| Titel: | Ueber das Eosin; von A. W. Hofmann. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 449 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber das Eosin; von A. W. Hofmann.
                        Hofmann, über das Eosin.
                        
                     
                        
                           Vor Kurzem machte mich Dr. Martius auf einen schönen, rothen Farbstoff aufmerksam, welcher seit
                              letztem Sommer auf dem Markte erscheint und dessen reiche Tinte an das Rosanilin
                              erinnert, aber doch mehr ms Granatrothe überspielt. Anfangs wurde der Körper einfach
                              als neues Scharlachroth bezeichnet; später erfuhr ich durch Hrn. Martius, daß die Verbindung im Handel auch unter dem
                              Namen „Eosin“ gehe. Die tinctorialen Industrien haben bisher in
                              der Namenbildung keine großen Leistungen aufzuweisen; hier ist aber wirklich einmal
                              ein guter Name (von ἒως die
                              Morgenröthe) zu Tage gefördert worden.
                           
                           Der Farbstoff, den ich erhielt, ist ein braunrothes Pulver, in welchem hier und da
                              metallisch grün schillernde Flächen glitzern. Die Substanz ist in Wasser und Alkohol
                              löslich, und die eigenthümliche Fluorescenz, welche die verdünnte Lösung zeigte,
                              erinnerte mich lebhaft an den unter dem Namen „Magdalaroth“
                              gehenden Naphtalinfarbstoff, welchen ich vor einigen Jahren untersucht (vergl. 1869
                              193 502) und dem Rosanilin nahe verwandt gefunden
                              hatte. Beim Verdampfen der Lösungen erschien auch der metallisch grüne Schiller,
                              welcher für die Theerfarbstoffe so charakteristisch ist. Aber wenige Versuche waren
                              hinreichend, die Auffassung zu beseitigen, daß hier ein Naphtalinfarbstoff von
                              analoger Constitution, möglicher Weise durch Association von Naphtylamin mit anderen
                              Aminen gebildet, vorliege. Das Eosin enthält keinen Stickstoff. Erhitzt man
                              dasselbe, so entwickeln sich Ströme von Bromwasserstoffsäure und im Rückstand bleibt
                              Kohle, gemischt mit Bromkalium.
                           Es war zunächst von Interesse, einigen Aufschluß über die Gruppe zu gewinnen, welcher
                              der neue Farbstoff angehört. Zu dem Ende wurde er mit Zinkstaub destillirt, wodurch
                              reichliche Mengen von Benzol entstanden.
                           Versetzt man die Lösung des färbenden Kaliumsalzes in Wasser mit einer Säure, so
                              fällt eine ziegelrothe Substanz, welche keine Spur von krystallinischer Textur
                              zeigt. Diese Substanz, offenbar die Säure des Salzes, löst sich in Alkohol und
                              Reiher; die Lösungen krystallisiren aber nicht. Die Säure löst sich aber auch in
                              Eisessig, obwohl spärlich, und aus dieser Flüssigkeit lassen sich Krystalle
                              erhalten. Durch mehrfaches Umkrystallisiren der beim Erkalten der heißgesättigten
                              Lösung gewonnenen Krystalle wurden schließlich ziemlich wohl ausgebildete, nur noch
                              schwach gelb gefärbte Prismen erhalten, welche, bei 100° getrocknet, nach der
                              Formel C₂₀H₈Br₄O₅ zusammengesetzt sind. Diese
                              Formel findet eine vollkommene Bestätigung in der Analyse einer prachtvollen
                              Bariumverbindung, welche man bei der Behandlung der rohen Säure mit Bariumcarbonat
                              erhält. Die wohlausgebildeten, schwerlöslichen, goldgrün schimmernden Krystalle
                              enthalten: C₂₀H₆Br₄BaO₅. Das Silbersalz fällt als
                              dunkelrothes, amorphes Pulver auf Zusatz von Silbernitrat zu der Lösung des
                              Ammoniumsalzes. Alle Versuche, dasselbe krystallisirt zu erhalten, scheiterten.
