| Titel: | Ueber das Wesen des Chlorkalkes und dessen freiwillige Zersetzung; von Carl Opl, Chemiker in der Hruschauer Sodafabrik. | 
| Autor: | Carl Opl | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 326 | 
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                        Ueber das Wesen des Chlorkalkes und dessen
                           freiwillige Zersetzung; von Carl
                              Opl, Chemiker in der Hruschauer Sodafabrik.
                        (Schluß von S.
                              239 des vorhergehenden Heftes.)
                        Opl, über das Wesen des Chlorkalkes und dessen freiwillige
                           Zersetzung.
                        
                     
                        
                           Betrachten wir nun die Veränderung des Chlorkalkes bei der freiwilligen Zersetzung.
                              Bei Beginn sowie beim Fortschreiten der freiwilligen Zersetzung eines in Fässern
                              verpackten Chlorkalkes bemerkt man das Auftreten von Chlorgeruch; der Chlorkalk wird
                              schmierig, breiartig oder klumpt in größere oder kleinere Stücke zusammen, deren
                              Kern aus einer grauen schmierigen oder sandig krystallinischen Masse besteht. Zwei
                              Proben theilweise zersetzten Chlorkalkes analysirt, ergaben:
                           
                              
                                 1. Probe: feucht,breiartig.
                                 2. Probe: trocken,jedoch mit grauen sandigen
                                    Stückchen.
                                 
                              
                                 Chlor als
                                 CaOCl₂
                                 = 22,4 Proc.
                                     21,5 Proc.
                                 
                              
                                     „    „
                                 CaCl₂
                                 =   4,4   „
                                 11,1    „
                                 
                              
                                     „    „
                                 CaCl₂O₆
                                 =   0,2   „
                                   1,0    „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                     Gesammt–Chlor 
                                 = 27,0 Proc.
                                     33,6 Proc.
                                 
                              
                           Bei der zweiten Probe konnte noch constatirt werden, daß dieselbe im unzersetzten
                              Zustande 34 Proc. bleichendes Chlor enthielt. Der Verlust, welchen der Chlorkalk bei der
                              freiwilligen Zersetzung erleidet, ist demnach hauptsächlich Sauerstoffgas, der
                              Chlorverlust ist durch den auftretenden Geruch constatirt, doch fehlen darüber
                              quantitative Nachweise; ferner wurde in beiden Fällen die Bildung von chlorsaurem
                              Kalk in geringen Mengen wie auch schon früher durch J. Kolb beobachtet.
                           Eine gleiche Zersetzungsweise wie obige erleidet der Chlorkalk bei Einwirkung der
                              Wärme.
                           Schon die bekannte Thatsache, daß nur im Hochsommer Fälle der freiwilligen Zersetzung
                              des Chlorkalkes vorkommen, führt auf die Vermuthung, daß die Wärme dabei im Spiele
                              sein muß. Die Luftwärme jedoch als alleinige Ursache anzugeben, ist wieder deshalb
                              unstatthaft, weil ja sonst jeder Chlorkalk in den Sommermonaten unbrauchbar werden
                              müßte, was glücklicher Weise nicht der Fall ist. Es muß also ein Factor noch
                              mithelfen, der nur in der Zusammensetzung des Chlorkalkes, in der Reaction seiner
                              Bestandtheile zu suchen ist.
                           Wenn man die Temperatur eines eben aus der Absorptionskammer kommenden Chlorkalkes
                              mißt, so findet man dieselbe Zahl von Graden wie in der Kammer, meist etwas höher
                              als die der umgebenden Luft; wiederholt man die Messung nach Verlauf einiger Stunden
                              abermals, so findet man, daß der Chlorkalk, statt abzukühlen, sich bedeutend erwärmt
                              hat. Folgende Tabellen enthalten Beobachtungen über die Selbsterhitzung des
                              Chlorkalkes aus verschiedenen Kammern und bei verschiedenen Lufttemperaturen.
                           
                              
                                 Beobachtet am 20. August
                                    1874.Lufttemperatur 16° R. (20° C.)
                                 Beobachtet am 5. November
                                    1874.Lufttemperatur 5° R. (6,25° C.)
                                 
