegen der Steine gebildet, die obere
                              Lage jedoch ist mit gewöhnlichem Mörtel gemauert. In der einen Ecke des
                              Zersetzungsbassins ist eine mit Löchern versehene Breterwand a (Fig.
                                 25 und 26 [a/3]) angebracht, deren Oeffnungen zu
                              Anfang mit Holzstöpseln verschlossen sind, welche in dem Maße, als später die
                              Kalkseife sich aus der klaren Flüssigkeit absetzt, von oben nach unten entfernt
                              werden, wodurch letztere durch b in einen Canal
                              abfließt. (Vergl. dagegen 1873 207 463.)
                           Durch das Einströmenlassen der Kalkmilch in das in einem dicken Strahl abfließende Walkwasser
                              findet eine innige Mischung der beiden Flüssigkeiten und dadurch eine momentane
                              Abscheidung der Kalkseife statt, welche sich so rasch absetzt, daß schon nach zwei
                              Stunden die klare Lauge aus der oberen Oeffnung abgelassen werden kann. Nach ein
                              paar Tagen ist schließlich ein fester Schlamm auf dem Boden zurückgeblieben, der
                              durch Eintrocknen, ähnlich dem nassen Thone, unzählige feine Risse bekommt, welche
                              sich stetig erweitern und der nassen Kalkseife Gelegenheit darbieten, die
                              zurückgehaltene Lauge in diese abfließen zu lassen, von wo aus dieselbe von dem
                              porösen Boden des Behälters aufgenommen und entfernt wird. Die zurückgebliebene
                              nasse Kalkseife wird jetzt ausgestochen und unter einem Dache auf Bretergestellen
                              getrocknet. In diesem Zustande stellt sie eine schieferartige, mehr oder weniger
                              feste Masse dar, welche sich mit dem Messer gut schneiden und eben so leicht
                              zerkleinern läßt. Die Zusammensetzung derselben ist natürlich verschieden je nach
                              der angewendeten Kalkmenge und je nach der Menge der mechanisch beigemengten und der
                              aufgelösten fremden Körper. Zwei von uns ausgeführte Analysen der Kalkseife, welche
                              zu verschiedenen Zeiten erhalten wurden, gaben folgende Zahlen:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 
                                 II.
                                 
                              
                                 WasserKalk- und Eisenoxyd
                                     3,11  18,47
                                 
                                    
                                    
                                 22,60
                                 
                              
                                 Fettsäure
                                   71,96
                                 
                                 61,02
                                 
                              
                                 Haare, Schmutz, Farbstoffe etc.
                                     6,46
                                 
                                 16,30
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                                 99,92
                                 
