| Titel: | Gypsbrennofen mit continuirlichem Betriebe; von Z. Ramdohr. | 
| Autor: | Z. Ramdohr | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 332 | 
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                        Gypsbrennofen mit continuirlichem Betriebe; von
                           Z. Ramdohr.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              IX [a.b/1].
                        Ramdohr's Gypsbrennofen.
                        
                     
                        
                           In dem Maße, wie durch vermehrte architektonische Ausstattung der modernen Bauten der
                              Verbrauch des Stuccatur- oder Geschwindgypses gestiegen ist, haben sich auch
                              die Ansprüche an die Apparate gesteigert, in denen man den rohen Gyps zu seiner
                              Verwendung im Bauwesen, sowie zur Herstellung von Abgüssen etc. vorbereitet.
                           So einfach das Brennen des Gypses zu sein scheint, um so
                              leichter wird gegen die dabei zu beobachtenden Grundbedingungen gefehlt. Der Gyps
                              ist bekanntlich schwefelsaurer Kalk mit 2 Aequivalenten Wasser (CaSO₄ .
                              2H₂O) oder CaO, SO₃ + 2HO), von denen das eine Aequivalent
                              als Krystallwasser, das andere als salinisches Wasser, d.h. als solches zu
                              betrachten ist, welches auch durch Salze ersetzt werden kann.
                           Wenn man durch Erwärmung dem Gypse nur die Hälfte seines Wassergehaltes, nämlich das
                              eine Aequiv. Krystallwasser entzieht, so erhärtet er, wieder mit Wasser in Berührung
                              gebracht, durchaus nicht; wohl aber geschieht dies bei
                              passendem Verhältniß zwischen Gyps und Wasser schon binnen wenigen Minuten und unter
                              Wärmeentwickelung, sobald man den größten Theil des Wassergehaltes (mindestens 3/4)
                              ausgetrieben hat, indem der Gyps das Wasser wieder bindet und zu seiner
                              ursprünglichen chemischen Constitution zurückkehrt. Dies ist jedoch nur der Fall,
                              wenn man die Austreibung des Wassers bei einer Temperatur unter 133° bewirkt hatte.
                              Ueberschreitet man diese Temperatur erheblich und anhaltend, so verliert dadurch der
                              Gyps die Eigenschaft, unter Wiederaufnahme von Wasser zu erhärten; er nimmt vielmehr
                              das Wesen des in der Natur vorkommenden wasserfreien schwefelsauren Kalkes
                              (Anhydrit) an, welcher beim Vermischen mit Wasser ebenfalls nicht erhärtet.
                           Es kommt also beim Brennen darauf an, dem Gypse auf die einfachste Weise, möglichst
                              gleichmäßig durch seine ganze Masse hindurch, bei möglichst niedriger Temperatur
                              nahezu den gesammten Wassergehalt zu entziehen. Daß dies im großen Betriebe mit
                              absoluter Genauigkeit ebensowenig wie bei allen anderen technischen Operationen zu
                              erreichen sein wird, ist einleuchtend; es kommt also nur darauf an, die Grenze des
                              praktisch Erreichbaren der theoretischen Anforderung möglichst nahe zu bringen.
                           Im Kleinen erreicht man seinen Zweck wohl dadurch, daß man den rohen Gyps pulverisirt
                              und in einem Metallkessel unter Umrühren vorsichtig so lange erwärmt, bis eine
                              darüber gehaltene kalte Glasscheibe fast nicht mehr anläuft. Für größere Quantitäten
                              dagegen ist man auf die Construction besonderer Oefen angewiesen, von denen die den
                              alten Ziegelöfen im Princip ähnlichen hier ganz außer Berücksichtigung bleiben
                              müssen, da sie ihrer ganzen Einrichtung nach stets ein sehr unvollkommenes Fabrikat
                              liefern müssen; denn in ihnen kommen die Flammen resp.
