| Titel: | Weitere Mittheilungen über Wirkungen der Salicylsäure; von H. Kolbe. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 246 | 
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                        Weitere Mittheilungen über Wirkungen der
                           Salicylsäure; von H.
                              Kolbe.Vom Verfasser gütigst eingesendeter Separatabdruck aus dem Journal für praktische
                                       Chemie, 1875 Bd. 11 S. 9.
                           
                        Kolbe, weitere Mittheilungen über Wirkungen der
                           Salicylsäure.
                        
                     
                        
                           Ich nehme von den theoretisch wie praktisch sehr interessanten Beobachtungen Neubauer's (1875 215 169)
                              Veranlassung, im Anschluß an dieselben über einige Erfahrungen zu berichten, welche
                              ich über die Wirkungen der Salicylsäure weiter gesammelt habe.
                           Die frühere gemachte Beobachtung (vergl. 1874 213 165. 214 132), daß die mit der Salicylsäure isomeren beiden
                              Säuren, die Paraoxybenzoësäure und die Oxybenzoësäure, nicht das
                              Vermögen besitzen, so wie es die Salicylsäure vermag, die Pilzbildung im Biere zu
                              verhindern, machte es sehr wahrscheinlich, daß beide auch bei der Gährung des
                              Zuckers durch Hefe sich indifferent verhalten. Immerhin schien es geboten, darüber
                              Versuche entscheiden zu lassen.
                           Ich habe deshalb zunächst je 500 K. C. einer 10proc. Zuckerlösung mit je 4 Grm. guter
                              Preßhefe vermischt und der einen Mischung 0,25 Grm. Salicylsäure, der zweiten ebenso
                              viel Paraoxybenzoësäure, der dritten die gleiche Menge Oxybenzoësäure,
                              der vierten nichts zugesetzt. Diese vier Flüssigkeiten wurden in offenen, mit
                              Filtrirpapier bedeckten Bechergläsern neben einander auf Holzklötzen in einen
                              geräumigen Kasten von Eisenblech, dessen Boden mit Sand bedeckt war, gestellt, worin
                              die Temperatur mittels einer kleinen Gasflamme ununterbrochen auf 33 bis 35°
                              erhalten wurde. Schon nach 6 Stunden begann in allen Gläsern – mit Ausnahme
                              desjenigen, welches die Salicylsäure haltende Zuckerlösung einschloß, und dessen
                              Inhalt von Anfang bis zu Ende klar blieb, – Kohlensäure-Entwickelung
                              und starke Trübung.
                           Da die Preßhefe nicht recht energisch wirkte und mir ihre Güte zweifelhaft schien, so habe ich
                              jene Versuche mit frischer Bierhefe bester Qualität, welche ich der Gefälligkeit des
                              Hrn. C. Brünings, Braumeister der hiesigen renommirten
                              Vereinsbierbrauerei, verdanke, wiederholt und weiter ausgeführt. Je 1000 Grm. einer
                              12proc. Zuckerlösung, mit käuflichem Traubenzucker bereitet, wurden in geräumigen
                              Bechergläsern mit je 5 Grm. Bierhefe versetzt und gut durchgerührt. Eine dieser
                              Gährungsflüssigkeiten vermischte ich mit 0,25 Grm. Salicylsäure in warm gesättigter
                              wässeriger Lösung, eine zweite mit 0,5 Grm. Paraoxybenzoësäure, eine dritte
                              erhielt keinen weiteren Zusatz. Die drei mit Papier bedeckten Bechergläser wurden in
                              dem Schrank von Eisenblech auf 35° erhitzt, und möglichst constant auf dieser
                              Temperatur erhalten. Nach 6 Stunden war die Zuckerlösung, welcher nur Hefe zugefügt
                              war, in starker perlender Gährung, ebenso die, welche 0,5 Grm.
                              Paraoxybenzoësäure beigemischt hielt. Die 0,25 Grm. Salicylsäure enthaltende
                              Mischung befand sich gleichfalls in Gährung; doch war die Gasentwickelung bei Weitem
                              nicht so stark wie in den beiden anderen Gefäßen. Die kleine Menge von 0,25 Grm.
