| Titel: | Ueber Sulfatöfen mit Gasheizung; von Dr. Georg Lunge (South-Shields). | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 303 | 
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                        Ueber Sulfatöfen mit Gasheizung; von Dr.
                           Georg Lunge
                           (South-Shields).
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              VII [c.d/4].
                        Lunge, über Sulfatöfen mit Gasheizung.
                        
                     
                        
                           Vor einigen Jahren gab ich in diesem Journale (1871 202
                              80) eine Beschreibung (nach dem officiellen Berichte von Dr. R. A. Smith) des Sulfatofens mit
                              Gasheizung, wie er in den Runcorn Soap and Alkali Works
                              ausgeführt war. In dem soeben publicirten 11. Berichte von Dr. Smith an die Regierung ist eine neue Form
                              eines Sulfatofens mit Gasheizung erwähnt, welche mich veranlaßt, auf den Gegenstand
                              überhaupt zurückzukommen.
                           Kurze Zeit, nachdem ich den zu Runcorn fungirenden Ofen nach Smith beschrieben hatte, wurde mir die Aufgabe, unsere ganze
                              Sulfatfabrikation nach
                              einer anderen Stelle der Fabrik zu verlegen, und war es dabei selbstredend, daß die
                              damals bekannte beste Construction angewendet werden mußte. Veranlaßt durch die
                              warme Empfehlung in dem Smith'schen Berichte begab ich mich an Ort und Stelle, wo
                              mir von dem Dirigenten der Fabrik dieselbe günstige Auskunft über die Leistungen des
                              Ofens gegeben wurde. Auch wurden mir Constructionspläne sowohl des Gasgenerators als
                              des Ofens incl. Pfanne überlassen, und der Maurerpolirer, sowie einer von den
                              Heizern, welche bei dem Ofen thätig gewesen waren, ebenfalls zeitweise zur Verfügung
                              gestellt. Ich entschloß mich demnach zur Anlage des Gasofens, trotz der viel höheren
                              Anlagekosten, namentlich weil ich eine höhere Ausbeute an starker Salzsäure zu
                              erzielen wünschte und, nach den Angaben der Herren zu Runcorn, auch an Löhnen und
                              Feuerung zu sparen hoffte. Trotzdem nun mein Ofen eine identische Copie desjenigen
                              zu Runcorn war, und von demselben Heizer in Betrieb gesetzt wurde, konnte ich von
                              vornherein auch nicht entfernt die Resultate erreichen, welche mir dort in Aussicht
                              gestellt worden waren. Gleich von Anfang an stellte es sich heraus, daß der Ofen
                              viel zu lang war; die Gasflamme, nachdem sie unter dem 30 Fuß engl. (9m, 145) langen Herde hingestrichen war, um
                              über denselben (nicht durch ein Gewölbe von der Charge
                              getrennt) zurückzukehren, vermochte nur ein Viertel bis höchstens ein Drittel der
                              Ofensohle auf den zum Rösten des Sulfates unumgänglich nöthigen Temperaturgrad zu
                              bringen; der übrige Theil des Ofens war ganz nutzlos und das Ausbringen in Folge
                              davon sehr gering. Ich half diesem Fehler dadurch ab, daß ich den Ofen in zwei
                              Theile zerschnitt und beide mit unabhängiger Gasleitung versah, so daß ich also
                              statt eines langen Ofens von 30 Fuß (9m,
                              145) Sohle zwei kurze von je 15 Fuß (4m,570) Sohle, und zwar jeder mit einer Pfanne versehen, arbeiten hatte. Ich
                              konnte jetzt doch einigermaßen regelmäßig arbeiten; aber nach dreijährigem
                              geduldigem Herumprobiren kam ich vor etwas über einem Jahre zu dem Entschlusse, das
                              ganze Princip aufzugeben und zu der am Tyne überhaupt üblichen Construction
                              zurückzukehren.
