| Titel: | Ueber den Fischguano im Allgemeinen und den „entfetteten und gedämpften Polarfischguano“ insbesondere; von Dr. H. Vohl in Cöln a. R. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 461 | 
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                        Ueber den Fischguano im Allgemeinen und den
                           „entfetteten und gedämpften Polarfischguano“ insbesondere; von
                           Dr. H. Vohl in
                           Cöln a. R.
                        Vohl, über den Radde'schen Polarfischguano.
                        
                     
                        
                           In England an den Küsten von Sussex, Kent und Essex werden schon seit 30 Jahren eine
                              Menge kleiner Fische gefangen, welche man zerstampft als Dünger für Weizen und
                              Hopfen mit Erfolg in Anwendung bringt. Diese Fische gehören zu einer kleinen
                              Häringsart, Clupea sprattus, sog. Sprotten, welche zu
                              gewissen Zeiten wiederkehrend in unglaublich großer Menge an den genannten Küsten
                              erscheinen und mit Leichtigkeit gefangen werden können.
                           Das Fleisch und die leimgebenden Gewebe dieser Fische sind eine reiche
                              Stickstoffquelle; das Knochengerüst, die Gräten der Fische, repräsentiren eine
                              reiche Quelle von Phosphorsäure und den anderen Mineralsubstanzen, welche der
                              Pflanzenernährung förderlich sind.
                           Auch aus Häringen, sogen. Breitlingen, suchte man einen künstlichen Guano zu
                              bereiten, und ließ sich bekanntlich Pettitt im J. 1853
                              ein Verfahren, mittels Schwefelsäure einen Kunstdünger aus diesen Fischen
                              darzustellen, für England patentiren (vergl. 1853 129
                              159). Die von Way und Thompson
                              damals ausgeführten Analysen desselben wurden bereits in diesem Journal (1854 131 145) mitgetheilt.
                           
                           Im Pettitt'schen Guano fanden:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 215, S. 462
                              (1) Way
                                 (2 u. 3) Thompson; Phosphorsaure Erden; Proc.;
                                 Ammoniak; entsprechend einem; Stickstoffgehalt von
                              
                           Die großen Schwankungen in dem Gehalt an Phosphaten und der höhere Stickstoffgehalt
                              bei einem geringen Phosphorsäuregehalt läßt unzweifelhaft erkennen, daß der erste
                              und dritte Pettitt'sche Guano fast aus reinem
                              Fischfleisch bestand, wohingegen der zweite einen erheblichen Gehalt an Gräten
                              besaß, welch letztere den hohen Phosphorsäuregehalt bedingten.
                           Erst im J. 1862 erschien der „norwegische Fischguano“ auf dem
                              deutschen Düngermarkte, und finden sich die Resultate meiner damaligen
                              Untersuchungen in diesem Journal, 1863 168 388. Der
                              Phosphorsäuregehalt betrug 13,29, der Aschengehalt 32,63 Proc.
                           Im J. 1866 fand C. Schmidt in einem norwegischen
                              Fischguano (Livländische Jahrbücher der Landwirthschaft, XIX S. 152):
                           
                              
                                 PhosphorsäureKalkMagnesiaChlornatriumChlorkaliumEisenoxydKieselsäureSchwefelsäure
                                 4,113,300,052,463,780,050,040,87
                                 
                                    
                                    
                                    
                                    
                                    
                                 14,66 Proc. Aschenbestandtheile
                                 
                              
                                 WasserStickstoffOrg. Substanzen
                                 21,268,8855,20
                                 
                                    
                                    
                                 85,34 Proc. flüchtige undverbrennliche
                                    Substanzen.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                                 
                                 
