| Titel: | Ueber die Verwendung des kieselreichen Roheisens bei dem Bessemerprocesse; von P. Tunner. | 
| Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 508 | 
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                        Ueber die Verwendung des kieselreichen Roheisens
                           bei dem Bessemerprocesse; von P.
                              Tunner.
                        Aus der Zeitschrift des berg- und hüttenmännischen Vereines
                                 für Kärnten, 1875 S. 33.
                        Tunner, über die Verwendung des kieselreichen Roheisens bei dem
                           Bessemerprocesse.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich wird zum Bessemern allenthalben ein kieselreiches Roheisen verlangt.
                              Dieses Verlangen findet in dem Umstande seine Begründung, daß die
                              Bessemer-Chargen bei einem kieselreicheren Roheisen viel hitziger gehen, als
                              bei einem minderen Gehalte an Kiesel, weil der größere Theil des Kiesels vornehmlich
                              in der ersten Periode des Bessemerprocesses verbrannt und dadurch eine um so höhere
                              Temperatur in das Metallbad gebracht wird, als die dabei gebildete Kieselerde zur
                              Schlacke tretend im Converter verbleibt. In der Regel verlangen die Bessemerhütten
                              ein Roheisen mit wenigstens 2 Proc. Kieselgehalt, welcher Gehalt bei dem mit Coaks
                              und hocherhitztem Winde erblasenen Roheisen noch bedeutend überschritten wird, nicht
                              selten 3 bis 4 Proc. und mitunter noch mehr erreicht.
                           In dem Holzkohlen-Roheisen, welches überdies bisher meist mit nicht sehr hoch
                              erhitztem Winde erblasen wird, erreicht der Kieselgehalt in der Regel nicht 2 Proc.
                              und ist in dieser Beziehung das Verhältniß auf den Bessemerhütten in Schweden ein
                              auffallendes, auf welchen meist mit einem bei basischer Beschickung und einer selten
                              300° überschreitenden Windtemperatur erblasenen Holzkohlen-Roheisen
                              gearbeitet wird. Oft erreicht der Kieselgehalt des schwedischen
                              Bessemer-Roheisens nicht 1 Proc.
                           In neuester Zeit scheint man jedoch auch in Schweden auf einigen Bessemerhütten, deren damit in
                              Verbindung stehende Hohöfen mit höher erhitztem Winde und weniger basischer
                              Beschickung arbeiten, auf die Verwendung eines Roheisens von größerem Kieselgehalte
                              gekommen zu sein; im Allgemeinen jedoch wird daselbst immer noch mit einem
                              vergleichungsweise minder silicirten Roheisen gearbeitet und auch mit Vorbedacht
                              zuletzt kein Rückkohlen durch Nachtragung von Roheisen (Spiegeleisen) vorgenommen,
                              sondern früher mit dem Blasen geschlossen. Um auch bei dem weniger kieselreichen
                              Roheisen entsprechend hitzige Chargen zu erzielen, werden die Chargen von gleicher
                              Größe auf den schwedischen Hütten in einer viel kürzeren Zeit beendet, so zwar, daß
                              Chargen mit 60 bis 80 Centner Roheisen in 9 bis 12 Minuten Blasezeit beendet sind,
                              welche anderorts bei kieselreicherem Roheisen ungefähr die doppelte Dauer haben.
                           Die weitere Folge dieses Unterschiedes in dem Kieselgehalte des Roheisens ist
                              erfahrungsmäßig die, daß die schwedischen Bessemer-Ingots durchschnittlich
                              nicht so dicht (porenfrei) sind, dagegen aber entschieden einen viel geringeren
                              Gehalt an Kiesel zeigen, als die anderorts aus kieselreicherem Roheisen
                              dargestellten.
                           Was die mehreren Poren der schwedischen Ingots betrifft, so werden dieselben nur dann
                              unschädlich sein, wenn sie bei der weiteren Verarbeitung der Ingots vollkommen
                              verschweißen. Da sich bei übrigens völlig dichten Gußblöcken, hauptsächlich in der
                              Mitte am öftesten, Poren zeigen, so hofft man das gänzliche Verschweißen derselben
                              dadurch zu fördern, daß die vom Guße her äußerlich noch etwas rothwarm erscheinenden
                              Blöcke sogleich in den Ofen zur allmäligen Wiedererhitzung gebracht werden, wodurch
                              es möglich wird, sie im Inneren, gleich dem Aeußeren, mit der entsprechenden
                              Temperatur zur weiteren Bearbeitung und sogestaltet auch die innersten Poren zum
                              völligen Verschweißen zu bringen. Insofern als die innersten Poren in den großen
                              Ingots nicht, wie dies am oberen Ende der kleinen Ingots des Tiegelgußstahles der
                              Fall ist, gleichsam eine bis zur Oberfläche reichende Röhre bilden, wodurch sie Luft
                              saugen könnten, mag der beabsichtigte Zweck allerdings erreicht werden, so wie
                              überhaupt die gleichförmige Erhitzung des Gußblockes, wie die Vermeidung jeder
                              inzwischen fallenden, zu Sprüngen Veranlassung gebenden Erkühlung nur von Vortheil
                              sein kann. Gewiß sind manche im Bessemerstahl vorkommenden Ungänzen die Folge von
                              Sprüngen, welche sich bei einer unvorsichtigen Erwärmung oder Erkaltung bilden.