                           Wenn ich in Kürze die mich dazu bewegenden Gründe angebe, so brauche ich mich bei
                              praktischen Lesern nicht erst zu entschuldigen. Ist es doch ein ständiges Uebel der
                              technischen Literatur, daß zwar die meisten Erfindungen und wirklichen oder
                              vermeintlichen Verbesserungen ziemlich rasch veröffentlicht werden, daß aber in der
                              Regel keine Notiz darüber zu finden ist, wenn ein Verfahren sich nicht bewährt, sei es, daß es todt geboren war, oder daß
                              es nach längerem Betriebe allmälig aufgegeben worden ist. Seine Beschreibung pflanzt
                              sich dann durch alle Handbücher fort, und führt in denselben zur Erbauung fremder Techniker noch
                              viele Jahre ein Scheinleben, nachdem es in seiner Heimath längst todt und begraben
                              worden ist. Ganz unerklärlich ist dies nicht, denn Niemand liebt es, seine Mißgriffe
                              an die große Glocke zu hängen.
                           Ich verließ die Gasheizung einmal, weil die Construction des Ofens nicht zweckmäßig
                              und ein Umbau desselben local nicht gut thunlich war, und zweitens, weil die
                              erwarteten Vortheile sich sämmtlich illusorisch zeigten. Die Construction des Ofens,
                              welche aus meiner erwähnten Publication ersehen werden kann, war schlecht, insofern
                              für ein Erhitzen der dem Generatorgas zugeführten Luft gar nicht gesorgt war und in
                              Folge dessen große Rauchbildung eintrat – um so mehr, als die Regulirung des
                              Luftquantums durch die vielen kleinen Schieber zu schwierig war und von den
                              Arbeitern factisch nicht durchgesetzt werden konnte. Dadurch fiel aber der Vortheil
                              fort, welcher für die leichtere Condensation der Salzsäure erwartet worden war, und
                              in der That ließ sich starke Säure aus dem Röstofen nicht, oder doch nur
                              ausnahmsweise, gewinnen. Dieser Fehler ließe sich freilich abstellen; ich hatte auch
                              schon eine Construction dafür entworfen, welche aber nicht mehr zur Ausführung kam
                              und wohl auch nie mehr dazu kommen wird. Sie sollte zugleich einem anderen
                              Uebelstande des Ofens abhelfen, nämlich dem bei aller Sorgfalt in der Ausführung
                              immer bald eintretenden Durchschmelzen von Sulfat in die Feuerzüge unter der Sohle.
                              Meine neue Construction, welche ich eben nur mit einigen Worten andeuten kann,
                              bestand darin, die Feuerzüge unter dem Ofen ganz aufzugeben; das Gas sollte durch
                              die Feuerbrücke eintreten und nur über die Ofensohle streichen; die Luft sollte
                              durch eine einzige, mit Ventil zu regulirende Oeffnung unter der Ofensohle an dem
                              der Feuerbrücke gegenüber liegenden Ende eintreten, in einer Reihe eiserner Röhren
                              unter der Ofensohle hinstreichen und sich dabei erwärmen und ebenfalls durch die
                              Feuerbrücke mit dem Gase in Berührung kommen. Für leichte Zugänglichkeit und
                              Reinigung war gesorgt, und auch ein anderer heißer Luftstrom durch ein doppeltes
                              Deckgewölbe in Aussicht genommen. Dies würde wohl jedenfalls den Ofen bedeutend
                              leistungsfähiger gemacht und Brennmaterial erspart haben; ich hatte aber nicht die
                              Zuversicht, ein neues Fiasco zu riskiren, und führte meine schon entworfene
                              Zeichnung nicht in der Praxis aus. Ich heize seit einem Jahre wieder die Pfannen
                              durch Unterfeuer mit Kohlen, und die Oefen durch Flammfeuer mit Coaks (letzteres um
                              auch aus dem Calcinirofen hinreichend starke Salzsäure für Weldon's Chlorverfahren
                              zu erzielen), und die Vergleichung beider Verfahren gibt folgende Resultate.
