| Titel: | Ueber die Zersetzbarkeit des Chlormagnesiums; von G. Krause. | 
| Autor: | G. Krause | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 457 | 
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                        Ueber die Zersetzbarkeit des Chlormagnesiums; von
                           G. Krause.
                        Krause, über die Zersetzbarkeit des Chlormagnesiums.
                        
                     
                        
                           Die mangelhaften und ungenauen Angaben in den chemischen Lehrbüchern über die
                              Zersetzbarkeit des Chlormagnesiums veranlaßten mich, diese Eigenschaft genauer zu
                              studiren und dabei festzustellen, wie weit dieses Salz der Zersetzung unterworfen
                              ist oder sich unverändert erhält.
                           Es ist bekannt, wie leicht sich das Chlormagnesium theilweise zersetzt, wenn die
                              wässerige Lösung desselben abgedampft wird, um die Krystalle von der
                              Zusammensetzung: MgCl₂ . 6H₂O zu erhalten. Man pflegt gewöhnlich
                              anzunehmen, daß die hierbei stattfindende Zersetzung eine tief eingreifende ist,
                              indem man meint, daß bei einem weiteren Abdampfen der Flüssigkeit jene eine so
                              vollständige wird, daß sich in dem Rückstande neben Magnesia nur noch eine geringe
                              Menge Chlormagnesium vorfindet. Nach Davy bleibt in
                              diesem Falle, wenn eine Temperatur von 120° angewendet wurde, ein Gemenge von
                              Bittererde und „wenig“ Chlormagnesium zurück. Ich prüfte das
                              Verhalten dieses Körpers beim Glühen und bin danach zu der Ansicht gekommen, daß
                              jenes Salz keineswegs so leicht der Zersetzung unterliegt, wie man wohl nach den
                              scheinbar stark auftretenden Salzsäuredämpfen schließen könnte. Es besitzt im
                              Gegentheil eine große Hartnäckigkeit, welche eine gänzliche Zerlegung in Magnesia
                              und Salzsäure kaum gestattet. Geringer macht sich diese Eigenschaft bemerkbar beim
                              Glühen des reinen Chlormagnesiums – im stärkeren Maßstabe aber, wenn man
                              dieses in Gemengen mit anderen Chloriden, wie Chlorkalium oder Chlornatrium erhitzt.
                              Nach Döbereiner wird durch die Gegenwart von
                              Chlorammonium, nach Ligéard von Chlornatrium die
                              Zersetzung des Chlormagnesiums in Salzsäure und Bittererde beim Abdampfen und
                              stärkeren Erhitzen verhindert, da diese Salze große Affinität zum Chlormagnesium
                              besitzen. Das entgegengesetzte Resultat wird nach Gay-Lussac und Thénard erreicht,
                              wenn man Wasserdämpfe zum glühenden Salze hinzutreten läßt.
                           Ich führte die Glühversuche in der Reihenfolge aus, daß ich mit dem unvermischten
                              Chlormagnesium begann und danach zu Mischungen überging.
                           1. Versuch. Chemisch reines krystallisirtes Chlormagnesium
                              wurde bei 100° bis zum annähernd constanten Gewichte getrocknet und durch
                              Bestimmung von Magnesium und Chlor gefunden, daß 54,40 Proc. Chlormagnesium und
                              45,60 Proc. Wasser vorhanden. Von diesem Salze wurden 1,619 Grm. in einem
                              Porzellantiegel 6 Stunden lang geglüht. In den letzten 3 Stunden trat nur noch eine
                              Gewichtsverminderung von 1,23 Proc. ein. Der Glührückstand bildete ein amorphes weißes Pulver, welches von
                              kleinen Krystallen ringsum eingeschlossen war. Ich bestimmte das Chlor und fand 6,75
                              Proc. Es entspricht dieses einem Gehalte an Chlormagnesium von 9,00 Proc., welches
                              sich also trotz der anhaltenden Rothglut hat unzersetzt erhalten können.
                           2. Versuch. Vorige Operation wurde noch einmal wiederholt.
                              Zu diesem Zwecke wurden 6,56 Grm. MgCl₂. 6H₂O verwendet. Nach 6
                              stündigem starken Glühen wurden im Rückstande noch 5,63 Proc. Chlor oder 7,53 Proc.
                              Chlormagnesium nachgewiesen. Auf krystallisirtes Chlormagnesium mit 46,74 Proc.
                              MgCl₂ berechnet, würde ein Procentsatz von 3,51 erhalten werden.
                           3. Versuch. Während bei den zwei angegebenen Versuchen das
                              Chlormagnesium als solches in Betracht kam, wurde jetzt geprüft, wie sich dasselbe
                              in Vereinigung mit anderen Salzen beim Glühen verhält. Als Gemisch wurde das
                              Naturproduct von Leopoldshall und Staßfurt gewählt, welches unter dem Namen
                              „Abraumsalze“ bekannt ist. Ungefähr 30 Kilogr. desselben
                              wurden zerstoßen, gemischt und hiervon eine Durchschnittsprobe genommen. Diese wurde
                              vor weiterem Gebrauch untersucht und folgende Bestandtheile ermittelt:
                           
                              
                                 Chlorkalium
                                   18,20 Proc.
                                 