                              Indessen ließ die Analyse, obwohl der Schärfe ermangelnd, gleichwohl keinen Zweifel
                              über die Formel: C₂₀H₆Br₄Ag₂O₅.
                           Angesichts dieser Resultate ließ sich kaum bezweifeln, daß hier ein Glied der
                              wunderbaren Gruppe von Verbindungen vorliege, mit welchen Baeyer (vergl. 1871 201 149. 358) die
                              Wissenschaft vor Kurzem bereichert hat. Der oben für die Säure gegebene Ausdruck ist
                              die Formel eines
                              vierfach gebromten Fluorescins – des Bromderivates eines Körpers also,
                              welchen er durch Verschmelzung von Resorcin mit Phtalsäureanhydrid gewonnen hat; und
                              mit dieser Auffassung stimmen auch die eigenthümlichen Fluorescenzerscheinungen,
                              welche das Eosin bietet.
                           Zunächst mögen nun hier einige Versuche erwähnt werden, welche zur experimentalen
                              Bethätigung obiger Auffassung (mit Unterstützung des Hrn. Assistenten Jul. Uppenkamp) angestellt wurden.
                           Die Kaliumverbindung wird durch Natriumamalgam, überhaupt durch Reductionsmittel
                              rasch entfärbt. Das Reductionsproduct ist aber nicht einfacher Art, insofern neben
                              der Wasserstoffaddition gleichzeitig ein theilweiser Ersatz des Broms durch
                              Wasserstoff erfolgt. Die durch Säuren aus der alkalischen Lösung ausgefällte
                              Substanz zeigte keine Neigung zum Krystallisiren und wurde deshalb nicht weiter
                              untersucht.
                           Versetzt man die tiefroth gefärbte Lösung der. Kaliumverbindung mit Kaliumhydrat, so
                              geht die Farbe beim Erhitzen in Schwarzviolett, in Schwarzgrün und endlich in
                              Schwarzbraun über; man glaubt eine Lösung von Pyrogallussäure vor sich zu haben.
                              Zusatz von Säure zu der Lösung nach längerem Kochen fällt eine gelbbraune Substanz
                              aus, welche die ursprüngliche Säure nicht mehr enthält. Sie ist, da sie gleichfalls
                              nicht krystallisirt erhalten werden konnte, als solche auch nicht näher untersucht
                              worden. Dagegen gibt das saure Filtrat derselben an Aether einen krystallisirbaren
                              Körper ab. Der nach dem Verdampfen des Aethers bleibende syrupartige Rückstand
                              erstarrt nach einiger Zeit zu einer strahligen Krystallmasse. Durch mehrfaches
                              Umkrystallisiren aus Wasser gelingt es, schöne Krystallnadeln von dem
                              unveränderlichen Schmelzpunkte 92 bis 93° zu erhalten. Die Substanz besitzt
                              einen entfernt an Phenol erinnernden Geruch; sie ist löslich in Ammoniak und
                              Natriumhydrat und wird durch Säuren aus diesen Lösungen wieder ausgefällt. Mit
                              Eisenchlorid gibt sie eine schmutzig rothe Färbung. Die Analyse derselben führte
                              genau zu der Formel: C₆H₄Br₂O₂ welche ein dibromirtes
                              Resorcin darstellt. Es ist dies wahrscheinlich eine neue Substanz, wenigstens habe
                              ich keine Angabe über dieselbe Verbindung finden können.