                           1) Leistungsfähigkeit. Mit dem Gasofen war es mir nicht
                              möglich, mehr als 9
                              oder höchstens 10 Chargen von je 7 Ctr. Kochsalz per Schicht von 12 Stunden zu
                              erreichen; nur ganz ausnahmsweise kamen wir hin und wieder einmal auf 12 Chargen,
                              und wenn der eine Heizer an den Generatoren betrunken war (was in England zu den mit
                              der Regelmäßigkeit von Naturgesetzen periodisch auftretenden Erscheinungen gehört),
                              so setzte dies nicht nur 4 Arbeiter an 2 Pfannen und 2 Oefen in halbe oder ganze
                              Unthätigkeit, sondern es dauerte auch meist 24 Stunden, ehe mit der größten
                              Anstrengung der Oberarbeiter die Generatoren wieder in Ordnung gebracht werden
                              konnten. Bei dem jetzigen Verfahren setzen wir ganz leicht und mit völliger
                              Regelmäßigkeit in jedem Ofen 12 Chargen von je 8 Ctr. Kochsalz per 12 Stunden durch,
                              und wenn wir hinreichende Schwefelsäure hätten, so würden wir natürlich, wie mehrere
                              unserer Nachbaren, 9, 9 1/2 oder selbst 10 Ctr. Kochsalz per Stunde und Ofen
                              verarbeiten. Wenn ein Mann nicht seine Schuldigkeit thut, so wirkt dies nur local
                              und ganz vorübergehend; jeder einzelne Arbeiter ist für seine Feuerung
                              verantwortlich und kann nicht, wie früher, die Schuld auf die Generatorheizer
                              schieben.
                           2) Arbeitslohn. Die Heizer an den Generatoren (2 bei Tage,
                              1 bei Nacht, zusammen 3 für 2 Pfannen und Oefen) werden erspart; jeder Ofenarbeiter
                              besorgt seine eigene Feuerung, und es wird nur, in Folge der erhöhten Production,
                              ein gewöhnlicher Arbeiter per Schicht zum Wegkarren des Sulfats gebraucht, was die
                              Ofenarbeiter früher selbst thaten. Während der Arbeitslohn per Tonne Sulfat bei
                              Gasheizung (incl. aller Nebenarbeiten) 6 sh. 4 d. kostete, beträgt er jetzt, trotz allgemeiner
                              Lohnsteigerung, nur 4 sh. 4 d.
                           3) Qualität des Sulfats. Dieselbe wurde nach Einführung
                              der gewöhnlichen Röstung mit einem Schlage viel besser,
                              weil der Arbeiter mehr Hitze anwenden kann, was sich denn auch sofort und nachhaltig
                              im Gehalte der Soda zeigte. Bei erhitzter Luft dürfte das Resultat auch mit
                              Gasfeuerung gut sein.
                           4) Brennmaterial. Bei Gasfeuerung verbrauchte ich, statt 5
                              1/2 Ctr. per Tonne Sulfat, wie es Hrn. Dr. Smith angegeben wurde, beinahe das Doppelte, nämlich
                              gerade 50 Proc. von dem Gewichte des Sulfats, und zwar stellte es sich ganz
                              unmöglich heraus, gewöhnliche gute gasreiche Kleinkohle anzuwenden, wie sie für
                              unsere Flammöfen ein ganz ausgezeichnetes Material ist, um das uns unsere Collegen
                              in Lancashire und auf dem Continent beneiden; wir mußten vielmehr die besten
                              Gasstückkohlen anwenden, um ein einigermaßen regelmäßiges Feuer zu erhalten, und
                              diese Kohlen kosten etwa das Doppelte der Kleinkohlen. Ich muß jedoch sagen, daß die
                              Construction der Generatoren darauf wohl Einfluß gehabt hat und bei längerem Herumprobiren und
                              Versuchsbauten von neuen Generatoren auch ein billigeres Brennmaterial anwendbar
                              geworden wäre. Dagegen dürfte eine Verminderung von dessen Quantität (50 Proc. des Sulfats) wohl nicht zu erwarten sein, wenn nicht
                              die Erhitzung der Luft darauf angewendet wird. Jetzt brauche ich (nach 12monatlichem
                              Durchschnitt) 13 1/2 Proc. des Sulfats an Kohlen für die Pfannen und 17 Proc. an
                              Coaks für die Oefen.
