| Titel: | Untersuchungen über Explosivstoffe. Explosion des Schiesspulvers von Capitän Noble und F. A. Abel. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 341 | 
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                        Untersuchungen über Explosivstoffe. Explosion des
                           Schiesspulvers von Capitän Noble und F. A.
                              Abel.
                        Aus den Comptes rendus, 1874 S.
                              204.
                        (Fortsetzung und Schluß von S. 129 dieses Bandes.)
                        Noble und Abel, Untersuchungen über Explosivstoffe.
                        
                     
                        
                           Einer der Hauptzwecke vorliegender Untersuchungen war, mit großer Genauigkeit nicht
                              nur die Spannkraft zu ermitteln, welche durch die Explosion des Schießpulvers in dem
                              Falle entwickelt wurde, wo das Pulvervolumen dem Rauminhalte der dasselbe
                              einschließenden Kammer gleich war, sondern auch das Gesetz zu bestimmen, welches die
                              Beziehung dieser Spannkraft zur Dichtigkeit des Pulvers regelt. Die Resultate der in
                              dieser Richtung angestellten Versuche sind in Tabelle IV übersichtlich
                              dargestellt.
                           Tabelle IV.
                           
                              
                                 MittlereDichtigkeit
                                    derExplosionsproducte.
                                 Spannung für dasKieselpulverund das Pulver
                                    R. L. G.
                                 Spannungfürdas Pulver F. G.
                                 
                              
                                 0,10
                                       1,47 Tonnen per
                                   1,47 Tonnen per
                                 
                              
                                 0,20
                                       3,26 Quadratzoll
                                   3,26 Quadratzoll
                                 
                              
                                 0,30
                                       5,33
                                   5,33
                                 
                              
                                 0,40
                                       7,75
                                   7,74
                                 
                              
                                 0,50
                                     10,69
                                 10,59
                                 
                              
                                 0,60
                                     14,39
                                 14,02
                                 
                              
                                 0,70
                                     19,09
                                 18,31
                                 
                              
                                 0,80
                                     25,03
                                 23,71
                                 
                              
                                 0,90
                                     32,46
                                 30,39
                                 
                              
                                 1,00
                                     41,70
                                 38,52
                                 
                              
                           Die Bestimmung der durch die Explosion entwickelten Wärme war gleichfalls der
                              Gegenstand sehr sorgfältig angestellter Versuche, und aus dem Mittelwerthe mehrerer
                              einander sehr nahe kommenden Resultate ergab sich die Thatsache, daß die Verbrennung
                              von 1 Grm. der dem Versuche unterworfenen Pulversorten ungefähr 705 Wärmeeinheiten,
                              auf Gramm bezogen, entwickelte.
                           Die von Bunsen und Schischkoff
                              aufgestellte Hypothese, daß die specifische Wärme der festen Explosionsproducte
                              innerhalb der weit auseinander liegenden Grenzen der von ihnen erreichten
                              Temperaturen unveränderlich sei, schien uns unzulässig. Wir haben indessen nach
                              dieser Hypothese die Temperatur (ungefähr 3800°) berechnet – nicht
                              nur, um die Vergleichung unserer Resultate mit jenen von Bunsen und 
                              Schischkoff zu erleichtern, sondern auch, um eine höhere
                              Grenze zu erlangen, welche die Temperatur der Explosion gewiß nicht überschreiten
                              kann.
                           Wir schätzen das Volumen der durch die Explosion von 1 Grm. Pulver erhaltenen festen
                              Producte auf 0,3 Kub. Cent., bei mittlerer Temperatur. Man vergleicht sodann die in
                              einem verschlossenen Gefäß wirklich constatirte Spannung mit den Spannkräften,
                              welche nach der Annahme berechnet sind, daß im Augenblicke der Detonation ungefähr
                              57 Gewichtsprocente der Producte nicht gasförmig, und daß 43 Proc. permanent
                              gasförmig sind. Man drückt die Beziehung zwischen der Spannkraft und der Dichtigkeit
                              der Verbrennungsproducte durch folgende Gleichung aus:
                           (1)                    p = const. ×
                                 δ/(1 – aδ)
                           worin a die Constante bezeichnet,
                              welche nach den in Tabelle V übersichtlich zusammengestellten Resultaten der
                              verschiedenen Versuche bestimmt wird.
                           Tab. V.
                           Vergleichung zwischen den durch Versuche constatirten
                              Spannkräften bei verschlossenem Gefäß und den nach der Formel (1) berechneten
                              Spannkräften.
                           
                              
                                 Dichtigkeitder Explosionsproducte.
                                 p nach den
                                    beobachtetenResultaten.
                                 p nach der
                                    Formelberechnet.
                                 
