| Titel: | Ueber die rasche Zerstörung des Eisens an Eisenbahnbrücken; von William Kent. | 
| Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 257 | 
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                        Ueber die rasche Zerstörung des Eisens an
                           Eisenbahnbrücken; von William
                              Kent.
                        Kent, über die rasche Zerstörung des Eisens an
                           Eisenbahnbrücken.
                        
                     
                        
                           Man hat schon häufig die Beobachtung gemacht, daß das an Eisenbahnbrücken
                              befindliche, der Einwirkung des Rauches und Wasserdampfes und heißer Gase von den
                              darüber fahrenden Locomotiven ausgesetzte Eisen eine größere Neigung zum Verrosten
                              zeigt, als Eisen, welches derartigen zerstörenden Einflüssen weniger ausgesetzt ist.
                              In manchen Fällen zeigten sich die an den oberen Theilen der Brücke befindlichen
                              eisernen Balken und Stangen bis zu solcher Tiefe vom Roste zerfressen, daß die ganze
                              Brücke gefährdet war. Es ist demnach eine nicht unwichtige Aufgabe, die Ursachen
                              dieser raschen Zerstörung näher zu ergründen, um die zur Verhütung derselben
                              anzuwendenden Mittel aufsuchen zu können.
                           Die nähere Untersuchung einiger dem Verfasser im Mai d. J. vom Ingenieur der
                              pennsylvanischen Eisenbahn, J. M. Wilson, zugesendeten,
                              von einer zu dieser Bahn gehörenden Brücke herstammenden angerosteten Eisenstücke
                              ergab (nach dem Journal of the Franklin Institute, Juni
                                 1875 S. 437) Folgendes. Mehrere von etwa 3mm starken, flachen Stücken waren beinahe zerreiblich und ließen sich
                              zwischen den Fingern zerbrechen, bei anderen genügte ein leichter Hammerschlag zu
                              ihrer Zertrümmerung. An ihrer Außenseite waren sie sämmtlich von einem rußigen
                              Ueberzuge bedeckt, der ohne Zweifel aus fein zertheiltem, aus dem Rauche des
                              Locomotivschornsteines abgeschiedenem Kohlenstoff bestand. In anderer Beziehung war
                              der Rost von dem unter gewöhnlichen Umständen an der Luft entstandenen Roste
                              durchaus nicht zu unterscheiden. Ein Theil jenes Rostes wurde fein gepulvert und in
                              einem Kölbchen mit ammoniakfreiem destillirtem Wasser übergossen; dann wurde der
                              Kolben dicht verschlossen und 14 Tage lang an einer warmen Stelle ruhig stehen
                              gelassen. Nach Verlauf dieser Zeit wurde das Wasser abfiltrirt und auf etwa gelöste
                              Substanzen untersucht. Dasselbe hatte einen stark bituminösen Geruch, reagirte aber
                              neutral; seine Oberfläche war mit einem dünnen öligen Häutchen bedeckt. Einer
                              sorgfältigen qualitativen Analyse unterworfen, zeigte es einen Gehalt an Eisen,
                              Ammoniak, Schwefelsäure, Spuren von Schwefligsäure und Chlor. Dagegen ließ sich die
                              Gegenwart von Salpetrig- und Salpetersäure nicht nachweisen. Ein besonderer
                              Antheil des Rostes wurde auf Kohlensäure geprüft, und diese fand sich in
                              beträchtlicher Menge vor. Zur Trockne verdampft, hinterließ die wässerige Lösung einen geringen,
                              gräulich gefärbten Niederschlag.
                           Diese Resultate lassen die Ursache der raschen Oxydation des Eisens sofort erkennen.
                              Die Gegenwart von Kohlensäure, von Schwefel- und Schwefligsäure, wie gering
                              ihre Menge auch sein mag, ist hinreichend, eine rasche Zerfressung des Eisens
                              hervorzurufen. Die Quellen, aus denen diese Substanzen herrühren, sind die aus der
                              Locomotivesse entweichenden Gase, welche neben Kohlensäure, Kohlenoxyd und Wasser
                              bei einem Schwefelgehalte des verwendeten Brennmaterials auch Schwefel- und
                              Schwefeligsäure enthalten. Das gefundene Chlor, wie auch das Ammoniak mögen aus der
                              Atmosphäre, wohl auch aus dem Speisewasser herrühren.
                           Es würde von Interesse sein, die specielle Wirkung eines jeden von diesen Gasen auf
                              das Eisen kennen zu lernen und zu ergründen, welches von ihnen am zerstörendsten
                              wirkt. Die über diesen Gegenstand vorhandene Literatur ist dürftig. Jedoch hat F. C.
                              Calvert in Manchester überzeugend nachgewiesen, daß
                              die Kohlensäure bei Gegenwart von Feuchtigkeit Corrosion des Eisens verursacht
                              (vergl. 1870 196 129). Außer diesen Versuchen erprobte
                              Calvert auch das Verhalten des Eisens gegen Seewasser
                              (vergl. 1868 180 301), sowie gegen sehr verdünnte Säuren,
                              namentlich Chlorwasserstoffsäure, Schwefel- und Essigsäure. In einem Falle
                              wurde das absolute Gewicht eines zwei Jahre lang in verdünnte Essigsäure gestellten
                              Gußeisenstückes von 15g,324 auf 3g,5, das specifische Gewicht desselben von
                              7,858 auf 2,731 reducirt, während es sein Volum und seine äußere Form beibehalten
                              hatte; das Eisen war aus der Masse allmälig aufgelöst oder ausgezogen worden und an
                              seiner Stelle war eine Kohlenstoffverbindung von geringerem specifischem Gewicht und
                              schwacher Cohäsion zurückgeblieben. Das ursprüngliche Gußeisen hatte 95 Proc. Eisen
                              und 3 Proc. Kohlenstoff enthalten; die neue Verbindung enthielt nur 80 Proc. Eisen
                              und 11 Proc. Kohlenstoff. In kohlensäurehaltiges Wasser eingetauchtes Eisen oxydirte
                              sich ebenfalls rasch; in diesem Falle schreibt Calvert
                              das Rosten nicht einer Bindung des im Wasser aufgelösten, sondern des aus dem Wasser
                              durch einen galvanischen Strom freigewordenen Sauerstoffes zu, was durch das
                              zweifellos nachgewiesene Freiwerden von Wasserstoff bestätigt wird u.s.w.
                           Diesen Untersuchungen gegenüber ist es nicht schwierig, die rasche Oxydation des
                              Eisens an Eisenbahnbrücken zu erklären. Alle die zur Erzeugung von Corrosion
                              nöthigen Bedingungen sind vorhanden. Die aus den Locomotiven entweichende
                              Kohlensäure und Feuchtigkeit würden an und für sich schon dazu hinreichend sein; rechnen wir
                              aber noch die durch die Analyse nachgewiesene Gegenwart von Schwefelsäure und Chlor
                              hinzu, so haben wir, sobald beide Körper von der Feuchtigkeit aufgenommen worden,
                              eine der kräftigsten Wirkung fähige saure Flüssigkeit. Ferner trägt auch ohne
                              Zweifel der kohlige Ueberzug zur Beförderung der Corrosion in größerem oder
                              geringerem Grade bei und zwar sowohl dadurch, daß er wie ein Schwamm wirkt, welcher
                              die Feuchtigkeit und die Säure in seinen Poren zurückhält, als auch durch seine
                              inducirende galvanische Wirksamkeit, da Kohlenstoff sich gegen Eisen elektronegativ
                              verhält.Hierin dürfte auch wohl der Grund der bekannten Thatsache liegen, daß
                                    graphitisches Roheisen leichter und rascher dem Rosten unterworfen ist, als
                                    unter sonst gleichen Bedingungen dies bei anderen Roheisensorten beobachtet
                                    wird.H. H.
                              
