| Titel: | Die Anwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag beim Hohofenbetrieb; von J. L. Bell. | 
| Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 260 | 
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                        Die Anwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag
                           beim Hohofenbetrieb;Vergl. dies Journal, 1851 119 353. 1853 130 349. 1872 204 39. von J. L. Bell.
                        Bell, über die Anwendung von gebranntem Kalk.
                        
                     
                        
                           Berücksichtigt man die große Anzahl von Calorien, resp. die entsprechende Menge
                              Coaks, die nothwendig ist, um die Kohlensäure des rohen Kalksteins im Hohofen
                              auszutreiben; berücksichtigt man ferner, daß ein Theil von dieser ausgetriebenen
                              Kohlensäure durch glühenden Kohlenstoff, resp. Eisen zu Kohlenoxyd reducirt wird,
                              wodurch ebenfalls eine bedeutende Wärmemenge gebunden wird, so liegt der Gedanke
                              nicht ferne, zum Zwecke von Brennmaterialersparniß eine vorherige Röstung des
                              aufzugichtenden rohen Kalksteins vorzunehmen.
                           Der Verlust an Brennstoff, der durch Anwendung von rohem Kalkstein im Hohofen
                              entsteht, ist sehr bedeutend, und betrug nach angestellten RechnungenBeim Schmelzen des Eisens im Hohofen werden wahrscheinlich (nach Bell's
                                    Abhandlung: Chemical Phaenomena an Iron
                                       Smelting) 6,58 Ctr. Kohlenoxyd in Kohlensäure übergeführt pro Tonne
                                    Roheisen. Der Gehalt an letzterer in dem verbrauchten Kalkstein betrug in
                                    einem gegebenen Falle 1,92 Ctr. Würde nun keine Kohlensäure zu Kohlenoxyd
                                    reducirt, so müßten sich pro Tonne Roheisen in den Gasen 6,58 + 1,92 = 8,5
                                    Ctr. Kohlenstoff als Kohlensäure wieder finden. Statt dessen wurden in den
                                    Gasen jedoch nur 5,47 Ctr. Kohlenstoff als Kohlensäure aufgefunden; es
                                    fanden mithin folgende Wärmeverluste statt.Die Reduction von Kohlensäure zu Kohlenoxyd, deren Gehalt an
                                          Kohlen-c  8,50 – 5,47 = 3,03 Ctr. betrug,
                                          absorbirte9696Die Zersetzung der Kohlensäure geschah durch eben so viel
                                          Kohlenstoff  als in der ersteren enthalten war,
                                          welcher Kohlenstoff also unverbrannt  dem Hohofen
                                          entging7272Die nothwendige Wärmemenge zur Zerlegung des Kalksteins
                                          betrug5920–––––22888Die verbrauchte Menge Coaks pro Tonne Roheisen in diesem Falle betrug 28,92
                                    Ctr., welche bei ihrer Verbrennung mittels Wind, der auf 452° C.
                                    erhitzt war, 104012c entwickelten.
                                    Es wurde also 22 Proc. der gesammten entwickelten Wärmemenge durch Anwendung
                                    von rohem Kalkstein verbraucht. (Die angegebenen Zahlen beziehen sich
                                    sämmtlich auf englische Einheiten.) 22888c pro Tonne Roheisens, was
                              einem Brennstoffaufwand von 22 Proc. der aufgegebenen Coaks entsprach. Praktische
                              Versuche haben allerdings in einzelnen Fällen ergeben, daß in kleineren Hohöfen bei
                              Anwendung von gebranntem Kalk sowohl eine etwas größere Production als auch eine
                              bessere Roheisenqualität, zuweilen auch eine sehr geringe Brennstoffersparniß erzielt wurde, während
                              dies bei größeren neueren Hohöfen, welche den älteren kleineren Oefen in
                              ökonomischer Hinsicht sonst bei weitem überlegen sind, nicht der Fall ist, und läßt
                              sich nach J. Lowthian Bell (Engineering, September 1875 S. 203) dieser scheinbare Widerspruch zwischen
                              Theorie und Praxis auch leicht erklären.
                           Die Reduction durch Kohlenoxyd sehr vieler (leicht reducirbarer) Erze beginnt schon
                              bei 200° und auch etwas früher. Die Producte dieser Reduction sind
                              Kohlensäure, Eisen und etwas Kohlenstoff. Desgleichen kann bei einer bestimmten
                              Temperatur Kohlensäure durch Kohlenstoff zu Kohlenoxyd reducirt werden.
                           Bei 410° fängt jedoch die gebildete Kohlensäure an, das bei niedriger
                              Temperatur gebildete Eisen zu oxydiren, und diese Oxydation tritt in einem um so
                              höheren Grade auf, je höher die Temperatur ist, so daß bei einer starken
                              Rothgluthitze ein Gemisch von Kohlensäure und Kohlenoxyd in gleichen Volumen dem
                              Eisenoxyd nur ein Drittel seines Sauerstoffgehaltes entzieht, während Eisen bei
                              dieser Temperatur von einem solchen Gemisch zwei Drittel von dem Sauerstoff
                              aufnimmt, den es als Eisenoxyd besitzt.
                           Bei Anwendung von gebranntem Kalk wird dem Hohofen factisch Wärme zugesetzt, indem
                              ein Calciniren des rohen Kalksteins im Hohofen umgangen wird, und die Gegenwart
                              dieser Wärme gibt sich durch eine Temperaturerhöhung der entweichenden Gase kund.
                              Eben diese Temperaturerhöhung bewirkt aber eine stärkere Bildung von Kohlenoxyd im
                              Verhältniß zu Kohlensäure, sei es daß die oxydirende Kraft der letzteren verstärkt
                              und deshalb eine größere Menge Kohlenoxyd zur Reduction nothwendig wird, oder sei
                              es, daß sie durch Kohle leichter zu Kohlenoxyd reducirt wird. Was auch immer die
                              rechte Ursache sein mag, eine Folge von beiden ist, als wäre weniger Kohlenstoff zu
                              Kohlensäure verbrannt worden, was einem Brennstoffverbrauch gleich kommt.
                           In unserem Falle ist also durch zugesetzte Wärme bei Gebrauch von gebranntem
                              Kalkstein Brennstoff verbraucht worden, so daß der Gewinn auf der einen durch einen
                              Verlust auf der anderen Seite aufgehoben wird.
                           
                              P. M.