                              
                                 Chlorkalk ausden Kammern.
                                 Temperatur des Chlorkalkes
                                 Kammer.
                                 Temperatur des Chlorkalkes
                                 
                              
                                 
                                 nach demHerausnehmen
                                 nach20 Stunden
                                 
                                 nach demHerausnehmen
                                 nach 5Stunden.
                                 
                              
                                 I
                                        22° R.
                                     25° R.
                                 I
                                       12,5° R.
                                   12,5° R.
                                 
                              
                                 II
                                        23
                                     29
                                 II
                                       13,5
                                   14,5
                                 
                              
                                 III
                                        21
                                     30
                                 III
                                       13,5
                                   16
                                 
                              
                                 IV
                                        23
                                     29,5
                                 IV
                                       12
                                   14
                                 
                              
                                 V
                                        23
                                     26
                                 V
                                       13
                                   14
                                 
                              
                                 VI
                                        25
                                     29
                                 
                                       12,5° R.
                                   12,5° R.
                                 
                              
                           Der aus den Kammern kommende Chlorkalk wurde in hölzerne Kisten gegeben; je höher die
                              Schichte, desto stärker war die Erwärmung. Es wurden Temperaturerhöhungen von 19 bis
                              25° C. über die Lufttemperatur beobachtet. Woher rührt nun diese bedeutende
                              Erwärmung? Man könnte versucht sein, diese Erwärmung der Absorption der
                              Luftfeuchtigkeit 
                              
                           Beobachtet am 16. September 1874. Lufttemperatur 14° R.
                              (17,5° C.)
                           
                              
                                 Kammer.
                                 Grade desChlorkalkes
                                 Temperatur des Chlorkalkes
                                 
                              
                                 
                                 
                                 nach demHerausnehmen.
                                 nach5 Stunden.
                                 nach20 Stunden.
                                 
                              
                                 I
                                 100
                                        19° R.
                                     19° R.
                                      22° R.
                                 
                              
                                 II
                                 100
                                        21,25
                                     22,25
                                      21,5
                                 
                              
                                 III
                                 100
                                        23
                                     23,5
                                      24,75
                                 
                              
                                 IV
                                 110
                                        21,25
                                     23,5
                                      21,75
                                 
                              
                                 V
                                 110
                                        20,25
                                     22,5
                                      23,5
                                 
                              
                                 VI
                                 110
                                        18,75
                                     20,75
                                      20,5
                                 
                              
                                 VII
                                 104
                                        20
                                     24,5
                                      24,5
                                 
                              
                                 VIII
                                 104
                                        19,25
                                     22,25
                                      21
                                 
                              
                                 IX
                                 104
                                        20,5
                                     25,5
                                      23,5
                                 
                              
                                 X
                                   95
                                        21
                                     22
                                      23
                                 
                              
                           zuzuschreiben, da ja der Chlorkalk bei Aufnahme von Wasser
                              sich bedeutend erwärmt. – Ein Thermometer in Chlorkalkpulver getaucht, so daß
                              beim Herausnehmen etwas Chlorkalk auf der Kugel hängen bleibt, zeigt in der Luft
                              alsbald ein Steigen der Quecksilbersäule. – Allein in diesem Falle müßte die
                              Erwärmung von Außen nach Innen fortschreiten, was nicht bemerkt wird, und der
                              Chlorkalk, unter luftdichten Verschluß gebracht, dürfte keinerlei Erwärmung
                              zeigen.
                           Chlorkalk direct aus der Kammer entnommen, in eine offene
                              Holzkiste von etwa 0,03 Kubikmeter und andererseits in ein großes luftdicht
                              verschließbares Glas gebracht, zeigte folgende Temperaturerhöhung.
                           
                              
                                 Beobachtungs-Zeit
                                 Temperatur des Chorkalkes
                                 
                              
                                 
                                 in der Kiste
                                 im Glas
                                 
                              
                                 Nach demHerausnehmen
                                      18° R.
                                     17,8° R.
                                 