                              
                                 Chlormagnesium
                                   22,52   „
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                   16,69   „
                                 
                              
                                 Magnesiumsulfat
                                   10,87   „
                                 
                              
                                 Calciumsulfat
                                     4,35   „
                                 
                              
                                 Unlösliches (Anhydrid, Thon, Eisensesquioxyd)
                                     2,02   „
                                 
                              
                                 Wasser und Verlust
                                   25,35   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00 Proc.
                                 
                              
                           Das Glühen der Salze wurde in einem eisernen Rohre bewerkstelligt. Es hatte eine
                              Länge von 47 Cm., eine lichte Weite von 1,5 Cm. und war mit 50,0 Grm. Substanz lose
                              gefüllt. Das eine Ende des auf einem Stative ruhenden Rohres wurde vermittels Kork,
                              Glasrohr und Gummischlauch mit einer Flasche verbunden, welche mit destillirtem
                              Wasser gefüllt und mit einem durchbohrten Gummistopfen geschlossen war. Der Oeffnung
                              des letzteren war ein Glasrohr eingefügt. Das andere Ende des Rohres wurde in
                              ähnlicher Weise mit einer Vorlage in Verbindung gesetzt. Das Wasser der Flasche ward
                              nun zum Kochen gebracht und die Dämpfe durch das Rohr geleitet, welches durch zwei
                              Gasbrenner 6 Stunden lang erhitzt wurde. Das Destillat sammelte sich in der Vorlage.
                              Nach Beendigung des Processes unterwarf ich die erhaltene Flüssigkeit einer
                              qualitativen Untersuchung. Sie war grünlich, von öliger Consistenz, hatte einen
                              penetranten Geruch und enthielt gelöst: Chlorkalium, Chornatrium, Chlormagnesium,
                              Schwefelsäure und Eisendichlorid. Die geschmolzene Masse im Rohre war so fest
                              geworden, daß ich sie durch öfteres Auslaugen mit heißem Wasser in Lösung bringen
                              mußte. Die Lösung wurde verdampft, mit Wasser aufgenommen, von den beigemengten
                              Eisentheilchen durch Filtriren befreit und das Filtrat nochmals eingedampft. Die
                              zurückbleibende weiße Salzmasse bestand aus:
                           
                              
                                 Chlorkalium
                                   20,83 Proc.
                                 
                              
                                 Chlormagnesium
                                   23,63   „
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                   18,83   „
                                 
                              
                                 Magnesiumsulfat
                                     9,76   „
                                 
                              
                                 Calciumsulfat
                                     4,35   „
                                 
                              
                                 Wasser und Verlust
                                   22,60   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00 Proc.
                                 
                              
                           Der Inhalt der Vorlage hat gezeigt, daß eine Zersetzung des Chlor-Magnesiums
                              und Magnesiumsulfates vor sich gegangen ist. Eine weitere Untersuchung der
                              Zersetzungsproducte ließ sich nicht ausführen, da die fremden Beimengungen dies
                              nicht thunlich machten. Aus demselben Grunde ist die Berechnung ungenau, da der
                              Procentgehalt der gefundenen Substanzen zu hoch ausfällt, weil letztere frei von
                              unlöslichem Rückstande und zersetzten Salzen angenommen sind, was in Wirklichkeit
                              nicht der Fall war.
                           4. Versuch. Da bei dem vorigen Versuche die Schmelze nicht
                              als solche gewonnen werden konnte und der Auszug seiner verschiedenartigen
                              Beimengungen wegen ein ungenügendes Resultat gab, wurden die Abraumsalze nochmals
                              geglüht, und zwar diesmal in einem Porzellantiegel ohne Wasserzuführung. In Arbeit
                              wurde eine Menge von 23,574 Grm. genommen, welche nach einem dreistündigen Trocknen
                              bei 100° 2,34 Proc. Feuchtigkeit von schwach saurer Reaction verlor; mithin
                              trat schon eine Zersetzung der Chloride ein. Nach weiterem dreistündigen Trocknen
                              bei 150° betrug der Verlust 10,14, oder 12,48 Proc. im Ganzen. Das saure
                              Destillat reagirte stark auf Chlor und schwach auf Schwefelsäure. Der Tiegel mit
                              Inhalt wurde nur 6 Stunden lang anhaltend geglüht und hierauf gewogen. Das Gewicht
                              hatte sich noch um 15,05, zusammen um 27,53 Proc. vermindert. Es haben also die
                              Abraumsalze eine Zersetzung im folgendem Sinne erlitten:
                           
                              
                                 Rückstand
                                 17,084 Grm.
                                 =   72,47 Proc.
                                 
                              
                                 Verlust (Differenz)
                                   6,490   „
                                 =   27,53   „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 23,574 Grm.
                                 = 100,00 Proc.
                                 