                              Salicylsäure reichte demnach nicht hin, um die Wirkung der 5 Grm. Bierhefe auf 120
                              Grm. gelösten Zucker ganz aufzuheben. Ich fügte deshalb nach Verlauf von 6 Stunden
                              eine neue Menge Salicylsäure und zwar diesmal 0,1 Grm. hinzu, so daß nun die
                              Gährungsflüssigkeit im Ganzen 0,35 Grm. davon enthielt. Diese kleine Vermehrung des
                              Salicylsäuregehaltes bewirkte sichtliche Verringerung der
                              Kohlensäure-Entwickelung, ohne jedoch die Gährung ganz zu sistiren. Erst als
                              nach weiteren 4 Stunden nochmals 0,15 Grm. Salicylsäure in Lösung eingerührt waren,
                              hörte die Gährung auf, die Flüssigkeit fing an sich zu klären und zeigte am anderen
                              Tage auf der Oberfläche keine Spur von Schaum. Die Hefe lag wirkungslos auf dem
                              Boden des Gefäßes. Die Lösung enthielt noch eine beträchtliche Menge Zucker und
                              schmeckte deutlich süß.
                           0,5 Grm. Salicylsäure sind demnach hinreichend, um die durch 5 Grm. Bierhefe
                              bewirkte, in Fluß befindliche Gährung von 120 Grm. Zucker, in 1 Liter Wasser gelöst,
                              aufzuheben, während die gleiche Menge Paraoxybenzoësäure, wie zuvor bemerkt,
                              den Gährungsproceß weder aufhielt, noch schwächte. Um zu erfahren, ob eine größere
                              Menge Paraoxybenzoësäure einen Einfluß übe, habe ich jener
                              Gährungsflüssigkeit, die von Anfang an bereits 0,5 Grm. davon enthielt, 10 Stunden
                              später, wo sie noch deutlich süß schmeckte, die gleiche Menge
                              Paraoxybenzoësäure zugemischt, so daß sie nun im Ganzen 1 Grm. davon gelöst
                              enthielt. Aber auch diese beträchtliche Menge erwies sich wirkungslos. Nach weiteren
                              24 Stunden befand sich die Zuckerlösung noch in voller Gährung. Dieses Ergebniß steht im Einklange mit
                              denen früherer Versuche, durch welche Dr. v. Meyer und ich nachgewiesen haben, daß die
                              Paraoxybenzoësäure, wie auch die isomere Oxybenzoësäure, die
                              Pilzbildung auf Bier in offenen Gefäßen eben so wenig verhindert, wie sie der
                              Zersetzung des Amygdalins durch Emulsin keinen Widerstand leistet.
                           Es ist im hohen Grade auffallend und gegenwärtig durchaus nicht zu erklären, daß,
                              während die Salicylsäure stark antiseptisch wirkt und insbesondere die
                              Alkoholgährung hemmt, die mit ihr gleich zusammengesetzte Paraoxybenzoësäure,
                              welche beim raschen Erhitzen eben so leicht wie die Salicylsäure in Carbolsäure und
                              Kohlensäure zerfällt, welche fast genau unter denselben Bedingungen aus Carbolsäure
                              und Kohlensäure sich wieder zusammensetzen läßt wie die Salicylsäure, und welche
                              durch einfachen, glatt verlaufenden Umsetzungsproceß direct aus der Salicylsäure
                              hervorgebracht werden kann, der antiseptischen Eigenschaften, wie es scheint, ganz
                              und gar entbehrt.
                           Wir stehen hier vor einem der vielen vorerst noch unlösbaren Naturräthseln, zu deren
                              Erklärung uns gewiß später einmal eine vielleicht auf fremdem Gebiete gemachte
                              Entdeckung den Schlüssel liefert. Ich erachte im Augenblicke jedes Philosophiren
                              über den Grund des so verschiedenen physiologisch chemischen Verhaltens der
                              Salicylsäure und Paraoxybenzoësäure für unnütz und ergebnißlos. Auch die
                              modernste Lagerungschemie, welche sonst nie um Interpretation chemischer Vorgänge in
                              Verlegenheit ist, wird hier schwerlich eine Erklärung zu finden wissen. Nicht minder
                              auffallend ist die Erfahrung, daß nur die freie Salicylsäure antiseptisch wirkt, daß
                              dagegen die wässerigen Lösungen ihrer neutralen Salze sich, wie es scheint, ganz
                              indifferent verhalten.