                              
                                 Nach 2   Stdn.
                                      20,75
                                     21,5
                                 
                              
                                   
                                    4    „
                                      24,5
                                     25,0
                                 
                              
                                   
                                    6    „
                                      26,75
                                     27,0
                                 
                              
                                   
                                    8    „
                                      26,75
                                     27,0
                                 
                              
                                 24    „
                                      23,0
                                     19,0
                                 
                              
                                 48    „
                                      18,0
                                     19,0
                                 
                              
                           Bei Abschluß der Luftfeuchtigkeit erfolgt demnach dieselbe Temperaturerhöhung; die
                              Ursache muß also, wie erwähnt, in der Zusammensetzung des Chlorkalkes, in der
                              Reaction seiner Bestandtheile selbst gesucht werden.
                           Die Temperaturerhöhung des Chlorkalkes tritt beim Liegenlassen in der Kammer nicht
                              ein, erst nach dem Herausnehmen, beim Mischen, ist dieselbe bemerkbar.
                           
                           Zwei Kisten I und II wurden mit Chlorkalk aus derselben Kammer
                              angefüllt, die erste vorsichtig ohne zu mischen, die zweite unter gutem
                              Durchmengen.
                           
                              
                                 Beobachtungszeit.
                                 Kiste I.Nicht gemischt.
                                 Kiste II.Gemischt.
                                 
                              
                                 Nach demHerausnehmen
                                        16° R.
                                    19° R.
                                 
                              
                                 Nach 1  Stunde
                                        18
                                    21,3
                                 
                              
                                   2    „
                                        18,3
                                    23
                                 
                              
                                   3    „
                                        18,5
                                    25
                                 
                              
                                   5    „
                                        18,5
                                    27,5
                                 
                              
                                   7     „
                                        18,7
                                    28,5
                                 
                              
                                 14    
                                    „
                                        19,1
                                    26,5
                                 
                              
                                 24    
                                    „
                                        19,1
                                    22,2
                                 
                              
                                 48    
                                    „
                                        18,5
                                    18,5
                                 
                              
                           Der gemischte (in Kiste II befindliche) Chlorkalk zeigte
                              eine bedeutendere Erwärmung, der nicht gemischte erst
                              dann, als man ihn ebenfalls durchmengte.
                           Folgende Tabelle zeigt die Temperaturerhöhung derselben Chlorkalke nach gleichem
                              gutem Durchmischen.
                           
                              
                                 Beob. Zeitnach demHerausnehmenaus d.
                                    Kammer
                                 Kiste I.Einmalgemischt.
                                 Kiste II.Zum zweitenMale
                                    gemischt.
                                 
                              
                                    48 Stunden
                                  17,5° R.
                                      17,5° R.
                                 
                              
                                    49    
                                    „
                                  18,5
                                      18,0
                                 
                              
                                    50    
                                    „
                                  19,0
                                      18,5
                                 
                              
                                    54    
                                    „
                                  23,0
                                      19,8
                                 
                              
                                    57    
                                    „
                                  24,5
                                      19,8
                                 
                              
                                    72    
                                    „
                                  22
                                      18
                                 
                              
                                    96    
                                    „
                                  18
                                      17
                                 
                              
                           Bei dem einmal gemischten Chlorkalk war demnach eine bedeutendere Erwärmung bemerkbar
                              als bei dem, der schon zum zweiten Male gemischt wurde; überhaupt wurde bemerkt, daß
                              die Erwärmungsfähigkeit beim öfteren Mischen ganz verschwindet, wie auch aus
                              folgender Zusammenstellung zu ersehen ist.
                           
                              
                                 Zeit nach demHerausnehmenaus d.
                                    Kammer.
                                 Temperatur°R.
                                 Wiederholt gut gemischt.
                                 Abermals gemischt.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ZeitStunden.
                                 Temperatur° R.
                                 ZeitStunden.
                                 Temperatur.° R.
                                 