                           War das Cosin, wie es nach diesen Versuchen im hohen Grade wahrscheinlich geworden
                              war, in der That das Phtalëin des dibromirten Resorcins, so mußte die
                              Phtalsäure in dem aus der alkalischen Lösung von der Säure ausgefällten braunen,
                              amorphen Körper enthalten sein. Beim Kochen mit gewöhnlicher Salpetersäure wird
                              dieser Körper unter Entwicklung eines an Chlorpicrin erinnernden Geruches rasch
                              angegriffen; schließlich hat sich bis auf kleine Mengen harziger Substanz die ganze
                              Masse gelöst. Beim
                              Erkalten der heißfiltrirten Lösung scheiden sich grünlich weiße Flocken ab. Nimmt
                              man dieselben sammt der in der Flüssigkeit gelösten Substanz mit Aether auf, so
                              erkennt man in dem nach dem Verdunsten des Aethers bleibenden krystallisirenden
                              Rückstand unschwer die Anwesenheit verschiedener Körper. Nun ist es allerdings nicht
                              gelungen, aus diesem Gemenge Phtalsäure darzustellen – wohl aber einen
                              Körper, welcher die Eigenschaften der Nitrophtalsäure zeigt, was zuletzt auf
                              dasselbe hinausläuft. Sie muß indessen durch die Analyse noch weiter identificirt
                              werden.
                           Nach diesen Ergebnissen schien es nicht mehr zweifelhaft, daß der unter dem Namen
                              Eosin im Handel vorkommende rothe Farbstoff wirklich das Phtalëin des
                              Dibromresorcins ist, und es sind deshalb Spaltungsversuche mit Salzsäure, welche,
                              soweit meine Beobachtungen reichen, vielleicht schneller zum Ziele führen dürften,
                              nicht weiter verfolgt worden. Der Farbstoff zerfällt mit Salzsäure bei
                              150°.
                           Um jedoch diese analytischen Versuche noch durch eine Synthese zu vervollständigen,
                              mußte das Eosin nach einem der aus der Untersuchung sich ergebenden Verfahren
                              dargestellt werden. Dies schien um so mehr geboten, als die Formel des Resorcins
                              noch zwei anderen isomeren Körpern angehört. Die Synthese ließ sich ausführen durch
                              Bromirung des Fluorescins: C₂₀H₁₂O₃ + 4BrBr =
                              C₂₀H₈Br₄O₅ + 4HBr, oder aber durch die Einwirkung
                              des Phtalsäureanhydrids auf das Dibromresorcin:
                              2C₆H₄Br₂O₂ + C₈H₄O₃ =
                              C₂₀H₈Br₄O₅ + 2H₂O.
                           Das erstere Verfahren schien jedenfalls das einfachere, und es wurde zu dem Ende das
                              Fluorescin nach dem Verfahren von Baeyer dargestellt. Ich
                              hatte diese Körpergruppe bisher nicht in den Händen gehabt und war erstaunt über die
                              Leichtigkeit und Schönheit der Reactionen, in denen sie sich bilden. Kein Wunder,
                              daß die Industrie nicht gezögert hat, von dem neu erschlossenen Gebiet alsbald
                              Besitz zu ergreifen.
                           Ich hatte nur kleine Mengen Resorcin und Phtalsäure zur Verfügung, allein sie waren
                              hinreichend, um im Laufe weniger Stunden eine erhebliche Menge von Fluorescin mit
                              allen Eigenschaften, wie sie Baeyer beschreibt, zu
                              erhalten. Versetzt man eine Lösung von Fluorescin in Eisessig mit ein Paar Tropfen
                              Brom, so wird letzteres augenblicklich fixirt. Wasser bringt nunmehr in dieser
                              Lösung einen röthlichen Niederschlag hervor, welcher sich in Ammoniak und verdünnter
                              Natronlauge mit der prachtvollen, das Eosin characterisirenden, granatrothen Farbe
                              löst. Auf Zusatz einer reichlichen Menge von Wasser zeigen sich die unverkennbaren
                              Fluorescenzerscheinungen des Eosins, zumal die accessorische rosenrothe Tinte,
                              welche dem nicht gebromten Körper abgeht. Die Lösung des röthlichen Niederschlags in heißem Eisessig
                              liefert beim Erkalten genau dieselben gelblichen Prismen der Säure, welche aus dem
                              Handelsproduct erhalten worden waren. (Berichte der deutschen chemischen
                                    Gesellschaft, 1875 S. 62.)