                              die Verbrennungsproducte des Heizmateriales, in directe Berührung mit ziemlich
                              großen Gypsblöcken, bei denen ein sogen. Todtbrennen an der Außenseite um so mehr
                              erfolgen muß, wenn der Kern Garbrand erhalten soll, als die Blöcke nicht in kleinem
                              Format eingetragen werden dürfen, um den Feuergasen genügenden Durchgang zu
                              gestatten. Diese primitive Methode liefert also nur ein Gemisch von todtgebranntem
                              und gutem Gyps – ein Fabrikat, welches deshalb auch nur als Mörtel, zu
                              Estrichen etc. verwendet werden kann.
                           Weit bessere Resultate erzielt man schon, wenn man den rohen Gyps, in möglichst
                              kleine Stücke zerschlagen, in einem gewöhnlichen Backofen brennt, welcher vorher,
                              ganz wie beim Brotbacken nach alter Manier, geheizt worden war.
                           Da man aber hierbei wegen der nach jedem Fertigbrande voll Neuem nothwendigen Heizung
                              nur geringe Quantitäten fertig bringen kann, so habe ich einem benachbarten
                              Gypshüttenbesitzer vor etwa 10 Jahren einen Ofen erbaut, welcher zwar die Form des alten Backofens in der Hauptsache bewahrt hat,
                              aber einen viel schnelleren Betrieb dadurch gestattet, daß die Sohle des Ofens aus
                              etwa 60 Mm. starken, in
                              einander gefalzten Chamotteplatten bestand, unter denen von zwei Rosten aus die
                              Feuerzüge sich so vertheilten, daß eine fast gleichmäßige Erwärmung der Sohle
                              möglich war. Die Feuercanäle erwärmten aber auch die Seitenwände und besonders die
                              Decke des Ofens, so daß der in einer Höhe von etwa 200 bis 250 Mm. aufgeschichtete
                              Gyps einer fast gleichmäßigen, ziemlich genau regulirbaren, niedrigen Temperatur
                              ausgesetzt war. In der That lieferte dieser Ofen denn auch ein sehr gutes und
                              gesuchtes Material. Immerhin ist aber bei dieser an und für sich sehr einfachen und
                              brauchbaren Construction das Füllen und Entleeren des Ofens eine um so lästigere und
                              Zeit raubende Arbeit, als bei der verlangten Leistungsfähigkeit die Ofensohle 5,0 M.
                              lang und 3,0 M. breit werden mußte.
                           Es liegt der Gedanke nahe, daß es von sehr großem Nutzen sein müßte, wenn man die
                              Zuführung des rohen und das Ausziehen des gebrannten Gypses ununterbrochen bewirken,
                              also einen Ofen mit continuirlichem Betriebe benützen könne. Ein solcher Ofen
                              gestattet nicht nur mit wenigen Arbeitern große Mengen durchzusetzen und die
                              Arbeiter stets gleichmäßig zu beschäftigen, sondern er reducirt auch durch
                              vollständigste Ausnützung der Wärme das erforderliche Brennmaterial auf das
                              erreichbare Minium.
                           Der von mir construirte und in den Figuren 19 bis 24 abgebildete
                              Ofen entspricht allen Bedingungen, welche in Bezug auf Erreichung einer möglichst
                              gleichmäßigen Temperatur bei geringstem Brennmaterialverbrauch und wenigen
                              Arbeitskräften gestellt werden können. Er bietet ferner den nicht genug zu
                              würdigenden Vortheil, daß der Gyps ganz allmälig immer mehr erwärmt wird, indem er
                              dem Feuerherde successive näher rückt, und daß er, nachdem er die
                              Garbrand-Region des Ofens passirt hat, unterhalb derselben Gelegenheit
                              findet, sich abzukühlen, bevor er als fertiges Product abgezogen wird.
                           Der Ofen bildet ein System von beliebig vielen stehenden,
                              oben offenen Retorten aus Gußeisen. Der Retortenquerschnitt ist oblong, durchgehends
                              960 Mm. lang, am oberen Ende 320, am unteren aber nur 230 Mm. breit. Die Höhe der
                              Retorte, welche letztere aus einzelnen Theilen besteht, die durch Muffen mit
                              einander verbunden und in diesen Muffen mit einem Kitt aus Thon, Eisenbohrspänen und
                              Salmiak verdichtet sind, beträgt im Ganzen 3,5 Meter; davon sind die oberen 2,5 M.