                              
                           Aus diesen Analysen geht unzweifelhaft hervor, daß auch beim norwegischen Fischguano
                              große Schwankungen bezüglich des Phosphorsäuregehaltes vorkommen. Der von mir
                              untersuchte norwegische Fischguano war reich an Gräten, daher der hohe Gehalt an
                              Phosphaten. Der von C. Schmidt analysirte Guano wird
                              größtentheils aus Fischfleisch bestanden haben, wofür auch der niedrige Aschengehalt
                              spricht.
                           Obgleich das Fischfleisch an und für sich sehr leicht der Zersetzung unterworfen ist,
                              so gehen doch verschiedene Fischguanosorten, mit Wasser zusammengebracht, nur schwer
                              in Fäulniß über. Einige Proben, welche der Fäulniß auffallend lange widerstanden,
                              hatten einen so hohen Fettgehalt, daß sie nur schwierig von Wasser benetzt wurden,
                              wodurch ein langsames Aufquellen und in Folge dessen die verhältnißmäßig spät
                              eintretende Fäulniß
                              bedingt wurde. Ein solcher Fettgehalt mag denn auch häufig die Ursache gewesen sein,
                              daß manche mit dem norwegischen Fischguano angestellten Düngerversuche kein
                              befriedigendes Resultat ergaben und daß die Wirkung desselben keine rasche und in
                              die Augen fallende war, wie dies bei den Vogelguanosorten stattfindet.
                           Dieser Uebelstand mußte beseitigt werden, wollte man durch die Verwendung des
                              Fischguanos rasche und sichere Resultate erzielen. In neuester Zeit wird nun von der
                              Firma Otto Radde in Hamburg ein sogen. „entfetteter und gedämpfter
                                    Polarfischguano“ auf den Markt gebracht, bei welchem ein
                              Minimalgehalt von 8 Proc. vor Verflüchtigung geschütztem Stickstoff und 12 Proc.
                              Phosphorsäure garantirt wird. Derselbe stellt ein trockenes feines Pulver von
                              gelblicher Farbe und verhältnißmäßig schwachem Geruch dar. Er ist von Wasser
                              vollständig benetzbar und nimmt dasselbe sehr rasch auf. Der mit Wasser befeuchtete
                              oder übergossene Polarfischguano geht schon bei 11° leicht in Fäulniß über,
                              unter reichlicher Bildung von Ammoniak. Beim Verbrennen im Platintiegel bleiben 37
                              bis 38 Proc. Asche zurück.
                           Derselbe enthält (Mittelzahlen von drei übereinstimmenden Analysen):
                           
                              
                                 PhosphorsäureKalkMagnesiaChlornatriumChlorkaliumEisenoxydSandKohlensäureKieselsäure
                                 13,89416,4310,4681,392Spur0,0231,5343,0690,886
                                 
                                    
                                    
                                    
                                    
                                    
                                 37,697 Aschenbestandtheile.
                                 
                              
                                 WasserStickstoffOrg. Substanzen
                                 6,3738,76347,167
                                 
                                    
                                    
                                 62,303 flüchtige undverbrennliche
                                    Substanzen.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 100,000
                                 
                                 
                                 