                           Als ich im vergangenen Sommer die Beobachtung machte, daß ein kleiner Zusatz von
                              Salicylsäure zu süßer Milch das Sauerwerden zwar nicht verhindert, aber doch
                              verlangsamt, und dabei erwog, daß die sauere Eigenschaft der Salicylsäure selbst,
                              das Sauerwerden der Milch bis zu einem gewissen Grade beschleunigen müsse, kam ich
                              auf den Gedanken, daß ein neutrales salicylsaures Salz, z.B. salicylsaures Natron,
                              in wässeriger Lösung der Milch beigemischt, das Gerinnen derselben länger aufhalten
                              möchte als die freie Salicylsäure, weil die das Coaguliren bewirkende Milchsäure im
                              Augenblicke des Entstehens gleich sich mit dem Patron des salicylsauren Natrons
                              verbinden kann, während dann die so nach und nach frei werdende Salicylsäure der
                              Fermentation des Milchzuckers und der Milchsäurebildung entgegenwirkt, resp. sie
                              verlangsamt. Aus dem nämlichen Grunde glaubte ich, werde salicylsaures Natron die
                              Pilzbildung auf, in weitem offenem Gefäß an der Luft stehendem, Biere eben so verhindern wie die
                              Salicylsäure selbst, welche durch die unter diesen Verhältnissen im Biere rasch
                              entstehende Essigsäure aus dem Natronsalz voraussichtlich frei gemacht wird.
                           Beide Voraussetzungen haben sich als irrig erwiesen. Die an Natron gebundene
                              Salicylsäure hält weder die Pilzbildung im Biere auf (die Pilzbildung tritt nicht
                              eine Stunde später ein als in dem daneben stehenden Gefäß mit Bier, welches keinen
                              Zusatz erhalten hat), noch übt sie in jener Form den geringsten hemmenden Einfluß
                              auf das Sauerwerden der Milch.
                           Jene Erfahrungen machten es von vornherein wahrscheinlich, daß neutrales
                              salicylsaures Natron auch die Alkoholgährung nicht hindert, noch aufhält. Um darüber
                              Gewißheit zu bekommen, habe ich 1000 Grm. jener 12proc. Traubenzuckerlösung genau
                              wie bei obigen Versuchen mit 5 Grm. frischer Bierhefe und mit einer wässerigen
                              Lösung von salicylsaurem Natron versetzt, welche genau 1 Grm. Salicylsäure enthielt.
                              Es war demnach der Gährungsflüssigkeit in Form von Natronsalz noch einmal so viel
                              Salicylsäure einverleibt, als davon im Hydratzustande genügt, die Gährung ganz und
                              gar zu verhindern. Dessen ungeachtet gerieth jene Mischung nach wenigen Stunden in
                              eben so lebhafte und anhaltende Gährung, später unter reichlicher Absonderung von
                              Hefe auf der Oberfläche derselben, wie die gleiche Mischung von Zuckerlösung und
                              Hefe allein, welche zum Vergleich mit jener zusammen angesetzt war.
                           Die wässerige Lösung des neutralen salicylsauren Natrons vermag die Bildung
                              organisirter Substanzen überhaupt so wenig zu verhindern, daß in ihr selbst, bei
                              längerem Stehen in einer gut verschlossenen Flasche, eine reichliche Absonderung von
                              Conserven stattgefunden hat, während gleichzeitig bereitete wässerige Lösungen der
                              Salicylsäure mit 2, 1 und 0,5 pro Mille Salicylsäuregehalt jetzt nach 6 Monaten noch
                              vollkommen klar und unverändert sind.
                           Um zu erfahren, ob andere Verbindungen der Salicylsäure die Alkoholgährung hemmen,
                              habe ich 1000 Grm. jener 12proc. Traubenzuckerlösung mit 5 Grm. frischer Bierhefe
                              und dann mit 0,55 Grm. Gaultheriaöl, und zwar reinem, aus Salicylsäure und Holzgeist
                              bereiteten Salicylsäure-Methyläther gemischt (diese 0,55 Grm. Aether
                              entsprechen 0,5 Grm. Salicylsäurehydrat). Die Gährung erfolgte darin eben so früh
                              wie in einer daneben stehenden gleichen Zuckerlösung, welcher nur Hefe zugesetzt
                              war. Der Methyläther der Salicylsäure vermag also eben so wenig wie ihr Natronsalz,
                              die Wirkung der Hefe aufzuheben.