                              der Einwirkung des Feuers ausgesetzt, während der untere Theil von 1,0 M. Höhe zur
                              Abkühlung des fertig gebrannten Gypses und zur Aufnahme des Entleerungsmechanismus
                              dient.
                           
                           Die Wandstärke der Retorte beträgt an der Garbrandstelle 18 Mm. und nimmt nach Oben
                              bis auf 10 Mm. ab. Der Kühlraum unterhalb der Feuerung hat durchgehend nur 10 Mm.
                              Wanddicke.
                           Die Breite der Retorte verjüngt sich, wie schon angedeutet, nach dem unteren Theile
                              derselben, wo das Garbrennen erfolgt, bis auf 230 Mm. so daß an dieser Stelle, von
                              der Mitte aus gerechnet, die zu erwärmende Gypsschicht nur ca. 115 Mm. dick ist.
                           Die Verwendung von Gußeißen möchte einer besonderen Motivirung kaum bedürfen; nur
                              will ich hier gleich bemerken, daß bei der außerordentlich niedrigen Temperatur, die
                              innegehalten werden muß, eine Abnützung oder gar ein
                              Verbrennen des Eisens ganz undenkbar ist; vielmehr verspricht ein nach meinem System
                              eingerichteter Ofen eine fast unbegrenzte Dauer.
                           Zur Entleerung des gargebrannten Gypses dienen am unteren Ende jeder Retorte drei
                              kegelförmige Ventile – vergl. Detail in Fig. 22 [b/1] – die durch einen einfachen Mechanismus
                              geöffnet und geschlossen werden können. An einer durch ein kleines Rädervorgelege
                              drehbaren Welle sitzen nämlich drei excentrische Scheiben, welche das Heben und
                              Senken der in der Retorte selbst geradgeführten Kegelventile bewirken. Zwischen den
                              drei kreisrunden Entleerungsöffnungen liegen Stege, die nach oben zugeschärft sind
                              und dadurch die Gypsstückchen den Entleerungsöffnungen zuführen.
                           Die Feuerung ist so eingerichtet, daß die Garbrandstelle die erste Hitze erhält und
                              die Temperatur der Retorte nach oben hin, wo das Aufgeben des rohen, in kleine
                              Stücke zerschlagenen Gypses erfolgt, allmälig abnimmt.
                           Der der Feuerung zunächst liegende Theil der Retorte ist auf 0,5 M. Höhe mit einem
                              beiläufig 40 Mm. starken Chamottemantel umkleidet, um eine zu starke Erhitzung,
                              welche an dieser Stelle vielleicht vorkommen könnte, zu verhüten. Die Größe der
                              Rostflächen ist in der Zeichnung für erdige Braunkohle geringster Qualität
                              angenommen. Die Bewegung der Feuergase in den Zügen, sowie die Anordnung der
                              letzteren selbst ergibt sich ohne Weiteres aus den Abbildungen.
                           Bei meinem System läßt sich eine beliebige Anzahl von Retorten in einem Ofen
                              vereinigen, und wenn die Zuführung des ungebrannten und die Abführung des gebrannten
                              Gypses auf kleinen Schienenbahnen bewerkstelligt wird, so genügt zur vollständigen
                              Bedienung eines Ofens von 7 bis 9 Retorten ein einziger Arbeiter, welcher das
                              Nachfüllen und Entleeren der Retorten, sowie die Feuerung zu besorgen hat.
                           
                           Die Leistungsfähigkeit betreffend, so wird der gesammte Inhalt einer Retorte (etwa 6
                              Hektoliter) in 24 Stunden mindestens sechsmal gargebrannt; es liefert also jede
                              Retorte täglich mindestens 36 Hektoliter gebrannten Gyps.
                           Der Verbrauch an Brennmaterial berechnet sich bei einer Rostfläche von 500 ×
                              250 Millim. = 0,125 Quadr.-Meter auf circa 4 Hektoliter, resp. 560 bis 600
                              Kilogrm. erdige Braunkohle geringer Qualität, oder bei entsprechend kleinerem Roste
                              auf etwa 200 Kilogrm. Steinkohle pro Retorte.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