                           Was hingegen den geringen Kieselgehalt der schwedischen Ingots betrifft, so bin ich
                              der unmaßgeblichen Ansicht, daß derselbe mehr Beachtung verdient, als ihm bisher zu
                              Theil geworden ist. Bei der Verwendung der Ingots zu Eisenbahnschienen, wo ein Kieselgehalt von
                              0,1 bis 0,5 Proc. ziemlich gleichgiltig sein mag, erscheint es für die
                              Bessemerhütten allerdings bequemer und sicherer, sich des kieselreichen Roheisens
                              (wie dies bei dem englischen Roheisen der Fall ist) zu bedienen; allein wo es sich
                              um die Darstellung eines vorzüglichen Materiales handelt, wie ein solches z.B. auf
                              der Wiener Ausstellung 1873 von Fagersta in Schweden zu sehen war, da muß denn doch
                              der Einfluß des Kieselgehaltes im Eisen vorerst näher betrachtet werden.
                           Es ist auffallend, wie ungleich, oft gerade entgegengesetzt die von verschiedenen
                              Autoren stammenden Angaben bezüglich des Einflusses von Kiesel auf die Eigenschaften
                              des Eisens lauten. Ich will hier nicht auf eine nähere Erörterung von Schaffhäutel's Behauptung eingehen, daß zur Stahlbildung
                              der alleinige Kohlengehalt nicht genüge, sondern ein gleichzeitiger Gehalt an Kiesel
                              unerläßlich sei. Karsten dagegen betrachtet den Einfluß
                              des Kiesels auf die Festigkeit des Eisens als so nachtheilig, daß Schmiedeisen wie
                              Stahl mit mehr als 0,05 Proc. Kiesel nicht gut genannt werden dürfen, und ein
                              Schmiedeisen mit 0,37 Proc. Kiesel sollte nach seiner Angabe im hohen Grade
                              faulbrüchig sein, d.h. im warmen wie im kalten Zustande sehr geringen Zusammenhang
                              zeigen. Daß Karsten den nachtheiligen Einfluß des Kiesels
                              überschätzt hat, geht aus neueren Untersuchungen unzweifelhaft hervor. In dem Krupp'schen Gußstahl, wie er in den Radbandagen (aber
                              nicht in dessen Werkzeugstahl) enthalten ist, haben mehrfach wiederholte Analysen
                              0,3 bis 0,5 Proc. Kiesel nachgewiesen und in einem noch ganz gut schmiedbaren
                              Bessemerstahl von Neuberg (aus einem mit Coaksbeigabe erblasenen Roheisen) wurde bei
                              einer Untersuchung im Generalprobiramte zu Wien 5 Proc. Kiesel gefunden. In dem aus
                              kieselreichen Roheisen dargestellten Bessemermetall, wie es für Schienen und selbst
                              auch für Radbandagen verwendet wird, ist ein Kieselgehalt bis 0,5 Proc. und selbst
                              darüber nichts seltenes. Bei den mit Rücksicht auf die gleichzeitige Anwesenheit von
                              Mangan durch Mrazek ausgeführten Untersuchungen hat sich
                              gezeigt, daß im manganfreien Eisen, welches sich in der Wärme ganz gut behandeln
                              ließ und auch im kalten, ungehärteten Zustande einigermaßen Zähigkeit zeigte, 0,54
                              Proc. Kiesel und 0,26 Proc. Kohle vorkommen, und wenn das Eisen zugleich einen
                              bedeutenden Mangangehalt enthält, wie es bei dem von Neuberg der Fall war, so kann
                              dasselbe auch nach Mrazek's Untersuchungen über 1 Proc.
                              Kiesel enthalten, ohne in der Wärme besonders schwer bearbeitbar zu sein.
                           So viel geht aus allen neueren Untersuchungen über den Einfluß des Kiesels auf die
                              Eigenschaften des Eisens ziemlich übereinstimmend hervor, daß der Kiesel das Eisen
                              härter macht, aber in einem ungleich geringeren Grade als die Kohle. Ein ähnliches
                              Verhältniß zwischen Kiesel und Kohle zeigt sich desgleichen in der Wirkung auf die
                              Schmelzbarkeit des Eisens, indem der Kieselgehalt ebenfalls die Schmelzbarkeit des
                              Eisens vermehrt, aber in einem viel geringeren Maße als die Kohle. Ein auffallender
                              Unterschied im Einflusse auf die Eigenschaften des Eisens zwischen den beiden
                              mehrgenannten Körpern zeigt sich aber darin, daß das Kieseleisen durch Erwärmung und
                              darauf folgende plötzliche Abkühlung kaum merkbar an Härte zunimmt.