                              
                                 0,10
                                       1,47 Tonnen per
                                   1,56 Tonnen per
                                 
                              
                                 0,20
                                       3,26 Quadratzoll
                                   3,36 Quadratzoll
                                 
                              
                                 0,30
                                       5,33
                                   5,45
                                 
                              
                                 0,40
                                       7,45
                                   7,91
                                 
                              
                                 0,50
                                     10,69
                                 10,84
                                 
                              
                                 0,60
                                     14,39
                                 14,39
                                 
                              
                                 0,70
                                     19,09
                                 18,79
                                 
                              
                                 0,80
                                     25,03
                                 24,38
                                 
                              
                                 0,90
                                     32,46
                                 31,73
                                 
                              
                                 1,00
                                     41,70
                                 41,70
                                 
                              
                           Die von uns ausgesprochenen Ansichten scheinen durch die Resultate dieser
                              Vergleichung bestätigt. Mit obigen Daten haben wir die bei der Explosion des Pulvers
                              stattfindende Temperatur theoretisch zu ermitteln gesucht und dieselbe zu ungefähr
                              2200° bestimmt. Wir haben die Richtigkeit unserer Hypothese durch die
                              Beobachtung der Wirkungen controlirt, welche die Detonation auf Platindraht und
                              dünne Platinfolie hervorbrachte, die man in das Gefäß mit dem Pulver eingeschlossen
                              hatte. Das Platin zeigte immer einen Anfang von Schmelzung, aber die vollständige
                              Schmelzung kam nur in einem einzigen Falle vor.
                           
                           Einen weiteren Gegenstand der Behandlung bildet die mittlere specifische Wärme der
                              nicht gasförmigen Producte und die muthmaßliche Ausdehnung der letzteren innerhalb
                              der Grenzen von 0° und der Explosionstemperatur von 2200°. Vergleichen
                              wir die in den Seelen der Kanonen beobachteten Spannkräfte mit denjenigen, welche
                              sich voraussehen lassen, wenn man den durch vorliegende Untersuchungen
                              festgestellten Thatsachen Rechnung trägt, so wird man bemerken, daß einerseits die
                              Hypothese, wonach alle Producte der Detonation in gasförmigem Zustande sich
                              befinden, mit den wirklich festgestellten Spannkräften nicht vereinbar ist, und daß
                              andererseits die Hypothese von Bunsen und Schischkoff, nach welcher die Wirkung auf das Projectil
                              den permanenten Gasen, ohne daß dabei ein Gewinn oder Verlust an Wärme stattfindet,
                              zuzuschreiben ist, sich gleichfalls mit den beobachteten Resultaten nicht verträgt.
                              Berücksichtigt man jedoch die in den festen Producten gleichsam aufgespeicherte
                              Wärme, so zeigt es sich, daß Rechnung und Versuche auffallend mit einander
                              übereinstimmen. Die Beziehung zwischen der Spannkraft der Producte in der Seele
                              einer Kanone und ihrem Volumen ist durch folgende Gleichung ausgedrückt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 215, S. 343
                              
                                 
                                 In dieser Gleichung bezeichnet p die Spannkraft;
                                    v das Volumen der Detonationsproducte; a das Volumverhältniß der festen Producte; C und C
                                    p die specifische Wärme der
                                    permanenten Gase bei constantem Volumen und constanter Spannkraft; λ die mittlere specifische Wärme der
                                    nicht gasförmigen Producte; β das
                                    Gewichtsverhältniß zwischen den gasförmigen und nicht gasförmigen Theilen
                                    der Ladung.
                                 
                              
                           Die Hauptresultate der beschriebenen Versuche lassen sich in
                              folgenden Punkten zusammenfassen. Zur Erleichterung ihrer Anwendung sind sie für 1
                              Grm. Schießpulver von 1 Kubikcentim. Rauminhalt berechnet.
                           a) Wenn das Pulver in einem
                                 verschlossenen Gefäß verbrannt wird.
                           1) Nach der Explosion bestehen die Verbrennungsproducte dem
                              Gewichte nach aus ungefähr 57 Proc. in den festen Zustand übergehenden Producten und
                              aus 43 Proc. permanenten Gasen.
                           2) Im Augenblicke der Detonation haben die flüssigen Producte,
                              welche ohne Zweifel in einem sehr fein zertheilten Zustande sich befinden, ein
                              Volumen von ungefähr 0,6 Kubikcentimeter.
                           3) In demselben Augenblicke besitzen die permanenten Gase ein
                              Volumen von 0,4 K. C., so daß die flüssigen und gasförmigen Stoffe ungefähr das
                              gleiche specifische Gewicht haben.
                           4) Die aus der Explosion von 1 Grm. Pulver bei der Temperatur von
                              0° und unter einem Drucke von 760 Millim. resultirenden permanenten Gase
                              haben ein Volumen von ungefähr 280 K. C. oder das 280fache Volumen des Pulvers.
                           5) Die Spannung der Explosionsproducte beträgt, wenn das Pulver
                              die verschlossene Kammer ganz ausfüllt, ungefähr 6400 Atmosphären d.h. ungefähr 42
                              Tonnen per Quadratzoll.
                           