                           5) Reparaturen. Durchschnitt für Gasfeuerung (Oefen und
                              Generatoren, aber exclusive neuer Pfannen) per Tonne Inhalt: 2 sh. 1 d. Bei jetzigem
                              Verfahren: 1 sh. 5 d.
                           Auch passirte mir das Unglück, daß eines Sonntags, trotz aller Vorsichtsmaßregeln und
                              Verhaltungsvorschriften, ein Arbeiter ein Versehen beging, wodurch beim Anheizen Gas
                              in den Condensationsthurm drang, dort explodirte und die Thürme vollständig
                              zerstörte, was mehrmonatlichen Stillstand zur Folge hatte. Beim gewöhnlichen
                              Verfahren kann dies nicht vorkommen.
                           6) Salzsäure. Ich habe schon oben bemerkt, daß ich jetzt
                              mit den Calciniröfen viel mehr und stärkere Säure als früher bekomme. Freilich muß
                              ich dazu die Calciniröfen mit den theueren Coaks heizen; bei Kohlenfeuerung würde
                              aus dem Ofen nur schwache Säure erzielt werden können.
                           So viel ist also gewiß, daß der von mir 1871 beschriebene Ofen und Generator sich nicht bewährt hat, aber ein Theil der erwähnten
                              Uebelstände wird jedenfalls vermieden, wenn man die Luft erhitzt, ehe sie zu dem
                              Generatorgase tritt, und es wird wohl jedenfalls die Leser interessiren, den von Gamble construirten Ofen zu sehen, welchen Dr. Smith in seinem neuesten
                              Berichte erwähnt.
                           Derselbe ist in Fig.
                                 18 bis 22 abgebildet, und ersieht man daraus, erstens wie die Luft durch die 9
                              Fuß (2m,745) langen Eisenrohre eintritt, um
                              welche das entweichende Flammfeuer streichen muß, und zweitens, daß das Princip hier
                              auf einen Muffelofen angewendet ist, wie sie nun einmal in Lancashire in der Mode
                              sind, während hier am Tyne Niemand etwas davon wissen will. Die eine von den
                              verschiedenen Schattenseiten der Muffelöfen, nämlich das Lecken von Salzsäuregas aus
                              der Muffel in den Feuerraum, soll an Gamble's Ofen dadurch vermieden werden, daß dem
                              Generatorgase größere Pressung gegeben wird als dem Gase im Inneren der Muffel; dies
                              soll durch sorgfältige Adjustirung der Schornsteinregister geschehen. Ich muß mich
                              zu ungemein starkem Skepticismus über den praktischen Erfolg dieser Regulirung für
                              den Alltagsbetrieb bekennen. Nach Smith hat Gamble drei solcher Oefen gebaut und soll einer davon schon 2
                              Jahre in Betrieb sein, ohne Reparaturen zu brauchen. Solche wundersame Erfolge habe
                              ich weder selbst erreicht, noch irgendwo gesehen. Nach derselben Angabe soll der
                              Kohlenverbrauch derselbe wie bei einem gewöhnlichen Muffelofen sein; der Arbeitslohn
                              ist gewiß höher, und fragt man sich: warum überhaupt Gas
                              zur Muffelheizung, außer etwa für den recht problematischen Ueberdruck im Feuerraum
                              gegen die Muffel?
                           Zum Schluß, obwohl nicht direct hierher gehörig, will ich noch aus Smith's Bericht der mir schon früher mündlich
                              mitgetheilten Thatsache erwähnen, daß in mehreren Fabriken Lancashires statt der
                              irdenen (Steingut-) Röhren zur Leitung des Gases aus Sulfatpfannen und
                              Muffelöfen solche von Glas (ziemlich dünn) mit bestem
                              Erfolge benützt werden. Sie springen weniger als die irdenen Röhren, halten ganz
                              dicht und kühlen ausgezeichnet.
                           12. October 1875.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