                           Aus Allem folgt daher, daß ein nicht zu bedeutender Kieselgehalt bei allen jenen
                              Eisensorten unschädlich, in Rücksicht der etwas vermehrten Härte vielleicht sogar
                              vortheilhaft sein kann, welche im ungehärteten Zustande und ohne einem Bedürfnisse
                              von besonderer Zähigkeit oder Festigkeit ihre Verwendung finden, und zwar um so
                              mehr, wenn zugleich ein entsprechender Mangangehalt vorhanden ist. Dagegen in allen
                              jenen Fällen, wo der Stahl für seinen Gebrauch gehärtet werden muß, und eine
                              möglichst große Festigkeit und Zähigkeit bewähren soll, wie dies bei dem
                              Werkzeugstahl allenthalben Bedingung ist, kann der Kieselgehalt nur nachtheilig
                              sein, und zwar in dem Grade mehr, als eine größere Menge davon vorhanden ist. Daraus
                              ist die Ursache ersichtlich, warum aus dem kieselreichen Roheisen kein guter
                              Bessemerstahl erzeugt werden kann; denn obgleich der meiste Kiesel beim Bessemern
                              abgeschieden wird, so bleibt doch stets eine um so größere Menge zurück, je mehr
                              davon im Roheisen vorhanden war.
                           Aus diesem Verhalten wird ferner auch erklärlich, warum bei den von mir
                              vorgeschlagenen, in Oesterreich-Ungarn wie in Deutschland ziemlich allgemein
                              eingeführten Numerationen von Nr. 1 bis Nr. 7 der Härtegrade des Bessemermetalles
                              die den härtesten Stahlsorten Nr. 1 und Nr. 2 entsprechenden Grade auf diesen
                              Bessemerhütten wegen ihrer zu großen Sprödigkeit nie zur Anwendung gelangen, wohl
                              aber diese beiden Nummern, welche bei kieselreinem Eisen einem Kohlengehalte von 1
                              1/2 und 1 1/4 Proc. entsprechen, unter den verkäuflichen Producten der schwedischen
                              Bessemerhütten, wenigstens bei der von Fagersta, ihre Repräsentanten finden.
                           Mögen daher immerhin in neuester Zeit mehrere schwedische Bessemerhütten es
                              vortheilhaft finden, für die Production der Schienen und Bandagen, gleich den
                              übrigen Ländern, zu einem mehr kieselreichen Roheisen überzugehen, so soll dies doch
                              jene Bessemerhütten, welche nach der Erzeugung eines eigentlichen Stahles trachten,
                              der im gehärteten Zustande seine Verwendung findet (wie z.B. der Sensenstahl), nicht
                              irre machen in der
                              Verwendung eines weniger kieselreichen Roheisens. Um aber bei diesem Roheisen
                              entsprechend hitzige Chargen zu erlangen, muß eine kürzere Blasezeit (d.h. mehr
                              Wind), ein hitziger Hohofengang bei basischer Beschickung, oder ein hitzigeres
                              Umschmelzen in Siemensöfen, oder erhitzter Wind beim Bessemern zu Hilfe genommen
                              werden. Oder man überlasse die Darstellung des eigentlichen (besonders des härteren)
                              Stahles, wie dies factisch und ganz zweckmäßig an mehreren Orten (so namentlich in
                              England) geschieht, der Tiegelgußstahl-Schmelzerei. Für die weicheren
                              Stahlsorten erscheint übrigens der Martinproceß eher am Platze zu sein als der
                              gewöhnliche Bessemerproceß, weil ersterer in Folge der dazu verwendeten
                              Rohmaterialien ein kieselreineres und dabei porenfreieres Product liefert als
                              letzterer.
                           Schließlich sei noch bemerkt, daß allerdings manche Tiegelgußstahl-Sorten
                              gleichfalls einen nicht unbedeutenden Kieselgehalt zeigen, daß dieser jedoch nur in
                              Folge von Zugaben kieselreicher Eisensorten (wie z.B. von Roheisen, wovon auch das
                              reinste im Vergleich zum Stahl stets kieselreich ist) entstanden sein kann; denn
                              diejenige Menge Kiesel, welche aus den Wänden des Schmelztiegels heraus reducirt und
                              zum Stahl übertreten könnte, kann blos ein kaum nennbares Minimum sein, weil, wenn
                              dem nicht so wäre, überhaupt kein kieselreiner Tiegelgußstahl erzeugt werden würde,
                              wie es denn doch thatsächlich der Fall ist.