                              
                                      0 Stunden
                                      16,75
                                   72
                                 16,0
                                 120
                                 15,2
                                 
                              
                                     
                                    1     „
                                      17,75
                                   73
                                 17,1
                                 121
                                 15,2
                                 
                              
                                     
                                    3     „
                                      20
                                   75
                                 18,0
                                 122
                                 15,7
                                 
                              
                                     
                                    5     „
                                      22,75
                                   78
                                 18,2
                                 124
                                 15,9
                                 
                              
                                    12    
                                    „
                                      25,25
                                   83
                                 18,2
                                 128
                                 16,0
                                 
                              
                                    24    
                                    „
                                      22
                                   96
                                 17,0
                                 144
                                 16,0
                                 
                              
                                    48    
                                    „
                                      18
                                 120
                                 15,2
                                 156
                                 15,7
                                 
                              
                                    72    
                                    „
                                      16,75
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                           Diese Versuche zeigen, daß die Selbsterhitzung des Chlorkalkes beim Mischen
                              eingeleitet wird; der Grund hierfür muß in einer wechselnden Zusammensetzung des
                              Chlorkalkes in verschiedenen Schichten gesucht werden. Wie schon früher angeführt,
                              findet bei der Chlorabsorption eine Wanderung des Wassers des Kalkhydrates statt; es
                              entstehen wasserreichere und ärmere Schichten. Auch in den Chlorkalkkammern sind die
                              oberen Schichten des Chlorkalkes wasserreicher als die inneren, wie aus folgenden
                              Analysen ersehen werden kann.
                           
                              
                                 
                                 
                                 Oberste Schichte13 Mm. tief.
                                 Mittlere Schichte52 Mm. tief.
                                 Unterste Schichte.
                                 
                              
                                 Chlor als
                                 CaOCl₂ =
                                     35,59 Proc.
                                      37,24 Proc.
                                       14,8 Proc.
                                 
                              
                                   
                                    „      „
                                 CaCl₂ =
                                       2,18  
                                    „
                                        1,30  
                                    „
                                         0,4  
                                    „
                                 
                              
                                   
                                    „      „
                                 CaCl₂O₆ =
                                       0,00  
                                    „
                                        0,00  
                                    „
                                         0,0  
                                    „
                                 
                              
                                 
                                 H₂O =
                                     22,03   „
                                        7,42  
                                    „
                                       17,4  
                                    „
                                 
                              
                           20 Grm. Chlorkalk der obersten Schichte erhöhen beim Vermischen
                              mit 50 K. C. Wasser die Temperatur um 5,2° R. (6,5° C.);
                           20 Grm. der mittleren Schichte um 8,0° R. (10°
                              C.);
                           20 Grm. der untersten Schichte um 3,2° R. (4°
                              C.).
                           Die erzeugten Wärmemengen auf gleiche Mengen der dazu verwendete Verbindung
                              CaOCl₂ berechnet, gibt für die mittlere Schichte die größte Wärmeentbindung.
                              Beim Vermischen des Chlorkalkes der obersten Schichte mit der mittleren kann
                              demnach, wie beim Mischen einer concentrirten mit einer schwachen Schwefelsäure,
                              eine Wärmeentwickelung stattfinden.
                           Temperatur beim Vermischen des Chlorkalkes bei 15,5° R.
                              (19,4° C.) aus den Schichten:
                           
                              
                                 I und II
                                 I und III
                                 II und III
                                 
                              
                                     17,5° R.
                                     15,5° R.
                                     17,5° R.
                                 