                              
                           Die weiße Schmelze wurde aus dem Tiegel gestoßen, zerrieben, ein bestimmter Theil mit
                              Wasser gekocht, Lösung und Rückstand untersucht und gefunden: 
                              
                           
                              
                                 Chlorkalium
                                   24,52 Proc.
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                   18,78   „
                                 
                              
                                 Chlormagnesium
                                   22,12   „
                                 
                              
                                 Magnesiumsulfat
                                   14,88   „
                                 
                              
                                 Calciumsulfat
                                     8,74   „
                                 
                              
                                 Unlösliches
                                     7,18   „
                                 
                              
                                 Wasser und Verlust
                                     3,78   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00 Proc.
                                 
                              
                           Ein säurehaltiger Auszug der geschmolzenen Masse hatte 11,22 Proc. Magnesium oder
                              2,68 Proc. mehr als der wässerige. Auf Magnesiumoxyd berechnet, beträgt dies 4,43
                              Proc., welche in dem in Wasser unlöslichen Rückstande enthalten waren; der Rest von
                              2,75 Proc. bestand aus Anhydrid, Thon und Eisensesquioxyd. Die Magnesia war also ein
                              Zersetzungsproduct sowohl des Chlormagnesiums als auch des Magnesiumsulfates.
                           Zusammenstellung des 3. und 4.
                              Versuches. Um die unzersetzten Abraumsalze mit den
                              Zersetzungsproducten vergleichen zu können, berechnete ich beide Arten wasserfrei,
                              wonach die stattgefundenen Zersetzungen ersichtlich wurden.
                           
                              
                                 
                                 Salz, unzersetzt.
                                 Salz, zersetzt durchGlühen und
                                    Wasserdampf.
                                 Salz, zersetztdurch Glühen.
                                 
                              
                                 Chorkalium
                                 24,38
                                 26,91
                                 25,48
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                 22,34
                                 24,32
                                 19,51
                                 
                              
                                 Chlormagnesium
                                 30,16
                                 30,53
                                 22,98
                                 
                              
                                 Magnesiumsulfat
                                 14,54
                                 12,61
                                 15,46
                                 
                              
                                 Calciumsulfat
                                   5,82
                                   5,62
                                   9,08
                                 
                              
                                 Unlösliches
                                   2,70
                                 ?
                                   7,46
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 ––––––––––––
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 99,94
                                 99,99
                                 99,97
                                 
                              
                           Chlormagnesium wird in Gemischen durch Anwendung von Wärme demnach nur sehr
                              ungenügend zersetzt. Es kann einestheils nicht direct angegriffen werden, weil es
                              eingeschlossen ist; anderentheils wird durch die Zersetzung beigemengter Chloride
                              gebildete Magnesia wieder zu Chlormagnesium verwandelt. Praktischen Werth haben die
                              angestellten Versuche in der Hinsicht, wenn es sich darum handelt, im Großen (in der
                              Industrie und Technik) das Chlormagnesium durch Glühen unschädlich zu machen, d.h.
                              zu verändern. Die berühmten Düngesalze, welche aus den Abraumsalzen in Lepoldshall
                              und Staßfurt fabricirt werden, haben eine um so größere Güte, je weniger
                              Chlormagnesium sie enthalten. Ihre gewöhnlichen Zusammensetzungen sind folgende:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 
                              
                                 Kaliumsulfat
                                   18,37
                                   23,68
                                   28,51
                                 
                              
                                 Magnesiumsulfat
                                     7,08
                                     5,94
                                     4,91
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                   56,05
                                   51,97
                                   53,34
                                 
                              
                                 Chlormagnesium
                                   11,44
                                     9,31
                                     6,87
                                 
                              
                                 Unlösliches
                                     4,48
                                     5,23
                                     4,85
                                 
                              
                                 Wasser und Verlust
                                     2,58
                                     3,87
                                     1,52
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           
                           Man entfernt aus dem Rohproducte dieser Düngemittel, den Abraumsalzen, das
                              Chlormagnesium größtentheils vorher beim Lösen des ersteren durch erprobte
                              Lösungsverhältnisse, da durch ein nachheriges Calciniren (Erhitzen in einem
                              Flammofen bis 600°) des fertigen Präparates nur eine sehr ungenügende
                              Zersetzung des noch beigemengten Chlormagnesiums erzielt wird, ungeachtet daß
                              Wasserdämpfe stark vertreten sind. Eine Prüfung, welche mir als Beweis diente, ergab
                              folgendes Resultat. Das lufttrockene Düngesalz zeigte neben den erwähnten anderen
                              Salzen einen Gehalt von 29,01 Proc. Chlormagnesium. Es wurde eine Stunde lang
                              calcinirt, dann eine Probe untersucht, welche durch die angewendete Hitze
                              vollständig zum Flusse gekommen war. Trotzdem hatte diese Schmelze noch 22,21 Proc.
                              Chlormagnesium, während außerdem nur 2,86 Proc. Magnesia vorhanden waren,
                              entsprechend 6,79 Proc. Chlormagnesium welche eine Zersetzung erlitten hatten.