                           6) Die Spannung ändert sich mit der mittleren Dichtigkeit der
                              Verbrennungsproducte nach dem durch die Gleichung (1) ausgedrückten Gesetz.
                           7) Die Zersetzung von 1 Gramm der untersuchten Pulver entwickelt
                              ungefähr 705 auf Gramm bezogene Wärmeeinheiten.
                           8) Die Detonationstemperatur beträgt ungefähr 2200°.
                           b) Wenn das Pulverin der Seele
                                 einer Kanone abgebrannt wird.
                           1) Die Detonationsproducte sind, wenigstens was die zwischen den
                              festen und gasförmigen Producten stattfindende Beziehung anlangt, die nämlichen, wie
                              bei dem in verschlossenen Gefäßen detonirenden Pulver.
                           2) Die elastische Kraft der permanenten Gase ist es, welche die
                              Arbeit auf das Projectil überträgt.
                           3) Die Verminderung der Temperatur und der Spannung in Folge der
                              Expansion der permanenten Gase wird zum großen Theil durch die in den festwerdenden
                              Producten angesammelte Wärme ausgeglichen.
                           4) Die Beziehung zwischen der Spannung der Explosionsproducte und
                              ihrem Volumen ist durch die Gleichung (2) ausgedrückt.
                           5) Die Arbeit, welche das Pulver verrichten kann, wenn die
                              Ausdehnung in einer für die Wärme undurchgängigen Hülle erfolgt, ist durch die
                              Gleichung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 215, S. 344
                              
                           und die Temperatur während der Ausdehnung durch die
                              Gleichung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 215, S. 344
                              
                           ausgedrückt.
                           6) Der theoretische Totaleffect des Schießpulvers bei unbegrenzter
                              Ausdehnung beträgt ungefähr 332.000 Gramm-Meter per Gramm des detonirten
                              Pulvers, oder ungefähr 486 Fußtonnen per Pfund Pulver.
                           Bezüglich der zwei oder drei anderen Fragen, auf welche unsere
                              Aufmerksamkeit besonders hingelenkt worden ist, glauben wir aus den Resultaten
                              unserer Versuche nachstehende Schlußfolgerungen ziehen zu dürfen.
                           1) Die sehr feinkörnigen Pulver, wie die Pulversorten F. G. und R. F. G. liefern
                              die gasförmigen Producte in geringerer Menge als ein grobkörniges Pulver z.B. das
                              Pulver R. L. G.; während das letztere wieder eine
                              kleinere Menge als das Kieselpulver erzeugt, obgleich der Unterschied zwischen der
                              Totalmenge der gasförmigen Producte dieser beiden letztgenannten Pulversorten
                              relativ durchaus nicht beträchtlich ist.
                           2) Die Abweichungen in der Zusammensetzung der Producte der in
                              verschlossenen Gefäßen vorgenommenen Explosion eines und
                                 desselben Pulvers unter verschiedenen
                              Spannungsbedingungen, und zweier Pulvergattungen von ähnlicher Zusammensetzung unter denselben Spannungsbedingungen, sind so beträchtlich, daß ein chemischer
                              Ausdruck, welcher die Umwandlung eines Pulvers von normaler Zusammensetzung
                              darstellen sollte, gar keinen Werth hätte.
                           3) Das quantitative Verhältniß der Stoffe, woraus der feste
                              Rückstand besteht, wird durch geringe und zufällige Veränderungen in den die
                              Explosion eines und desselben Pulvers bei verschiedenen Versuchen begleitenden
                              Umständen ebenso beeinflußt als durch sehr bedeutende Veränderungen, sei es in der
                              Zusammensetzung, sei es in der Dimension der Körner verschiedener Pulver.
                           
                           4) Von besonderen Ausnahmsfällen abgesehen, enthält der feste
                              Rückstand der Detonation als Hauptbestandtheile das kohlensaure, schwefelsaure und
                              unterschwelligsaure Kali, sowie das Schwefelkalium, wobei die Menge des kohlensauren
                              Salzes viel größer und die des schwefelsauren Salzes viel geringer ist, als die
                              Experimentatoren angegeben haben.
                           P.