                           In Bezug auf diesen Gegenstand führte Kent einen Versuch
                              aus, um die Wirkung von Schwefligsäure auf Eisen festzustellen. In einem
                              Halbliterkolben wurden 50g reine, blanke
                              Drehspäne von Schmiedeisen, und in einen anderen ebensolchen Kolben 50g alte verrostete Lattennägel gebracht.
                              Hierauf wurden in jeden Kolben 10cc Wasser
                              gegossen, so daß der Inhalt nur befeuchtet war, dann wurde in beide Gefäße einige
                              Minuten lang ein Strom Schwefligsäuregas eingeleitet, worauf sie dicht verkorkt und
                              versiegelt wurden. In beiden Kolben übte das Gas eine sofortige und heftige Wirkung
                              aus. Die blanken Drehspäne wurden sogleich schwarz, und auf dem Boden des Kolbens
                              setzte sich ein weißer, sandähnlicher Niederschlag ab, der beim Umschütteln im
                              Kolben an den Wandungen sich ausbreitete und eine gräuliche, bald darauf aber
                              theilweise die rothgelbe Farbe von Eisenrost annahm. Die im anderen Gefäße
                              enthaltenen Lattennägel verloren zuerst ihren Rostüberzug und dann erschien derselbe
                              weiße Absatz, wie in dem ersten Falle. Hierauf wurde ein dritter Kolben mit 10cc Wasser versehen und dann mit
                              Schwefeligsäure versetzt, aber kein Eisen hinzugefügt, schließlich verkorkt und
                              versiegelt. Nach Verlauf einer Woche wurden die Gefäße geöffnet. Der Inhalt der
                              dritten Flasche verbreitete einen erstickenden Geruch von Schwefligsäure und zeigte
                              einen Gehalt an Schwefelsäure und Schwefligsäure; bei den beiden anderen war von
                              Schwefligsäure-Geruch nicht das mindeste zu bemerken, und das in ihnen
                              vorhandene Wasser enthielt schwefelsaures Eisenoxydul. Der an den Wandungen haftende
                              Absatz wurde in Chlorwasserstoffsäure gelöst und zeigte sich aus Schwefelsäure,
                              Eisenoxyd und Eisenoxydul zusammengesetzt. Die Drehspäne und Nägel wurden gewogen,
                              wobei sich ergab, daß sie beinahe 1 Proc. von ihrem ursprünglichen Gewichte verloren
                              hatten. Schwefligsäure wird also in Gegenwart von Feuchtigkeit und Eisen rasch zu Schwefelsäure
                              umgewandelt und das Eisen dadurch rasch zerfressen. Die aus den
                              Locomotivschornsteinen entweichende Schwefligsäure muß sonach als eines der bei der
                              Zerstörung der Eisenbahnbrücken thätigsten Agentien betrachtet werden.
                           
                              H. H.