                           Im Verlaufe obiger Versuche drängte sich mir die Frage zur experimentellen
                              Beantwortung auf, welchen Einfluß andere zur Salicylsäure in nächster Beziehung stehende
                              Verbindungen, insbesondere der Alkohol und das Aldehyd derselben, sodann auch das
                              Salicin auf die Alkoholgährung ausüben. Der Umstand, daß das Saligenin und das
                              Salicylsäure-Aldehyd, während sie aus dem Salicin und Helicin durch Emulsin
                              abgeschieden werden, die Wirkung des Emulsins auch dann nicht hemmen, noch weniger
                              vernichten, wenn sich eine erhebliche Menge davon in den Flüssigkeiten angesammelt
                              hat, macht es von vornherein wahrscheinlich, daß die genannten Verbindungen auch zur
                              Alkoholgährung sich indifferent verhalten. In der That gährt ein Gemisch von 1000
                              Grm. 12proc. Traubenzuckerlösung und 5 Grm. Bierhefe nach Zusatz von 1 Grm.
                              Saligenin resp. von 2 Grm. Salicin genau so, wie ohne diesen Zusatz. Auch das
                              Salicylsäure-Aldehyd, von welchem ich einer gleichen – 5 Grm. frischer
                              Hefe beigemischt enthaltenden – Zuckerlösung 0,5 Grm. zusetzte, war
                              wirkungslos. Auch hier trat alsbald Gährung ein, nur schien mir dieselbe etwas
                              langsamer zu verlaufen als in der außer Hefe keine fremde Beimengungen enthaltenden
                              Zuckerlösung.
                           Nach diesen Erfahrungen drängte es mich, noch einen letzten Versuch mit der der
                              Salicylsäure homologen Kresotinsäure anzustellen, wovon Hr. Stud. Ihle, welcher eben in meinem Laboratorium das Verhalten
                              des Kresol-Natrons und Kresol-Kalis gegen Kohlensäure studirt, gerade
                              eine größere Menge aus dem Kresol-Natron gewonnen hatte. Das Ergebniß
                              entsprach ganz meinen Erwartungen. Die Kresotinsäure hält den Gährungsproceß gerade
                              so auf wie die Salicylsäure. Als ich 1000 Grm. 12proc. Traubenzuckerlösung, nachdem
                              5 Grm. frischer Bierhefe zugegeben waren, mit einer warmen wässerigen Lösung von
                              0,25 Grm. Kresotinsäure vermischte und diese Gährungsflüssigkeit auf 35°
                              erhitzte, trat nach ewigen Stunden Gährung ein, die jedoch viel weniger stürmisch
                              verlief als in der nur Hefe enthaltenden Zuckerlösung. Also auch hier genügen 0,25
                              Grm. Kresotinsäure eben so wenig, den Gährungsproceß zu unterdrücken, wie 0,25 Grm.
                              Salicylsäure unter gleichen Bedingungen dazu nicht ausreichten.
                           Als ich aber bei einem zweiten Versuch mit neuer Gährungsflüssigkeit die doppelte
                              Menge Kresotinsäure, also 0,5 Grm., anwendete, kam die Zuckerlösung nicht in
                              Gährung; heute, nach drei Tagen, ist sie noch vollkommen klar. Ich bemerke hierzu,
                              daß die benützte Kresotinsäure wahrscheinlich ein Gemenge isomerer Kresotinsäuren
                              ist. Wenn es Hrn. Ihle gelingt, diese einander sehr
                              ähnlichen Säuren scharf von einander zu trennen, so wird derselbe mit den reinen
                              Verbindungen jene Gährungsversuche wiederholen und sehen, ob die eine energischer
                              wirkt als die andere.
                           
                           Ich lasse eben größere Mengen Thymotinsäure und Eugentinsäure darstellen, um auch mit
                              diesen der Salicylsäure nahe stehenden Verbindungen zu prüfen, ob und welchen
                              Einfluß sie auf den Verlauf der Alkoholgährung ausüben.