                              
                           Er enthält also 1,894 Proc. Phosphorsäure und 0,763 Proc. Stickstoff mehr wie der
                              garantirte Minimalgehalt. Die Phosphorsäure ist in diesem Guano als
                              dreibasisch-phosphorsaurer Kalk enthalten. Der Stickstoff, mit Kohlenstoff,
                              Wasserstoff und Sauerstoff verbunden, ist vor Verflüchtigung geschützt. Erst während
                              der Fäulniß im Boden wird er als Ammoniak frei und bietet so der Pflanze eine reiche
                              und nachhaltige Stickstoffquelle – eine schätzenswerthe Eigenschaft, welche
                              den meisten Vogelguanosorten abgeht.
                           Dieses Düngemittel kann sowohl als Streu- als auch wie Gußdünger verwendet
                              werden. Ganz besonders in letzterer Form erzielt man mit demselben beim Gemüse-
                              und beim Obstbau sehr günstige Resultate. Nicht minder ist die Anwendung als
                              Gußdünger bei der Topfpflanzencultur angezeigt. Als Streudünger kann er jeden
                              Kunstdünger ersetzen; selbstverständlich variiren die anzuwendenden Quantitäten je
                              nach Boden- und Fruchtart, und muß man demselben in gewissen Fällen Kali in
                              Form von Holzasche zusetzen. Wie groß der Düngerwerth des Gußdüngers aus dem Radde'schen Fischguano ist, ergibt sich daraus, daß
                              derselbe 33 bis 34 Proc. an kaltes Wasser abgibt, welche
                              Lösung außer leichtlöslichen Phosphaten 15 Proc. Stickstoff in dem Abdampfrückstand
                              (bei 100° getrocknet) enthält.
                           Die Phosphorsäure ist im Fischguano als dreibasisches Kalksalz enthalten und wird nur
                              allmälig durch die sich bildenden Ammoniaksalze und die Kohlensäure in Lösung
                              gebracht. Es liegt demnach nahe, den Fischguano durch Behandeln mit Schwefelsäure
                              aufzuschließen, um das Phosphorsäuresalz in eine leichtlösliche Form überzuführen.
                              Zu dem Ende wurden verschiedene Versuche angestellt, welche jedoch keine
                              befriedigenden Resultate ergaben. 100 G. Th. Guano wurden mit 16 bis 17 Proc.
                              Schwefelsäure von 66° B. behandelt und ergaben ein Product, welches nur 2,08
                              Proc. leicht lösliche Phosphorsäure enthielt, obgleich die Schwefelsäure hinreicht,
                              11 bis 12 Proc. der leicht löslichen Säure zu erzeugen. Der Stickstoffgehalt war bis
                              auf 6 bis 7 Proc. reducirt worden. Wurde der Schwefelsäurezusatz bis auf 30 Proc.
                              vermehrt, so enthielt das Product doch nur 3,58 bis 3,60 Proc. leicht lösliche
                              Phosphorsäure. Die Schwefelsäure hatte demnach hauptsächlich auf das Fleisch und die
                              leimgebenden Gewebe eingewirkt, wodurch dann der größte Theil des Stickstoffes nach
                              der Einwirkung der Säuren als schwefelsaures Ammoniak in der Masse enthalten
                              war.
                           Wurde der Fischguano zuerst mit Alkalien und dann mit Schwefelsäure behandelt, so
                              resultirte schließlich ein Product, welches lufttrocken in 100 G. Th. enthielt:
                              Phosphorsäure im Ganzen 8,78 bis 8,80 Proc., wovon 3,66 bis 3,68 Proc. leicht
                              löslich und 5,11 bis 5,12 Proc. schwer löslich waren. Der Stickstoffgehalt,
                              größtentheils in der Form von schwefelsaurem Ammoniak, betrug 5,53 bis 5,6 Proc.;
                              das Kali, ebenfalls als schwefelsaures Salz, betrug 5,04 bis 5,10 Proc.
                           Aus den Resultaten dieser Versuche geht einfach hervor, daß ein Aufschließen mit
                              Schwefelsäure allein hier nicht angezeigt ist, indem durch einen verhältnißmäßig
                              großen Aufwand von Säure nur wenig leichtlösliche Phosphorsäure erzielt wird.
                              Außerdem ist das Product sehr geneigt, Feuchtigkeit aus der Luft anzuziehen, d.h.
                              feucht zu werden und zu
                              einer teigartigen Masse zusammenzukleben, welche eine Verwendung als Streudünger
                              unmöglich macht.
                           Das Aufschließen mit Alkalien und Säuren liefert zwar bessere Resultate, und man
                              erzielt dabei einen ganz vortrefflichen kalihaltigen Dünger; der Kostenpunkt indeß
                              bedingt es, daß nur in ganz besonderen Fallen, wo ätzende
                              Alkalien billig zu Gebote stehen, davon Gebrauch gemacht werden kann. Nur ein
                              möglichst vollständiges Dämpfen und Entfetten und feines Pulversiren, wie dieses bei
                              dem Radde'schen Polarfischguano geschieht, liefert
                              denselben in der Form, welche einen guten Erfolg garantirt.