                              
                                 17,5
                                 15,5
                                 17,5
                                 
                              
                                 17,2
                                 15,8
                                 17,0
                                 
                              
                                 17,2
                                 16,1
                                 16,5
                                 
                              
                                 16,5
                                 16,8
                                 16,5
                                 
                              
                           Die Temperaturerhöhung war nicht hoch, weil mit nur kleinen Quantitäten gearbeitet
                              wurde; doch ergab sich daraus, daß hauptsächlich die mittlere wasserärmere Schichte
                              die Ursache des Erhitzens ist. Göpner gibt an, daß der
                              wasserarme Chlorkalk ein äußerst hygroskopischer Körpersei, der mit Begierde die
                              Feuchtigkeit der Luft aufnimmt; derselbe kann nun auch einem mehrfachen Hydrate der
                              Verbindung CaOCl₂ unter Wärmeentwickelung Wasser entziehen und damit
                              einfachere Hydrate bilden. Ob nun diese bei der Hydratisirung der Verbindung
                              CaOCl₂ entstehende Wärme die Ursache der Zersetzung des Chlorkalkes ist, wird
                              nicht bezweifelt werden,
                              wenn man bedenkt, daß – wie schon früher angegeben – derselbe in große
                              Fässer verpackt, oft wochenlang eine Temperatur von 15 bis 20° R. (19 bis
                              25° C.) über der Lufttemperatur, also in warmen Sommertagen eine solche von
                              30 bis 35° R. (37,5 bis 43,75° C.) beibehält. In einem früheren
                              Versuche wurde gezeigt, daß Chlorkalk, bei einer Temperatur von 30° R.
                              (37,5° C.) längere Zeit erhalten, sich genau nach der Art der
                              „freiwilligen Zersetzung“ verändert und folgender Versuch
                              bestätigt dieses gleichfalls. Aus der gut schließenden Flasche, in welcher
                              Chlorkalk, aus der Kammer entnommen, sich bis auf 27° R. erwärmte, wurde nach
                              dem Erkalten ein Theil der Luft untersucht und darin 24 Proc. Sauerstoff gefunden;
                              es mußte also schon bei dieser Temperatur die Zersetzung nach der Formel
                              CaOCl₂ = CaCl₂ + O stattgefunden haben. Das hierbei sich bildende
                              Chlorcalcium ist ein stärker hygroskopischer Körper als die Verbindung
                              CaOCl₂; es wird der letzteren das zum Bestehen nöthige Wasser entziehen und
                              Chlorgas frei machen, oder beim genügenden Zutritte der Luftfeuchtigkeit eine neue
                              Erwärmung durch Bindung von Wasser hervorrufen, wobei ein weiterer Theil des
                              Chlorkalkes in Chlorcalcium und Sauerstoff zerlegt wird, bis endlich aus dem
                              Chlorkalk eine schmierige Masse von Chlorcalcium, oder bei gehindertem Luftzutritt
                              eine graue sandige Masse von Chlorcalciumkrystallen gebildet wurde.
                           J. Kolb gibt als Grund der Fortsetzung einer durch eine
                              unbekannte Ursache eingeleiteten Zersetzung des Bleichkalkes die Bildung von
                              chlorsaurem Kalk an, bei welcher Wärme frei werden soll.
                           Nach vielen Analysen über zersetzten Chlorkalk spielt die Bildung von chlorsaurem
                              Kalk nur eine untergeordnete Rolle, es könnte dabei auch nur eine geringe Wärmemenge
                              frei werden. Um zu sehen, ob überhaupt bei der Zersetzung des Chlorkalkes Wärme frei
                              wird, wurde in einem Wasserbade ein Glas mit Chlorkalk, worin ein Thermometer
                              angebracht war, langsam erhitzt. Als die Temperatur des Bades 80° R.
                              (100° C.) betrug, war die des Chlorkalkes 82° R. (102,5° C.).
                              Bei einem zweiten Versuche wurde schon bei einer Temperatur des Bades von 65°
                              R. (81,25° C.) eine Chlorkalktemperatur von 68° R. (85° C.)
                              beobachtet.
                           Ob nun diese Wärmeentwickelung von der Zersetzung CaOCl₂ = CaCl₂ + O
                              oder von der Bildung von chlorsaurem Kalk herrührt, mag dahingestellt sein,
                              jedenfalls wird dieselbe Mitursache der Fortsetzung einer einmal eingeleiten
                              Zersetzung sein.
                           In wie fern bei einer niedrigen, jedoch lange dauernden Temperatur schon eine
                              vollständige Zersetzung des Chlorkalkes bewirkt wird, konnte in den Absorptionskammern
                              selbst beobachtet werden. Eine Chlorkalkkammer zeigt bei einer Lufttemperatur von
                              15° R. (19° C.) während der Absorption 20 bis 28° R. (25 bis
                              35° C.).
                           Chlorkalk aus den Ecken der Kammer, welcher wegen schlechter Reinigung derselben den
                              Proceß schon oftmals mitgemacht, also längere Zeit der Temperatur der Kammer
                              ausgesetzt war, sah ganz verändert aus, fühlte sich sandig an und wurde an der Luft
                              bald feucht. Eine Analyse
                           