                           Ich habe eben in Gemeinschaft mit Dr. v. Meyer angefangen, noch einige der Salicylsäure nach
                              anderer Richtung hin verwandte Verbindungen auf ihre antiseptischen Eigenschaften zu
                              prüfen, nämlich verschiedene Derivate derselben, wie die
                              Chlor-Nitro-Oxysalicylsäure, Gallussäure etc., sodann insbesondere die
                              Chlorsalylsäure und die Salylsäure. Nach einem vorläufigen Versuche scheint die
                              Chlorsalylsäure der Salicylsäure bezüglich der Eigenschaft, die Gährung des Zuckers
                              zu verhindern, nicht viel nachzustehen. Möglich, daß auch die Salylsäure stark
                              antiseptisch wirkt. Die isomere Benzoësäure entbehrt, wie uns ein vorläufiger
                              Versuch gelehrt hat, der antiseptischen Eigenschaften zwar nicht ganz, steht aber in
                              dieser Beziehung weit hinter der Salicylsäure zurück. Ein Liter mit 5 Grm. Bierhefe
                              versetzte 12proc. Zuckerlösung gerieth bei 35° nach kurzer Zeit in lebhafte
                              Gährung, nachdem ihr 0,5 Grm. Benzoësäure in Lösung zugefügt war. Auch die
                              doppelte Menge Benzoësäure, also 1 Grm., hebt die Gährung nicht auf, doch
                              wird dieselbe dadurch beträchtlich geschwächt.
                           Wenn es gestattet ist, aus den bis jetzt gesammelten Erfahrungen einen allgemeinen
                              Schluß zu ziehen, so will es scheinen, daß nur die freie Salicylsäure, aber nicht
                              die isomeren Säuren (Paraoxybenzoësäure und Oxybenzoësäure), noch die
                              Salze und Aether der Salicylsäure, noch auch die chemisch verwandten Verbindungen,
                              wie Saligenin, salicylige Säure und Salicin, antiseptisch wirken.
                           Diese wunderbaren Eigenschaften der Salicylsäure in Verbindung mit dem günstigen
                              Umstande, daß sie keinen Geruch und wenig Geschmack besitzt und daß sie in
                              ziemlichen Dosen innerlich genommen werden kann, ohne der Gesundheit zu schaden,
                              wodurch sie sich insbesondere vor der Carbolsäure auszeichnet, haben ihr in kurzer
                              Zeit mancherlei erfolgreiche Anwendungen verschafft, und sicher wird man sich ihrer
                              in Zukunft noch zu vielen Zwecken bedienen, an welche gegenwärtig vielleicht noch
                              gar nicht gedacht wird. Wie die Salicylsäure zur Haltbarmachung des Weines und auch
                              des Bieres demnächst zuverlässig benützt werden wird, so gewinnt sie künftig
                              vielleicht eine Verwendung, um Wasser vor Fäulniß zu schützen und demselben auf
                              längere Zeit Wohlgeschmack zu erhalten. Bekanntlich kommen während längerer
                              Seereisen, besonders auf den Segelschiffen, häufige Erkrankungen vor in Folge des
                              Genusses von dem in Fässern mitgeführten Wasser, welches allmälig verdirbt. Sollte
                              ein geringer Zusatz von
                              Salicylsäure dieses Wasser Monate lang conserviren, so wäre das gewiß ein
                              Fortschritt und ein erheblicher Gewinn.
                           Um Versuchen im Großen, welche endgiltig entscheidend sind, und wozu vielleicht einer
                              unserer großen Rheder die Hand bietet, eine Unterlage zu geben, habe ich seit dem 5.
                              December v. J. in einem geheizten Zimmer eine Reihe von neuen Fässern liegen, welche
                              mit reinem Trinkwasser (Leipziger Wasserleitungswasser) theils ohne jeglichen
                              Zusatz, theils mit Zusatz verschiedener kleiner Mengen Salicylsäure (im Maximum 1
                              Grm. auf 20.000 Grm. Wasser) gefüllt sind. Bis heute, nach vier Wochen, ist das
                              Salicylsäure beigemischt haltende Wasser vollkommen klar und wohlschmeckend, wogegen
                              das Wasser, welchem Nichts zugesetzt war, schon einen starken Beigeschmack
                              angenommen hat. Ich werde diese Fässer bis in den nächsten Sommer hinein liegen
                              lassen und den Inhalt von Woche zu Woche auf Klarheit und Geschmack prüfen; ich
                              hoffe damit zugleich feststellen zu können, in welch geringster Menge die
                              Salicylsäure das Wasser vor Fäulniß schützt. Ich bemerke dabei, daß die oberen
                              Spundlöcher offen und mit salicylirter Baumwolle, welche zu chirurgischen Zwecken
                              jetzt mehrfach benützt und in den Handel gebracht wird, lose bedeckt sind, um die
                              eintretende Luft zu filtriren. Ich bin überzeugt, daß diese Filtration der Luft,
                              welche sich auch an den großen Wasserfässern der Schiffe leicht anbringen läßt,
                              allein schon einen günstigen Einfluß auf die Conservirung des Trinkwassers
                              ausübt.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)