                              
                           Aus den Analysen geht zunächst hervor, daß der Gehalt an Fettsäure bedeutend
                              schwankt, hervorgerufen durch den sehr wechselnden Gehalt an Haaren, Schmutz,
                              Farbstoff etc.; dann aber auch folgt daraus, daß die Kalkseife im Momente der
                              Entstehung befähigt ist, ein überraschend großes Quantum suspendirter Körper
                              einzuschließen und mit abzuscheiden. Der ganze Proceß hat in dem äußeren Ansehen
                              viele Aehnlichkeit mit dem Scheiden des Rübensaftes durch Kalk, und hat die große
                              Wirksamkeit der gebildeten Kalkseife zur Zeit Basset
                              Veranlassung gegeben, Natronseife zum Präcipitiren des Kalkes und der
                              Stickstoffkörper etc. in dem Rübensafte vorzuschlagen. Man kann in der That dem
                              Walkwasser noch große Mengen von Farbstoff und unlöslicher Körper in Suspension
                              beifügen und erreicht doch eine vollständige Klärung des Wassers.
                           Die Kalkseife wird in Aachen an Privat-Gasanstalten pro 100 Kilogramm zu 18
                              Mark verkauft. Im Gemenge mit Steinkohlen wird daraus ein vorzügliches Leuchtgas
                              erzielt, welches fast nicht gereinigt zu werden braucht. Sicherlich wirkt hier der gebundene und
                              überschüssige Kalk der Seife schon reinigend in den Gasgeneratoren, insofern er sich
                              mit dem Schwefel der Steinkohlen verbindet. Wird die Kalkseife mit Salzsäure
                              zersetzt, hierauf mit Aether oder Schwefelkohlenstoff behandelt und alsdann
                              abfiltrirt, so bleiben nach dem Verdampfen der Lösungsmittel die Fettsäuren in einem
                              Zustande zurück, welcher eine sofortige Verwendung derselben zur Seifenfabrikation
                              gestatten wird. Unseres Erachtens würde die Wiedergewinnung der Fettsäure mit Hilfe
                              des Schwefelkohlenstoffes um so weniger Schwierigkeiten bieten, als dieses
                              Lösungsmittel ganz in derselben Weise zur Extraction von Oelsamen etc. schon längere
                              Zeit in Gebrauch ist.
                           Es unterliegt nun gar keinem Zweifel, daß auch die Wollschweißwässer nach dem
                              Kalkverfahren zu Gute, resp. unschädlich, gemacht werden können, und daß es sich für
                              diejenigen Tuchfabriken, welche die rohen Wollen selbst waschen, empfiehlt, die
                              Schweißwässer gleichzeitig mit den Walkwässern zu verarbeiten.
                           Was nun die Frage betrifft, welchem Verfahren der Verarbeitung der Wässer der Vorzug
                              gebührt, dem Säure- oder dem Kalkverfahren, so müssen wir ganz entschieden,
                              gestützt auf die Versuche im Großen, dann auch in Betreff der Einrichtungen, dem Kalkverfahren das Wort reden.
                           Bei dem Säureverfahren werden zwar die Fettsäuren abgeschieden, allein man muß hier
                              nach Aussage der Praktiker einen Ueberschuß von Schwefelsäure anwenden und das ganze
                              Quantum der Flüssigkeit durch directen Dampf erhitzen, wodurch dasselbe kostspielig
                              wird. Dabei werden die organischen Körper, welche sich in Suspension befinden, nur
                              zum geringen Theil entfernt, die gelösten Substanzen, wie Farbstoff, Metallsalze
                              etc. bleiben ganz in den wässerigen Flüssigkeiten. Lohnend ist diese
                              Gewinnungsmethode jedoch immer noch, indem z.B. der Reingewinn in der Bockmühl'schen Fabrik sich auf etwa 2500 bis 3000 Mark
                              pro Jahr beziffert.
                           Einfacher, lohnender und dem Zweck vollständig entsprechend ist das Kalkverfahren;
                              man scheidet ohne erhebliche Gewinnungskosten die schmutzigen Laugen in ein
                              werthvolles Product und in eine klare alkalische Lauge, welche einer ferneren
                              Zersetzung nicht mehr unterworfen ist und daher zu einer Entwickelung schädlicher
                              Gase nicht mehr Veranlassung geben kann. Die Gewinnungskosten der Kalkseife
                              abgerechnet, werden in der Schwamborn'schen Fabrik in
                              runder Zahl 30 Proc. des Werthes der gebrauchten Seife wieder gewonnen. Es ist
                              dieses ein Factum, das in jeder Beziehung befriedigen muß, und welches klar darlegt,
                              daß die Methode
                              überall angewendet zu werden verdient. Zur Ausführung derselben brauchen die
                              Sammel- und Präcipitationsbehälter nicht von der Größe der beschriebenen zu
                              sein; man kann vielmehr dieselben kleiner machen und den Proceß dafür öfters
                              ausführen. Die Abscheidung der Kalkseife geht, wie schon bemerkt, schnell von
                              statten, und ebenso rasch erfolgt die Klärung der Lauge.
                           In denjenigen Fabriken, in welchen die Wolle gewaschen und gefärbt wird, oder mit
                              denen eine Stückfärberei verbunden ist, können alle Abflußwässer mit den Walkwässern
                              vermischt und dann durch Kalk gefällt werden.
                           Die Abflußwässer aus den Färbereien werden in der Gegend von Aachen nicht gereinigt,
                              man läßt sie vielmehr direct in die Flüsse laufen. Versuche, welche wir mit
                              Wurmwasser angestellt haben, ergaben, daß zwar durch Kalkzusatz unter Klärung des
                              Wassers ein Niederschlag entsteht, welcher die Oxyde der gelösten Metallsalze
                              enthält, daß aber auf der anderen Seite dieser Niederschlag sich nur sehr langsam
                              absetzt, wodurch diese Methode für die Praxis unausführbar sein wird.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