                              
                                 ergab das Verhältniß von
                                 Chlor als CaOCl₂
                                 =
                                 31,16 Proc. und
                                 
                              
                                 
                                 Chlor als    CaCl₂
                                 =
                                 21,93 Proc. mit
                                 
                              
                           schwacher Reaction auf chlorsauren Kalk. In den äußersten
                              Winkeln wurden ganz wasserhelle, ausgebildete Chlorcalciumkrystalle in der Größe von
                              13 Mm. gefunden, ohne jede Reaction auf CaOCl₂.
                           Die Temperatur der Absorptionskammern ist bei Erzeugung guten haltbaren Chlorkalkes
                              von der größten Wichtigkeit; je niedriger die Temperatur desto besser. Der Winter
                              ist erfahrungsgemäß die beste Zeit zur Fabrikation von Chlorkalk.
                           In warmen Kammern kann kein starker Chlorkalk erzeugt werden; dieser erhitzt sich
                              beim Mischen besonders leicht und zersetzt sich. Die Wanderung des Wassers wird bei
                              höherer Temperatur viel leichter vor sich gehen als bei niedriger, wo die
                              Chlorkalkschichten in der Zusammensetzung eine größere Abweichung zeigen.
                           Ein Chlorkalk der bei 15° R. (19° C.) erzeugt wurde, hat schon
                              äußerlich eine andere Beschaffenheit als der bei 25° R. (31° C.)
                              erzeugte; ersterer bildet in der Kammer eine feste Schichte und ist beim Zerdrücken
                              ganz trocken, staubig, während letzterer ein lockeres feuchtes Pulver darstellt und
                              stark nach Chlorgas riecht; kühlt sich derselbe jedoch auf etwa 17° R.
                              (21° C.) ab, so wird er gleichfalls trocken, staubig, was vielleicht mit
                              einer Krystallisation des enthaltenen Chlorcalciums oder der Verbindung
                              CaOCl₂ + xH₂O zusammenhängt.
                           Bei Erzeugung eines starken, haltbaren Chlorkalkes sind demnach folgende Punkte zu
                              beachten:
                           1. Das erzeugte Chlorgas soll frei von Salzsäure und Kohlensäure sein und möglichst kühl in die Kammern
                              geleitet werden.
                           2. Das Kalkhydrat soll möglichst rein und frei von kohlensaurem Kalk sein und mit so
                              viel freiem Wasser angewendet werden, als ohne Nachtheil für die Operation des
                              Siebens geschehen kann.
                           3. Die Kammern sollen während der Absorption eine möglichst niedrige, 20° R.
                              (25° C.) nicht überschreitende Temperatur annehmen, und müssen eine solche
                              Construction haben, daß selbe leicht und gut gereinigt werden können.
                           
                           4. Nach dem Herausnehmen des Chlorkalkes aus den Kammern ist derselbe gut zu mischen
                              und in flachen hölzernen Kisten mit Deckeln unter öfterem Umschaufeln so lange
                              stehen zu lassen, bis er auf die Lufttemperatur oder wenigstens auf 17° R.
                              (21° C.) abgekühlt ist, bevor er in Fässer verpackt werden kann.
                           Wird Chlorkalk aus warmen Kammern an heißen Sommertagen gleich in Fässer gepackt, so
                              tritt unfehlbar Zersetzung ein, was ich vielfach beobachtet habe. Diese Zersetzung
                              ist oft so plötzlich, daß der Chlorkalk in wenigen Stunden seine ganze
                              Gradhältigkeit verloren hat. Der Chlorkalk färbt sich dabei rosenroth.
                           Die Einhaltung des letzten Punktes, was ohne viel Umstände geschehen kann, wird die
                              bisher räthselhafte, unheimliche „Zersetzung des Chlorkalkes“,
                              welche schon so vielfach Anlaß zu Streitigkeiten und Verlusten gegeben, gänzlich
                              verhindern.